World of X

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Elysian Fields

von Amy Schatz

Kapitel 4

Scully warf ihre Klamotten in ihren Koffer, schnappte sich ihren Mantel und ihren Laptop und rannte aus dem Zimmer. Der Schwangerschaftstest war schon längst vergessen und blieb im Waschbecken liegen.

Sie konnte nicht glauben, dass er sie so betrogen hatte. Wenn er sie nicht mehr liebte, wäre es das Mindeste gewesen, dass er es ihr gesagt hätte. Dann hätte er Pamela so viel nachrennen können, wie er wollte. Aber so etwas zu tun - ihr weiszumachen, dass er Reese nur sagen wolle, dass er nicht interessiert an ihr war - und sie dann mit auf sein Zimmer zu nehmen, das hatte Scully so weh getan, dass sie kaum noch atmen konnte. Alles, was sie je von Mulder gewollt hatte, waren ein paar Monate voller Glück. Sie hatte nie von ihm erwartet, für immer bei ihr zu bleiben, aber sie hatte ihn immer für einen Gentleman gehalten. Heute Nacht hatte er das vernichtet, was sie jemals miteinander gehabt hatten.

Aber trotz alledem könnte nichts wirklich die Liebe zerstören, die sie für ihn empfand. Das würde sich auch niemals ändern.

Als sie an seinem Zimmer vorbeiging, merkte sie nicht einmal, dass die Tür immer noch offen stand. Sie hielt nicht an, sie sah nicht zurück. Sie konnte es nicht, es würde sie umbringen. Und sie wollte einen Teil ihres Selbst bewahren.





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Mulder hörte, wie sie an seinem Zimmer vorbeilief, er rappelte sich auf und rief ihren Namen. Er rannte auf den Flur hinaus, rief zu ihr, flehte sie an anzuhalten.

"Scully, warte! Bitte! Scully, geh nicht!" schrie er, aber sie stoppte nicht und drehte sich auch nicht mehr um.

Er lehnte sich gegen die Wand, ließ den Tränen ihren freien Lauf. Sein Herz zerbrach in diesem Augenblick in Millionen von Stücken.

Und er wusste mit Sicherheit, dass er sie niemals wieder sehen würde. Ungewollt erinnerte sich an eine Zeile eines Songs.







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Unionville, Virginia

20. Oktober 2000

Scully's Apartment

13:20 Uhr



Mulder schaute aus Scully's Wohnzimmerfenster und fühlte einmal mehr den unerträglichen Schmerz, den er gefühlt hatte, als er sah, wie sie diesen Flur

hinuntergelaufen war. Er erinnerte sich daran, wie gerade ihre Haltung gewesen war, aber er hatte gewusst, dass allein der schiere Wille sie aufrecht gehalten hatte.

"Scully, ich würde lieber nicht über...sie sprechen", sagte er leise.

Scully wusste, dass es schmerzhaft für ihn war, aber sie musste einfach wissen, was in dieser Nacht passiert war. Über die Jahre hinweg hatte sie mindestens tausend Mal darüber nachgedacht, aber sie wusste es immer noch nicht wirklich.

"Mulder, bitte. Ich muss es einfach wissen. Hast du sie mit auf dein Zimmer genommen?"

Mulder schluckte trocken und stand auf, um sich zu ihr neben das Fenster zu stellen. Er ließ seinen Mantel auf dem Sofa und Scully ertappte sich selbst dabei, wie sie seine große, schlanke Gestalt bewunderte.

"Ja. Aber nur, weil sie sagte, sie müsse mir etwas über den Fall sagen. Als wir in das Zimmer kamen, da..." Er drehte sich um, um sie anzusehen, er wollte nämlich, dass Scully sah, dass er nicht log, obwohl das auch keinen Unterschied mehr gemacht hätte. Wenn sie es wusste, würde er sich besser fühlen. "Sie baggerte mich an, Scully. Ich schwöre es. Ich war überhaupt nicht an ihr interessiert. Ich habe versucht, sie dazu zu bringen, zu gehen, sodass... sodass ich zu dir hinübergehen konnte. Seit damals hat sie es noch einmal bei mir versucht, aber ich habe sie rausgeworfen und ich denke, sie hat's endlich kapiert."

Scully nickte, sie nahm das alles in sich auf. Während dieser drei Jahre ohne ihn war sie zu dem Entschluss gekommen, dass sie wahrscheinlich falsch damit lag, was in dieser Nacht passiert war, aber die Vorstellung verletzte sie immer noch mehr als es ihr lieb war.

Sie wusste, dass sie damals überreagiert hatte, aber sie hatte so viel um die Ohren gehabt, dass sie nicht damit fertiggeworden war. Und jetzt hasste sie sich selbst dafür, dass er wegen ihr so viel Schmerz erleiden musste und dass sie ihretwegen nicht mehr zusammen waren.

Er lachte hohl und es klang wie der Wind, der über kahle Ebenen weht. Es ließ Scully's Ohren schmerzen.

"Ich weiß, dass du mir nicht glaubst, aber ich musste es noch ein letztes Mal versuchen."

Scully's Seele schrie, als er den Ausdruck 'ein letztes Mal' gebrauchte, aber sie verdrängte ihre Gefühle.

"Ich glaube dir jetzt, Mulder. Wirklich."

Mulder drehte sich um, um sie anzusehen, ihre Blicke trafen sich und für kurze Zeit spürte Scully diese alte Verbindung - das Band, das die beiden zusammenhielt. Sie spürte es wie in früheren Jahren. Die Spannung zwischen ihnen war noch da und ließ Scully's Haut prickeln.

"Du...du glaubst mir???" fragte er ungläubig. "Wirklich??"

Sie nickte. "Ja, ich habe langsam aber sicher gemerkt, dass ich voreilige Schlüsse gezogen habe, aber ich hatte sehr viel Stress."

Mulder setzte sich wieder, er hatte Angst, zu weit voraus zu denken. Aber er fing langsam wirklich an, sich zu fragen, warum Scully ihn hierhergerufen hatte. Es musste weitaus mehr sein als dass sie ihn nur über Pamela Reese ausfragte. Es musste etwas sehr Wichtiges für sie sein, um so ein großes Tamtam darum zu machen.

"Welche Art von Stress Scully? Was meinst du?"

Sie seufzte, stand dann von ihrem Stuhl auf und lief langsam im Raum hin und her.

Mulder beobachtete sie, er wollte sie nicht drängen. Schließlich stoppte sie mit einem ernsten Gesichtsausdruck vor ihm.

"Ich muss dir etwas erzählen, Mulder. Es ist etwas Wichtiges - etwas, was mit uns beiden zu tun hat."

Mulder's Gedanken drehten sich und beschwörten Hunderte von Dingen herauf, von denen sie sprechen könnte, sodass er ihre nächsten Worte kaum mehr wahrnahm.

"Mein Leben hat sich in den letzten drei Jahren wahnsinnig verändert."

Mulder schloss seine Augen. Gleich würde es kommen. Sie würde ihm sagen, dass sie entweder verheiratet oder verlobt war und das sie ihn nur wissen lassen wollte, dass sie jetzt endlich glücklich war. Er wartete darauf, dass sie ihm den letzten endgültigen Schlag versetzte.

Sie sah ihn an und erkannte sofort den Blick von Bedauern und Verwirrung.

"Ich werde alles erklären, Mulder. Versprochen."

Er nickte, sie wurde ruhig, als sie in ihren Erinnerungen kramte und versuchte sie zu ordnen.





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Falls Church, Virginia

6. März 1997

Haus von Margaret Scully





Scully saß in ihrem Wagen vor dem Haus ihrer Mutter, Tränen rollten ihre Wangen hinunter. Jedes Jahr bis zu diesem Zeitpunkt war dieser Tag immer ein glücklicher für sie gewesen.

Es war der Tag, an dem sie Mulder das erste Mal getroffen hatte, vor so vielen Jahren. Sie hatten immer etwas Besonderes zusammen unternommen, sie hatten gelacht und den Tag und einen Teil des Abends miteinander verbracht. Voriges Jahr hatten sie - wie immer - den Abend zusammen verbracht, aber in dieser Nacht war die Spannung zwischen ihnen besonders stark gewesen und sie hätten die unsichtbare Linie beinahe überschritten. Beinahe. Aber letztendlich war Mulder nach Hause gegangen, Scully ins Bett und keiner hätte auch nur erahnen können was im Juni zwischen den beiden beginnen würde.



Ein Schluchzer brach aus ihr heraus, als sie noch einmal die Nächte, in denen sie zusammen im Bett lagen, sich festhielten und Mulder ihr zuflüsterte, wie sehr er sie doch liebte und sie über ihre Zukunft sprechen in ihrem Gedächtnis durchspielte.

Sie machte sich nicht die Mühe, die Tränen aus ihren Augen zu wischen, denn sie würden kurz darauf sowieso wiederkommen. Sie weinte jetzt die ganze Zeit, und das bedrückte sie. Sie dachte immer, dass sie stärker als das wäre, aber über die Jahre hinweg hatte ihr Mulder ein Stück ihrer Seele weggenommen und seine Abwesenheit fühlte sich an, als ob ihr jemand das Herz herausgerissen hätte.

Ein paar Minuten später hatte sich Scully so weit beruhigt, um aus dem Auto zu steigen und zur Haustür ihrer Mutter zu gehen. Sie klingelte und wartete.

Kurze Zeit später wurde die Tür geöffnet und Margaret schnappte nach Luft, als sie ihre Tochter dort stehen sah, ihre Augen rot und geschwollen, die Spuren der Tränen immer noch sichtbar auf ihrem Gesicht.

"Dana, mein Gott, was ist denn passiert?" rief sie, wobei sie Scully ins Haus und auch gleichzeitig in eine Umarmung zog.

In der Sekunde, in der Scully die Arme ihrer Mutter um sich herum spürte, brach sie erneut zusammen und schluchzte furchtbar.

"Oh Mom, es ist vorbei...es ist alles vorbei..."





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Eine Stunde später hatte sich Scully genug beruhigt, dass ihre Mutter verstehen konnte, was sie sagte. Scheinbar arbeitete Dana nicht mehr mit Mulder zusammen - sie hatte sich vor fast einem Monat versetzen lassen und ihn seitdem nicht gesehen. Und es war auch zu erkennen, dass sie und Mulder mehr als nur Freunde geworden waren, aber dass irgend etwas passiert war und sie nun kein Paar mehr waren.

Margaret konnte sehen, dass es ihre Tochter innerlich zerriss.

Scully schniefte und sagte, "Ich vermisse ihn so sehr, Mom."

Maggie reichte ihr eine Tasse Tee und erwiderte, "Dann geh doch zu ihm, Dana. Versucht es und löst dieses Problem."

Aber Dana hörte ihr nicht zu. Sie starrte die Tasse an und runzelte ihre Stirn, als sie nachdachte. "Ist der koffeinfrei, Mom?"

Margaret zuckte mit den Achseln. "Ich weiß es nicht, Liebes, warum?"

Scully stellte die Tasse hin und schloss ihre Augen. "Weil ich im Moment nicht so viel Koffein zu mir nehmen sollte."

Ihre Mutter nickte. "Natürlich nicht, Liebes. Du bist momentan zu geknickt. Ja, du hast Recht..." Margaret verstummte, als sie die frischen Tränen sah, die aus den Augen ihrer Tochter liefen. "Dana, was ist?"

Dana nahm einen tiefen, zitternden Atemzug, öffnete ihre Augen und sah direkt zu ihrer Mutter. "Das ist nicht der Grund. Mom, vor ungefähr einem Monat fand ich etwas heraus."

Maggie hob ihre Augenbrauen, womit sie ihre Tochter darum bat, weiterzuerzählen, aber irgendwoher, irgendwie, wusste sie sowieso schon, was Dana sagen würde.

"Mom, ich bin...ich bin schwanger."

Margaret's Augen weiteten sich. "Oh, Dana..."

Scully nickte und stand von dem Sessel auf, in dem sie gesessen hatte. "Es ist wahr, Mom. Und ich weiß nicht, was ich tun soll."

"Weiß Fox darüber Bescheid?"

Dana drehte sich, um ihre Mutter anzusehen. "Natürlich nicht! Und er wird es auch nicht erfahren, niemals."

Maggie stand nun ebenfalls auf und näherte sich Scully. "Dana, du musst es ihm sagen. Er hat das Recht zu wissen, dass du sein Kind in dir trägst!"

Dana schüttelte den Kopf, ihr Wille eine undurchdringbare Wand. "Nein, Mom. Ich werde ihn nicht damit belasten. Du kennst ihn nicht so gut wie ich, Mom. Er ist nicht gerade der Familientyp. Er würde sich nicht darüber freuen."

Maggie seufzte. "Oh, Dana. Das stimmt nicht im Entferntesten! Diese Nachricht würde ihn so glücklich machen. Bitte, sag es ihm."

Dana senkte ihren Blick. "Ich kann nicht. Er hat mich so sehr verletzt. Als ich in dieses Hotelzimmer kam, und ich sie sah...zusammen, war es, als ob mein Herz vor mir zerbrechen würde. Ich wusste, dass er nicht lange bei mir bleiben würde, und ich habe das auch nie erwartet oder gehofft. Aber ich hätte nie gedacht, dass er so grausam und teilnahmslos sein könnte."

Sie sah zu ihrer Mutter auf und Maggie schnappte nach Luft bei dem, was sie, oder eher, was sie nicht in den Augen ihrer Tochter sah. Es waren dort keine Emotionen zu erkennen. Nichts. Es war alles weg, alles, was noch vorhanden war, war ein kaltes Blau aus Schmerz. Es war, als ob Dana ihre Gefühle abgeschaltet und sie tief in sich verborgen hätte, da sie nicht beabsichtigte, sie jemals wieder zu gebrauchen.

"Dana, bist du dir sicher, dass es so war, wie es ausgesehen hat? Was hat Fox gesagt?"

Ihr Gesicht verzog sich mit Schmerz, als sie sich an diese Nacht erinnerte. "Er hat gesagt, dass Agent Reese *ihn* angemacht hat. Aber so sah es nicht aus. Ich weiß, dass es war, wie es aussah. Agent Reese ist der Typ Frau, den Mulder anziehend findet. Es war ein Wunder, wirklich, dass er überhaupt zu mir kam. Ich wusste, dass er irgendwann genug von mir haben würde, aber ich habe einfach weiterhin gehofft, dass er für einen weiteren Tag bei mir bleiben würde. Und am nächsten Tag beschloss ich, dass, wenn er nur *einen* Tag länger bliebe, ich ihn gehen lassen könnte. Ich habe ihn nur so sehr geliebt, Mom. Ich wusste ich war nicht gut genug für ihn, aber das hat mich nie davon abgehalten ihn zu lieben, ihn *immer noch* zu lieben."

Maggie's Augen nahmen einen harten Ausdruck an. "Du hörst jetzt sofort damit auf, Dana. Nicht gut genug? Woher hast du denn diese absurde Idee? Sicherlich nicht von Fox. Er hat dich mehr als sein eigenes Leben geliebt und ich wette, dass das auch immer noch so ist. Ich habe es in seinen Augen gesehen, als du weg warst, aber noch mehr, als du im Krankenhaus lagst. Er saß Tag und Nacht bei dir. Er hat weder geschlafen noch gegessen. Sogar zu dieser Zeit war er ganz und gar dein."

Scully war geschockt. Sie hatte nie wirklich gewusst, wie Mulder sich verhalten hatte, als sie im Koma gelegen hatte. Er sprach nicht darüber und ihre Mutter auch nicht. Sie hätte sich nie erträumen lassen, dass er getan hatte, was ihre Mutter ihr gerade erzählt hatte.

"Wirklich, Mom? Das hatte ich nicht gewusst."

Maggie seufzte vor lauter Verzweiflung. "Redet ihr zwei eigentlich nie miteinander?"

Scully lächelte schwach. "Für gewöhnlich mussten wir das nicht." Aber dann verzog sich das schwache Lächeln zu einer grimmigen Linie. "Jetzt werden wir nie wieder reden."

"Das muss aber nicht so sein, Dana. Alles, was du zu tun hast ist zu ihm zu gehen. Sag ihm, wie du fühlst und erzähl ihm von dem Baby."

Scully sah aus, als ob sie es sich überlegen würde, aber dann verloren ihre Augen erneut diesen gefühlvollen Ausdruck, als sie sich an den Anblick von Mulder in den Armen einer anderen Frau erinnerte.

"Ich kann das nicht machen. Er hat das Recht dazu verloren, als er diese Frau mit auf sein Zimmer nahm. Und sogar wenn er irgendwelche Ansprüche darauf hätte, würde er dieses Baby nicht wollen. Er würde diese Verantwortung nicht tragen wollen."

"Dana, vielleicht wäre es das Beste, dieses Baby *nicht* zu bekommen", sagte ihre Mutter, die sich niemals hätte erträumen lassen, so etwas jemals vorzuschlagen.

Scully sah ihre Mutter total geschockt an. Wütende Worte wellten in ihrer Kehle

auf, aber sie schluckte sie hinunter.

"Nein, Mom. Ich *will * dieses Baby. Es ist alles, was ich noch von ihm habe. Wir waren verliebt, als wir dieses Baby geschaffen haben, und ich will, dass es das weiß und dass es geliebt wird."

Margaret nickte und gab es auf, ihre Tochter davon zu überzeugen, es Fox zu erzählen, da sie wusste, dass sie sie damit vertreiben könnte.

"Okay, Dana. Es ist deine Entscheidung. Wie weit bist du denn, Schatz?"

"Ich bin in der fünften Woche, haben sie gesagt."

"Ich bin froh, dass du bei einem Arzt warst. Haben sie dir alles erklärt - was du essen kannst, und das Ganze?"

Scully rollte ihre Augen. "Mom, hast du vielleicht vergessen, dass ich *selbst* Ärztin bin? Ich weiß, was ich tun darf und was nicht."

"Natürlich, Liebes, du weißt alles."

Scully warf ihrer Mutter einen Blick zu, aber es steckte immer noch kein Gefühl darin.

"Ich werde das allein durchstehen müssen, Mom. Ich werde es tun. Ich brauche seine Hilfe nicht."





Unionville, Virginia

11. Juni 1997

Scully's Apartment



Der heiße Sommertag neigte sich langsam dem Ende zu und lange Schatten fielen in das Wohnzimmer von Scully's neuem Apartment, wo sie auf dem Sofa saß. Sie waren nicht schwarz, sie hatten diese blau-violette Farbe von Sommerschatten. Sie konnte hören, wie das leichte Sommerlüftchen das Windspiel vor ihrem Küchenfenster neckte.

Nach ihrer Versetzung von den X-Akten war sie zum Unterrichten nach Quantico zurückgegangen, und heute hatte sie ihr altes Apartment verlassen, in dem sie Jahre lang gelebt hatte und war aus D.C. weggezogen. Nicht weit, aber die Wohnung lag näher an Quantico. Zu ihrer Überraschung hatte ihr das Unterrichten ein Gefühl von Entschlossenheit gegeben, das sie nicht mehr gespürt hatte, seit sie Mulder verlassen hatte. Sie ging jeden Tag in ihr Klassenzimmer und sah in die Gesichter von frischen, jungen FBI-Agenten-in-Ausbildung und sie genoss es zu wissen, dass sie mithalf, sie zurechtzubiegen. Aber trotz alledem, sie vermisste Mulder und die X-Akten mehr als sie jemals hätte zugeben können. Sie fühlte einen immerwährenden Schmerz - ein immerwährendes Dröhnen, das sie anflehte zurückzukehren, obwohl sie genau wusste, dass sie das nicht konnte.

Manche Tage waren besser als andere. Manchmal verging ein ganzer Tag ohne dass sie an diese grauenvolle Nacht dachte, in der Mulder ihr das Herz aus dem Leibe gerissen hatte. Aber an anderen Tagen war ihr Körper aufgrund des Schmerzes und ihres Verlustes fast nicht fähig, richtig zu funktionieren. An solchen Tagen musste sie sich selbst daran erinnern, dass sie stark war und dass sie das allein schaffen musste. Er würde kein Kind wollen - er wollte für sich selbst sein, ohne Belastungen und lästige Verpflichtungen. Er wollte frei sein, sie wusste das jetzt. Also hatte sie sich entschieden, ihm seine Freiheit zu geben.

Als sie jetzt so allein dasaß, sah sie ihren Bauch an, der vor ihren Augen anzuschwellen schien. Sie plazierte ihre Hände auf ihrem Bauch und streichelte ihn sanft.

"Wenigstens kannst *du* schlafen," sagte sie zu ihrem ungeborenen Kind. Der Tag war ein langer gewesen. Ihre Mutter hatte ihr beim Umzug in ihre neue Wohnung geholfen und hatte darauf bestanden, das Abendessen für Scully zu kochen.

Alles war ausgepackt, das Telefon war eingesteckt, die Heizung und das Wasser waren aufgedreht, und Scully war wieder allein.

Und jetzt musste sie nicht einmal mehr arbeiten. Sie hatte in Quantico gearbeitet, bis ihre Schwangerschaft sichtbar wurde und dann um einen sechsmonatigen akademischen Urlaub gebeten. Er wurde ohne weiter zu fragen genehmigt - ihre Vorgesetzten hatten sie schon seit Jahren dazu gedrängt, einmal frei zu nehmen. Sie hatten ihr versichert, dass ihr Job immer noch für sie da sein würde, wenn sie zurückkäme.



Niemand kannte den wahren Grund für ihren Weggang, und das war genau das, was sie wollte. Sie würde damit nicht ihren Ruf ruinieren, oder Mulder's, wenn sie schon dabei war. Sie beabsichtigte, niemanden beim FBI von ihrem Baby wissen zu lassen.

"Ich werde versuchen, eine gute Mommy zu sein", sagte sie sanft, als sie sich das Kind vorstellte, das in ihr schlief. "Ich werde mich immer um dich kümmern und dir von deinem Vater erzählen."

Sie war für kurze Zeit still, als sie ihren ganzen Mut zusammennahm, und sagte dann, "Möchtest du etwas über deinen Daddy hören?"

Sie fühlte bei dieser Frage, wie sich etwas in ihr bewegte und ein großes Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus. Nur während diesen ruhigen Momenten mit ihrem Baby strahlten Scully's Augen wieder mit Freude und Liebe. Sonst waren ihre Augen leblos, aber wenn sie mit ihrem Kind sprach, konnte sie nicht anders als die Liebe durchscheinen zu lassen. Es war immerhin Fox Mulder's Kind, und dieses Baby war alles, was sie jemals von ihm haben würde. Wie könnte sie es nicht lieben? Sie liebte seinen Vater. Aber mehr als das - sie liebte das Baby einfach, weil es ein Teil von ihr und Mulder war.

"Okay," sagte sie grinsend, "dein Daddy. Lass mich mal sehen...Er ist ziemlich groß, er hat dunkelbraunes Haar und die schönsten Augen, die ich jemals gesehen habe, aber das hab ich dir schon mal erzählt, oder?" sagte sie, wobei sie auf ihren Bauch blickte.

Das Baby trat sie, wie um ihr die Bestätigung zu geben.

Sie kicherte. "Also, er ist sehr klug. Hast du gewusst, dass fast jeder im Bureau denkt, er sei ein Genie? Oh, sie würden das nie im Leben zugeben, aber es ist die Wahrheit. Er ist die intelligenteste Person, die ich jemals getroffen habe. Ich wette du wirst auch mal so schlau. Er ging in England zur Schule, und er war Klassenbester seines Jahrgangs. Ich kann mich nicht an den Titel seiner Abschlussarbeit erinnern, aber -"

Das Baby trat sie fest.

"Autsch! Okay, okay, ich bin etwas abgeschweift, ich weiß. Dir ist der Titel seiner Abschlussarbeit wahrscheinlich ziemlich egal. Ich bin mir sicher, dass er dich lieben würde...wenn er es nur zuließe," sagte sie und fühlte, wie ihre Stimme versagte. "Aber sogar wenn er es nicht tut, möchte ich, dass du ihn liebst, weil er ein guter Mann ist, und du kannst dich glücklich schätzen, dass du ihn zum Vater hast."

Das Baby war still, als ob es darüber nachdenken würde.

"Du musst ihn lieben. Ich tue es, sogar nach allem was er getan hat, also sollte es dir nicht schwergefallen. Wenn du geboren bist, werde ich dir Fotos von ihm zeigen und ich weiß, dass du dich auf den ersten Blick in ihn verlieben wirst. Genauso..." sie zwang ihre Stimme dazu, stark zu bleiben. "....Genauso wie ich...."

Das Baby streifte sie sanft, als ob es sagen wollte, dass es seinen Vater lieben würde, und das Thema war beendet.

Dana lächelte, als eine einzelne Träne aus ihren Augen lief.





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Unionville, Virginia

30. August 1997

Scully's Apartment



Scully war jetzt im siebten Monat, und ihr Bauch war ihr des öfteren im Weg. Sie konnte die hinteren Dinge in ihren Schränken nicht mehr erreichen, da sie nicht nah genug an sie herankam. An manchen Tagen ging ihr das wirklich auf die Nerven, und an anderen machte es sie so glücklich, dass sie weinte, weil sie wusste, dass jeder Tag, der verging, sie näher dazu brachte Mulder's und ihr Kind in den Armen zu halten.

Scully versuchte, sich während dieser langen Monate ohne Arbeit irgendwie zu beschäftigen, aber es war schwer. Alles war, wo es hingehörte, sie hatte genug Babyzubehör, dass es für ein Leben lang reichen würde, sie hatte den Garten so gut sie konnte bepflanzt und hatte alle Bücher gelesen, die sie wollte. Aber jetzt wurde sie schrecklich ruhelos und der Gedanke daran, noch mehr Monate nicht zu arbeiten, machte sie verrückt.

Also hatte sie beschlossen ein bisschen von dieser Zeit zu nehmen und das Kinderzimmer einzurichten und sich einen passenden Namen für das Baby auszudenken. Sie überlegte sich erst gar keine Jungennamen, denn sie wusste, dass sie ein Mädchen bekommen würde. Scully hatte keine Ahnung wie oder warum sie das wusste, sie wusste es einfach.

An diesem Tag saß sie an ihrem Schreibtisch und probierte verschiedene Namen aus, als es an der Tür klopfte.

Während sie ihren Stift hinlegte, fragte sie sich, wer das wohl sein könnte. Ihre Mutter war weg, sie besuchte einen von Scully's Brüdern. Sie warf einen kurzen Blick auf ihre Waffe, die auf dem Tisch lag und schwang die Tür auf.

In der Minute, in der sie sah, wer die Person war, weiteten sich ihre Augen vor Wut.

"Was zur Hölle machen SIE denn hier?" fragte sie, ihre Stimme tief und gefährlich.

Agent Pamela Reese warf ihre Haare zurück und stand da, wobei sie Scully direkt anschaute. "Ich bin gekommen, um mit Ihnen zu reden."

Scully lächelte hämisch. "Wirklich? Das sollte interessant werden." Sie trat zur Seite und Reese kam herein.

Dabei bemerkte sie Scully's offensichtlichen Zustand und hob ihre Augenbrauen. "Wir sind wohl beschäftigt gewesen, Agent Scully, oder?" fragte sie mit zuckersüßer Stimme.

Scully lächelte boshaft. "Ich würde mich nicht auf dieses Terrain begeben, Agent Reese."

Pamela kannte *diesen* Ton in ihrer Stimme, und sie wusste, was es bedeutete. Sie wusste auch, dass sie hierhergekommen war um zu sehen, wie nah sich Mulder und Scully noch standen. Sie hatte Gerüchte gehört, dass Scully Mulder und die X-Akten verlassen hatte und zurück nach Quantico gegangen war. Also hatte Reese beschlossen, es noch einmal bei Mulder zu versuchen, und dazu musste über ihre Konkurrenz Bescheid wissen. Das war ihr Motto: kenne deine Konkurrenz und du kannst das Spiel immer gewinnen.

Sie hatte in Boston nicht gewonnen, weil sie die Wahrheit über seine Beziehung zu Scully nicht gekannt hatte. Also hatte sie sich verkalkuliert und verloren. Aber diesmal, diesmal beabsichtigte sie nicht, sich so leicht geschlagen zu geben.

"Ich habe gehört Sie haben die X-Akten....und Mulder verlassen," sagte Pamela mit leuchtenden Augen.

Scully's Kopf schoss hoch, Wut färbte ihre Wangen. "Was beabsichtigen Sie eigentlich damit, Reese?"

Aber Reese redete weiter. "Offensichtlich haben Sie mit ihrem Leben weitergemacht," sagte sie und gestikulierte zu Scully's Bauch, "also nehme ich an, Mulder ist frei und noch zu haben."

Und dann wusste Scully, worum es bei diesem Besuch ging. Reese prüfte das Spielfeld, versicherte sich, dass Scully wirklich von der Bildfläche verschwunden war.

Scully dachte darüber nach, Reese zu erzählen, dass sie und Mulder immer noch zusammen waren, überlegte es sich dann aber doch anders. Warum sich darum kümmern? Reese war die Art von Frau, die Mulder wollte. Warum sollte er nicht glücklich sein? Sie holte tief Luft.

"Ja, Reese, das stimmt, ich habe mit meinem Leben weitergemacht," sagte sie, wobei sie ihren Bauch tätschelte, "und ich weiß nicht mehr über Mulder Bescheid, also..."

Pamela lächelte bei dieser Bemerkung und Scully konnte fast hören, wie es in ihrem Kopf arbeitete. "Na, dann gehe ich jetzt. Ich bin sicher, dass Sie das Abendessen für ihren Mann herrichten müssen und ich würde nicht wollen, dass sie Schwierigkeiten bekommen," sagte sie, praktisch schon spöttisch.

Scully hatte ihre Wut die ganze Begegnung hindurch eigentlich ganz gut zurückhalten können, aber bei dieser letzten Bemerkung verlor sie ihre Selbstbeherrschung. Sie ging auf Reese los, drückte sie an die Tür und hielt sie dort fest. Reese sah mit einem überraschtem Ausdruck auf dem Gesicht auf die kleinere Frau hinunter. Sie hätte nie gedacht, dass Scully zu einer solchen Kraft und Aggressivität fähig war.

"Hören Sie mir zu, sie blöde Kuh!" schrie Scully. "Ich *habe keinen* Mann, und ich kann das Abendessen machen, wann immer ich Lust dazu habe! Und jetzt, verschwinden Sie aus meinem Haus, bevor mir die Hand *zufällig* ausrutscht!"

damit zog sie Pamela Reese zurück, öffnete die Tür und stieß sie heftig. Reese taumelte hinaus und bevor sie um die Ecke herum verschwand schrie Scully, "Und noch eins. Wenn Sie Mulder irgendwie verletzen sollten, dann tue ich Ihnen viel, *viel* mehr weh! Behalten Sie das im Gedächtnis!"

Pamela sagte nichts weiter als sie ging.

Scully machte die Tür zu und sank auf die Couch. Als sie ihren Bauch berührte, flüsterte sie, "Ich hoffe dein Daddy ist vorsichtig."
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