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Marissa

von Kimberly Jackson

Kapitel 5

Regen fiel in dicken Tropfen vom Himmel herab und drang durch das dichte Laubwerk der großen Bäume. Der gesamte Waldboden war bereits durchnässt und gab die typischen Matschgeräusche von sich, wenn man einen Schritt tat. Der Gestalt, die durch den Wald hetzte, fiel dies jedoch nicht einmal auf. Sie war bereits völlig durchnäßt, das dunkle lange Haar klebte in langen Strähnen an ihrem Körper und die aufreizende Kleidung die sie trug konnte sie kaum vor der Kälte schützen. Sie zitterte, taumelte mehrere Male und fiel sogar hin, stand jedoch mit ihrer letzten Kraft wieder auf und rannte weiter. Sie mußte eine hübsche Frau sein, obwohl man durch den Dreck und die Erde, die an ihrem gesamten Körper klebten nicht mehr viel erkennen konnte. Ihr Gesicht war tränen verschmiert.

Dicht auf den Fersen lief eine weitere Person und versuchte, sie zu erreichen. Sein Gesicht war wutverzerrt, seine Bewegungen waren ebenfalls von seiner Wut bestimmt. Forsch schlug er die Zweige zurück, die ihm im Weg hangen, warf zwischendurch Steine nach der Frau, um sie zu treffen und so zum Stolpern zu bewegen.

Und dann geschah es. Sie sah die Baumwurzel nicht, die zehn Zentimeter aus dem boden ragte, stolperte, überschlug sich und blieb schließlich benommen liegen. Keine Sekunde später riss der Mann sie hoch und schlug sie so hart, daß sie glaubte, bewusstlos zu werden. Sie hatte keine Kraft mehr, sich zu wehren und ließ sich so willenlos zurücktragen.

Tief in sich wußte Marissa Banderas, daß dies ihre einzige Chance gewesen war. Nun war es vorbei...



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"Guten Morgen!"

John trat gerade in dem Moment ins Zimmer, als Monica ihren Ärmel herunterkrempelte und Dana das abgenommene Blut zur Untersuchung fertig machte.

"Hallo!" begrüßte die Frau ihn ein wenig verlegen und John sah sie skeptisch an.

"Alles wieder in Ordnung?"

"Hmm, ja!" nickte Monica. "Ich fühle mich gut! Aber ich kann mich kaum noch an die letzten Tage erinnern!"

"Eine Nachwirkung der Droge!" kommentierte Dana und setzte sich vor ihr Mikroskop. John kniete sich neben Monica.

"Ich habe gestern alles in die Wege geleitet, was ihre Freundin betrifft, aber bis jetzt gibt es noch keine Ergebnisse. Keine Spuren... bis auf die Handtasche, keine Zeugen, keine Erpresserbriefe und keine..." Er stockte, was Monica dazu veranlasste, ihn offen anzusehen.

"Sie können es ruhig sagen. Keine Leiche!"

Er seufzte. Er wünschte, er könnte ihr diese Zeit ersparen. Sanft legte er seine Hand auf ihr Knie.

"Monica, glauben sie mir, ich weiß, wie sie sich fühlen! Ich verspreche, ich werde alles tun. Ich bin gestern abend den ganzen Fall noch einmal durchgegangen und werde ihn nocheinmal durchgehen."

Monica lächelte ihn sanft an und drückte seine Hand. Dann erhob sie sich und verließ den Raum. Dana blickte von ihrem Mikroskop auf, machte einige Notizen und drehte sich dann auf ihrem Stuhl zu John herum.

"Tja, ihr Blut hat die Droge anscheinend weitesgehend abgebaut. Die Spuren, die ich noch finde, sind so gering, daß sie sie in keinster Weise beeinflussen können."

"Gut!" John erhob sich.

"Das erklärt allerdings nicht, wie die Droge in ihr Blut kam!"

"Dana! Sie glauben doch nicht wirklich, daß Monica..."

"Nein!" Dana hob die Hände und stand auf. Nachdenklich nahm sie sich die Brille von der Nase. "Aber die Droge war in ihrem Blut. Und sie war mit Marissa zusammen etwas trinken. Möglicherweise hängen die beiden Sachen zusammen!"

"Daran habe ich auf schon gedacht!" John sah Dana einen kurzen Moment nachdenklich an, dann drehte er sich um und verließ ebenfalls den Raum.

Möglicherweise hatte man Monica ruhig gestellt, damit sie nicht einschreiten würde, wenn man Marissa entführte. Diese Theorie würde er ihr jedoch vorenthalten. Er wußte, daß man sich gerade in dieser Zeit der Ungewissheit viele Selbstvorwürfe machte. Er musste ihr nicht noch einen Grund für ihre Vorwürfe geben.

Er fand die Frau in Marissas Büro am Schreibtisch sitzend über ein paar Akten gebeugt. Fox Mulder stand in einer Ecke am Fenster und kaute einen seiner Sonnenblumenkerne.

"Haben sie Familienmitglieder und Freunde angerufen?" hörte er Monica gerade Fragen, worauf Mulder nur ein mit "Mmmh!" kommentiertes Nicken als Reaktion brachte.

"John!" Monica erhob sich als sie ihn sah. "Wir müssen uns in Marissas Bekanntenkreis umhören! Wenn wir herausfinden könnten, wie diese Männer die Frauen kennenlernen..."

"Monica! Bis jetzt deutet noch gar nichts darauf hin, daß Marissa von unserer Bande entführt worden ist."

Auf diese Aussage drehte sich Mulder herum und beide, Monica und Fox sahen ihn mit einem Blick an, der mehr sagte, als tausend Worte.

"Nur, weil wir bis jetzt keine Spur haben, heißt das doch nicht...?"

"Haben sie die Berichte der anderen Entführungen gelesen?" fragte Fox in einem Ton, der wieder einmal deutlich machte, daß er mit seinem Kollegen nicht einer Meinung war. John fragte sich, ob sie eigentlich schon jemals einer Meinung gewesen waren. Er war Mulder einen warnenden Blick zu.

"Sie haben doch Marissa zuletzt gesehen! Wann war das?"

Monica dachte nach. "Ich bin mir nicht sicher! Es ist alles nur noch verschwommen! Ich glaube, wir saßen in der Bar, und dann brachte ich sie zum Taxi... aber vielleicht habe ich das nur geträumt!"

Ernst ließ John sich auf seinen Stuhl sinken. "Haben sie eine Vorstellung, wie die Droge in ihren Körper gelangt sein kann?"

Monica schüttelte nur stumm den Kopf. "Ich kann mich ja nicht mal an irgendwas genaues erinnern. Vielleicht hab ich sie ja freiwillig genommen. Ich war angetrunken!"

"Gehen wir mal davon aus, daß sie das nicht getan haben!" nun kam Fox Mulder auf den Schreibtisch zu. "Gehen wir mal davon aus, sie wurde ihnen in ihr Getränk gemixt... was heutzutage wirklich keine Seltenheit mehr ist! Vielleicht war das Vorsatz!"

Stumm saßen, beziehungsweise standen sie in dem kleinen Büroraum und dachten nach, bis Monica die Akte, die sie in der Hand hielt, auf den Tisch knallte.

"Das sind doch alles bloß Theorien! Wir haben keinen einzige handfesten Hinweis! Verdammt!" sie drehte sich um und schlug mit der Faust gegen die Wand. Dann ließ sie ihre Stirn dagegen sinken. Mulder machte Anstalten auf sie zuzugehen, doch John schüttelte sanft den Kopf. Er wußte, daß sie jetzt alles wollte, nur kein Mitleid.

"Wissen sie was? Sie haben recht. Und deshalb gehen wir jetzt alles systematisch noch einmal durch. Jeder winzige Hinweis wird verfolgt. Wir rufen Familienmitglieder und Freunde an. Es gibt sicher irgendeine Kleinigkeit. Monica drehte sich herum und sah ihn dankbar an, dann gab sie Mulder zwei Akten und John zwei.

"Ich werde die restlichen übernehmen, da ich die einzige bin, die Spanisch sprechen kann!"



Sie verbrachten den gesamten restlichen Tag damit zu telefonieren, Hinweise aufzuschreiben und schließlich doch wieder durchzustreichen, ihre Ergebnisse auf Gemeinsamkeiten zu überprüfen und schließlich weiter zu recherchieren. Auch am nächsten Tag ging das ganze weiter, doch sie fanden keine einzige Spur. Keiner war jedoch bereit, aufzugeben. Dana hatte die letzten beiden Opfer auf ähnliche Drogen, wie die von Monica untersucht, die Ergebnisse waren jedoch negativ gewesen. Und so saßen sie schließlich frustriert in dem kleinen Büro beisammen und wühlten in Akten.

Monica telefonierte immer wieder mit Bekannten und Angehörigen der Opfer. Es war bereits nachmittag, als sie den Telefonhörer auflegte, und sich etwas aufschrieb.

Die Freundin des dreizehnten Opfers hatte ihr erzählt, daß die tote anscheinend eine Woche vor ihrem Fund nach Monterrey gefahren war, weil sie beruflich hier zu tun hatte.

In diesem Moment klingelte das Telefon. Monica nahm ab.

"Monica Reyes, Hola?" Sie lauschte, antwortete zwischendurch ein paarmal "Si" und wurde immer bleicher. Dana und John warfen sich einen besorgten Blick zu. Schließlich legte Monica auf und sah wie paralysiert auf den Schreibtisch.

"Was ist?" fragte Dana und Monica sah sie an. Dana hatte beinahe das Gefühl, als würde sie durch sie hindurchsehen.

"Man... man hat wieder eine Leiche gefunden. Wieder... nackt und schrecklich misshandelt. Sie wollen, daß wir hinkommen!"

"Monica, es muß nicht Marissa sein! Es könnte eine andere Frau sein!"

Doch es war Marissa. Sie lag im Regen auf einer Wiese in der Nähe eines Waldes auf dem Bauch, das Gesicht zur Seite gedreht, die Augen leer und starr in die Ferne gerichtet. Monica starrte sie einfach nur an, bis Dana sie sanft vom Tatort wegzog und sie sich in den Wagen setzen ließ.

"Hier, trinken sie!" Dana reichte ihr eine Tasse heißen Tees.

"Es geht mir gut!" winkte Monica ab und wunderte sich selber darüber. In ihr war nur eine Leere, sonst nichts. Dana nahm ihre Hand und beide Frauen sahen, wie sie zitterte.

"Ich denke nicht! Sie stehen unter Schock, Monica!"

Die Frau jedoch zog ihre Hand weh und verschränkte die Arme. "Es geht mir gut!" Dana seufzte, widersprach jedoch nicht, sondern drehte sich um und ging langsam zum Tatort zurück. John sah sie besorgt an.

"Wie geht es ihr?"

"Es geht ihr gut, sagt sie!" Dana sah auf die schrecklich misshandelte Leiche.

"Und was sagen sie?"

"Ich sage, sie steht unter Schock. Das ist ein natürlicher Abwehrmechanismus!"

"Wem erzählen sie das?" fragte John verbittert. "Ich wünschte, ich hätte ihr das ersparen können!"

Dana antwortete nicht. Sie wußte nichts genaues über seinen Sohn Luke, wußte aber, daß es ähnlich gewesen war, wie jetzt.

"Vielleicht reden sie mal mit ihr!" schlug Dana vorsichtig vor. John hingegen sah sie mit hochgezogenen Augenbrauen an.

"Ich glaube nicht, daß das eine gute Idee ist! Ich habe damals jeden abgewiesen, der Reden wollte. Das Mitleid ist das Schlimmste!"

Stumm sahen sie zu, wie der Leichensack geschlossen und in ein Fahrzeug gebracht wurde.

"Ich werde mich sofort an die Obduktion der Leiche machen."



Den ganzen Nachmittag arbeiteten sie im Büro. Monica ließ sich nichts anmerken. Das war es, was John Sorgen machte. Sie versuchte, fröhlich zu wirken, doch in ihren Augen sah er nichts von dem üblichen Funken. Am abend, als sie nach Hause gehen wollten, zog John die Frau schließlich beiseite.

"Monica, wir sollten reden!"

Sie sah ihn jedoch verwundert an. "Natürlich, aber heute abend habe ich leider keine Zeit! Ich wollte noch... etwas erledigen."

"Ich verstehe!" John nickte und sah ihr nach, wie sie, ihren Mantel um die Schultern gelegt das Büro verließ. Er lief hinter ihr her.

"Monica!"

"Ja?" Sie drehte sich noch einmal herum.

"Dann danach, in Ordnung? Treffen wir uns um elf vor ihrem Motel Zimmer!"

"Okay!" Sie nickte, lächelte und ging dann.

"Sie lassen sie gehen?" John sah Fox ärgerlich an.

"Was soll ich denn tun?"

"Seien sie für sie da! Reden sie mit ihr!"

John antwortete ihm nicht, sondern folgte Monica zum Ausgang. Er wußte, was sie durchmachte, und daß sie ihre Zeit brauchte, um selber klarzukommen, bevor sie mit anderen Menschen darüber reden konnte.
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