World of X

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Elysian Fields

von Amy Schatz

Kapitel 6

Unionville, Virginia

20. Oktober 1997

Rapahannock County - Krankenhaus

1:21 Uhr



Margaret Scully hetzte durch die Schiebetüren des Notfalleingangs des Krankenhauses und ging direkt in Richtung der ersten Krankenschwester, die sie sah. Zum Krankenhaus zu kommen hatte doch länger gedauert, als sie erwartet hatte. Sie hatte - wie Dana sie gebeten hatte - hier und bei ihren Nachbarn angerufen, um sie wissen zu lassen, dass Dana in nächster Zeit nicht zu Hause sein würde. Erst nachdem sie das alles erledigt hatte, war sie losgefahren.

Sie hoffe, dass es Dana gut ging. Sie wusste, was es bedeute, in einer Situation wie dieser allein zu sein. Sie hatte Charlie bekommen, als der Captain auf See war, und es war ein beängstigendes Erlebnis gewesen. Aber so wie sie ihre Tochter kannte, zeigte sie sich so stark wie immer.

"Können Sie mir sagen, in welchem Zimmer Dana Scully ist?" fragte sie die Krankenschwester ruhig.

Diese warf einen Blick auf die Tabelle vor sich und sagte, "Sie liegt in Kreissaal 3. Sie sind?"

"Ich bin ihre Mutter, sie wollte mich dabei haben."

Die Krankenschwester lächelte. "Dann gehen Sie doch schon rein. Es ist die dritte Tür rechts."

Margaret nickte, murmelte ein "Dankeschön" und machte sich auf den Weg. Sie klopfte leicht, stieß die Tür aber dann doch schnell auf. Sie sah ihre Tochter auf einem Bett liegen, ohne Decken. Ihre Stirn glänzte vor Schweiß, genauso wie ihr Nacken. Sie schaute in die der Tür entgegengesetzte Richtung, auf einen in der Ferne gelegenen Punkt, und hatte ihre Mutter nicht hereinkommen gehört.

"Hallo Dana," flüsterte Maggie.

Scully drehte sich nicht zu ihr um, sie verhielt sich gerade so, als ob sie nicht da wäre.

Margaret ging vorwärts und setzte sich auf den Stuhl neben dem Bett. Sie berührte Dana's Arm, und Scully schreckte plötzlich hoch.

"Tut mir leid, Kleines. Ich wollte dich nicht erschrecken."

Scully sah sie kurz an und zwang sich dann zu einem schwachen Lächeln. "Ist schon in Ordnung. Ich hab nur nachgedacht."

"Wie geht's dir, Dana?"

Scully kicherte. "Ich glaube soweit ganz gut. Aber ich denke..." sie verstummte, als sich Tränen in ihren Augen sammelten und sie bereitete sich auf die nächste Wehe vor.

Als der Schmerz ihre Tochter überkam, streichelte sie deren Haar und wünschte, Fox wäre hier.





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Rapahannock County Krankenhaus

3:00 Uhr



Scully wünschte, das Baby käme bald. Die Zeit zwischen den Wehen, die immer noch sehr schmerzhaft waren, war in den letzten zweieinhalb Stunden nicht kürzer geworden. Sie war sicher, dass sie zu diesem Zeitpunkt eigentlich schneller kommen müssten, und fing an, sich zu fragen, ob mit dem Baby alles okay war.

Ihre Mutter war in die Cafeteria gegangen, um sich Kaffee und einen kleinen Imbiss zu holen und Dana war wieder einmal allein.

Aber in ihrem von Schmerz erfüllten Kopf und Herzen, da war sie keineswegs allein - Mulder war bei ihr. Sie stellte sich gerade vor, wie er vor ihrem Bett stand, ihre Hand hielt und ihr zuflüsterte, dass alles bald wieder in Ordnung sein würde.

Sie lächelte sein Ebenbild, das - je länger sich die Nacht hinzog - immer verschwommener wurde, an.

"Ich bin so froh, dass du hier bist," atmete sie erleichtert auf, "solange du hier bist, weiß ich, das alles gut sein wird."

Und die Vision von Mulder warf ihr sein schönstes Lächeln zu.

"Warte nur ab, bis du unser Baby siehst, Fox. Sie ist bestimmt hübsch und du wirst sie lieben. Ich weiß das." Danach schloss Dana ihre Augen und stellte sich erneut vor, dass sie seine Hand hielt, als sie auf die nächste Wehe wartete.

Dana nahm ihre Mutter, die in der Tür stand und sie beobachtete, gar nicht wahr.





Rapahannock County Krankenhaus

4:23 Uhr



Als die Wehe vorbei war, öffnete Dana wieder ihre Augen und drehte sich zu ihrer Mutter um. "Mom, irgend etwas stimmt da nicht," sagte sie und in ihren Augen war nackte Angst zu erkennen. "Die Wehen kommen nicht früher. Ruf bitte den Arzt, Mom. "Margaret war der gleichen Meinung. Irgend etwas war nicht in Ordnung. Die Krankenschwestern und auch die Ärztin kamen zwar öfters in ihr Zimmer, aber immer wenn sie sahen, dass die sich die Zeit zwischen den Wehen nicht verkürzte, tauschten sie kurze Blicke aus und gingen schnell wieder. Maggie nickte und stand auf, aber bevor sie auch nur einen Schritt machen konnte, betrat die Ärztin das Zimmer ein weiteres mal.

Scully stieß einen erleichterten Seufzer aus. "Ich wollte gerade meine Mutter losschicken, um Sie zu suchen," sagte sie mit einer vor Ermüdung ganz schwachen Stimme. "Dr. Samms, irgend etwas kann hier nicht stimmen. Ich kann so nicht länger weitermachen."

Dr., Kendall Samms nickte und strich eine Hand durch ihr braunes Haar. "Ja, ich weiß, Dana. Wir haben ein paar Tests gemacht und es scheint, als ob das Baby sich noch nicht gedreht hat, weswegen auch die Wehen nicht schneller kommen. Es tut mir leid, aber wir werden wohl einen Kaiserschnitt durchführen müssen."

Der Gedanke an diese Prozedur beängstigte Scully ein wenig, aber das zeigte sie in keinster Weise. Was auch immer getan werden musste, um die Sicherheit des Babys zu garantieren, sie würde es machen.

"Okay, Dr. Samms. Wenn Sie meinen, dass es das beste wäre..."

"Ja, das denke ich. Die Wehen kommen schon zu lange. Ich bin nicht der Meinung, dass Sie dazu fähig wären, mit dem Stress einer Steißgeburt fertig zu werden. Ihr Blutdruck ist jetzt schon ein bisschen zu hoch und ich möchte das nicht riskieren. Also, wir werden dann Sie und den OP vorbereiten und Sie in ungefähr 20 Minuten dort hinbringen, okay?"

Scully seufzte. "Toll..."

Maggie sah ihre Tochter an und drückte ihre Hand als zusätzliche Unterstützung. "Mach dir keine Sorgen. Alles wird gut werden..."





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Rapahannock County Krankenhaus

OP 2

4:47 Uhr



Scully hatte gewollt, dass ihre Mutter draußen wartete und sich ausruhte, während sie operiert wurde, aber Maggie wollte nichts davon hören. Sie wollte für Dana da sein, und sie wollte dabei sein, wenn ihre Enkelin geboren wurde.

Scully wurde örtlich betäubt und schon kurz darauf war die OP im Gange. Margaret war normalerweise nicht zimperlich, aber sie konnte es nicht ertragen zu sehen, wie ihre Tochter aufgeschnitten wurde. Es war fürchterlich und erinnerte sie zu sehr an die Zeit, als Dana mit Krebs im Krankenhaus gelegen hatte.

Als sie in etwa die Hälfte der Operation überstanden hatte, warf die Ärztin Dana einen Blick zu. "Alles verläuft wunderbar, Dana. Schon bald werden Sie ihre Tochter halten können."

Scully nickte und eine einzelne Träne rann ihre Wange hinunter.

Zwanzig Minuten später holte jeder tief Luft, als Dr. Samms ein strampelndes Baby hochhob und die Krankenschwester die Nabelschnur durchtrennte.

"Schreiben Sie eine Notiz," sagte Dr. Samms. "Das kleine Mädchen wurde um 5:03 Uhr geboren."

Margaret schaute das Baby an, als die Ärztin es in ihrem Armen hielt und strahlte mit von Tränen feuchten Augen bis über beide Ohren.

"Oh, Dana, sie ist wunderschön," erzählte Maggie, denn Dana konnte das Baby von da aus wo sie lag nicht sehen.

"Ehrlich, Mom? Ist sie in Ordnung? Ich höre sie nicht weinen," sagte Dana mit besorgter Stimme.

Genau als die Worte ihren Mund verließen, stieß das Baby einen langen Schrei aus, und war dann plötzlich wieder ruhig. Scully lächelt, da sie sich jetzt sicher war, dass alles stimmte und ein paar weitere Tränen purzelten auf ihre Wangen.

Als die Gynäkologin begann, den Schnitt zu vernähen, wuschen die Krankenschwestern das Kind und wickelten es in eine rosa Decke ein. Sobald Dr. Samms fertig war, reichte die Schwester das Mädchen seiner Mutter.

Scully nahm das Baby glücklich und in dem Moment, wo sie in ihre klaren blauen Augen schaute, war ihr Herz für immer verloren.

Das Kind war still, lächelte aber schwach und kuschelte sich leicht blinzelnd näher an seine Mutter. Scully strahlte, wischte sich die Tränenspuren vom Gesicht und berührte sanft das Gesicht ihrer Tochter. Dabei fiel ihr der Text eines Liedes ein:



"Hallo, Kleine. Ich bin deine Mama..."

Dann schaute Scully zu ihrer Mutter. "Sie ist wirklich schön, oder?"

Maggie nickte und streichelte Dana's Wange. "Genau wie ihre Mama. Schau, ich glaube sie hat sogar dein Haar."

Scully sah sich das Baby etwas genauer an, und tatsächlich, da war ein leichter Flaum von rotem Haar auf ihrem Kopf. "Ja, aber sie wird die Augen ihres Vaters bekommen. Und sie hat auch seinen Mund."

Maggie blinzelte ein paar Tränen zurück und staunte, wie stark ihre Tochter doch war. Sie sagte das alles, ohne auch nur einmal zu stocken. "Wie wirst du sie nennen? Ein Baby sollte nicht so lange ohne Namen sein."

Scully drehte sich zu ihrer Mutter um, ihr Blick war weich. "Ich hab gestern schon einen ausgesucht, bevor ich ins Bett bin."

"Was?"

"Sie soll....Melissa heißen.... ," sagte sie, und konnte die Dankbarkeit in den Augen ihrer Mutter erkennen.

"Und ihr zweiter Vorname?" fragte Dr. Samms, denn ihr gefiel die Freude, die Dana plötzlich ausstrahlte. Sie hatte ihre Patientin in all den Monaten, in denen sie zu ihr gekommen war, eigentlich nicht ein einziges Mal lächeln sehen.

Bei dieser Frage schaute Scully von ihrer Mutter zu ihrer Ärztin. "Ihr Name soll Melissa Fox sein."

Die Gynäkologin starrte sie fragend an, aber Maggie nickte verständnisvoll. "Warum Fox, Dana? Das ist kein gewöhnlicher Name für ein Mädchen."

Scully lächelte wieder und zog ihre Tochter näher an sich heran.

"Ich nenne sie nach ihrem Vater, und Sie haben Recht, es ist ein etwas anderer Name. Ihr Vater ist auch ein bisschen anders - etwas Besonderes." Die Ärztin nickte und verließ den OP. Maggie tätschelte Dana's Arm und lächelte. "Es ist ein wundervoller Name, Dana. Vielleicht bist du eines Tages dazu fähig, es Fox doch noch zu erzählen."

Scully schaute zu ihrer Mutter und dachte das erste Mal richtig über deren Worte nach. Ja, vielleicht hatte sie irgendwann so viel Mut, Mulder zu sagen, dass sie eine Tochter hatte. Aber jetzt im Moment reichte ihr schon allein das Gefühl, dass er auch irgendwie hier in diesem Zimmer war.





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Unionville, Virginia

20. Oktober 1997

Rapahannock County Krankenhaus - Kinderstation

9:30 Uhr



Die Krankenschwester betrat die Säuglingsstation leise, da sie die Babies auf keinen Fall aufwecken wollte. Sie bahnte sich den Weg zu einem Bettchen in der Ecke und sah auf das kleine in eine rosa Decke gewickelte Mädchen. Sie lag auf dem Rücken, der Kopf war auf die Seite gedreht. Sie war eine richtige Schönheit, das war sicher. Aber sie war auch sehr still, als ob sie immer über irgendwelche Dinge nachdenken würde, nur um sie dann in ihrem kindlichen Verstand zu begreifen. Dieses Baby war ohne Zweifel anders als andere - sie hatte sogar einen ungewöhnlichen Namen. 'Melissa Fox' sagte das an dem Bett befestigte Zettelchen.

Die Krankenschwester hob das Baby sanft hoch, wobei das Kind keinen Ton von sich gab. Es starrte sie nur mit ihren großen blauen Augen an und verzog ihr Gesicht zu einem typischen Babylächeln.

"Da haben Sie sie, Miss. Scully," sagte die Schwester, als sie Melissa Fox an ihre Mutter übergab.

Scully nahm das Baby glücklich an sich. "Danke. Ich hab sie schon vermisst."

Die Krankenschwester nickte. "Sie ist zweifellos eine kleine Herzensbrecherin, mit diesem Lächeln."

Scully schaute zu Melissa und nickte. "Ja, genau wie ihr Vater."

Die Schwester verschränkte ihre Arme und fragte, "Ist der Name ihres Vaters wirklich Fox?"

"Ja. Aber er hat ihn nie richtig leiden können. Er lässt sich von den Leuten immer mit dem Nachnamen anreden."

Die Krankenschwester runzelte die Stirn. "Wirklich? Warum haben Sie ihn dann ihrer Tochter gegeben?" wollte sie wissen.

Scully zuckte mit den Schultern. "Ich möchte, dass sie weiß, dass mir ihr Vater eine Menge bedeutet, und ich möchte, dass sie ihn liebt und respektiert. Und außerdem mochte ich den Namen Fox schon, und ich glaube, sie wird das auch.

Sie lächelte das Baby noch ein letztes Mal an und verließ dann das Zimmer, um Scully mit ihrer Tochter allein zu lassen.

Dana konnte nicht glauben, dass sie das alles ohne fremde Hilfe geschafft hatte. Dass sie stark genug gewesen war, das ohne Mulder durchzustehen. Aber ihre innere Stimme sagte ihr, dass sie das nicht wirklich war. Er war in gewisser Weise immer bei ihr gewesen.



Wie wahr doch die Worte dieses Songs waren. Seine Liebe zu ihr hatte sie stark genug gemacht, das durchzustehen - stark genug, um ohne ihn zu leben, wenn es sein musste, stark genug, um ihm nie von Melissa Fox zu erzählen, weil sie dachte, dass es ihn unglücklich machen würde, ein Kind zu haben.

Scully schaute das Baby lang an, bevor sie anfing, zu reden. Sie studierte ihre kleinen Hände und Finger, ihren Mund - ein Abbild von Fox's, den kleinen Büschel von flammend rotem Haar, und ihre süße kleine Nase.

Sie war von der Tatsache, dass sie und Mulder dieses Wesen geschaffen hatten, einfach überwältigt. "Na ja, Kleine, jetzt können wir endlich von Angesicht zu Angesicht miteinander reden. Das ist viel besser, oder was meinst du?"

Als Antwort gurrte das Baby und blinzelte mit seinen wunderschönen blauen Augen.

Scully liebte ihre Augen, aber sie wusste zweifellos, dass sie sich in ein paar Wochen zu haselnussbraunen verändern würden.

Ja, Melissa würde die atemberaubenden haselnussbraunen Augen ihres Vaters haben, wie um der ganzen Welt zu sagen, wessen Tochter sie war.

Und darüber war Scully unheimlich glücklich.
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