World of X

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Nach all den Jahren

von Leyla Harrison

Kapitel 2

Margaret Scully:

Ich öffnete die Tür für Fox ungefähr 40 Minuten später. Ich war nicht überrascht gewesen, dass er angerufen hatte. Dana sagte, dass er es bestimmt tun würde. Er sah verbittert, erschöpft und müde aus. Ich wusste auf die Art, wie alle Mütter es tun, dass er geweint hatte. Seine Augenränder waren rot und geschwollen. Aber er versuchte es vor mir zu verbergen.

"Mrs. Scully, bitte sagen Sie mir, wo Scully ist", sprudelte es aus ihm heraus, noch bevor er über die Türschwelle getreten war.

Ich schluckte und dachte an das letzte Mal, als er auf meiner Türschwelle gestanden hat. Damals hat Dana mich gebeten, für sie zu lügen. Aber das letzte Mal, ja, das war etwas anderes gewesen. Das letzte Mal war Dana nicht sie selbst. Das hier war etwas anderes. "Kommen Sie herein, Fox. Wir müssen reden." Er trat herein und stand mir im Wohnzimmer gegenüber. "Warum setzten Sie sich nicht?" bot ich an und setzte mich meinerseits auf die Couch.

Er schüttelte den Kopf und blieb lieber stehen. "Wo ist sie?" fragte er.

"Ich kann es Ihnen nicht sagen", antwortete ich ihm sofort. Sein Gesicht sank in sich zusammen. "Dana hat mich gebeten, Ihnen nicht zu sagen, wo sie hingegangen ist." Es tat mir im Herzen weh, ihn so zu sehen. Er war immer wie ein Sohn für mich. Er liebte sie offensichtlich sehr.

"Warum?" fragte er mit leiserer Stimme. Ich wusste, er war kurz vor dem Weinen. Er kämpfte hart gegen seine Tränen an. "Warum nicht?"

Im Nachhinein war ich mir nicht mehr sicher, ob es so klug gewesen war, Danas Bitte anzunehmen. Aber sie war meine Tochter. Ich musste das tun, um das sie mich bat. Sie hat versichert, dass es so besser ist - für sie beide.

Ich habe versucht, ihr zu glauben, doch es war sehr schwer. Sie schien sich selbst nicht ganz sicher zu sein. Ich wusste, dass es noch viel gab, das sie ihm noch nicht gesagt hatte. "Fox, Dana hielt es für besser zu gehen. Sie musste mit so vielen Gefühlen fertig werden, dass es besser ist, wenn sie allein ist."

Er schluckte seine Tränen herunter. "Ich hätte ihr mit allem geholfen."

Ich nickte. Ich glaubte ihm. "Ich weiß, Fox. Aber wir beide wissen, dass sie einen sehr starken Willen hat."

"Sie hat Ihnen von... uns erzählt?" fragte er zögernd und nervös. Ich nickte. Sie hat mir so viel erzählt, Fox, wollte ich ihm sagen. Ich war überrascht, wieviel sie vor mir geheim gehalten hat. Und von der Welt. Er sah aus, als würde er unter einem Berg von Schuld zusammensinken, und doch hatte er keine Ahnung, was wirklich mit ihr los war. Ich fühlte mich nicht wohl dabei, es ihm nicht zu sagen. Aber ich hatte es Dana versprochen.

"Ich heiße es gut, Fox, falls Sie sich deswegen Sorgen machen." Ich musste ihm dies sagen. Ich wollte nicht, dass er denkt, ich würde ihm meine Tochter nicht anvertrauen. Mir ist schon vor langer Zeit klar geworden, dass ich sie ihm mehr als irgendjemand anderem anvertrauen würde. Mir war schon seit einiger Zeit klar, wieviel sie ihm bedeutete, und dass er niemals zulassen würde, dass ihr etwas geschieht. Aber es ist ihr etwas geschehen, doch das hätte weder er noch irgendjemand anderes verhindert können. Ich weiß, dass er sich noch immer für alles die Schuld gab.  Ich wünschte mir sehnlichst, dass ich etwas zu ihm sagen konnte, das ihm ein wenig helfen würde, doch das

konnte ich nicht.

"Sie dachte, ich würde sie nicht... heiraten wollen?" fragte er.

"Ja, das hat sie gedacht", sagte ich.

"Das ist nicht wahr." Seine Antwort überraschte mich. Dana war so vom Gegenteil überzeugt gewesen.

"Ich habe Angst", gestand er mit brechender Stimme wie die eines kleinen Jungen. "Ich habe Angst, jemandem so nahe zu sein, weil... ich sie verliere. Ich hatte so eine Angst, sie zu verlieren. Und jetzt habe ich sie verloren."

Es gab nichts, was ich hätte sagen können. Die Tränen liefen ihm nun über das Gesicht. Ich dachte, ich würde jeden Moment auch anfangen zu weinen.  Ich hatte Angst, etwas zu sagen, weil ich meiner eigenen Stimme nicht traute.

"Was soll ich also jetzt machen?" fragte er und ging im Zimmer hin und her.

"Soll ich sie einfach vergessen? So tun, als ob ich sie nie gekannt hätte?

Als ob nichts von alle dem je passiert wäre?"

Er war wütend. Dana kannte ihn gut. Sie hatte vorausgesagt, dass er zuerst Angst haben würde, dann traurig sein würde und letztendlich wütend. Ich stand auf und ging zu dem Kamin, wo Dana den Brief gelassen hatte, den ich ihm geben sollte, wenn er hier her käme. "Sie hat Ihnen einen Brief geschrieben", sagte ich und reichte ihn ihm. Es tut mir so leid, Fox, dachte ich.

Er nahm ihn und nickte. "Danke", sagte er und machte sich auf den Weg zur Tür.

"Fox?" rief ich ihm nach.

Er drehte sich um. "Ja?"

"Ich werde Sie nicht wiedersehen, oder?" fragte ich, obwohl ich die Antwort bereits wusste. Traurig schüttelte er den Kopf. Ich ging zu ihm und umarmte ihn. Ich wusste nicht viel über seine Familie, nur das, was Dana mir erzählt hat. Dass die Beziehung zu seiner Familie sehr gespannt sei. Ich hielt ihn fest und er hielt mich, als ob es um sein Leben gehen würde. Wir standen so eine Weile im Flur meines Hauses. Dann ließ er los und verschwand aus der Tür ohne auch nur ein weiteres Wort zu sagen.

 

***

 

Mulder:

Ich laß den Brief erst, als ich wieder im Auto saß. Ich riss den Umschlag auf, faltete ihn auseinander und erblickte Scullys klare, präzise Handschrift. Es brach mir das Herz.

Lieber Mulder,

ich weiß, dass Du wütend auf mich bist, weil ich gegangen bin, aber ich musste es tun. Für Dich und für mich. Es ist wirklich das Beste für uns. Ich hoffe, dass Du es eines Tages verstehen wirst. Ich liebe Dich. Ich habe Dich schon immer geliebt, und ich werde Dich auch immer lieben. Das hat sich nie geändert. Bitte suche mich nicht. Versuche nicht, mich durch meine Mutter zu finden. Ich möchte mein Leben nicht als Flüchtling vor Dir leben. Ich hoffe, dass Du meinen Wunsch respektierst. Wir hatten eine wundervolle Zeit zusammen, Mulder. Als Dein Partner hast Du mir gezeigt, dass die Wahrheit nicht immer in wissenschaftlichen Tatsachen zu finden ist. Als Deine Freundin hast Du bewiesen, dass es Vertrauen und Glaubenskraft gibt. Und als wir zusammen waren, hast Du mir Deine unglaubliche Fähigkeit zu lieben gezeigt. Ich werde immer alles, was Du mir gegeben hast, in Ehren halten.

Scully

 

In dem Briefumschlag, ganz unten in der Ecke, war die goldene Kette mit dem Kreuz, das sie immer getragen hatte. Ich erinnerte mich daran, wie ich es selber einmal getragen hatte, in der Zeit, in der sie vermisst wurde. Ich konnte deutlich vor mir sehen, wie es an ihrem Hals hing. Sie hatte sich auf ihren Ellbogen gestützt und ihr Körper war warm neben meinem. Sie schaute auf mich herunter. Sie war glücklich gewesen und ihr Gesicht war von ihren strahlenden Augen erhellt. Ihr Kreuz baumelte an ihrem Hals. Ich nahm es zwischen zwei Finger und konnte es kühl auf meiner Haut fühlen. Kühl im Gegensatz zur Wärme ihrer Haut, die ich nur einen Moment zuvor berührt hatte. "Glaube", sagte sie eines Nachts zu mir.

"Als Du nicht mehr da warst, stand dies für meinen Glauben, dass du wieder zurückkommst", sagte ich.

"Also bedeutet es uns beiden etwas", murmelte sie.

"Es ist unser Glaube geworden. Es ist zu einer größeren Macht geworden...  worin auch immer sie besteht", fügte ich hinzu.

"Es ist unser Glaube an die Liebe geworden", sagte sie. "Der Glaube hat uns durch alles geführt." Ich lächelte und ließ das Kreuz wieder zurück fallen.  Ich küsste sie sanft und wir haben und das zweite Mal in dieser Nacht geliebt.

Jetzt holte ich das Kettchen aus dem Umschlag und legte es um meinen Hals.  Ich legte es unter mein Hemd und konnte es genauso kühl auf meiner Haut fühlen wie damals, und ich erinnerte mich an das Gefühl, das mich durchströmte, als ich sie geküsst hatte.

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