World of X

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Das Kind des Mörders

von Tangerine Krycek

Hättet Ihr mir geglaubt

Sie machten sich wieder auf den Heimweg, jedoch verriet Ambers Gesichtsausdruck, dass sie nur wenig zufrieden war mit dem, was ihre Eltern für sie tun konnten. Wieder schwelten Gewissensbisse und Zweifel in ihr und raubten ihr vorübergehend die Luft zum Atmen. Selbst auf Alex Berührungen während der Autofahrt reagierte sie kaum und blickte nur hin und wieder sporadisch zu ihm. Sie wusste, dass ihre Reaktion falsch war, denn sie wusste, dass sie ihm damit weh tat, er sich jedoch nichts anmerken ließ. Intuitiv wusste Alex, dass Amber Zeit brauchte um sich wieder zu besinnen und aufzutauen und diese wollte er ihr geben.

Was ihm jedoch noch immer schwer im Magen lag, war das Wissen um etwas, das Amber schon längst hätte erfahren sollen. Und nun, wo er der schweigenden Bitte Danas nachkam, fühlte er sich ebenso schlecht und schuldig.

Amber krallte sich an dem Fetzen Papier fest, den sie von ihrem Dad bekommen hatte. So sehr, dass dieser inzwischen von ihren schwitzigen Hände feucht geworden war. Heute Abend würde sie zu jenem Ort müssen, den sie oft mit viel Abneigung betreten hatte. Doch so sehr sie sich auch anstrengte eine andere Lösung des Problems zu finden, dies schien in jenem Moment die einzig logische zu sein.

Sie fühlte sich erschöpft und müde und ließ den Kopf langsam auf das weiche Kissen sinken. Es glich augenblicklich einer bitter süßen Ironie in Alex Apartment überhaupt ein Auge zu schließen, doch die Müdigkeit, die ihre Schwangerschaft verursachte, übermannte Amber oft schwer, sodass sie sich gegen diese nicht wehren konnte.

Alex tat es ihr gleich, obwohl er sich keineswegs erschöpft fühlte. Sie hatte ihm den Rücken zugewandt und starrte in Richtung des Fensters, durch das hin und wieder ein kühler Luftzug kam. Seine Finger strichen durch die Wellen ihres Haares und bahnten sich den Weg zu Ambers nackter Schulter, auf der sich sofort eine Gänsehaut abzeichnete. Sie drehte sich zu ihm um und sah in seine grünen Augen. Aus einem ihr unerfindlichen Grund kam sie nicht umher ihn kurz anzulächeln, wenngleich diese Regung innerhalb weniger Sekundenbruchteile wieder verflog.

Sie schmiegte ihren fröstelnden Körper so dicht sie es vermochte an seinen und er gab ihr den Halt den sie brauchte. In all ihrer Nervosität begann Amber an ihrem Daumennagel zu kauen und warf mit erstarrtem, wässrigen Blick heiser in den Raum:

,Ich habe Angst.'

Er verstand ihr Gefühl, denn es war nach alle dem was passiert war nur menschlicher als menschlich.

Alex erhöhte den Druck seiner Umarmung und antwortete nur:

,Ich weiß.'

Die Nacht war schwarz über Washington D.C. hereingebrochen und in den tristen Schatten und verschwommenen Lichtern der Stadt wirkte alles düster und geheimnisvoll.

Sie hatte lange geschlafen und quälte sich nun aufzustehen. Amber verweilte eine ganze Weile auf dem Bett und stützte ihren Kopf mit den Händen. Ihre Gefühle schienen so widersprüchlich und unverständlich für einen Außenstehenden zu sein. Auf der einen Seite hatte das, was geschehen war, den Kampfesgeist in ihr geweckt, auf der anderen Seite fühlte sie sich viel zu schwach und zu machtlos, um sich überhaupt in irgendeiner Art regen geschweigedenn wehren zu können.

Es würde nicht mehr lange dauern und sie wäre bald wieder an jenem Ort, den sie zu hassen gelernt hatte, denn auch dort erhielt sie nur selten die Anerkennung, die Aufmerksamkeit und den Respekt, den sie sich so oft gewünscht hatte. Um mit dieser Art von Verletzungen zurecht zu kommen und ihren Schmerz zu verbergen, hatte sie im Laufe der Zeit ein abweisendes Verhalten allem und jedem gegenüber entwickelt. Immer mit dem Bewusstsein, dass sich dadurch jedoch nichts ändern würde. Nur Alex hatte es geschafft ohne großes Zutun diese harte Schale zu knacken und ihren weichen, verletzlichen Kern zu entdecken. Und dafür war sie ihm, auf eine besondere Weise, dankbar.

Nur noch auf wenigen Etagen des FBI Headquartes brannte Licht. Amber blinzelte in diese und drückte Alex Hand so fest sie konnte. Er sah zu ihr runter und berührte dann sanft ihr Gesicht.

Vor dem Eingang des Gebäudes konnten sie verschwommen zwei Gestalten ausmachen, die dort auf jemanden zu warten schienen. Als sie sich ihnen nährten erkannten sie, dass es Dana und Fox waren.

Eiligen Schrittes gingen Alex und Amber auf sie zu.

,Was wollt Ihr denn hier?' fragte Amber aufbrausend und zugleich verwundert.

,Wie willst du mit Krycek dieses Gebäude betreten?' entgegnete ihr Fox, jedoch nicht sonderlich gerührt.

Sie wollte zu einer Antwort ansetzen, doch Dana unterbrach sie und zeigte mit einer Kopfbewegung, dass sie ihr folgen sollten. Amber biss sich auf die Unterlippe und sah mit einem entschuldigenden Blick zu Alex auf.

Das Geräusch der Absätze ihrer Schuhe verlor sich auf dem Marmorboden und der Größe der Eingangshalle. Nicht einmal die vielen Jahre, die Amber hier verbracht hatte, änderten etwas an dem Gefühl des Unbehagens. Fox schien bereits voran gegangen zu sein, denn von ihm fehlte jede Spur. Dana hingegen sprach mit einer der Security, die daraufhin kurz zu Alex und Amber sah und nickte.

Amber zog einen Mundwinkel nach oben und löste sich von Alex Hangriff, während sie die Arme vor dem Bauch verschränkte und kopfschüttelnd von sich gab:

,Und ich dachte, ich würde hier arbeiten.'

Gemeinsam stiegen Alex, Amber und Dana in den Aufzug. Zunächst schwiegen sie und sahen einander nur an, bis es aus ihrer Tochter hervorbrach:

,Was soll das Mum? Denkst du nicht, dass ich inzwischen genug habe von dieser Geheimniskrämerei? Und nun behandelt man mich auch hier wie eine Fremde!'

Noch bevor Dana antworten konnte, erreichten sie das Stockwerk in dem sich das Büro des Assistent Directors befand. Die Gänge waren lang und dunkel und nur durch eine der zahlreichen Türen drang ein dezenter Lichtschein hervor.

Sie verweilten einige Augenblicke vor Skinners Büro und plötzlich spürte Amber einen schmerzhaften Druck auf ihrer knochigen Schulter. Es war Alex, der sich an ihr fest hielt und sie ahnte weshalb.

Vor seinem geistigen Auge manifestierten sich innerhalb weniger Sekunden all die Dinge, die er an diesem Ort verbrochen hatte. Es waren schreckliche Ereignisse, die ihm nun nach Jahren noch bewusster wurden. Damals war er derjenige, der oft über Leben und Tod eines Menschen entschied. Er war derjenige, der jemanden jagte. Und nun, nach all dieser Zeit, wurde er selbst zum Gejagten und schien erneut jemand Unschuldigen in einen Strudel düsterer Geheimnisse und Verschwörungen hinein zu ziehen. Vielleicht wäre es einfacher gewesen, hätte er sich nicht in Amber verliebt. Vielleicht wäre es einfacher gewesen, wären sie in jener Nacht vorsichtiger gewesen und würde nun nicht ein neues Leben in Amber heranreifen. Doch für ein Vielleicht war es zu spät. Nun würde er erneut zu alle dem stehen müssen, was er getan hatte und er würde mit der Gewissheit leben müssen, dass sich jeder in seiner unmittelbaren Nähe nichts mehr als seinen Tod herbei sehnte. Bis auf die Eine, die trotz seiner Schattenseiten zu ihm hielt. Amber.

Dana klopfte zarghaft an die Tür, dann öffnte sie sie. Anstatt als Erste Skinners Büro zu betreten, deutete sie Amber an, dass sie doch vorgehen möge. Und plötzlich schlug dieser das Herz bis zum Hals, doch sie tat es.

Das Licht war defus und die dunklen Ledermöbel schluckten ebenfalls Helligkeit. Fox hatte sich an Skinners Tisch gelehnt und sah zu Amber. Alex hingegen würdigte er keines Blickes. Assistent Director Skinner stand von einem der Sessel auf und ging auf die Beiden zu.

Amber schluckte schmerzhaft, versuchte dem Ausdruck seiner Augen stand zu halten, sah jedoch kurze Zeit später weg und ließ sich auf die ledernen Polster sinken.

Niemand hatte bisher auch nur ein Wort von sich gegeben und es fühlte sich beinahe so an als würde die Luft in diesem Raum immer dünner und giftiger werden.

Alex stand Skinner noch immer gegenüber und er überlegte, ob es etwas gab, dass er sagen konnte. Doch zunächst entschied er sich zu schweigen und setzte sich zu Amber, die die Hände in den Schoß gelegt hatte.

Dann brach es aus dem Assistent Director hervor:

,Nach all den Jahren hätte ich nicht damit gerechnet, dass wir uns wiedersehen würden Krycek. Weder an diesem Ort, noch in solch einer Situation und ich gebe zu, dass ich Ihre Glaubwürdigkeit noch immer in hohem Maße anzweifele. Nicht zuletzt sind doch sie es, die diese Leute erneut auf die Fährte einer Unschuldigen geführt haben. Oder wussten sie tatsächlich nicht wer Mrs. Scully war als Sie sie ansprachen?'

Diese Unterstellungen wirkten auf Alex ebenso bitter wie auf Amber, der daraufhin speiübel wurde. Doch nur Alex wusste, dass das was Skinner äußerte eine Lüge war.

,Ich wusste nicht wer sie war! Und außerdem hat das, was Sie hier unterstellen nichts mit dem zu tun weshalb wir hier sind. Ich bin nicht hier her gekommen, um mich zu schützen. Ich bin hier her gekommen, um das abzuwenden, was vielleicht passieren könnte, wenn sie uns nicht jetzt ihre Hilfe zusichern. Gerade Sie sollten doch wissen zu was diese Männer imstande sind und dass sie jederzeit wieder über Leichen gehen würden. Diese Leute interessiert es nicht ob jemand unschuldig oder unwissend ist. Und dessen sollten Sie sich ebenso bewusst sein.'

,Und was sollten sie von Amber wollen?' fragte Dana harsch.

,Vermutlich wollen sie gar nichts von Amber. Sie ist Mittel zum Zweck, um an mich heran zu treten und die wissen genau, dass ich alles für sie und unser ungeborenes Kind tun würde.'

,Und Sie sind so dumm und fallen darauf rein, wenn Sie doch glauben deren Taktik durchschaut zu haben?' fragte Fox mit Erstaunen.

,Wäre es Ihnen als Eltern lieber ich ließe Ihre Tochter in diesem Zustand im Stich und würde mich einen feuchten Dreck um sie scheren?' entgegnete Alex.

Aufeinmal wurde Amber bewusst wie sehr es um sie ging und wie wenig sie Unwissenheit schützen konnte. Es war zu viel für sie. Sie stützte sich kurz auf Alex Oberschenkel ab und bat die Anwesenden sie zu entschuldigen, dann stand sie auf und verließ fluchtartig das Büro und eilte zu den Toiletten.

Quälend erbrach sie Magensaft und bittere Galle und verweilte eine Weile über der Toilettenschüssel, bevor sie wieder einigermaßen zu Kräften gefunden hatte. Ihr Herz raste noch immer und sie ging langsam zu den Waschbecken, um ihr Gesicht mit kühlem Wasser zu befeuchten. Sie schloss die Augen und atmete tief durch. Ein plötzliches Geräusch aus dem Hintergrund ließ sie jedoch zusammenschrecken. Zunächst war sie sich jedoch sicher, dass es nur Alex oder Dana sein konnten, die nach ihr schauen wollten, deshalb hielt sie ihren Blick noch eine Weile geschlossen, bevor sie das Wasser ausspuckte.

Amber öffnete die Augen. Zunächst sah sie durch die Tränen alles etwas verschwommen. Doch dann erkannte sie sein von Falten gezeichntes, zerfurchtes Gesicht, das ihr das Blut in den Adern gefrieren ließ. Sie war paralysiert. Nicht imstande zu schreien oder sich zu regen. Genau das nutzte der Kettenraucher aus. Ging eiligen Schrittes auf sie zu und packte Amber unsanft am Oberarm. Dann schleuderte er sie herum, sodass sie mit dem Kopf hart an die geflieste Wand stieß. Zunächst bemerkte sie einen dumpfen Schmerz, dann etwas warmes, klebriges, das sich seinen Weg entlang ihres Gesichts bahnte. Bevor es um sie herum komplett dunkel wurde, spürte sie noch den Stich, der dem einer Spritze ähnelte. Danach verlor sie das Bewusstsein...
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