World of X

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Anticipate The Unforeseen

von XS

Chapter 4

Einige Minuten später betrat Scully ihre Wohnung. Nachdem sie diese nach einer Nachricht abgesucht hatte, ließ sie sich erschöpft auf dem Sessel nieder und vergrub ihr Gesicht in ihren Händen. So saß sie einige Sekunden, bis sie bemerkte, daß sie heute Morgen nicht gefrühstückt hatte und nun Hunger verspürte. Sie hob den Kopf und war gerade im Begriff aufzustehen, als ihr Blick auf das Foto ihrer Mutter fiel, das sich genau ihr gegenüber auf dem Fernseher befand.

Scully saß genau an der Stelle, an der Laura Mitchell vor – wie vielen Tagen? – gesessen hatte, um Mulder und ihr von dem Ablauf des zweiten Traums zu berichten. Wenn sie genau darüber nachdachte, war erst ein Tag vergangen, aber da es mitten in der Nacht gewesen war, konnte man von eineinhalb oder zwei Tagen sprechen. Scully kam es wie eine Ewigkeit vor und sie dachte daran, wie leicht und schnell sie den Traum als Unsinn abgetan hatte.

Wieder schaute Scully auf das Foto, da sie vorher den Blick abgewandt hatte. So viele Erinnerungen gingen ihr durch den Kopf und sie spürte, wie ihr die Tränen kamen. Doch diesmal versuchte sie erst gar nicht, dagegen anzukämpfen, sondern ließ ihnen freien Lauf. Einerseits wünschte sie sich jetzt, daß Mulder doch mitgekommen wäre, aber andererseits wollte sie alleine sein, um ihre Gedanken zu ordnen. Ihre Mutter war der einzige Mensch, der ihr neben ihren Brüdern noch geblieben war. Erst ihr Vater, dann Melissa und jetzt... Nein, Sie wollte nicht daran denken. Schließlich löste sie ihren Blick vom Bild ihrer Mutter und stand auf, wobei sie sich die Tränen trocknete. Sie fühlte jetzt, noch stärker als vorher, wie hungrig sie war. Also öffnete sie den Kühlschrank und sah hinein. Doch zu ihrem Erstaunen war dieser so gut wie leer. In der Aufregung gestern hatte sie vollkommen vergessen einzukaufen. Sie hätte wohl leicht noch etwas zu essen finden können, aber sie beschloß, jetzt einkaufen zu gehen. Einerseits würde sie sich damit ablenken können, außerdem glaubte sie nicht wirklich daran, daß sich die Entführer so bald wieder melden würden. Und wenn diese sie tatsächlich beobachteten, könnten sie einen ihrer Meinung nach passenden Augenblick abpassen, um ihr eine Nachricht zukommen zu lassen. Ihr Mantel lag griffbereit über dem Sofa und während sie ihn anzog, ging sie zur Anrichte hinüber, um ihre Schlüssel zu holen, die sie zuvor achtlos dorthin gelegt hatte. Dann verließ sie ihre Wohnung.


Büro des stellvertretenden Direktors Skinner

„Direktor Skinner, Agent Mulder möchte Sie sprechen. Er sagt, es sei dringend“, tönte es aus der Gegen­sprechanlage.

„Schicken Sie ihn rein“, antwortete Skinner kurz.

Kurz darauf öffnete Mulder die Tür und betrat mit Schwung das Büro.

„Agent Mulder, setzen Sie sich.“ Skinner deutete auf einen Stuhl vor seinem Schreibtisch.

„Was verschafft mir die Ehre Ihres Besuches?“, erkundigte er sich, als Mulder Platz genommen hatte.

Mulder räusperte sich.

„Es geht um die CD- ROM, die wir vor ungefähr drei Wochen bei Brian Roberts gefunden haben. Es ging dabei um Erpressung, aber wir vermuten jetzt, daß er auch etwas mit unseren ‚Freunden‘ zu tun hatte.“

Skinner nickte.

„Wir haben die CD- ROM bisher noch nicht entschlüsseln können. Aber Agent Scully’s Mutter wurde gestern Abend entführt.“

„Und jetzt fordern die Entführer die CD- ROM als Lösegeld, nicht wahr?“

Mulder nickte langsam.

„So leid es mir tut, daß Agent Scully’s Mutter entführt wurde, aber wir können diese CD- ROM nicht einfach opfern.“

„Und wieso nicht?“, fiel ihm Mulder ins Wort, „Es geht hier schließlich um ein Menschenleben.“

Um seinen Worten Ausdruck zu verleihen reichte er Direktor Skinner den Erpresserbrief. Dieser warf einen Blick darauf und runzelte die Stirn.

„Ich möchte auch, daß Mrs. Scully nichts zustößt, aber denken Sie doch an die Möglichkeiten dieser CD- ROM! Wir können vielleicht endgültig diese Verschwörung aufdecken und alle Namen nennen!“

Mulder sah ihn enttäuscht und mit unterdrückter Wut an.

„Und das ist Ihnen mehr wert, als das Leben von Scully’s Mutter?“

„Das können Sie doch nicht vergleichen! Denken Sie doch mal zurück! Ich verstehe nicht, wieso Sie jetzt plötzlich alles opfern, ohne ein Risiko einzugehen. So nah waren Sie noch nie an der Wahrheit!“

„Dabei ging es aber um mein eigenes Leben und nicht um das anderer.“

Mulder erhob sich und nahm den Erpresserbrief wieder an sich.

„Es tut mir leid, sie enttäuschen zu müssen, aber es gibt bestimmt eine andere Möglichkeit“, erklärte Skinner abschließend beschwichtigend.

„Und mir tut es leid, daß Sie so denken“, sagte Mulder kurz und sah Skinner offen ins Gesicht, bevor er sich umdrehte und zur Tür hinausging.

Wie vor den Kopf gestoßen saß Direktor Skinner noch einige Sekunden und starrte auf die Tür.


Mulder’s Büro

Nachdem Mulder hektisch das Büro betreten hatte und wütend die Tür hinter sich zugeschmettert hatte, setzte er sich an seinen Schreibtisch. Enttäuscht und verärgert stützte er den Kopf in seine Hände und hing seinen Gedanken nach. Er schien in einer völlig anderen Welt zu sein, denn er reagierte nicht auf ein zaghaftes Klopfen, das plötzlich ertönte. Ohne auf eine Antwort zu warten, betrat anschließend jemand sein Büro. Noch immer hatte Mulder nichts bemerkt. Erst als ein Schatten auf seinen Schreibtisch fiel, blickte er auf. Vor ihm stand Laura Mitchell.

„Guten Morgen, Agent Mulder. Darf ich mich setzen?“, ergriff diese die Initiative, bevor Mulder die Möglichkeit hatte etwas zu sagen.

„Ja, ...ja natürlich“, antwortete Mulder und deutete auf den Stuhl ihm gegenüber. Nervös blickte Laura auf ihre Hände. Mulder sah sie aufmunternd an. Dann begann sie zu erzählen, wobei sie aber nicht so aufgelöst und beunruhigt zu sein schien wie beim letzten Mal.

„Der Traum hat sich wieder verändert.“

Mulder hatte sich so etwas schon fast gedacht, aber jetzt, da der Traum sich bewahrheitet hatte, ob aus Zufall oder nicht, war er neugierig, was vermutlich als nächstes passieren würde. Laura fuhr fort: „Zu Beginn läuft alles so ab, wie auch in den anderen Träumen. Aber wenn Sie und Agent Scully die Biegung erreichen, schauen Sie vorsichtig um die Ecke und können dann das Monster außer Gefecht setzen. Dann gehen Sie um die Ecke und ein weiterer Gang wird sichtbar. Doch dieser Gang endet nach wenigen Metern abrupt und auf der linken Seite befindet sich eine Tür, die Sie dann auch betreten. Doch sobald Sie sich in diesem Raum befinden, schlägt die Tür zu und läßt sich nicht mehr öffnen. Dann...“, begann Laura den Satz und schaute Mulder prüfend an, ob er ihren Ausführungen noch Aufmerksamkeit schenkte und fuhr dann fort, „...rücken die Wände zusammen und Sie werden...“

Laura beendete den Satz nicht und machte nur eine vieldeutige Handbewegung, doch Mulder wußte genau, was sie ausdrücken wollte. Er hatte gerade anfangen wollen zu sprechen, als sie noch etwas hinzufügte: „Ich weiß ja, wie irrsinnig sich das alles anhören muß und ich weiß, daß ich jeden, der mir so etwas erzählen würde, für verrückt erklären würde. Außerdem komme ich mir, um ehrlich zu sein, ziemlich albern vor, aber ich bin ziemlich sicher, daß das alles stattfinden wird, und ich möchte nur nicht, daß jemandem etwas passiert. Deswegen bin ich Ihnen sehr dankbar, daß Sie mich nicht gleich für verrückt erklärt und aus der Wohnung geworfen haben.“

Laura machte eine Pause.

„Ich glaube Ihnen“, begann Mulder, wobei Laura erstaunt die Augenbrauen hochzog, weil sie nicht begreifen konnte, daß ihr irgend jemand Glauben schenkte.

„Außerdem“, fuhr er fort, „wird jetzt auch Agent Scully den Traum mit anderen Augen betrachten...“

Laura schaute Mulder jetzt noch ungläubiger an.

„...da sich der Traum bereits jetzt teilweise bewahrheitet hat.“

Mulder machte eine Pause.

„...Agent Scully’s Mutter ist gestern Abend aus ihrer Wohnung entführt worden.“

Laura Mitchell wurde bleich: „Das, ...das wollte ich nicht“, stammelte sie entsetzt.

„Aber Sie können doch nichts dafür“, versuchte Mulder sie zu beruhigen.

„Aber, ...ich fühle mich so schuldig, ...weil es meine Träume sind.“

„Sie brauchen sich nicht schuldig zu fühlen. Wir werden Mrs. Scully mit Sicherheit finden, was vermutlich nicht zuletzt durch Ihre Hilfe gelingen wird. Schließlich wissen wir, wie der Ort der Übergabe voraussichtlich aussehen wird und, daß uns vermutlich Fallen erwarten. Außerdem verändert sich der Traum immer, nachdem Sie uns erzählt haben, was geschieht. Das läßt den Schluß zu, daß Sie wirklich die Möglichkeit haben, durch diese Träume einen Blick in die Zukunft zu werfen. Aber wir können unsere Zukunft selber bestimmen; wenn wir also wissen, was uns erwartet, können wir unsere Entscheidung dahingehend ändern, daß Sie zu unserem Vorteil ausfällt.“

Laura nickte zu Mulder’s Worten.

„Wenn Sie Agent Scully sehen, sagen Sie ihr bitte, daß es mir leid tut, was passiert ist“, sagte sie leise, stand auf und reichte Mulder die Hand, „Noch einmal, vielen Dank.“

Dann drehte sie sich um und verließ Mulder’s Büro. Mulder nahm seine Brille auf, doch bevor er sich wieder den Akten zuwenden konnte, klingelte das Telefon.

„Mulder“, meldete er sich lahm.

„Agent Mulder? Hier ist Agent Johnson. Sie hatten uns doch diese CD- ROM zur Analyse und Entschlüsselung gegeben.“

Bei diesem Stichwort war Mulder sofort wieder hellwach. Ein ungutes Gefühl beschlich ihn.

„Ja“, antwortete er mit einem fragenden Unterton.

„Nun ja“, begann Agent Johnson zögernd, „es ist ein kleines Problem aufgetreten.“

„Und um was genau handelt es sich bei diesem kleinen Problem? Wurde die CD- ROM vielleicht beschädigt?“, unterbrach ihn Mulder beunruhigt.

„Nein, die CD- ROM ist unbeschädigt, ...“, Mulder atmete erleichtert auf, „...aber sie hat etwas ...Unangenehmes verursacht.“

„Und was genau hat sie nun verursacht?“, drängte Mulder ungeduldig.

„Wir waren gerade so weit, daß wir einen gewissen Teil der Daten entschlüsseln konnten, als der Computer abgestürzt ist.“

„Und weiter?“

„So wie es scheint, hat die CD- ROM unser System mit einem Virus infiziert, so daß es unmöglich ist ein Programm aufzurufen. Außerdem sieht es so aus, als ob der Virus eigenhändig Daten löscht. Zum Glück war der Computer an keinem Netzwerk angeschlossen.“

„Können Sie nichts gegen diesen Virus unternehmen?“, fragte Mulder hoffnungsvoll.

„Das ist ja das Problem, ...es handelt sich um einen völlig fremden Virus, der von keinem Virusscanner erkannt wird oder lokalisiert werden kann, da er anscheinend immer in andere Dateien springen kann.“

„Mit anderen Worten, es bleibt Ihnen keine andere Wahl, als die Festplatte mit allen gewonnenen Informationen zu löschen“, stellte Mulder nüchtern und resignierend fest.

Leise und zögernd hörte er am anderen Ende der Leitung Agent Johnson antworten.

„Um ehrlich zu sein, ...ja.“

„Agent Johnson, ich habe vielleicht eine Idee, wie der Virus beseitigt werden kann“, begann Mulder, „Dafür benötige ich aber für eine kurze Zeit die CD- ROM.“

„Ja, ja natürlich“, erwiderte dieser erleichtert, da er befürchtete großen Ärger zu bekommen, falls er den Virus nicht beseitigen konnte. Agent Johnson war noch nicht lange beim FBI und wollte keinen Fehler machen.

„Ich werde dann gleich die CD abholen“, erklärte Mulder noch und legte nach einem „In Ordnung“ von Agent Johnson auf. Ungeachtet der Unordnung, die er auf seinem Schreibtisch hinterließ, nahm Mulder seinen Mantel und verließ das Büro.


Als er bei Agent Johnson ankam, sah Mulder, wie dieser nahezu verzweifelt die Tastatur bearbeitete, aber trotzdem schien es so, als ob er nichts erreichte.

„Agent Johnson“, sprach Mulder ihn an und riß ihn dabei aus seinem tranceähnlichen Zustand.

„Ja? ...Ach, Sie sind es Agent Mulder. Ich habe Ihnen die CD- ROM bereitgelegt.“

Mit diesen Worten stand er auf und holte die CD- ROM aus einer anderen Ecke des Raumes und händigte sie Mulder aus.

„Außerdem habe ich noch einige Details aus dem Gedächtnis aufgeschrieben. Vielleicht hilft Ihnen das weiter. ...Ich kann Ihnen die CD aber nur für kurze Zeit überlassen.“

Mulder nickte, während er die CD verstaute.

„Ich hoffe, daß Sie etwas finden, was den Virus unschädlich macht.“

„Das hoffe ich auch“, sagte Mulder und verließ den Raum.


Scully’s Apartment 10:08 Uhr

Mit zwei Einkaufstüten beladen betrat Scully ihre Wohnung. Sie versetzte der Tür einen leichten Stoß mit dem Fuß, worauf diese ins Schloß fiel. Dann stellte sie die Tüten auf dem Küchentisch ab und zog ihren Mantel aus. Anschließend wandte sie sich wieder den Lebensmitteln zu und begann, diese auszupacken und zu verstauen. Doch plötzlich, als sie gerade einen weiteren Gegenstand aus der Tüte heben wollte, hielt sie inne. Sie ließ den Gegenstand wieder in die Tüte sinken und drehte sich um. Dann ging sie auf den Anrufbeantworter zu, dessen Lampe wild blinkte. Scully drückte eine Taste und das Band wurde zurückgespult. Dann ertönte eine merkwürdig verzerrte und mechanisch klingende Stimme:

„Bringen Sie die CD heute um 23:45 Uhr in das Parkhaus an der Margaret-Lane. Stellen Sie die CD, die sich in einem schwarzen Aktenkoffer befinden soll, neben dem Parkscheinautomat. Anschließend verschwinden Sie und Sie bekommen Ihre Mutter unbeschadet wieder.“

Wütend starrte Scully einige Augenblicke auf den Anrufbeantworter, während sie ihre Hände zu Fäusten ballte.


Eine Hand griff nach der CD- ROM, die auf einem Tisch lag. Dann wurde sie in ein passendes Laufwerk gelegt. Während sich das CD- ROM- Laufwerk langsam schloß, ertönte eine Stimme: „Woher hast Du die CD, Mulder?“

Es war Langly, der diese Frage gestellt hatte. Mulder befand sich gerade im Hauptquartier der Lone Gunmen und hatte ihnen die CD präsentiert, um sie von ihnen analysieren zu lassen.

„Die haben wir vor drei Wochen bei einem Mann namens Brian Roberts gefunden, der aber mittlerweile von einem unserer ‚Freunde‘ umgebracht wurde. Vielleicht sagt euch der Name was?“

Frohike schüttelte den Kopf, während er wie gebannt auf den Bildschirm starrte. Auch Langly und Byers schüttelten den Kopf.

„Und, was kannst Du bist jetzt sagen, Frohike?“, fragte Mulder nach einigen Sekunden.

„Eigentlich nicht viel mehr, als euer Computerspezialist vom FBI. Aber um alles durchzuchecken, um die Datei zu finden, die den Virus verursacht, brauche ich mehr Zeit...“

„..., die wir nicht haben“, fügte Mulder enttäuscht hinzu. Erstaunt drehte Frohike sich um.

„Wieso muß das alles so schnell gehen?“

Mulder wußte, daß er ihnen vertrauen konnte.

„Scully’s Mutter ist entführt worden und die CD- ROM wird als Lösegeld gefordert“, erklärte er deshalb ohne Umschweife. Die drei sahen sich erschrocken an.

„Und die meinen es wirklich ernst?“, fragte Langly betroffen.

„Ich fürchte, ja“, bestätigte Mulder resignierend.

„Dann muß diese CD wohl ziemlich wertvolle Informationen enthalten“, folgerte Frohike und wandte sich wieder dem Monitor zu.

„Aber die Hauptsache ist jetzt, daß wir Scully’s Mutter befreien.“

Frohike nickte.

„Außerdem“, fuhr Mulder fort, „nützen uns die Informationen auf der CD nichts, solange wir sie nicht entschlüsseln oder den Virus lokalisieren können.“

„Wann soll denn die Übergabe stattfinden?“, erkundigte sich Byers. Mulder zuckte die Schultern: „Wir haben bisher noch nicht die geringste Ahnung. Die Entführer haben sich bisher erst einmal gemeldet, um uns mitzuteilen, daß sie die CD wollen. Und so, wie es aussieht, wollen sie die ziemlich schnell.“

Frohike schüttelte den Kopf: „Selbst wenn wir die ganze Zeit durcharbeiten, können wir den Virus erst in den nächsten paar Tagen lokalisieren.“

Mulder war enttäuscht, obwohl er im Unterbewußtsein damit gerechnet hatte. Plötzlich wurde er von dem Klingeln seines Handys aus seinen Gedanken gerissen. Er zog sein Telefon aus der Tasche und wandte sich ab. „Mulder“, meldete er sich.

Einige Sekunden lang sagte er nichts, während sich sein Gesichtsausdruck verdüsterte. Die Lone Gunmen sahen sich verwundert an.

„Ich komme sofort“, sagte er und schaltete das Telefon aus. Ohne eine Frage abzuwarten, erklärte er: „Die Entführer haben sich wieder bei Scully gemeldet. Die Übergabe der CD soll noch diese Nacht im Parkhaus an der Margaret-Lane stattfinden.“

Frohike war bereits dabei, die CD aus dem Laufwerk zu nehmen, als Mulder den Kopf schüttelte.

„Könnt ihr vielleicht an irgendwelche Baupläne von dem Parkhaus herankommen?“, fragte er.

„Ich denke schon“, antwortetet Frohike und drehte sich zum Monitor um. Nach einigen Minuten des Wartens in einer erdrückenden Stille, die nur von den Geräuschen der Tastatur unterbrochen wurde, erschien auf dem Monitor ein Plan des Parkhauses.

„Kannst Du ihn auch für mich ausdrucken?“

„Kein Problem“, erwiderte Frohike nur und betätigte eine weitere Taste. Dann begann der Drucker, der auf einem anderen Tisch stand, den Plan Seitenweise auszudrucken. Mulder nahm die Ausdrucke an sich.

„Danke Jungs. Ich komme später noch einmal wieder. Ihr versucht in der Zwischenzeit so viel wie möglich über die CD und diesen Virus herauszufinden.“

Mit diesen Worten verließ Mulder den Raum, während sich die Lone Gunmen ungläubig ansahen.


Mulder’s Büro

Als Mulder sein Büro betrat, saß Scully an seinem Schreibtisch und hatte ihm den Rücken zugewandt. Mulder räusperte sich, woraufhin sich Scully zu ihm umdrehte. Kurz blickte sie Mulder an, doch dann schweifte ihr Blick auf den Schreibtisch ab. Auf diesem stand ein Kassettenrecorder. Scully beugte sich nach vorne, um die Kassette abzuspielen.

„Das haben die Entführer als Nachricht hinterlassen“, erklärte sie kurz. Dann erklang erneut die verzerrte und metallisch klingende Stimme. Nachdem auch Mulder die Forderung gehört hatte, sah er Scully an, die gerade das Band stoppte.

„Haben Sie die Nachricht schon analysieren lassen?“

Scully bestätigte das mit einem Kopfnicken: „Ja, aber daraus hat sich nichts ergeben. Die Stimme wurde sehr stark verzerrt und hinzu kommt, daß es nicht möglich ist Hintergrundgeräusche auszumachen, also auch nicht diese herauszufiltern, um daraus Schlüsse auf die Umgebung ziehen zu können.“

Mulder bemerkte die Hoffnungslosigkeit, die in ihren Worten mitschwang und wünschte, er müßte ihr nicht noch zusätzlich die schlechten Nachrichten über die CD- ROM beibringen. Aber bevor er beginnen konnte, kam ihm Scully zuvor: „Haben Sie denn neue Ergebnisse über die CD- ROM in Erfahrung bringen können?“

Etwas verlegen wirkend schaute Mulder auf seine Schuhspitzen und kratzte sich am Kopf. Aber er tat das nicht aus Verlegenheit, sondern weil er nicht so recht wußte, wie er anfangen sollte.

Neue Ergebnisse ist vielleicht der falsche Ausdruck...“, begann er und ließ seine Hand vom Hinterkopf sinken. Dann schaute er auf und fuhr fort: „...aber es haben sich einige neue Erkenntnisse ergeben, ...die man sicherlich als neue Ergebnisse definieren kann...“, Mulder holte Luft.

„Aber?“, unterbrach ihn Scully.

„...aber die Ergebnisse bringen uns nicht voran, sondern werfen uns eher zurück, weil dieses Erkenntnis ein weiteres Problem darstellt, das wir zuvor lösen müssen.“

Scully stieß einen Seufzer aus: „Und was ist das für ein Problem?“

„Ein Virus“, erwiderte Mulder kurz und ziemlich nüchtern.

„Ein Virus? Wie..., wie konnte das denn geschehen? ...Und was ist mit den bereits erreichten Ergebnissen?“

Scully war sichtlich aufgeregt und wütend.

„Auf der CD war anscheinend ein Programm, das nach einer gewissen Zeitspanne einen Virus auf die Festplatte des Anwenders kopiert, der diese unberechtigt benutzt. Der Virus ist aber von einer vollkommen neuen Art, wodurch der Virusscanner diesen nicht erkennt“, erklärte Mulder und fuhr nach einer Pause fort, „...aber viel ernster ist, daß der Virus Dateien zu löschen scheint. Und er hat bereits genug vernichtet, so daß sich der Computer nicht mehr starten läßt. Daher sind auch die bereits entschlüsselten Daten der CD verloren.“

Als Reaktion auf diesen vernichtenden Bericht vergrub Scully ihr Gesicht in ihren Händen und stützte sich mit ihren Armen auf dem Schreibtisch ab.

„Und warum wurden die entschlüsselten Daten vorher nicht gesichert?“, vorwurfsvoll sah Scully auf, „Man kann sich schließlich denken, daß nicht nur ein Kopierschutz eingerichtet wurde und die Daten einfach nur verschlüsselt wurden.“

Scully stand auf: „Welcher Idiot hat denn an der CD gearbeitet und keine Sicherung der Daten vorgenommen?“

Scully’s Stimme wurde immer lauter. Außerdem hatte sie einen wütenden Unterton bekommen. Während sie auf Mulder zukam fuhr sie fort: „Es kann doch nicht sein, daß wir alle Ergebnisse verlieren, ...“ Scully machte eine kurze Pause und fuhr mit vor Wut und Verzweiflung zitternder Stimme fort: „...nur weil jemand, der sich Computerspezialist nennen darf, vergißt eine Sicherungskopie zu erstellen.“

Wieder ein vorwurfsvoller Blick in Mulder’s Richtung, während sie ihm nun gegenüber stand. Beruhigend legte Mulder seine Hände auf ihre Schultern: „Scully, soviel Sie sich auch aufregen, es kann nicht mehr ungeschehen machen, was bereits passiert ist und wir müssen uns damit abfinden.“

„Aber es ist nicht fair“, erwiderte Scully trotzig und Tränen der Wut stiegen in ihr hoch.

„Nein, es ist nicht fair... Aber ich habe bereits andere Quellen eingeschaltet, die versuchen den Virus zu lokalisieren und auszuschalten.“

Ohne daß Mulder den Namen nennen mußte, wußte Scully, daß er von den Lone Gunmen sprach.

„Glauben Sie denn, daß die irgend etwas herausfinden können, bevor die Übergabe der CD stattfindet?“, fragte sie hoffnungslos.

„Wenn ich ehrlich sein soll, nein“, erklärte Mulder mutlos.

„Aber“, fuhr er fort, „da Sie gerade von der Übergabe sprechen, vielleicht sollten wir uns dieses Parkhaus einmal näher ansehen.“

Scully sah ihn an und schüttelte den Kopf: „Ich weiß nicht, ob das eine so gute Idee ist. Was ist, wenn die Entführer bereits alles überwachen und uns dort herumstöbern sehen? Ich möchte nicht, daß wir ein unnötiges Risiko für meine Mutter darstellen.“

„Ich bin überzeugt davon, daß sich die Entführer momentan nicht einmal in der Nähe des Parkhauses aufhalten. Weiterhin ist es nur natürlich, sich den Übergabeplatz vorher anzusehen. Die Entführer haben außerdem nicht gesagt, daß wir uns nicht in der Nähe des Parkhauses aufhalten sollen. Ihrer Mutter wird nichts passieren, Scully“, redete Mulder beschwörend und beschwichtigend auf Scully ein. Einige Sekunden zögerte sie, doch schließlich willigte Scully, der immer noch unbehaglich zumute war, durch ein Nicken ein.


Parkhaus/ Margaret-Lane

Langsam bog Mulder um die Kurve, die zur untersten Etage führte. Normalerweise stellten nur wenige Fahrer ihr Auto hier unten ab, aber heute ging es besonders lebhaft zu, wodurch auch die unterste Etage des Parkhauses fast vollständig besetzt war. Mulder suchte die erstbeste Parkmöglichkeit und stellte dort den Wagen ab. Dann stiegen er und Scully aus. Mulder trat auf Scully zu, die zwar ausgestiegen, aber unruhig vor dem Wagen stehengeblieben war.

„Hey, Scully. Bleiben Sie ganz ruhig, es wird schon nichts Schlimmes geschehen.“

Schwach nickte sie als Antwort zu seinen Worten. Langsam gingen sie tiefer in die Garage hinein und betrachteten die Autos, die kahlen Steinwände, den Boden, die Decke eben alles, was in irgendeiner Form Hinweise liefern konnte. Während sie weitergingen, spürte Scully ein nervöses Kribbeln in ihrer Magengegend. Sobald sie einen weiteren Schritt machte, wurde das Kribbeln heftiger. Sie fühlte sich beinahe wie die Hauptfigur in einem klassischen Horrorfilm. Alle wußten, daß man nicht weitergehen sollte, aber der Charakter im Film tat es trotzdem. Auch sie hätte am liebsten auf der Stelle kehrtgemacht, um der Tiefgarage so schnell wie möglich den Rücken zukehren zu können. Ihr wurden bereits bei dem Gedanken an die baldige Rückkehr die Knie weich.

„Mulder, glauben Sie wirklich, daß wir hier irgend etwas finden werden?“

Als sie den Satz ausgesprochen hatte und dem Klang ihrer eigenen Stimme nachhorchte, wunderte sie sich, wie gelassen diese klang. Doch sie konnte nicht länger darüber nachdenken, da Mulder’s Stimme in ihre Gedanken drängte.

„Ich habe nicht die geringste Ahnung, aber es ist immer noch besser sich hier mit etwas zu beschäftigen, was nicht da ist, als nichts tun zu können außer darauf zu warten, daß die CD- Übergabe stattfindet.“

Obwohl Mulder’s Stimme beruhigend klang, konnte Scully das Gefühl in ihrer Magengegend nicht unterdrücken. Während sie das restliche Stück bis zum Ende der Etage schweigend zurücklegten, schien es ihr, als würde das Kribbeln jetzt bei jedem Herzschlag ansteigen. Beinahe fühlte sie sich wie ein Kind, das damit rechnen muß, jeden Moment bei etwas Verbotenem ertappt zu werden. Während Mulder inzwischen vollauf damit beschäftigt war, alles genau zu untersuchen, hing Scully ihren Gedanken nach. Mittlerweile waren diese bei ihrer Mutter angelangt und sie hoffte, betete, daß es ihr gut ging. Mulder warf ihr einen Blick zu. Er machte sich Sorgen um Scully. Auch wenn sie nach außen hin einen gefaßten Eindruck machte, so wußte er, daß es in ihrem Inneren vermutlich ganz anders aussah. Jetzt befanden sie sich wieder auf dem Rückweg zu ihrem Auto.

„Und was jetzt?“, fragte Scully unbeteiligt.

Mulder blickte sie fragend an und zog eine Augenbraue hoch.

„Ich meine, was sollen wir jetzt noch hier tun?“

„Eigentlich nichts“, eröffnete Mulder ihr kurz, „Deshalb schlage ich vor, daß wir wieder zurückfahren und sehen, was wir dort noch tun können.“

Scully war ein wenig irritiert. Für diese Untersuchung, die nur ein paar Minuten gedauert hatte, waren sie hergefahren? Aber statt zu fragen, nickte sie nur zustimmend. Eigentlich wollte sie nur so schnell wie möglich wieder aus diesem Parkhaus heraus. Als sie im Auto saßen und langsam aus der Garage rollten, sah Mulder sie verschmitzt lächelnd an.

„Was?“, fragte Scully erstaunt.

„Haben Sie es nicht gesehen?“, erkundigte sich Mulder.

„Was gesehen? Für mich war das nichts weiter, als ein gewöhnliches Parkhaus.“

„Haben Sie die Tür nicht gesehen?“, bohrte Mulder weiter.

„Die Tür? Sie meinen den verschlossenen Durchgang, der was-weiß-ich-wohin führt?“

Mulder nickte.

„Und was haben Sie an der Tür entdeckt, was so außergewöhnlich war?“

„Kurz über der Tür befindet sich eine kleine Vertiefung. Man übersieht es beinahe. Aber eben nur beinahe. Ich habe es mir, im Vorbeigehen, näher angesehen und dabei entdeckt, daß es eine Kamera ist.“

„Und was, wenn es sich um eine normale Überwachungskamera des Parkhauses handelt?“, fragte Scully nüchtern.

„Ich habe mir den Plan des Parkhauses von den Lone Gunmen ausdrucken lassen“, er reichte ihr einige Blätter, „...und darauf sind alle Überwachungskameras verzeichnet. Die Kamera an diesem Durchgang ist darauf nicht angegeben.“ Mulder sah Scully an, die einen Blick auf die Pläne warf.

Scully wurde bleich und verkrampfte sich: „Sie meinen, daß die Entführer vermutlich die Kamera dort angebracht haben und uns eben beobachten konnten, wie wir das Parkhaus nach Hinweisen durchsucht haben?“

Wieder nickte Mulder.

„Und was wird jetzt aus meiner Mutter?“, fragte Scully entsetzt und mit zitternder Stimme.

„Sie werden ihr nichts tun, solange wir im Besitz der CD sind und sobald wir diese heute Nacht abgeliefert haben, werden die Entführer sie wieder freilassen.“

„Glauben Sie wirklich?“, hakte Scully zweifelnd nach.

„Ich glaube es nicht nur, sondern ich bin überzeugt davon“, erklärte Mulder mit fester Stimme und blickte kurz zu Scully hinüber, die ihn mit bleichem Gesicht musterte.

„Und wohin fahren wir jetzt?“, fragte Scully, nachdem sie bemerkt hatte, daß sie bei der letzten Kreuzung hätten abbiegen müssen. Lächelnd schaute Mulder ihr ins Gesicht: „Zu unserer anderen Quelle.“


Hauptquartier der Lone Gunmen

Als Scully und Mulder den Raum betraten, blickte Frohike kurz auf und stand dann, nachdem er beide erkannt, hatte auf.

„Agent Scully, es tut mir sehr leid, was mit Ihrer Mutter passiert ist“, erklärte er mitfühlend. Verstohlen tauschten Langly und Byers einen vieldeutigen Blick aus. Scully nickte nur zu Frohike‘s Worten.

„Laß Dich nicht ablenken, Frohike, und sag‘ uns lieber, was Du über die CD herausgefunden hast“, kam Mulder ihm zuvor, bevor dieser noch etwas sagen konnte. Daraufhin sank dieser wieder auf seinen Stuhl zurück und wandte sich dem Computerbildschirm zu. Er tat ein paar Handgriffe, bis etwas auf dem Monitor zu erkennen war. Dann deutete er mit einem Finger auf eine Zeichenkette.

„Diese Daten konnte ich entschlüsseln, aber es handelt sich dabei nur um einen minimalen Teil. Um genau zu sein nur um einige Bruchstücke von Wörtern oder Formeln.“

„Und kann man erkennen, um was es sich bei diesen Formeln handelt?“, hakte Mulder nach. Wieder drückte Frohike einige Tasten, woraufhin sich ein anderes Fenster öffnete. Neugierig beugte sich Scully vor.

„Das sieht aus, als ob es sich um irgendwelche DNS- Codes handelt“, bemerkte sie dann erstaunt. Frohike nickte: „Genau das denken wir auch.“

„Und um was genau geht es dabei?“, fragte Mulder abermals, der ratlos einen Blick auf den Monitor geworfen hatte und nur ein paar Buchstaben und Zahlen vor sich sah.

„Aus diesen wenigen Bruchstücken kann man nicht viel erkennen. Es könnte sich um alles mögliche handeln, aber spekulieren wird nicht weiterhelfen, da zudem noch alles aus dem Zusammenhang gerissen wurde“, erwiderte Frohike.

„Und die anderen dazugehörigen Daten, könnt ihr die nicht auch noch entschlüsseln?“, bohrte Mulder ungeduldig nach.

Mit enttäuschten Mienen schüttelten alle drei der Lone Gunmen den Kopf und Frohike fügte hinzu: „Die Daten wurden auf mehrere Arten verschlüsselt und um zusammenhängende Informationen zu erhalten muß man alle Codes kennen und diesen Code haben wir auch nur durch die Daten so schnell entschlüsselt, die euer Computerspezialist“,

Scully verdrehte die Augen,

„aufgeschrieben hat.“

Enttäuscht fuhr Mulder sich durch die Haare.

„Und nun?“, mischte sich Langly in das Gespräch ein.

„Über den Virus habt ihr nicht zufällig etwas herausgefunden, oder?“

Mulder sah sich um. Ein Blick genügte, um zu wissen, daß das nicht der Fall war. Mit langen Gesichtern schauten sich die Lone Gunmen an.

„Es bringt ja doch nichts, wenn ihr jetzt noch hier weiterexperimentiert, also könnt ihr uns vielleicht bei einem anderem Problem helfen“, eröffnete Mulder ihnen, nachdem er sich von der Enttäuschung, daß die CD kein Geheimnis preisgegeben hatte, halbwegs wieder erholt hatte.

„Ja, sicher“, erklärte Frohike sich sofort bereit, „wenn wir wissen, um was es geht.“

Scully, die abwesend bei dem Gespräch gestanden hatte, schaute jetzt wieder interessiert auf. Sie hatte eine Vermutung, bei welchem Problem die Lone Gunmen ihnen helfen sollten.

„Sie meinen die Kamera?“, fragte sie aus diesem Grund, halb in Mulder’s Richtung, obwohl es sich mehr wie eine Feststellung anhörte. Mulder nickte.

„Macht euch auf eine aufregende Nacht in einem verlassenen Parkhaus gefaßt“, erklärte Mulder vielsagend, während er es sich auf einem Stuhl bequem machte, um ihnen alles erklären zu können.

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