World of X

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Who I am

von Marion Kirchner, Stefan Rackow

Kapitel 6

Kapitel 6: Das Haus des Seins


Die Welt als solche ist zu komplex, zu verworren, als dass man sie verstehen kann. Manchmal fühlt man sich erschlagen von ihr, manchmal steht man einfach nur hilflos da und versucht krampfhaft, den Sinn hinter alledem zu finden.

Doch woher resultiert diese Hilflosigkeit?

Ist sie das Ergebnis eines langen Denkprozesses, welcher schon von Beginn an dazu verdammt ist, keine Lösung finden zu können?

Ist die menschliche Vorstellungskraft vielleicht nicht groß genug, um das zu verstehen, was sich unseren Augen in fantastischen Bildern darbietet?

Oder sind wir selbst der Grund? Beherbergen evtl. , ohne es zu wissen, den Schlüssel zum Öffnen der Tür des Verstehens in unserem Geist, können ihn aber nicht finden, da er von unseren selbst auferlegten Grenzen verschleiert wird?

Ich möchte so gerne versuchen zu glauben, dass man diese Grenzen niederreißen kann, sich selbst so dem Neuen und Unbekannten gegenüber offener zeigen kann.

Doch wie?, frage ich mich die ganze Zeit.

Wie soll man Grenzen unwiderruflich beseitigen? Hat der Mensch überhaupt die Mittel dazu?

Bleiben am Ende die Wurzeln der Grenz-Bäume gar tief im Fundament unseres Geistes verankert, so dass sie bald neue Sprossen heranbilden?

Mein Gewissen sagt mir, dass ich nicht einmal davon ausgehen kann, dass ich überhaupt verstehe, wovon ich hier die ganze Zeit rede. Und das ist die Sache, die mir Kopfschmerzen bereitet.

Wir leben in einer selbst erschaffenen Dunkelheit...



*



Ich wusste nicht, wie mir geschah, als ich aus der Tür schritt. Ich spürte nur einen kurzen stechenden Schmerz im linken Arm, und schon begann der Raum um mich herum zu verschwimmen, verkam zu einer nebeligen Masse, welche kurz darauf von einem dunklen Schleier bedeckt wurde. Alles war dunkel und schwarz.

Ich hörte Krycek reden, doch ich nahm nur Wortfetzen auf, die auch jetzt noch beim Niederschreiben dieser Erlebnisse nicht in das rechte Licht gerückt zu werden scheinen.

Ich war ganz weit weg...



******



Ich erwachte schweißgebadet in meinem Bett. Vor den Fenstern begannen die ersten Vögel zu singen – es war ein schöner Morgen.

... vergaß man die Tatsache, dass ich zuerst nicht wusste, was in den vergangenen Stunden passiert war. Mein Kopf war leer.

Reichlich benommen wankte ich in mein Badezimmer, um mich erst mal frisch zu machen.

Das Licht der Badezimmerleuchte blendete mich in den Augen. Ich benötigte einige Zeit, um sie an die Helligkeit zu gewöhnen. Wo war ich nur gewesen?



Dunkel.



Krycek! Ich bin in Kryceks Gewalt gewesen! Mir fiel es wie Schuppen von den Augen. Er wollte mit mir sprechen, mir irgendeinen Deal unterbreiten, mir irgendetwas sagen. Und dann? Er muss mich betäubt haben und anschließend nach Hause gebracht haben. Ein Gefühl von Unbehagen überkam mich. Er hätte die Möglichkeit gehabt, mich zu töten! Warum hat er nicht ... ?







Ich weiß nicht, warum mir gerade dieser Satz durch den Kopf ging. Verwirrt blickte ich in den Spiegel, so als ob ich erwartete, dass mein Spiegelbild mir eine Antwort auf diese Frage geben könnte. Doch es stand nur da und blickte genauso verduzt wie ich drein.



Kann sich ein Mensch von sich selbst wegleben? Ich kam mir jedenfalls jeden Tag fremder vor, distanzierte mich immer mehr von meiner eigentlichen Persönlichkeit, unternahm Dinge, die ich sonst nie in Angriff genommen hätte. Das Spiegelbild sah nachdenklich aus.

Der Mensch Dana Scully als Art von gespaltener Persönlichkeit?

Ich verwarf diesen letzten Gedanken und musste unweigerlich grinsen. Dana, hör auf. Du wirst ja schon richtig spooky!, sagte ich im Stillen zu mir selbst und begann mit der allmorgendlichen Prozedur.



Plötzlich jedoch stockte ich.







Langsam wurde es mir unheimlich. Was brachte mich dazu, solche Gedanken zu hegen? Warum sprach ich mir Mut zu? War ich es überhaupt, der da zu mir sprach? Anders gefragt: wer sollte es denn sonst sein?

Das Klingeln des Telefons riss mich aber fürs Erste aus den Gedanken. Ich stellte den Zahnputzbecher ab und begab mich ins Wohnzimmer.

„Ja?“, fragte ich, nachdem ich den Hörer abgenommen hatte und merkte gleich, dass irgendetwas nicht stimmte.

Die Person am anderen Ende verhielt sich ruhig und ließ nur ein Schnaufen verlauten. Ich schluckte.

„Hallo?“, hauchte ich in die Sprechmuschel, und mir wurde bewusst, dass dies kein „normaler“ Scherzanruf war.

„Hören Sie mir zu, Agent Scully“, sagte endlich die Stimme am anderen Ende und begrub damit vorerst die alles verschluckende Ruhe.

„Was wollen Sie? Wer sind S...“ Weiter kam ich nicht, denn der Unbekannte ergriff die Initiative, indem er mir ein Wort an den Kopf warf:



„Glaube!“



Genau in diesem Moment tauchten die Bilder wieder vor meinem geistigen Auge auf:

Ich sah Zerstörung; Feuer loderte in allen Ecken; Menschen liefen voller Angst umher , um ihr Leben zu retten.

Ich wollte meine Augen schließen, um mich von diesen schrecklichen Visionen zu befreien; Um endlich wieder klare Gedanken fassen zu können; Um wieder Ich selbst zu sein.

Stattdessen ließ ich jedoch die Bilder weiterlaufen. Sah mit meinen eigenen Augen die Macht, die unglaubliche Macht, welcher sich die Angreifer bedienten. Ich sah sie...



... und ich sah mich!



War das alles vorhin doch kein böser Traum? Keine von meinem Verstand vorgegaukelten Ereignisse? Sollte ich wirklich die Möglichkeit haben, Ereignisse vorherzusehen?

Ich versuchte, mich vom Gegenteil zu überzeugen. Dass dies nur Einbildung war. Dass ich mir selbst was vormachte.

Doch ich war nicht stark genug, um dies zu tun.



„Wer sind Sie?“ , flüsterte ich in den Hörer, noch völlig benommen von dem, was ich gerade gesehen hatte.

„Schenke den Worten Glauben, Dana. Öffne deinen Geist und lass die Phantasien lebendig werden. Glaube das, was du hörst. Verstehe es. Sieh´ es!“

Ich wollte meine eingangs gestellte Frage wiederholen, doch ein Gefühl sagte mir, dass ich die Frage im Geheimen schon beantwortet hatte.



„Jaqueline?“, fragte ich leise und war überrascht, als keine Widerworte gaben. Sie musste es sein!

„Mrs. Adams, wo sind Sie?“, fuhr ich fort, die Tatsache im Kopf, dass sie noch in Kryceks Gewalt sein musste. Wenn man einer Ratte Glauben schenken durfte...

„Sie werden mich nicht finden, der Mann, der mich festhalten wollte, auch nicht.“ Sie machte eine kurze Pause, um Luft zu holen. Ich tat das Gleiche. Das alles war einfach zu unmöglich um wahr zu sein!

„Ich habe kein wirkliches Zuhause , Dana. Ich gehöre hier nicht her. Du wirst bald verstehen.“

„Warten Sie!“, rief ich, da mir so vieles noch unklar war, „Schicken Sie mir diese Visionen? Als Warnung?“

Ich musste mich für jeden anderen Menschen in diesem Augenblick wahnsinnig paranoid anhören...

„Dana, du bist noch zu verschlossen. Du versuchst einfach zu verbissen, das, was dir begegnet erklären zu wollen. Alles geschieht aus irgendeinem Grund! Ihn zu finden versuchen, wäre ein Kreuzzug. Für dich, für jeden.“ Sie machte eine weitere Pause. Ich schluckte. Warnung aus der Zukunft?



„Wenn Sie wirklich Ich sind, warum sagen Sie mir nicht einfach, was ich genau zu tun hab?“ , fragte ich. Insgeheim hoffte ich, keine Antwort darauf zu erhalten.

„Das kann ich nicht. Noch nicht. Die Zeit ist noch nicht reif dafür, und Du bist es auch noch nicht.“

Die Zeit? Innerhalb von wenigen Stunden hatte ich nun schon das zweite Mal von ihr in Bezug auf die merkwürdigen Ereignisse gehört. Die wiederkehrenden Bilder und Motive wurden mir unheimlich. Schien es am Anfang noch alles halbwegs nachvollziehbar zu sein, so entwickelte sich der Fall nach und nach zu einem, der eine weitaus bedrohlichere und gewaltigere Dimension annahm, als man hätte erahnen können.

Und ich schien einer der Punkte zu sein, von dem alles strahlenförmig ausging („.. und nun sind Sie eine der Hauptrollen in diesem Spiel.“ ).



„Klick.“



Ich bemerkte leider zu spät, dass Jaqueline aufgelegt hatte und blickte voller Unbehagen auf den Hörer, aus welchem nur noch ein gleichmäßiges Tut-Geräusch zu hören war.

Wie jemand fühlend, der etwas Wichtiges verloren hatte, sackte ich auf der Couch zusammen. Ich hatte etwas verloren: den Glauben an die Realität!

Mir erschien alles zu undurchsichtig, zu verschwommen, zu... anders.



Ich verbarg mein Gesicht hinter meinen Händen und versuchte, einen Moment mal an nichts zu denken. Doch ich versagte.

Jaquelines Worte hatten sich tief in mein Gehirn gebrannt.



Glaube

Zeit

Kreuzzug



So sehr ich es auch versuchte, ich konnte die Worte nicht vergessen. Und was mich noch viel unglücklicher machte: ich schien bei jedem Gedanken an sie ein Stück Ungläubigkeit zu verlieren.

Plötzlich klingelte das Telefon wieder.

Wie besessen griff ich den Hörer und rief instinktiv, ja fast übertrieben in die Muschel: „Jaqueline??!!“



„Agent Scully? Ist bei Ihnen alles in Ordnung? Walter Skinner hier.“

„Oh, Sir, entschuldigen Sie meine Überheblichkeit“, entgegnete ich mit einem Ausdruck von Enttäuschung im Gesicht, „Ich, ich hatte jemand anderes erwartet. Ist etwas vorgefallen, Sir?“

Ich hörte ihn einmal schwer in die Hörmuschel atmen, bevor er antwortete.

„Ich habe vor einer Stunde eine anonyme Mail erhalten. Sie enthielt neue Drohungen. Man droht uns mit dem Tod von weiteren Agenten, wenn der Fall weiter untersucht würde. Ich...“

„Weitere?“, unterbrach ich Skinner.

„Ja. Heute morgen ...“, begann er, und ich bemerkte am Ton seiner Stimme, dass es ihm nicht leicht fiel, die passenden Worte zu finden, „... ist in der Nähe des FBI- Gebäudes eine Autobombe hochgegangen. Diese Schweine haben sie direkt unter dem Wagen von Agent Miller montiert. Er ... er hatte keine Chance. Er ist auf dem Weg ins Krankenhaus gestorben.“



Ich hatte zwar nie mit Agent Miller Kontakt gehabt, aber die Tatsache, dass aufgrund unserer Ermittlungen ein Unschuldiger , nicht Betroffener sein Leben lassen musste, erschütterte mich sehr. So sehr, dass ich es nicht verhindern konnte, dass eine kleine Träne mein Auge verließ.



„Das ... tut mir leid, Sir. Kann ... kann man nicht zurückverfolgen lassen, von wo diese Mail verschickt wurde?“, fragte ich.

„Es konnte schon festgestellt werden, dass sie von einem Internet-Café ganz in der Nähe verschickt wurde. Jedoch gebrauchte der Unbekannte einen Free-Mail-Service, so dass sich keine näheren Angaben über den Urheber machen lassen. Der Eigentümer des Cafés konnte zudem auch keine Auskunft über die zur Tatzeit in dem Betrieb befindlichen Personen geben“, antwortete Skinner.

„Das wäre ja auch zu schön gewesen“, murmelte ich in mich hinein.



„Und wollen Sie hören, was ich meine, Agent Scully? Wahrscheinlich wurde die Nachricht von einem Dritten, Unschuldigen versandt – und zwar im Auftrag des eigentlichen Täters, welcher dem Dritten eine kleine Belohnung in Aussicht stellte.“



Ich stellte mir in diesem Moment einen kleinen Jungen vor, der auf der Straße von einem Mann angesprochen wird, welcher ihn um einen kleinen Gefallen bittet. Das Leuchten in den Augen des Kleinen, der gierige Blick auf den $-Schein in der Hand des Unbekannten gerichtet... „Ja“, sagte ich nur, da ich mir genau ausmalen konnte, wie es abgelaufen war.



„Verstehen Sie, Scully? Wir sind da an etwas dran. Diese Sache muss für irgendjemanden allerhöchste Priorität besitzen. Und nun versucht dieser Jemand, auf dem unmenschlichsten aller Wege die Wahrheit im Dunkeln zu halten.“



Ich blickte nur den Bruchteil einer Sekunde auf meine Finger. Mit einem Mal erkannte ich, wo ich einen Teil der Wahrheit finden konnte.

„Sir, mir ist gerade bewusst geworden, dass ich etwas übersehen hatte. Und durch ihre Worte...“



Es war schon merkwürdig, welche Macht den Worten innewohnte, dachte ich und atmete einmal tief durch.



„Nun, Scully ... Ich habe Sie nur angerufen, um Sie um Vorsicht zu bitten. Geben Sie Acht. Bitte! Die radikalen Maßnahmen der unbekannten Feinde lassen vermuten, dass wir näher an der Wahrheit dran sind als jemals zuvor. Vielleicht haben wir sie schon die ganze Zeit vor den Augen und nehmen es nur nicht wahr!“







„Haben Sie keine Angst um mich, Sir. Ich weiß ihre Besorgnis zu schätzen.“ Mit diesen Worten legte ich auf und begann nachzudenken. Ich hatte schon etwas vor Augen gehabt. Ich hatte es sogar in der Hand! Ich verfluchte mich selbst, dass ich das vergessen hatte. In der einen Hand den Autoschlüssel, in der anderen den Hausschlüssel, verließ ich kurz darauf meine Wohnung.







Zu dumm nur, dass mir diese Erkenntnis erst zu diesem Zeitpunkt kam!







Ich musste dorthin zurück, wo alles angefangen hatte: in die alte Lagerhalle. Die feine, schwarze Schicht, welche sich noch unter einzelnen Fingernägeln befand, war das Überbleibsel von dem Pulver, das ich dort in einem Fass gefunden hatte. Eigentlich hätte ich gleich misstrauisch werden müssen, aber die anschließende Begegnung mit Doggetts „Doppelgänger“ und die folgenden Ereignisse haben es mich dummerweise vergessen lassen.

Als ich wenig später das Lagergelände erreichte und meinen Wagen dort vor der offenen Eingangshalle parkte, hatte sich der Himmel stark verdunkelt. Die ersten Tropfen Regen fielen auf die Windschutzscheibe, und auf dem Dach ertönte ein rhythmisches Getrommel. Ich fluchte leise.

Ich stieg schnell aus dem Wagen, schloss die Tür ab, steckte meine Hände in die Manteltaschen und rannte, so gut es meine Stöckelschuhe zuließen, Richtung Eingang.



Nass, wütend und außer Atem stand ich nun in der Halle, die jeden meiner Schritte gespenstisch widerhallen ließ.

Ich blickte um mich und erkannte mit Schrecken, dass die Halle vollkommen leer war. Hatten sich vorher noch Kisten und Fässer in den Ecken befunden, so fand man dort nur noch Staub, schemenhafte Umrisse oder allenfalls nichts.



Es war jemand hier gewesen und hatte alles mitgenommen. Ich konnte es nicht fassen. Vielleicht war ich nur eine Minute zu spät gekommen. Vielleicht hätte ich bei früherem Erscheinen alles noch so wie beim letzten Mal vorgefunden. Vielleicht... Aber stattdessen hat mir die Zeit wieder einen Strich durch die Rechnung gemacht. Schon wieder Zeit!



Ich war gerade in Gedanken versunken, als sich draußen in unmittelbarer Nähe ein Auto bemerkbar machte. Nachfolgend vernahm ich Schritte, welche sich immer näher in meine Richtung bewegten. Ich hielt es für das Beste, mich im Dunkeln zu verstecken und vorsichtig einen Blick durch das Fenster nach draußen zu werfen, während ich dabei war, meine Waffe zu entsichern. Wer könnte das bloß sein?

Ich sah eine schwarze Limousine mit getönten Scheiben, um die 3 Männer standen, die in unregelmäßigen Abständen immer wieder ihre Blicke auf etwas richteten, das sich von mir aus gesehen links vom Fenster befand. Diese Kerle schauten auf mein Auto!

Ich umfasste meine Waffe fester, damit rechnend, dass jeden Moment einer dieser Männer auf die Idee kommen könnte, die Halle zu betreten.



Doch es geschah nichts.



*



Wie viel Zeit mochte verflogen sein, wie ich so dastand, im Schatten verborgen und mit entsicherter Waffe? Mir kam es wie eine halbe Ewigkeit vor. Auch auf die Gefahr hin, dass einer der Unbekannten für einen kurzen Moment in meine Richtung gucken könnte, riskierte ich einen weiteren Blick nach draußen.

Die Limousine stand noch da, um sie herum 2 Männer, welche immer noch hin und wieder mein Auto begutachteten. Doch von dem dritten Fremden fehlte jede Spur.



Der Gestank von Benzin ließ mich plötzlich herumfahren. Fast zeitgleich tauchten die Bilder wieder vor meinem geistigen Auge auf: Feuer, Zerstörung.

Ich geriet in Panik und hörte in dem Moment draußen eilige Schritte, gefolgt vom Geräusch geknallter Türen. Schlagartig wurde mir etwas bewusst: Die Fremden waren im Inbegriff, das Gelände zu verlassen ...

... nachdem sie hier alles zerstört hatten!



Ich rannte so schnell ich konnte aus der Halle, welche kurz darauf von einen gigantischen Feuerball verschluckt wurde. Riesige Holzbalken flogen haarscharf über meinen Kopf hinweg, und ich registrierte eine mächtige Kraft, welche mich von hinten vor sich herdrückte. Ich warf mich zu Boden und hoffte, so der Druckwelle der Explosion entkommen zu können.

Regen fiel unaufhörlich auf meinen Körper, während ich ächzend einen Blick zurück auf die Lagerhalle wagte.

Feuer hatte nun das ganze Gebäude erfasst; mir schien es fast, als würde die Sonne vom aufgewirbelten Staub verdunkelt werden.



Feuer

Zerstörung



Es dauerte nicht lange, und nach wenigen Sekunden war dort, wo vormals die Lagerhalle stand, nur noch eine brennende Ruine zu sehen, deren Grundmauern nach und nach drohten,

komplett in sich zusammenzufallen. In der Ferne erkannte ich noch die Rückleuchten der Limousine, welche sich in einem Wahnsinnstempo von dem Tatort entfernte. Ich hustete. Die Lust war von Staub gefüllt, und der Regen tat sein Übriges, um die Partikel gen Boden zu drücken.



Sollte hier ein Teil der Wahrheit gewesen sein: er wurde beseitigt, dachte ich und verstand nun Skinners Sorge um mich. Ich blickte nur kurz auf den Boden; teils, um mich vor der Staubschicht zu schützen, welche sich wie Nebel ausbreitete; teils, um meine Enttäuschung über das zum Ausdruck zu bringen, was sich hier gerade ereignet hatte. Wie oft war ich schon an diesem Punkt gewesen? Der Wahrheit so nah? Und wie oft ist sie mir genommen worden? Ich konnte Mulders einstige Depressionen jetzt mehr und mehr verstehen. Er sah keinen Sinn mehr darin, einer Lüge hinterher zu jagen, wollte in dieser Ausweglosigkeit sich sogar das Leben nehmen. Nur um später zu erkennen, dass er wieder auf eine Lüge hereingefallen war.

Hat er sich unterkriegen lassen? Hat er danach aufgeben wollen? Nur um denen zum Sieg zu verhelfen?



, meldete sich mein Gewissen.



Da spürte ich plötzlich eine Art Krabbeln auf meiner Hand – ein seltsames Gefühl, wie als wenn ein Blutegel...

Mit Entsetzen blickte ich auf meine Hand und traute mich kaum, das zu glauben, was sich mir darbot.

Ein schwarzer Wurm war dabei, sich seinen Weg über meine Handoberfläche zu bahnen. Doch beim Versuch, sich in meiner Haut festzubeißen, versagte er. Es war ein kurzes Brodeln zu vernehmen, gleich dem Geräusch einer ätzenden Flüssigkeit, und der Wurm regte sich nicht mehr. Nach und nach zerfiel er zu Staub.



Ich war entsetzt. Ein schwarzer Wurm aus dem Nichts? Ein Blick auf meine Finger belehrte mich eines Besseren. Sie waren sauber! Der schwarze Reststaub unter meinen Fingernägeln war vollständig verschwunden. Jetzt sammelte sich nur Wasser auf meiner Handoberfläche. Der Regen hatte indes zugenommen; Regengüsse in den Dimensionen eines Wolkenbruchs füllten die Straßen mit Wasser, welches sich in kleinen Rinnsalen vorwärtsbewegte.









Gerne hätte ich mein Gewissen zufrieden gestellt, doch nun blickte ich nur mit starrem Blick auf das kleine Häufchen Staub, das sich langsam mit dem Regenwasser vermischte. Sollte der Regen, der meine Finger seit einigen Minuten unaufhörlich benetzte, diese Mutation hervorgerufen haben? Ich starrte das Pulver weiter an. War das etwa die Sache, die ich nicht hier hätte vorfinden sollen?

Die Tatsache, dass das Pulver nun auf dem Weg nach Nirgendwo war und dass das „Ding“ in mich einzudringen versuchte, schwor böse Erinnerungen herauf:



Das schwarze Öl!



Hier war etwas ganz Großes am Laufen, und mir wurde schlagartig klar, dass es irgendwo in unserem Land Männer gab, die ein blutrünstiges Ziel vor Augen hatten. Das Spiel des Lebens nahm unterdessen unaufhörlich seinen Lauf. Und mit jedem Tag näherte es sich dem Punkt, an dem alles beendet sein würde. Ich verstand nun die Bedeutung des Countdowns, erkannte, dass es mir galt, etwas zu verhindern. Etwas Großes, Unmenschliches. Immer der Tatsache bewusst, dass ich gegen einen Gegner spielte: die Zeit!

Trotzdem hockte ich noch für eine ganze Zeit unbeweglich vor den Überresten des Wurmes und versuchte, mit mir ins Reine zu kommen. Denn eine Sache machte mich stutzig: Warum war das Vieh beim Versuch , in mich einzudringen, gestorben?



Der Regen prasselte weiter auf mein Haar, ließ kleine Rinnsale meine Wange herunterlaufen.



Es konnten auch Tränen sein ...



Und ich hockte vor den Scherben meines gesunden Menschenverstandes.
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