World of X

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Das Kind des Mörders

von Tangerine Krycek

Gefährliche Wahrheit

So träge und beinahe regungslos hatte Amber Alex noch nie zuvor gesehen. Irgendetwas von dem, was eben geschehen war, hatte eine Erinnerung in ihm geweckt. Etwas, das er vermutlich schon lange erfolgreich verdrängen konnte.

Sie wollte ihm helfen, doch wusste sie in jenem Moment noch nicht einmal wie sie ihn hätte ansprechen können. Es war die Furcht davor etwas falsches zu sagen, etwas das sein Vertrauen in sie schwinden lassen könnte. Amber selbst hatte nicht mehr viel was ihr blieb und so hielt sie an Alex fest, doch selbst das Schweigen schien in diesem Augenblick der verkehrte Pfad zu sein.

Sie versuchte es mit einer weiteren zaghaften Annährung und lehnte ihren Kopf an seine Schulter, während sie sich fröstelnd die Oberarme rieb. Ihre Blicke schweiften leer durch den Raum, als sie schließlich fragte:

,Was für eine seltsame Gestalt ist dieser Raucher und was meinte er mit dem, was er gesagt hat?'

Alex atmete tief durch und streckte sich. Er sah Amber an, stand dann auf und ging mit verschränkten Armen zum Fenster. Sie verfolgte jede seiner Bewegungen.

Eine eisige, schwere Stille lag im Raum. Aufeinmal fühlte sich Amber so einsam und verlassen, doch sie gab nicht nach und wollte wissen was so dermaßen tief in seine Erinnerungen sowie seine Seele stach.

Zögernd stand sie auf und ging leisen Schrittes zu ihm. So gut es ihr durch ihre Körpergröße möglich war, baute sie sich vor Alex auf und begann sanft über sein Gesicht zu streicheln, während ihre Blicke verrieten, dass sie sich sehnlichst wünschte, dass er seinen Knoten nun lösen würde.

Plötzlich hielt er Ambers Hand fest und drückte sie, so sehr, dass ihre Knochen knackten und sie diese reflexartig und mit einem zischenden Laut weg zog. Er wollte ihr nicht weh tun und dennoch tat er es.

Langsam sank Alex am Fensterrahmen nach unten, während er noch immer vor sich her starrte. Amber tat es ihm gleich und ließ ihre Augen keinen Moment von ihm.

Schließlich schien der Druck seines Herzens und Gewissens so stark, dass er diesem nachgab und flüsternd zu erzählen begann, während seine Blicke immer wieder vor Ambers flüchteten. Nach einiger Zeit erfuhr sie, dass Alex für den Raucher gearbeitet und sogar Auftragsmorde begangen hatte, was sie vorübergehend schauern und frösteln ließ. Je mehr er offenbarte, desto tiefer schienen die Furchen seiner Vergangenheit zu werden und eine Frage quälte auch Alex immer wieder.

Weshalb hatte er all das getan?

Weshalb hatte er Leben genommen?

Und was hatte ihn zu so viel Unmenschlichkeit bewegt?

Eines war sicher – er konnte die Vergangenheit nicht mehr ändern. Sie lastete schwer auf seinen Schultern und er warf sich insgeheim vor sein Leben mit Sinnlosigkeit vergeudet zu haben. Doch schienen Amber und ihr ungeborenes Kind sein Schicksal zu sein. Das Schicksal zumindest einen Teil von dem, was er damals getan hatte, zu sühnen. Er kannte den Raucher und dessen Hintermänner und er wusste ebenso wozu sie imstande sein würden.

Insgeheim erahnte Alex ihre Perversion. Etwas würde geschehen. Etwas, dass ihm die Chance auf Wiedergutmachung nehmen würde. Doch er wollte kämpfen, wollte versuchen seinen Gegnern einen Schritt voraus zu sein, um das zu beschützen, was ihm inzwischen so viel bedeutete.

Langsam schienen seine Mimik und Gestik wieder aufzutauen, wenngleich sein Gesichtsausdruck Beunruhigung widerspiegelte. Wäre es nur um sein Leben gegangen, hätte er diesem Ereignis sicherlich mit mehr Gleichgültigkeit gegenüberstehen können, doch nun war alles anders.

Amber hatte in den vergangenen Monaten genügend erfahren, um Alex zu hassen, doch sie konnte es nicht, denn sie glaubte zu wissen wer er war.

Sie griff nach seiner Hand, als Zeichen, dass sie ihn, so schrecklich all das war was sie gehört hatte, verstand. Er tat es ihr gleich. Für einen Moment zog er die Mundwinkel nach unten, bevor er seufzend hervor stieß:

,Ich hatte mir eigentlich geschworen nie mehr auf jemanden zu schießen, aber ich befürchte, dass es keine andere Möglichkeit gibt diesen Leute ein für alle Mal das Handwerk zu legen.'

Amber zog zunächst erstaunt beide Brauen nach oben, während sie den Kopf sinken ließ und ihren Bauch berührte. Flüsternd antwortete sie nur:

,Tue das, was du tun musst.'

In dieser Nacht war kaum an Schlaf zu denken und Amber bemerkte, wenngleich sie leicht schlummerte, wie Alex immer wieder hochschreckte. Die Fragmente der Vergangenheit hatten sich binnen kurzer Zeit zu einem ganz neuartigen, anderen und auch beängstigenden Bild zusammen gefügt und allmählich war sie geneigt zu verstehen weshalb ihre Eltern so lange im Schweigen verharrten. Je mehr sie erfahren hatte, je mehr sie verstand, desto gefährlicher würde es sein hier zu bleiben.

Zu flüchten war also eine Möglichkeit, die es gab, die Amber jedoch schnell wieder aus ihrem Kopf verwarf, denn sie konnte sich nicht vorstellen Alex zurück zu lassen, sich ihm zu entziehen und ihm jeglichen Kontakt zu dem Leben, das in ihr heranwuchs, zu verweigern, nur um einem Schatten zu entkommen, der sie doch früher oder später einholen würde, lernte sie nicht jetzt zu kämpfen.

Ebenso wie Alex spürte auch sie, dass etwas geschehen würde und das diese Ungewissheit sie beinahe ohnmächtig machte. Ein anderer Gedanke, der in ihr aufkam, war, das was geschehen war ihren Eltern zu schildern und sie um Rat und Beistand zu bitten. Es würde den Preis ihrer Überwindung und Angst kosten. Angst davor doch nur wieder belächelt oder verurteilt zu werden.

Sie setzte sich im Bett auf, zog die Beine an und umfasste sie, während sie nachdenklich begann an ihren Fingernägeln zu kauen. Auf einmal war es wieder da, dieses Gefühl von tiefer, unbändiger Furcht, dass dafür sorgte, dass sie das Pulsen ihres Blutes in jeder einzelnen Vene spürte.

Was wäre richtig und was falsch?

Vielleicht war es das Beste vorerst nichts zu tun und abzuwarten. Es war, als würden sie gegen etwas Unsichtbares kämpfen, das jedoch viel zu heimtückisch war, um es alleine besiegen zu können.
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