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Sweet little Creatures

von Marion Kirchner, Stefan Rackow

Kapitel 3

- 2. Kapitel -
„Die Liebe eines Monsters“



nicht unweit von der großen Hütte



Die schleimige Gestalt weinte bitterlich. In ihren Gliedmaßen, die nur im entfernteren Sinne Händen ähnelten, hielt sie ein Foto, und jedes Mal, wenn sie es ansah, brach sie wieder in Tränen aus.

„Oh, wenn du wüsstest...“, murmelte sie dem Foto entgegen und seufzte. „Wenn du wüsstest, wie ich mich zu dir hingezogen fühle. Jeden Tag, jede Nacht. Ich möchte dir nahe sein, deinen Gestank durch meine Nasenlöcher aufnehmen, jeden Zentimeter deiner gedrungenen Gestalt in meinen ... meinen ... Dingern spüren und einfach nur deine Freundin sein. Warum nimmst du mich nicht wahr?“



Sie war verliebt, darin bestand kein Zweifel. Und sie war schüchtern, was die ganze Angelegenheit nicht gerade vereinfachte. Jeden Tag, jede Nacht nahm sie sich vor, ihrem Angebeteten ihre Liebe zu gestehen, und jedes Mal versagte sie. Hatte sie Angst vor der Antwort? Vor den Konsequenzen? Oder fürchtete sie einfach, einen Korb zu bekommen?



Anmerkung der Autoren: In der Monstersprache kommt dem Ausspruch „einen Korb bekommen“ eine etwas andere Bedeutung zu, wenngleich es im Prinzip auf dasselbe hinausläuft. Hier bekommen die Abgeblitzten wirklich einen Korb und müssen Pilze sammeln, welche der, der hat abblitzen lassen, dann verspeist. Warum aber der Angebetete und anders Empfindende gerade Lust auf Pilze hat, nachdem er dem Vertreter der weiblichen Gattung (Homo-Ehen kommen in der Monsterwelt nur sehr selten vor) eine Abfuhr erteilt hat, ist nicht bekannt.

Schade eigentlich...



Nein, sie musste es ihm sagen. Und von ihr aus auch ruhig vor all den anderen. Sollten sie ruhig mal in Kontakt kommen mit der Liebe, diese gefühlskalten Banausen. Er war anders, ganz anders und deshalb so liebenswert.



Sie konnte es nicht länger für sich behalten.



Mit schnellen Schritten rannte sie der Hütte entgegen und bemerkte nicht, dass sie dabei das Foto ihres Liebsten verlor, welches auf dem von Schleimspuren getränkten Waldboden liegen blieb und leicht vom Mond beschienen wurde. Selbiger erhellte das auf dem Foto befindliche Gesicht.



Es war das von Klumpen.



*
Wenige hundert Meter entfernt in der großen Hütte



Langbein Oz blinzelte plötzlich unauffällig zu Klumpen und grinste. Ihm schien wieder etwas eingefallen zu sein. Klumpen erkannte dies leider zu spät und schüttelte eindringlich den Kopf, während er wild mit den Tentakeln wackelte. Doch es war schon zu spät, denn Langbein wandte sich schon an den Boss.



„Boss?“



„Was ist, Spatzenhirn? Siehst du nicht, dass ich esse?“



„Ich weiß, aber ich glaube, Klumpen hat Ihnen noch was zu erzählen. Eine äußerst wichtige Sache.“



„Huh?“



„Na ja, gemäß dem Kodex der Untergebenen des Bosses, Paragraph 1 Satz 1, ist nur der Boss dazu verpflichtet, Gewalt auszuüben.“



„Was erzählst du mir das? Der Kodex hat nur diesen einen Paragraphen, weshalb ihn eigentlich jeder intus haben sollte. Also Danke für die Belehrung. Und jetzt...“



Langbein grinste dumm. Was nicht schwer war, denn er war dumm. „Ja, das weiß ich, und gerade deshalb ist es auch völlig unsinnig, was mir Klumpen vorhin erzählt hat.“



Jetzt wurde der Boss hellhörig und richtete seine Glubschaugen auf den immer kleiner werdenden Klumpen Elend, welcher auf den Namen Klumpen hörte. „Klumpen, was verheimlichst du mir?“



„Nichts, Boss“, log der kleine Kerl und schluckte den Kloß in seinem nicht vorhandenen Hals herunter. „Ich habe Ihnen nichts verschwiegen...“ – (Es ist seltsam, aber bewiesen, dass man noch so sehr versuchen kann, in Stresssituationen die Unwahrheit zu sagen, denn Worte und allen voran die Gruppe der wahrheitstreuen Worte lassen sich nur ungern im Hinterstübchen unterdrücken! Sie finden immer einen Weg nach draußen. Meistens über die Stimmbänder...) – „... bis auf die Tatsache, dass ich jemanden umgebracht habe.“



Es rummste einmal. Und plötzlich lag Glubschauge neben seinem Hocker. Völlig geschockt durch das, was da gerade seine Gehörgänge massiert hatte, rappelte er sich wieder mühsam auf und blickte auf Klumpen. „Du machst Witze...!“



„Nein, darin war ich noch nie gut.“



„Du – du kannst niemanden umgebracht haben. Nicht mal ICH habe jemals von dieser Vorschrift Gebrauch gemacht! Nicht mal ICH! Und ich bin euer Boss!!“



„Gewesen...“, zischelte Chamäleon und guckte kurz darauf mit „Ich-hab’s-nicht-gesagt“ –Blick an die Decke, als sich der Boss schamrot zu ihm umdrehte.



„Ihr ... ihr wollt mich stürzen?? Ihr ...? Und Klumpen: sag, dass das nicht wahr ist!“



„Doch, ich hab’s getan“, entgegnete ein innerlich an Stärke gewinnendes Monster. „Doch, ich hab’s getan. Ich konnte es nicht unterdrücken. Es kam einfach über mich!“



„Aber ... aber ... wo?“, brabbelte Glubschauge, der seinem Namen jetzt mehr denn je alle Ehre machte.



„Nicht unweit von hier.“



„Weißt du eigentlich, was das bedeutet? Du setzt unser aller Existenz aufs Spiel! Wir sind doch nur arme kleine Monster, die sich darüber erfreuen, wenn sie mittels Schreckeinjagen eine Entlohnung bekommen. Wie die Menschenkinder! Wie sollen wir denn weiterhin erschrecken können, wenn die Menschen Wind davon bekommen, dass es uns wirklich gibt? Die sehen in uns doch seit Jahren nur gut verkleidete Kinder! Das ist es doch, was Halloween ausmacht! Das Erschrecken! Das Entlohnen!“ Glubschauge stockte. „Gut, die Entlohnung steht letztlich mir zu, aber das...“



„Das ist nur Mittel zum Zweck, um den Anschein zu erwecken, du hättest eine Machtposition inne. Damit es so aussieht, als ob wir deine Sklaven seien!“, brüllte Langbein plötzlich und richtete sich auf. „Ich habe dich gesehen, Boss. Heute Abend. Du wolltest einen Mann erschrecken, aber er hatte nichts dabei.“ Langbein Oz beugte sich zum Chefchen herunter. „Und was hat der große, ach so böse Chef daraufhin getan? Er hat sich damit zufriedengegeben und sogar noch betont, ihm käme es ja gar nicht auf die Süßigkeiten an! Ich hab’s beobachtet! Ich hab’s gesehen!“



„Du... hast...?“, stammelte der abdankende Chef und wischte sich die Stirn.



„Ja, ich hab alles gesehen! Ich hab dich wie ein kleines Kind herumhüpfen sehen. Vor Freude! Du bist kein Chef, du bist eine Lachfigur, und somit kommt dir kein anderer Status als uns zu. Du bist Geschichte, Boss. Und die Zukunft steht direkt vor dir.“



Applaus ertönte. Strömender Beifall für eine beeindruckende Rede aus solch dummen Mund. Jedoch nur im Kopfe Langbeins, denn wer keine Fans hatte, konnte sie folglich auch nicht sein Eigen nennen. Er strahlte. Ja, Langbein war stolz auf sich. In seinen Gedanken fiel gerade zum zweiten Mal der Vorhang, und noch immer standen seine Fans enthusiastisch vor der Bühne.



Weniger enthusiastisch blickte der gerade entmachtete Boss drein. Seine Augen wurden feucht und eine Träne lief das Gesicht hinunter. Verzweifelt schaute Glubschauge umher. „Ihr seid doch wahnsinnig!“, stammelte er immer und immer wieder, doch er erreichte nur taube Ohren. Sein Stern war am Verglühen, jeglicher Funke Macht, der vormals seine Adern durchflossen hatte, verschwand, wurde Vergangenheit, Geschichte.



Unter großem Protest wurde er alsbald von Langbein und Chamäleon an den schulterähnlichen Gebilden gepackt.



„Ihr wollt mich vor die Tür setzen?! Mich verstoßen? Und eure Führung in die Hände ... Tentakel dieses Wichtes...?“ – Der zukünftig Verstoßene deutete auf Klumpen, der zu seiner, Glubschauges, Überraschung im Moment gar nicht mehr so klein aussah – „ ... ach, vergesst es ...“, murmelte er in sich hinein und gab auf weiterzuzetern, da es aussichtslos erschien.



Klumpen wollte gerade die Tür öffnen (seine Lippen formten schon ein fieses „Bye!“), als sein Blick unbewusst auf das einzige Fenster der Hütte fiel. Er sah in vollkommen entsetzt dreinschauende Augen. Sie gehörten zu einem unscheinbaren Etwas, das wohl schon eine ganze Zeit dort draußen gestanden hatte.



„Schleimi!“, durchfuhr es Klumpen. Doch da wandte sich das kleine weibliche Monster plötzlich mit von Tränen gefüllten Augen vom Fenster ab und erschien, nachdem es die Tür zur Hütte geöffnet hatte, im Türrahmen.

Ihre Unterlippe zitterte, und das Gesicht war nass vor Tränen. Sie blickte jeden Einzelnen in der Hütte an, bedachte jeden mit einem nicht verstehen wollenden Blick, bis ihr Blick schließlich bei Klumpen stehen blieb. Am liebsten hätte sich dieser abgewandt, derart intensiv wurde er gemustert. Doch er konnte nicht von der kleinen Gestalt ablassen, die im Moment völlig neben sich zu stehen schien. Er wollte sie fragen, was los sei, doch in seinem Inneren bewahrheitete sich in diesem Augenblick zu seinem Schrecken eine Vermutung, welche er all die Jahre zu unterdrücken versucht hatte, und er seufzte resigniert, da er erkannte, dass er gerade die Illusion eines Mädchens, das ihn anhimmelte, zunichte gemacht hatte.



„Ich dachte, du wärest anders ...“, wimmerte das weibliche Monster und fing bitterlich an zu weinen. „Aber du bist nicht anders. Im Gegenteil, du bist noch viel schlimmer als alle zusammen! Oh, ich verabscheue dich, Klumpen!! Ich verabscheue dich!“



„Schleimi...“, stammelte Klumpen und fuchtelte wild mit seinen Tentakeln. „Schleimi, sag das nicht! Ich ... ich ...“



Doch das kleine Schleimmonster war schon längst nicht mehr da. In der Ferne war noch ein kleiner schwarzer Schatten auszumachen, der allmählich in der Schwärze der Nacht verschwand.

Klumpen blieb zurück. Zuerst wollte er ihr nachlaufen, doch seine Beine versagten ihm ihre Mitarbeit. Wie angewurzelt stand er im Türrahmen der Hütte, umspielt von Nebel und ein wenig erhellt von einem Glühwürmchen, welches wie der letzte Funke Anstand eines vormals normalen Monsters in just diesem Moment über ihm kreiste, bis es von Chamäleons Zunge erwischt wurde.



Chamäleon schmatzte. Klumpen seufzte.



„Sensibelchen“, grummelte Glubschauge, der Schleimi noch eine ganze Weile beobachtet hatte. „Typisch Frau...“



Dann wurde er vor die Tür gesetzt.





Tatort



„Ich habe keine Ahnung, wo wir anfangen sollen, Monica...“



Doggett seufzte und blickte auf seinen Schuh mit der verdreckten Schuhsohle. „Wäre ich heute morgen bloß nicht aufgestanden“, murmelte er leise und blickte zum sternenbehangenen Himmel.



„John, das musst du auch nicht“, erklärte Reyes freundlich. Ihrem Blick war es anzusehen, dass sie etwas wusste und John damit etwas voraus hatte.



„Was meinst du? Wir haben eine Leiche, die aussieht, als habe Agent Scully beim Obduzieren einen schlechten Tag gehabt...“ – Bei dem Gedanken daran, die sich sonst immer unter Kontrolle habende Scully einmal völlig in Rage zu sehen, konnte der Agent ein Grinsen nicht unterbinden, was zu dem Zeitpunkt jedoch völlig fehl am Platze wirkte. Das merkte das Grinsen dann auch, zog die Mundwinkel des Agenten wieder nach unten, und verschwand alsbald. – „Nun...“, fuhr Doggett fort, „und die Tatsache, dass heute Halloween ist, setzt dem ganzen dann noch die Krone auf.“



„Das mag ja alles richtig sein, aber wir haben einen Anhaltspunkt!“



„Und außerdem hab ich heute Kopfschmerzen ... äh, wir haben was? Könntest du das noch mal wiederholen?“



„Wir haben einen Anhaltspunkt, John“, sagte Reyes strahlend und zog einen Plastikbeutel hervor. „Und zwar das hier.“



Doggett verwarf den Gedanken, seine Partnerin zu fragen, wie denn ein Plastikbeutel als Anhaltspunkt dienen könne und blickte stattdessen auf das, was sich in dem Beutel befand. Aber auch das machte ihn nicht wirklich schlauer.



„Sieht schleimig aus“, sagte er angewidert und verzog das Gesicht als er sich vorstellte, wie das ganze nach Öffnen wohl riechen würde. „Igitt.“



„Mir scheint, das hat der Täter verloren“, sagte Reyes nachdenklich und ging zum Eingangsbereich. Doggett folgte ihr. „Diese Substanz befand sich nämlich direkt im Zentrum des Geschehens. Die Leichenteile lagen dementsprechend ziemlich genau in Kreisform um diese Substanz verstreut. Etwas sehr Starkes, das auf diesem Fleck stand und das Massaker anrichtete, muss sie verloren haben. Vielleicht ist es ... Schweiß...!“



„Schweiß? Aber so sieht doch nicht...“



„Das weiß ich auch“, entgegnete die Agentin rasch und dachte nach. Sie sah auf den Boden und plötzlich kam ihr ein Gedanke. Ein flüchtiger zwar, aber dennoch ein Gedanke. Sie wandte sich zu ihrem Partner.



„John, ich weiß, dass du das Folgende nicht mögen wirst, aber ich glaube nicht, dass wir es hier mit einem menschlichen Täter zu tun haben...“



Doggett blieb ruhig.



„Das kann kein Mensch getan haben...“



Doggett blinzelte. Gerade verschwand das Bild eines wildgewordenen Metzgers aus seinem Kopf. Ihm folgten die einer rasenden Agent Scully und einem Arzt auf Drogen. Er blinzelte noch mal. Schließlich hinkte noch Edward mit den Scherenhänden hinterher.



„Und was macht dich da so sicher?“, fragte Doggett reichlich verwirrt. Er trauerte den kreativen Ideen hinterher.



„Der Fußabdruck mit drei Zehen und den seltsamen Verformungen da unten im getrockneten Blut des Opfers...“





in der Nähe der großen Hütte



Klumpen wusste nicht, wie er sich fühlen sollte. Sein Leben hatte sich von heute auf morgen verändert. Zuvor noch Sklave, jetzt Boss einer kleinen Monstertruppe, die nur zu Halloween auszog, um Süßigkeiten zu ergattern, und den Rest des Jahres in einem Versteck mit Scrabble – Spielen verbrachte. Im Prinzip ziemlich trostlos, aber so war nun mal das Monsterleben. Trist, traurig...



Nein, dachte Klumpen, nein, das war falsch. Es war nicht immer trist. In seinen Gedanken erschien das Antlitz Schleimis und er lächelte. Man konnte das Triste besiegen, es unterdrücken, hinter anderen Gefühlen zurücktreten lassen. Hinter speziellen Gefühlen. Dass bei Schleimi jetzt jedoch wieder das Triste die Oberhand gewonnen hatte, stimmte ihn traurig. Dadurch, dass er, Klumpen, ihre Gefühle verletzt hatte, war es wieder zum Vorschein gekommen.



Eine Träne verließ Klumpens Auge.



„Ich bin ein Idiot“, murmelte er und blickte zum über ihm prangenden Vollmond. „Ich bin ein Idiot! Ein verdammter Hornochse.“ – Er schloss die Augen und blinzelte kurz, weil er insgeheim hoffte, der Mond würde ihm in dieser Sache widersprechen, doch der hatte im Moment wohl anderes zu tun. Klumpen seufzte. „Selbst der Mond hat es erkannt...“



„Äh, Boss?“



Langbein trat an ihn heran und kniete sich neben ihn. Er überragte das kleine Monster dennoch mit über zwei Köpfen.



„Was ist?“, grummelte „Boss“ und wischte sich eine Träne weg. „Das Mondlicht muss meine Augen gereizt haben...“, log er.



„Ja, das Problem hab ich auch immer“, erwiderte Langbein und nickte wild mit dem Kopf. „Weiß der Teufel, warum.“



„Weshalb bist du hier? Ich dachte, ihr begießt das Absetzen des alten und das Einsetzen des neuen Bosses?“ – Klumpen drehte sich um und erkannte, dass die ganze Truppe hinter ihm stand und auf ihn herunterblickte. „Dem ist wohl nicht so...“, erkannte er und stand auf. Trotzdem guckten die Monster immer noch auf ihn herab. Daher setzte sich Klumpen wieder, „Körperliche Größe sagt nichts über die geistige Größe aus“ vor sich herbrabbelnd.



„Wir haben über die Worte von Glubschauge nachgedacht“, erklärte Chamäleon und stupste Glubschauge an. „ Los, sag’s ihm noch mal!“



„Die Leiche muss verschwinden“, grummelte Glubschauge mürrisch und verschränkte die Arme. „Denn unser Boss scheint ja nicht bedacht zu haben, dass wir gerade deshalb die ganze Zeit überleben konnten, weil niemand von unserer Existenz wusste. Du hast Spuren hinterlassen, und die dürfen nicht gefunden werden.“ Glubschauge erhob die Stimme. „Du setzt unser aller Leben aufs Spiel!!“



„Ich darf das, ich bin der Boss“, sagte Klumpen, weil es das Einzige war, was ihm in den Sinn kam. Dass er sich gerade ziemlich zum Affen gemacht hatte, merkte er erst, als es zu spät war. „Gut“, stammelte er unsicher. „So ungern ich das zugebe, aber der Trottel [das ließ er sich nicht nehmen!] hat recht. Die Leiche muss verschwinden. Und am besten sorgt ihr drei dafür.“



„Und wie stellst du dir das vor?“, antworteten drei unwissende Monster und ließen Fragezeichen über ihren Köpfen kreisen. „Wie gedenkst du das zu bewerkstelligen?“



„Ihr müsst mich falsch verstanden haben“, murmelte Klumpen selbstsicher und drehte sich um. „Ich habe gesagt, ihr drei sollt dafür sorgen. Ich bin der Boss. Und ICH gebe die Befehle. Bei Nichterfüllung gibt’s“ – Er überlegte und entschied sich für das Naheliegendste – „... Ärger! Kapiert?“



„Jupp...“, flüsterten seine Untergebenen. „Ja, a – alles klar.“

„Gut“, sagte Klumpen und erklärte seinen Sklaven, wo sie ihren Auftrag zu erledigen hatten. „Derweil hab ich was Anderes zu erledigen...“



Während drei Gestalten daraufhin Richtung Stadt verschwanden, machte sich ein einsamer kleiner klumpiger Schatten daran, in das Waldgebiet zu laufen. Er lief schnell und hatte ein klares Ziel vor Augen. Wenn ihm das Glücke hold war, würde er sie dort antreffen. Sie hatte sich immer dorthin zurückgezogen, wenn sie nachdenken wollte. Langbein hatte es ihm einmal erzählt. Und wenn sie heute nach dem Ereignis in der Hütte etwas tun musste, dann nachdenken.

Er hoffte und rannte keuchend weiter.





Das Beeindruckende an Monstern ist, dass sie anders als Menschen ticken. Wenn Kinder dreckig nach Hause kommen, hört man die Eltern nicht selten jammern: „Mein Gott, du kleines Monster!“ Alleine diese Tatsache unterscheidet Monster von Menschen – sie stimmen in ihren Eigenschaften und Essgewohnheiten lediglich mit dreckigen Kindern überein. Was sonst noch als Differenzierungskriterium zu Rate gezogen werden kann, ist ihre Schnelligkeit. Monster sind schnell. In jeder Beziehung. Sie können aber vor allem schnell laufen und rennen. Man behauptet das zumindest, denn gesehen hat man noch kein rennendes Monster, was aber auch egal wäre, denn sie sollen ja so schnell sein, dass man sie nicht zu Gesicht bekommt. Weshalb das Gerücht zu stimmen scheint...





Daher schon 5 Minuten später am Tatort...





„Verdammt!“, stieß Glubschauge hervor, als er die Zweige des Gebüschs im Vorgarten des Hauses von Hubert Gordon zur Seite drückte.



„Was ist?“, fragte Langbein, „siehst du schon was?“



„Das nicht, aber ich habe mir gerade einen Splitter eingefangen...“



„Geh’ mal zur Seite“, brummelte Chamäleon und wurde eins mit dem Gebüsch. „Oh verdammt...“



„Was ist? Hast du dir einen Splitter eingefangen?“, fragte Langbein und fing sich einen grimmigen Blick von Glubschauge ein, der in diesem Moment bereit gewesen wäre, ein Königreich für eine Pinzette herzugeben und leicht ungelenk mit den Fingern am vom Splitter befallenen Finger herumfummelte.



„Das nicht“, flüsterte Chamäleon und verdrehte die Augen. Glubschauge und Langbein verstanden.





Monster – sein hat einen gravierenden Nachteil. Man nennt nicht die normale Fingeranzahl sein Eigen. Ein noch viel größeres Problem ist: manche Monster haben gar keine Finger, bilden es sich aber ein, was zu sehr amüsanten Situationen führen kann – man denke nur an „Stein – Schere – Papier“ spielende Kreaturen. Es kommt selten vor, dass jemand gewinnt, denn meistens sind die Monster nur in der Lage, den Stein zu formen. Genauso wenig ist ihnen die Zeichensprache, d.h. das Verständigen ohne Laute mittels Zeichen, meistens durch Fingersprache, geläufig. Die Monster bedienen sich daher bei dem, was sie haben. Und das sind nun mal größtenteils Augen. Ausgenommen der blinde Zyklop, aber das gehört nicht hierher...

Es gibt 3987 verschiedene Bedeutungen für das Augenverdrehen, wovon den Monstern meist selbst nur die Hälfte bekannt ist. Die Wichtigste ist aber das einfache Augenverdrehen, weil hiermit angedeutet wird, dass man sich ab jetzt am besten nur noch lautlos verständigt. Bestimmte Situationen erfordern eben bestimmte Verhaltensweisen, und um lautlos miteinander kommunizieren zu können, wird auf eine Fähigkeit der Monster zurückgegriffen, welche jedem Schüler, der an seiner Abiturprüfung sitzt, die Tränen in die Augen treiben würde vor Begeisterung.



Sie kommunizieren telepathisch, nur über die Gedanken...









Chamäleon wurde plötzlich eins mit dem Boden und robbte vorsichtig hinter den Agenten vorbei zur Eingangstür des Hauses und manifestierte sich in Form einer hölzernen Libelle in einem Blumenkübel, nicht unweit von zwei Mitarbeitern der Abteilung für Gewaltverbrechen. „Ist das Puzzle jetzt komplett?“, fragte einer der beiden und blickte durch den Eingangsbereich ins Wohnzimmer. „So weit kann der Kerl doch nicht geflogen sein, ich meine das, was er mal zusammengesetzt war...“



„Wenn du wüsstest“, antwortete ein Mann mit bleichem Gesicht und blickte aus einem Fenster im ersten Stock, „alle Fenster müssen zur Tatzeit offengestanden haben. Hat ganz schön gespritzt. Was ein Glück, dass er – wie wir rausfinden konnten - unverheiratet war, denn ich möchte nicht die Frau sein, die das wieder saubermacht ... solltest dir das Bett hier oben mal ansehen. Ein Teil lag auf dem Kopfkissen, so als ob es schlafen...“



„Schon gut ...“, erwiderte der andere unten, „habt ihr ihn jetzt komplett? Der Gerichtsmediziner wartet...“



„Na der wird seine Freude haben!“

















































„Nanu?“



Doggett fühlte plötzlich nervös seine rechte Tasche des Jacketts. „Mir war gerade so, als ob irgendetwas in meine Jacketttasche gesprungen ist...“



„Du machst Witze...“, sagte Reyes schnippisch. „Dir scheint Halloween ja ganz schön zu schaffen zu machen. Was soll denn da reingehüpft sein? Ein Taschenmonster?“ Sie grinste. „Komm, lass uns schnell in die Pathologie fahren.“



„Ja“, sagte der Agent und zog die Finger aus der rechten Jackentasche. „Ja, lass uns das schnell über die Bühne bringen.“

Doggett öffnete die Beifahrertür und ließ Reyes einsteigen. Bevor er die Fahrertür des Ford öffnete, sah er noch einmal mit einem misstrauischen Blick auf das Haus. „Was ist hier bloß vorgefallen“, murmelte er gedankenverloren. „Wann gibst du dein Geheimnis preis?“



Das Haus blieb stumm.



Seufzend setzte sich Doggett daraufhin hinter das Lenkrad und schloss die Tür. „Monica, versprich mir eines“, begann er und setzte seinen berühmten Dackelblick auf.



„Was denn?“



Der Agent lächelte. „Dass du nach diesem Fall mit mir etwas trinken gehst. Ich könnte jetzt schon was gebrauchen.“



„Willst du mich etwa ausführen, John?“



„Das hab ich nicht gesagt...“



„Aber ich!“ – Sie grinste.



„Du hast trotzdem noch nicht auf meine Bitte geantwortet, Monica...“



„Der Fall ist ja auch noch nicht beendet.“



Jetzt mussten beide lachen.







Und daraufhin verschwand der mit 5 Personen vollbesetzte Ford in der Dunkelheit der Nacht.
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