World of X

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Reality

von XS

Chapter 7

...dann fühlte sie auf einmal wieder die Schwerkraft, die sie auf die Erde zurückholte. Scully blinzelte einige Male und sah dann direkt in das helle Sonnenlicht, das sie geweckt hatte. Bereits jetzt konnte sie sich nicht mehr an den Traum erinnern, aber vielleicht war das auch besser so. Sie spürte jetzt deutlich ihre verspannten Muskeln, die ihr die ungemütlichen Stunden auf dem Dach übel nahmen. Erschrocken rappelte Scully sich auf, als die Erinnerung des vergangenen Tages wiederkehrte.

Nein, niemand hatte sie bisher entdeckt. Aber wer wusste, wie lange ihr Verschwinden noch unbemerkt bleiben würde? Sie wusste ja nicht einmal, wie spät es war. Aber offensichtlich waren schon einige Stunden vergangen, da die Sonne bereits aufgegangen war. Außerdem war sie jetzt doch ziemlich durchgefroren und zitterte am ganzen Körper. Das Krankenhaushemd und die Schuhe konnten einen nicht warm halten, auch nicht in einer lauen Sommernacht.

In der Ferne hörte sie eine Kirchturmuhr schlagen.

Ein Glockenschlag. ... Zwei Schläge. ... Drei. ... Vier. ... Fünf. ...

Das waren alle. Es war jetzt also fünf Uhr.

*Was hatte die Schwester noch gleich gesagt, wann die Morgenvisite war? Um 7 Uhr oder um 8 Uhr?*

Verdammt! Sie wusste es nicht mehr genau. Aber wenn die Visite um 7 Uhr war, dann würde die Schwester bestimmt schon um 6 Uhr oder auch früher einmal nachsehen, ob auch alles in Ordnung sei. Eine Runde durch die Station als reine Routine. Vielleicht sollte sie also jetzt die letzte Etappe ihres Planes in die Tat umsetzen.

Scully dachte darüber nach. Ja, es war riskant, aber wenn ihre Theorie stimmte, dann war das die einzige Möglichkeit, die sie sah. Sie konnte jetzt nur auf die Sensationslust der amerikanischen Sendeanstalten und der Fernsehzuschauer hoffen.

Zögernd ging sie auf den Rand des Daches zu und sah hinunter. Vereinzelt konnte sie einige Autos vorbeifahren sehen. Das Gebäude war nicht besonders hoch, aber jetzt, da sie direkt hinuntersah und daran dachte, was sie zu tun gedachte, bekam sie doch ein ungutes Gefühl. Vielleicht sollte sie doch noch ein wenig warten.

*Nein!*

Bestimmt und so deutlich, als hätte sie es laut ausgesprochen, hörte sie dieses einzelne Wort in ihrem Kopf. Wenn sie jetzt wartete, dann würde sie vielleicht doch noch entdeckt werden oder sie würde nie wieder den Mut dazu aufbringen, den Plan zu vollenden. Sie würde immer neue Zweifel bekommen und schließlich ihr Vorhaben aufgeben.

Also musste sie es jetzt tun. Sofort. Selbst dann könnte es schließlich noch eine Weile bis zum endgültigen Schritt dauern...

Tief Luft holend ging sie auf den Rand des Daches zu, welches von einer niedrigen Mauer gesäumt wurde. Scully ging auf die Mauer zu, stützte sich auf diese und beugte sich darüber. Mit einem Seufzen ließ sie die Luft, die sie angehalten hatte, wieder aus ihrer Lunge entweichen. Mit zitternden Knien, wobei das Zittern mit Sicherheit nicht nur von der Kälte herrührte, schwang sie ihre Beine über die Mauer und setze sich darauf. Scheinbar leichten Mutes ließ sie ihre Beine hängen und beobachtete die sich langsam füllende Straße.

Sie wusste nicht, wie lange sie so gesessen hatte, als sie - endlich? - einen Schreckensschrei wahrnahm und eine Frau nach oben, genau auf sie deutete. Vermutlich war ihr Gesicht vor Entsetzen genau so verzerrt, wie ihre Stimme, aber Scully war zu weit von ihr entfernt, als dass sie es mit Gewissheit hätte sagen können. Nach dem beinahe markerschütterndem Schrei drehten sich einige Passanten um und sahen in Scullys Richtung.

Das schien ihr Stichwort zu sein. Sie erhob sich von der Mauer und stellte sich auf den kleinen Vorsprung, der sie noch davon trennte zu fallen. Mit beiden Händen hielt sie sich an der Mauer fest und atmete flach.

*Bitte, lass alles gut gehen.*

Sie konnte jetzt nur noch bitten. Denn was vor ihr lag, war nur vom Schicksal oder vom Glück bestimmt.

Einige Minuten vergingen, als sie plötzlich eine Sirene näherkommen hörte. Dann konnte sie am Ende der Straße einen Feuerwehrwagen um die Ecke biegen sehen. Doch sie hatte keine Zeit, das, was dort unten passierte, länger zu beobachten.

„Miss Scully! Tun Sie's nicht! Bitte!"

Erschrocken wandte sie ihren Kopf um. In einiger Entfernung standen Dr. Scott und zwei Sicherheitsbeamte, die sich ihr langsam näherten.

*Verdammt! Hoffentlich ruinieren die nicht alles!*

Aber sie hatte keine Zeit sich darum zu kümmern. Sie musste sich jetzt auf das konzentrieren, was unter ihr auf der Straße vor sich ging. Das Feuerwehrauto hatte mitten auf der Straße angehalten. Die Feuerwehrmänner hatten sich direkt unter ihr aufgestellt und hielten ein Sprungtuch zwischen sich aufgespannt. Einer der Feuerwehrmänner hielt ein Megaphon in der Hand und sagte etwas, das sie nur undeutlich verstehen konnte. Alles wurde durch die ungeheure Lautstärke verzerrt.

„Miss Scully. Bitte. Es gibt sicher eine andere Lösung. Wir werden Ihnen helfen. Es wird alles wieder gut. Sie sind nur ein wenig verwirrt.“

Doch Scully ignorierte das, was Scott ihr zurief.

*Oh, ja. Und wie sie mir helfen werden. Ich werde einen schönen Drogentrip erfahren, der aber bestimmt nicht so schön enden wird. Es wird bestimmt nicht alles wieder gut.*

Sie konnte jetzt viele Schaulustige erkennen, die in Gruppen auf der Straße zusammenstanden und sich wichtig machten. Wie sie diese Leute hasste.

Und dann war da noch ein weiterer Wagen. Ein Übertragungswagen von einer Fernsehgesellschaft. Ein Reporter, der eifrig von einer Kamerafrau gefilmt wurde, schien Bericht zu erstatten. Nach einigen Sekunden schwenkte die Kamera nach oben und filmte jetzt sie. Scully sah direkt in die Kamera und versuchte verzweifelt, eine stille Botschaft mit ihren Augen zu senden.

Sie hatte gehofft, dass das passieren würde. Denn wenn sie entführt worden war, dann musste Mulder sich irgendwo dort draußen befinden. Und mit etwas Glück sah Mulder sie in dieser Live-Übertragung. Und dann käme sie hier heraus. Die Frage war nur, hatte sie genug Zeit, bevor Mulder hier war? Was, wenn sie sich nicht einmal mehr in Washington befand? Wie lange konnte sie dann hier oben bleiben, ohne von Scott und den zwei Sicherheitsbeamten überwältigt zu werden? Und selbst wenn Mulder hier auftauchte, wie könnte sie dann Scott entkommen?

Sie schob den Gedanken zur Seite und konzentrierte sich ganz auf das, was unten passierte. Ab und zu warf sie einen Blick über die Schulter, aber Scott kam nicht näher. Vielleicht hatte er Angst, dass sein *kostbares Versuchskaninchen* tatsächlich springen würde. Wie sie ihn hasste. Hätte sie jetzt eine Waffe gehabt, hätte sie nicht garantieren können, dass sie nicht auf ihn schießen würde.

Die Zeit schien stehenzubleiben. Es geschah nichts. Alle Schaulustigen verrenkten sich die Hälse nach ihr und das Fernsehteam schien auch langsam ihrer Arbeit müde zu werden. Sie hatten die Kamera zwischenzeitlich ausgeschaltet und schienen jetzt eine Kaffeepause machen zu wollen. Scully nahm ihren Mut zusammen und ging vorsichtig auf dem schmalen Vorsprung einige Meter an der Kante entlang. Es kam augenblicklich wieder Bewegung in die Menschen dort unten. Die Feuerwehrmänner folgten ihr mit dem Sprungtuch und wieder wurden einige kaum verstehbare Sätze durch das Megaphon gebrüllt, die sie offensichtlich zur Aufgabe zwingen sollten. Das Fernsehteam richtete erneut ihre Kamera auf sie. Die anderen Anwesenden waren wieder still geworden und beobachteten fasziniert jeden ihrer Schritte.

Selbst Dr. Scott und seine beiden Helfer waren still geworden und Scully warf noch einmal einen Blick nach hinten, um sich zu vergewissern, dass sie nichts im Schilde führten. Aber sie standen noch immer am gleichen Fleck und rührten sich nicht. Scott sah sie zwar verzweifelt an, aber er sagte kein Wort.

Plötzlich wurde die spannungsgeladene Stille durch ein sich mit hoher Geschwindigkeit näherndes Fahrzeug unterbrochen. Mit quietschenden Reifen bog es um die Ecke und näherte sich dem Krankenhaus. Mit einigen erschrockenen Lauten, stoben die Menschen, die den Weg des Wagens versperrten, auseinander. Wieder quietschten die Reifen, als der Wagen abrupt hielt. Die Tür der Fahrerseite wurde aufgerissen und ein Mann sprang heraus. Er lief auf die Feuerwehrmänner zu, die den Bereich direkt unter Scully abgesperrt hatten.

„Miss Scully, springen Sie nicht. Sie können ja wieder gehen, wenn Sie jetzt nur wieder zu uns kommen.“

Beinahe hätte Scully laut aufgelacht. Sie sollte gehen dürfen? Nicht einmal in einem Traum wagte sie zu hoffen, dass Scott sie tatsächlich gehen ließ. Er würde vermutlich eher sterben, als sie freiwillig gehen zu lassen. Sie drehte sich zu ihm um. Er hatte sich ihr jetzt wieder genähert und war nur noch wenige Schritte entfernt.

Scully wandte jetzt zum ersten Mal das Wort an ihn.

„Wagen Sie es nicht näher zu kommen oder ich springe!“

Doch ihre Drohung nutzte nichts. Scott näherte sich immer noch. Scully warf einen Blick nach unten und beobachtete den Mann, der so spektakulär aufgetaucht war. Er war näher herangekommen und sah sie direkt an. Es bestand kein Zweifel, es handelte sich tatsächlich um Mulder. Erleichtert atmete Scully auf. Ihr Plan hatte funktioniert. Sie musste jetzt nur irgendwie von dem Dach herunter, ohne Scott in die Arme zu laufen. Sie warf wieder einen Blick zurück. Scott war nur noch einen Schritt von ihr entfernt. Wenn er noch ein bisschen näher kam, dann könnte er sie von der Kante wegziehen.

„Bleiben Sie, wo Sie sind!“, zischte Scully.

Aber er schien nicht auf sie zu hören. Entweder hatte er nichts mehr zu verlieren oder aber er glaubte nicht daran, dass sie wirklich springen würde.

Scully wollte nicht springen. Das hatte sie nie wirklich vorgehabt. Sie hatte gehofft, dass sie einfach so das Dach verlassen konnte. Und in ihrem Plan hatte sie die Möglichkeit, dass Scott auftauchen konnte, verdrängt. Was sollte sie denn jetzt nur tun? Mulder war dort unten. Sie war fast in Sicherheit. Und jetzt sollte alles daran scheitern, dass sie dieses verdammte Dach nicht verlassen konnte?

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