World of X

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Nach all den Jahren

von Leyla Harrison

Kapitel 3

FÜNF JAHRE SPÄTER

9. FEBRUAR 2001

NEW YORK CITY

 

Mulder:

Der Fall an dem ich dran war, war lächerlich. Die New Yorker Polizei verdächtigte nach vier Morden an jungen Frauen einen Serienkiller in der Gegend. Vor vier Jahren habe ich mich freiwillig zur Abteilung von Gewaltverbrechen versetzten lassen. Die X-Akten sind geschlossen worden.  Ich mochte schon gar nicht mehr daran denken. Ich hatte Glück mit diesem Job. Der Verdächtige, den ich befragt hatte behauptete, nur einen der Morde begangen zu haben. Die anderen drei Morde waren dem ersten sehr ähnlich, doch sie hingen überhaupt nicht zusammen.

Ich hatte den ganzen Abend frei, bevor ich am nächsten Morgen wieder zurück nach DC fliegen musste. Ich hatte nichts Besonderes zu tun, deswegen fuhr ich ziellos durch die Gegend und überlegte schon, mir einen Film anzusehen, als ich merkte, dass ich mich in einer nicht so angenehmen Umgebung befand.  Obdachlose standen neben dem Müll auf der Straße, als ich langsam vorbeifuhr. Auf der rechten Straßenseite standen ein paar Prostituierte.  Nein, sagte ich mir. Der Versuchung wirst du nicht nachgeben. Irgendwann sperren sie dich dafür ein.

Ich betrachtete sie genauer. Zwei blonde und eine Brünette. Nein. Nichts für mich. Ich kehrte zurück zu meinem Hotel und rief von meinem Zimmer aus die Rezeption an. "Könnten Sie mir vielleicht sagen, welche Art von Entertainment es in dieser Gegend gibt?" fragte ich den Manager. Es war ein billiges Hotel. Ich war überzeugt, dass er wusste, was ich meinte. Er kannte mich von vorher und wusste nicht, dass ich von FBI war. Es war ungefährlich. Als ich das letzte Mal hier war, habe ich es auch gemacht.

"Sir, wir haben etwas, das sie bestimmt interessieren wird. Möchten Sie etwas in der Richtung wie das letzte Mal?"

"Ja. Ist der Preis der gleiche?"

"Einhundert - plus Trinkgeld, natürlich."

"Die Preise sind gestiegen", sagte ich und schaute in meiner Brieftasche nach.

"Die Qualität ebenso, Sir."

"Sie können sich das Trinkgeld abholen kommen", sagte ich.

Er stand vor meiner Türe etwa zehn Minuten später. Ich ließ ihn herein und schloss die Türe. Ich gab ihm 100 Dollar und 75 Dollar Trinkgeld. Er strahlte. "Sie wird in etwa einer Viertelstunde hier sein", versprach er und verschwand.

Ich saß auf der Bettkante und sah mein Spiegelbild im Spiegel gegenüber. Für eine Sekunde dachte ich, wie jedes Mal, wenn ich so etwas tat, was zum Teufel machst du eigentlich? Aber dieser Gedanke verschwand bald wider. Er hatte in den vergangenen Jahren an Intensität verloren. Ich stand auf, wusch mein Gesicht und putzte mir die Zähne im Badezimmer. Ich hatte dieses Ritual jedes Mal, wenn ich in ein Hotel eincheckte. Ich nahm nie ein Zimmer, mit einer Verbindungstür zu einem anderen Zimmer. Niemals.

Ich hörte ein Klopfen an der Tür und machte auf. Vor mir stand eine zierliche Frau in engem kurzen Rock und schwarzen Strümpfen. Ich sah die Strumpfbandhalter auf ihrer cremefarbenen weißen Haut. Perfektes MakeUp.  Strahlende blaue Augen.

Und schulterlanges kastanienbraunes Haar.

"Komm rein", sagte ich und sie folgte mir ins Zimmer.

Wie armselig, dachte ich eine Stunde später, als sie dabei war sich anzuziehen, dass dies die einzige Art von Beziehung ist, die ich mir erlaubte. Sie stand vor dem Spiegel und rückte ihre Strümpfe zurecht.  Sie zog ihren Büstenhalter an und schlüpfte wieder in ihren Rock. Sie war wunderschön. Und sie war gut im Bett. Aber sie war nicht Scully. Keine von denen war es. Keine von denen hatte den Ausdruck in ihren Augen wie Scully.  Den Klang in ihrer Stimme, weich und rauchig vor Verlangen.

Zu sagen, dass ich über Scully hinweg war, wäre eine Lüge. Ich habe die letzten fünf Jahre ohne sie leben müssen und wollte es nicht wahr haben.  Ich war nicht mehr derselbe Mensch. Ich habe sie nie gesucht, weil sie es nicht wollte, doch ich habe sie immer und überall gesehen, wohin ich auch blickte. In Werbespots im Fernsehen, in Leuten, die auf der Straße an mir vorbei gingen, sogar in rothaarigen Prostituierten, die ich allen anderen vorzog.

"Danke", sagte ich höflich. Sie sammelte ihre Sachen ein, nickte mir zu und ging.

Ich sprang vom Bett auf und ging ohne Umwege in die Dusche, um den Geruch dieser Frau von mir zu schrubben.

 

***

 

AM NÄCHSTEN MORGEN - 10. FEBRUAR 2001

EINE MEILE VOM WESTCHESTER COUNTY FLUGHAFEN

WHITE PLAN, NEW YORK

 

Mulder:

Ich tippte leicht auf dem Lenkrad herum, als ich den Hutchinson Parkway zum Flughafen hinauf fuhr. Ich war dankbar für den Wechsel der Flughäfen. Ich flog viel lieber vom Westchester Flughafen zum LaGuardia Flughafen. Dieser Flughafen war an der Grenze von New York nach Connecticut, er war nicht sehr groß und nicht so sehr belebt. Ich sah auf die Uhr. Eine Stunde bis zu meinem Flug. Ich wollte ihn nicht verpassen.

Ja, klar, dachte ich sarkastisch, als ob du unbedingt wieder zurück nach DC willst.

Ich nahm die Ausfahrt und fuhr die Straße zum Flughafen hinunter. Dieser Weg war schneller, denn der Verkehr war nie so stark hier. Es war zwar Hauptverkehrszeit, doch die Autos standen alle auf der anderen Seite des Parkways, weil sie von Connecticut in die Stadt wollten.

Ich bog auf den Parkplatz ab. Der Flughafen war neu gestaltet worden, seit ich das letzte Mal dagewesen war und ich bog ein paar Mal falsch ab, bevor ich endlich die Einfahrt fand, die zum Parkplatz der Autovermietung führte, wo ich meinen Mietwagen abgeben wollte.

Ich verlangsamte an der Kreuzung, denn gerade stieg jemand aus einem weißen Auto neben mir aus. Die dunkelhaarige Frau, die ausstieg kam mir irgendwie bekannt vor. Ich sah zu dem Fahrer des Wagens, dann zurück zu der dunkelhaarigen Frau, dann wieder zu dem Fahrer. Ich blinzelte.

Die dunkelhaarige Frau, die auf den Terminal zuging, war Margaret Scully.

Und der Fahrer des Wagens war Scully.

Ich war mir ganz sicher.

Ich war mir natürlich hundert Mal vorher auch sicher gewesen, dass es Scully war. Aber das hier war etwas anderes. Diesmal war sie es wirklich.

Ihre Haare waren ein wenig länger, als ich es in Erinnerung hatte. Ich rutschte auf meinem Sitz herunter aus Angst, dass sie sich umdrehen und mich sehen würde. Die Frau, die ich für Margaret Scully hielt, drehte sich um und winkte ihrer Tochter. Ich sah ihr Gesicht. Sie war es hundert prozentig. Sie sah mich nicht.

Scully winkte ihrer Mutter zurück, wartete einen Moment und fuhr dann langsam davon. Ohne zu überlegen folgte ich ihr. Ihr Wagen war ein weißer Camry mit einem Nummernschild aus Connecticut.

Fünfzehn Minuten verstrichen. Sie fuhr auf den Parkway in Richtung Norden nach Connecticut. Ich folgte ihr. Sie nahm die Ausfahrt nach Greenwich, Connecticut, eine der exklusivsten und wohlhabendsten Gegenden in den USA. Ich bin froh, dass du was erreicht hast, Scully, dachte ich. Ich hielt einen gewissen Sicherheitsabstand. Weit genug entfernt, so dass sie hoffentlich nicht bemerkte, dass ihr jemand folgte, und nah genug, um zu sehen, wohin sie fuhr. Sie fuhr noch etwa zehn Minuten und bog dann auf die Einfahrt eines eher unauffälligen Hauses, im Gegensatz zu den anderen Häusern, die eher an Paläste erinnerten. Sie parkte den Wagen und stieg aus. Ich blieb etwa 25 Meter weiter weg und stieg ebenfalls aus, um sie zu beobachten.

Ihr Haar war länger. Ich konnte ihr Gesicht nicht genau sehen, aber alles andere an ihr sah gut aus. Sie trug eine Jeans und einen schwarzen Pullover. Ich beobachtete jeden Schritt, den sie machte von der Auffahrt bis zum Haus und sog ihren Anblick in mich hinein. Soweit ich es beurteilen konnte, sah sie genauso gut aus wie damals. Besser sogar.

Es gab keinen zweiten Wagen in der Auffahrt. Der Agent in mir ließ mich ihren Briefkasten überprüfen, um festzustellen, ob noch jemand mit ihr hier lebte. Aber es waren keine Briefe im Kasten und es stand auch nur die Hausnummer dran, kein Name. Kein Mr. und Mrs. Irgendwas. Mir fiel ein Stein vom Herzen.

Ich ging zu meinem Auto zurück und wartete. Bis um sechs Uhr abends döste ich, hörte Musik und las das ganze Handbuch von dem Mietwagen Wort für Wort - zweimal. Wenn sie verheiratet wäre, wäre ihr Mann jetzt schon von der Arbeit zurück. Niemand ist ins Haus hineingegangen oder herausgekommen.

Letztendlich fuhr ich auf ihre Auffahrt. Ich musste mit ihr reden. Musste sie sehen. Musste sie fragen, was passiert ist und warum sie gegangen ist.

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