World of X

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Das Kind des Mörders

von Tangerine Krycek

Alle Lügen führen zur Wahrheit

Fox eilte durch die Einganstür, während Dana es ihm gleich tun wollte aber dennoch einen Moment lang stehen blieb und sich noch einmal zu Alex umdrehte, der sich, zusammen gekauert, gegen die Wand lehnte und mit leerem Blick vor sich her starrte.

Dieser Anblick löste in ihr schon beinahe so etwas wie Mitgefühl und den Hauch von Reue aus und doch konnte sie ihm noch immer nicht vergeben, was er getan hatte.

Sie schluckte, atmete tief ein und aus und ging dann weiter.
Die Flure waren lang und mit kalt weißem Licht beleuchtet. Dana fühlte sich unwohl. Nicht zuletzt weil Orte wie dieser Erinnerungen in ihr aufflammen ließen und diese schon fast wieder lebendig machten. Damals als sie gegen ihren Krebs kämpfte, doch nichts zu helfen schien.

Und jetzt waren sie hier, an einem Platz der so viele Gesichter hatte. Hoffnung, Trauer, Leid und Zuversicht.

Insgeheim ahnte sie, dass es etwas mit Ambers Schwangerschaft zu tun haben würde.

Was würde geschehen, würde sie ihr ungeborenes Kind verlieren?
Wie käme Amber mit einem solchen Verlust zurecht? Und wem würde sie sich dann anvertrauen, um das was in ihr vorging, zu teilen?

Dana ahnte, dass sie es nicht sein würde. Wieder übermannte sie ein schlechtes Gewissen.

Fox hingegen schien jegliches Mitgefühl zu fehlen. Er war wütend, aber ebenso traurig und enttäuscht, verbarg diese Gefühle jedoch hinter seiner Aggression. Auch er fürchtete sich vor einem Verlust, doch er hätte dies vermutlich niemals offen zugegeben. Schließlich war er derjenige, zu dem Amber ein stets besseres, herzlicheres Verhältnis hatte, denn er gab ihr das Gefühl erwünscht zu sein.
Auch Dana liebte ihre Tochter, doch irgendetwas blockierte sie ihr dies zu zeigen, weshalb sich diese immer mehr von ihrer Mutter abwandte. Vermutlich hätte Amber alles unternommen, um ihrer Mutter etwas mehr Liebe und Aufmerksamkeit zu entlocken, doch diesen Kampf gab sie rasch auf, als sie begriff, dass nicht sie an erster Stelle stand, sondern das FBI.

Amber hatte zwar stets alle materiellen Wünsche erfüllt bekommen, aber dennoch fehlte es ihr all die Jahre am Wesentlichsten. Die meiste Zeit fühlte sie sich missverstanden und leer. Und dabei wollte sie doch nur Zuneigung und Beachtung.


Sie hatte das Gefühl als wäre sie vorübergehend ertrunken und müsse sich nun atemlos zurück an die Wasseroberfläche kämpfen. Sie wusste nicht, ob ihr die Ohren einen Streich spielten, aber alles was sie vernahm klang so unendlich weit entfernt. Es waren Stimmen, die sie hörte und doch verstand sie nichts von dem was sie sagten. Ihre Augenlider begannen zu zittern und langsam wurde es heller.

Eine Berührung. Eine warme Hand, die ihre Stirn berührte und ihr eine Haarsträhne von dieser strich.

Ihre Hände, die sich zu regen begannen tasteten blind über Stoff.

Sie erschrak, riss die Augen auf und schnellte nach oben, wenngleich ihr schwindlig wurde und sie zunächst alles schemenhaft und verwaschen sah und zurück auf ein weiches Kissen sank.

,Amber Schatz, schön dass du wieder bei uns bist.' vernahm sie eine ihr vertraute Stimme.

Als die Bilder wieder klarer wurden, erkannte sie, dass es ihre Mum war, die ihr versuchte ein Lächeln zu schenken. Sie fühlte sich zwar noch immer ohnmächtig und wusste nicht, ob sie das, was sie gehört hatte, richtig verstand, aber aus einem unerfindlichen Grund widerte es sie an, sodass sie sich Danas Berührung schlängelnd zu entziehen versuchte.

Dann berührte sie ihren Bauch. Langsam erinnerte sie sich an das, was geschehen war.
,Was ist mit meinem Baby und wo ist Alex?' sprudelte es ungehalten aus Amber hervor.

Fox, der die ganze Zeit aus dem Fenster gesehen hatte, drehte sich um und nährte sich seiner Tochter. Doch bevor er antworten konnte, übernahm Dana diesen Part.

,Alex... ' wiederholte sie und es klang fast so, als unterdrückte sie einen Würgereiz.

,Was ist mit meinem Kind geschehen?' wiederholte Amber aufgebracht und ihre Stimme überschlug sich, obwohl sie sich doch so schwach fühlte.

,Hab keine Angst, es ist soweit alles in Ordnung. Vielleicht war alles was geschehen ist, zu viel für dich und deine Psyche.' versuchte Dana Amber zu beschwichtigen.

Diese stieß darauf ein gehauchtes, künstliches Lachen hervor und antwortete zischend:

,Wem ich das wohl zu verdanken habe?'

Sie sah zu ihrem Dad empor, dann wieder zu ihrer Mum. Der Ausdruck beider Gesichter war eigenartig und dennoch verrieten diese kaum eine Gefühlsregung.

,Wo ist Alex?' fragte Amber erneut und krallte sich dabei in die Bettdecke.

In diesem Moment öffnete sich die Tür. Ruckartig wandte sie ihren Blick und erkannte ihn. Ihr Herz begann zu pochen, als sie sah, dass er seinen Kopf gesenkt hielt und sein Shirt blutverschmiert war.

Auch wenn sie es nicht genau wusste, so ahnte Amber was während ihrer Abwesenheit geschehen sein musste.
Vorsichtig, schwerfällig kam Alex auf sie zu. Zum ersten Mal sah sie seine Furcht und betete, dass es hier und jetzt nicht erneut zu Handgreiflichkeiten kommen würde.

Sie lächelte gequält und reichte ihm ihre Hand, die er nahm und fest drückte. Dann erkannte sie ein Hämatom an seinem Unterkiefer und sofort schwanden die Krümmungen ihre Mundwinkel zu einem ernsten Gesichtsausdruck.

,Wer hat dir das angetan?' fragte sie flüsternd, wenngleich sie die Antwort kannte.

Alex holte Luft durch den Mund, doch schloss diesen gleich wieder und presste die Lippen aufeinander.

Es war die wohl eisigste Kälte, die sie jemals in ihrem Leben gespürt hatte. Nun waren sie sich begegnet, konnten einander in die Augen sehen, um miteinander zu sprechen, um zu erklären, um zu vergeben. Doch niemand von ihnen tat der Gleichen. Alex wäre dazu bereit gewesen, das wusste Amber. Aber dieser Knoten des Konflikts lag so tief, dass es fraglich war, ob er sich jemals lösen würde.

Zärtlich strich Amber über Alex Gesicht. Dana und Fox betrachteten dieses Szenario wortlos, doch suchten sich ihre Blicke wieder und wieder und sagten mehr als Worte.

Amber spürte wie sie angestarrt wurden. Dann wandte sie ihre Augen von Alex ab und sah zu ihrem Dad empor. Eine Welle unbändiger Wut überkam sie und alles was sie tränenerstickt in diesem Moment zu sagen vermochte war:

,Du bist ein gottverdammtes Arschloch!'

Ohne darauf zu antworten verließ Fox fluchtartig das Zimmer, während er dabei bewusst und ruckartig gegen Alex stieß.
Dana war schockiert und konnte diese Situation auch kaum noch länger aushalten. Sie stand auf, zog ihren Mantel an und ging zur Tür. Dann drehte sie sich noch einmal um und warf leise in den Raum:

,Du weißt ja nicht worauf du dich einlässt und wie schlimm das ist, was du getan hast.'

Amber richtete sich auf und schüttelte den Kopf.

,Nein Mum, ihr habt noch immer nicht verstanden wie schlimm es ist, was ihr mir all die Jahre angetan habt. Vergiss nicht, dass es eure Illoyalität war... Alle Lügen führen zur Wahrheit. Das hast du doch mal behauptet. Dann hättest du auch wissen müssen, dass du Selbige nicht ewig verbergen kannst und schon gar nicht vor deinem eigenen Kind. Und jetzt geh mir aus den Augen!'

Die Schneide dieser Worte versank tief in Danas Brust.
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