World of X

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Das Kind des Mörders

von Tangerine Krycek

Alles kommt zurück

Ein tiefes, sonores Brummen und sanfte Erschütterungen, die jedoch mit einem plötzlichen, stechenden Kopfschmerz einhergingen, ließen Amber wach werden. Zunächst war sie orientierungslos und hatte Mühe die Augen zu öffnen. Dunkelheit umgab sie und sie tastete um sich. Jedoch genügte ein Geräusch, das sie zusammenschrecken ließ und dafür sorgte, dass ihr ein eiskalter Schauer über den Rücken lief.
Es begann nach warmem Zigarettenrauch zu riechen, sodass sie den Kopf reflexartig zur Seite drehte und ihren Würgereiz zu unterdrücken versuchte.

,Sind sind wach, Mrs. Scully... ' vernahm sie die Stimme des Rauchers und begann sich erneut zu ekeln.

Ambers Herz raste – erfüllt von Wut und Furcht. Dennoch konnte sie nicht anders und zischte heiser:

,Was wollen Sie von mir?'

Trotz der Dunkelheit konnte sie ausmachen wie sich seine Lippen zu einem listigen Lächeln kräuselten, bevor er antwortete:

,Sie spielen eine ganz besondere Rolle in diesem Spiel.'

Fröstelnd umfasste Amber ihre Oberarme und drückte sich soweit es ging gegen die Autotür, beinahe so als könne sie aus dieser fliehen und entgegnete dem Raucher:

,Und welche Rolle sollte das sein?'

,Sie sind diejenige, die Alex Krycek auf eine ganz besondere Art für uns angreifbar macht. Dieser war ja, wie ich sehe, nicht ganz unbeteiligt an ihrem derzeitigen Zustand.'

Seine Blicke fielen zu Ambers Bauch, doch diese umfasste ihn abrupt und schützend. Das Blut in ihren Adern begann zu kochen und sie antwortete leise:

,Sie sind einfach nur krank und pervers!'

Erneut zog er an seiner Zigarette und fuhr mit amüsiertem Unterton fort:

,So? Sie halten mich also für gestört? Wissen Sie Mrs. Scully, wir haben Sie schon lange beobachtet und zugegebenermaßen haben Sie mich enttäuscht. Sie, der doch Zweifel und Misstrauen in die Wiege gelegt wurden, lassen sich blind auf jemanden wie Alex Krycek ein. Sie werden schon bald erkennen, dass das der größte Fehler ihres Lebens war.'

Amber schnappte hektisch Zigarettenrauch geschwängerte Luft durch den Mund und kniff die Augen zusammen. Jeder Muskel ihres Körpers verkrampfte sich und doch war sie ohnmächtig sich, außer mit Worten, zur Wehr setzen zu können.

,Was genau haben Sie mit mir vor?'

Er antwortete nicht, griff kurz in die Brusttasche seines Jackets und holte eine weitere Zigarette aus dieser hervor, bevor er, nachdem er diese angezündet hatte, fort fuhr:

,Es grenzt schon fast an einer bitter süßen Ironie, dass Sie sich mit dem Feind verbündet haben. Sicherlich war es ein enormer Schock für Ihr Elternhaus, als Sie ihnen in all Ihrer Naivität von Ihrer neuen Bekanntschaft berichteten und diese Ihnen daraufhin versuchten die Augen zu öffnen, für das was Alex Krycek wirklich ist. Ihre Rolle in diesem Spiel erinnert sehr an die Seine, denn kaum jemand weiß was man von Ihnen halten soll. Ich denke dabei an Ihren Ruf im FBI. Haben Sie sich jemals gefragt, weshalb man Ihnen seit Beginn den Zugang zu sämtlichen Details der Vergangenheit verwehrte?'

Amber schnauffte und schluckte, ihre Augen funkelten und sie blickte zu dem Raucher, während sie heimlich begann in ihrer Jackentasche zu tasten in der Hoffnung sie würde ihr Handy finden, bevor sie antwortete:

,Wenn Sie mich so gut kennen, müssten Sie doch wissen wie oft ich mir diese Frage gestellt habe... '

Bevor Amber noch etwas hinzufügen konnte, fiel er ihr ins Wort und erzählte weiter mit seiner tiefen, sonoren Stimme.

,Niemand wollte, dass nach all den Jahren einer scheinbaren Versöhnung, der Illusion von Vergessenheit, alte Wunden aufgerissen werden. Alles war gut, so lange niemand sprach oder Fragen stellte. Dann kamen Sie, wurden größer, ähnelten zunehmend dem arroganten, unerbittlichen Charakter ihres Vaters. Sie begannen Fragen zu stellen. Unangenehme Fragen auf die Sie jedoch nie eine Antwort erhielten.'

,Und worauf wollen Sie hinaus?' Ambers Unterton wurde immer gereizter.

,Ihre Eltern wollten Sie mit ihrem Schweigen vor alle dem bewahren, was sie selbst in ihrer Vergangenheit durchgemacht hatten. Doch Sie mussten wohl erkennen, dass diese Wortkargheit einer Lüge zu gleichen begann, die Ihre Neugier noch mehr schürte. Es war schon ein eigenartiger Zufall, dass Sie dann Alex Krycek begegneten, der Ihnen so gut wie alles offenbarte. Haben Sie eigentlich jemals an dem gezweifelt was er sagte? Immerhin trägt er eine Mitschuld an dem, was ich Ihnen bisher antun musste. Aber er hatte uns bisher keine andere Wahl gelassen... '

Der Morgen begann zu grauen. Die ganze Zeit war ihnen kein anderes Fahrzeug auf dem langen Highway entgegen gekommen und je mehr es dämmerte, umso mehr fügten sich in Ambers Kopf die Teile dieses Puzzles zusammen. Sie gestand sich ein genügend von Alex zu wissen, um ihn zu hassen, doch sie tat es nicht, denn sie verließ sich von Anfang an auf ihre Intuition, die ihr verriet, dass seine Seele ebenso gebrochen war wie die Ihre. Deshalb verzieh sie ihm. Deshalb war nur sie imstande das in ihm zu sehen, was er wirklich war.

Die Furcht wich ihrer unbändigen, beinahe überschäumenden Wut und sie entgegnete lautstark:

,Sie widerliches Dreckschwein! Sie benutzen mich, um ihn in eine Falle zu locken und ihm, den angeblichen Verrat, den er begangen haben soll, heimzuzahlen. Was sind Sie nur für ein krankes, abartiges Monster?! Damit werden Sie niemals durchkommen... niemals!!!'

,Ach nein?' entgegnete er Amber, zog beiden Brauen zu einem gespielt erstaunten Gesichtsausdruck hoch und fuhr mit einem hämischen Grinsen fort.

,Glauben Sie tatsächlich, dass es jetzt noch jemanden gibt, der Ihnen helfen können wird? Wenn ich daran denke wie Sie bisher mit Menschen umgegangen sind, wage ich ernsthafte Zweifel daran zu hegen.'

Sie wusste, dass er sie provozieren und reizen wollte und rechnete vermutlich doch nicht mit einem letzten Sturm Ambers Kraft. Sie starrte eine Weile nur vor sich her, presste beide Lippen aufeinander, ertastete so unauffällig sie es konnte das Handy in ihrer Jackentasche, zog ihre Hand langsam aus dieser und berührte, als Ablenkungsmanöver dienend, ihre Schläfe, an der noch immer warmes Blut klebte und leicht hervortrat. Sie betrachtete die rote Farbe, die sie nach der Berührung an Zeigefinger und Mittelfinger hatte und holte tief Luft.

Es wurde still. Kein Brummen der Motoren. Kein Atem. Ihre Ohren schienen für einen Augenblick taub zu sein. Ein Hauch, ein Windstoß, der immer stärker wurde, je mehr sie das verinnerlichte, was der Raucher gesagt hatte.

Und plötzlich ein Ausbruch, ein Tornado erfüllt von Wut, Hass und Vergeltung.

Amber holte aus, wollte ihn kratzen und auf ihn einschlagen. Doch so gebrechlich er wirkte, er fing ihre Faust ab und drückte ihre Hand so sehr, dass ihre Knochen zu knacken begannen und dem Geräusch und Schmerz nach zu urteilen splitterten. Sie unternahm einen weiteren Versuch und fasste ihm ins Lenkrad, sodass das Auto ins Schleudern geriet und kurze Zeit später im Schutt der Straßenseite zum Stehen kam. Sie hatte aus einem Affekt heraus gehandelt, ähnlich wie es Alex damals getan haben musste. Und trotzdem er sich ihr nie weiter erklären wollte, verstand sie das, was er getan hatte nun umso besser.
Es war zu viel Aufregung. Eine zu große Anspannung. Ihr wurde schwindelig und der Schmerz in ihrem Kopf wurde stärker und pochender. Sie hatte keine Kraft mehr und sank nach ihrem kläglich gescheiterten Versuch auf dem Beifahrersitz zusammen, umfasste sich selbst so fest sie es konnte und starrte zu Boden, sodass ihre Haare strähnig ihr Gesicht verdeckten.

Das letzte was Amber vernahm und spürte, war ein klickendes Geräusch, einen dumpfen Stich im Oberarm und die Worte 'Ein netter Versuch'.
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