World of X

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Strength

von XS

Chapter 17

XVII


Baby why can’t I wake up with you
So you’re there when I open my eyes
Baby why can’t I wake up with you
You’re my life
So good to be near you
So dark when you walk from my side
Baby why can’t I wake up with you
You’re my life, you’re my life

G. Barlow


Eine kalte Hand rüttelte leicht an seiner Schulter. Mulder wollte nicht aufwachen. Er hatte so tief geschlafen und er war so erschöpft, daß er, selbst wenn er es gewollt hätte, nur mit Mühe seine Augen öffnen konnte. Doch als das Rütteln an seiner Schulter nicht nachließ sondern sogar noch stärker zu werden schien, raffte er sich, durch den Realitätseinfluß in seinem Bewußtsein, dazu auf, die Augen zu öffnen. Es war nicht besonders hell, aber auch nicht zu dunkel. Viele unruhig zitternde Schatten wurden von dem wild flackernden Feuer an die Wände geworfen. Mulder blinzelte einmal kurz und wand seinen Kopf. Die Hand hatte sich zurückgezogen. Als Mulder Scully ansah, wußte er sofort, daß es ihre Hand gewesen sein mußte, denn ihre Augen blickten ihn auf diese merkwürdige Art an. Im nächsten Moment bemerkte er, daß sie am ganzen Körper zitterte, viel stärker als zuvor. Dazu kam der Schweiß, der sich auf ihrer Stirn gebildet hatte. Erschrocken richtete Mulder sich auf.
"Scully, was ist los? Haben Sie Schüttelfrost?"
Sie nickte langsam. Auch sie saß aufrecht auf der Matratze und das vermutlich schon seit einer ganzen Weile. Sie hatte die Arme fest um ihren Körper geschlungen und hatte sich, soweit es möglich gewesen war, mit der Decke zugedeckt.
"Ich wollte Sie nicht wecken", begann sie und Mulder meinte ein leises Zähneklappern zu hören, "aber ich.., mir ist so furchtbar kalt..."
"Es ist in Ordnung", beruhigte Mulder sie und rückte ein wenig näher zu ihr, um einen Arm um sie legen zu können. "Sie hätten mich schon viel früher wecken sollen. Wie lange geht es Ihnen denn schon so?"
Scully schüttelte leicht den Kopf und schmiegte sich ein wenig an Mulder.
"Ich weiß es nicht", begann sie, "vielleicht eine halbe Stunde?! Ich habe mich erst ans Feuer gesetzt und noch einige Holzscheite ins Feuer geworfen, aber es hat nicht geholfen."
"Warum haben Sie mich nicht schon früher geweckt?"
Mulder wollte zwar einerseits vorwurfsvoll klingen, aber es gelang ihm einfach nicht. Dazu machte er sich zu große Sorgen um Scully. Er gab ihr aber keine Möglichkeit zu antworten.
"Legen Sie sich wieder hin, dann liegen Sie wenigstens unter der Decke."
Scully nickte, aber als sie sich hingelegt hatte, sah sie Mulder an.
"Mulder?", fragte sie.
"Ja?"
"Würden... würden Sie sich... würden Sie mich wieder wärmen?"
Er konnte in ihren Augen lesen, daß es ihr schwer gefallen war, ihn darum zu bitten, also beeilte er sich eine Antwort zu geben.
"Natürlich", sagte er einfach und ließ seine Stimme einen selbstverständlichen Ton annehmen, als hätte sie ihn im Büro darum gebeten, ihr eine Akte zu reichen.
Scully lächelte ein wenig.
Mulder legte sich ebenfalls wieder auf die Matratze und breitete die Decke auch über sich aus. Dann rückte er ein wenig auf Scully zu. Schließlich schlang er seine Arme um ihren zierlichen Körper und zog sie zu sich heran. Schließlich lag Scully mit ihrem Kopf an seine Brust gelehnt und hatte ihre Arme vor ihrem Körper verschränkt. Mulder hielt sie eng umschlungen fest. Scully schmiegte sich noch enger an ihn. Noch immer zitterte sie unaufhörlich.
Mulder überlegte für einen kurzen Moment. Sollte er jetzt das ansprechen, was ihm auf dem Herzen lag? Er wollte Scully nicht verletzen, aber er mußte sie einfach darauf ansprechen.
"Scully?"
"Ja?"
"Warum haben Sie mich nicht früher geweckt?"
"Ich wollte einfach, daß Sie schlafen können. Sie sahen so müde aus..."
"Aber ihre Gesundheit ist wichtiger. Also, warum haben Sie mich nicht früher geweckt?", Mulder wußte genau, daß Scully ihm ausgewichen war, wenn auch geschickt. Er konnte genau hören, daß noch etwas anderes dahinter steckte, als ihre Besorgtheit um seinen Schlaf.
"Ich,... ich wollte nicht, daß Sie sich Sorgen um mich machen..."
"Aber ich mache mir viel mehr Sorgen um Sie, wenn ich nicht weiß, was los ist", unterbrach Mulder sie. "Ich möchte doch nur, daß es Ihnen gut geht. Ich will nicht, daß Sie mir vorenthalten, wenn es Ihnen schlecht geht. Ich möchte Ihnen helfen."
Mit eindringlicher Stimme sprach Mulder auf sie ein. Er sah sie an, doch er konnte nur einen Blick auf ihren Hinterkopf werfen, denn sie hatte sich so eng an ihn geschmiegt, daß ihr Gesicht im Stoff seines T-Shirts vergraben war.
"Mulder,... ich...", Scully schluckte und Mulder konnte hören, daß sie zu etwas ansetzte, das ihr nur schwer über die Lippen kam.
"...ich habe immer gedacht, daß... daß ich nie schwach sein dürfe. Ich wollte nie schwach sein aus Angst vor Enttäuschung und daß mir jemand weh tut. ...Ich dachte immer, ich müßte stark sein, so daß man mich respektiert." Wieder schluckte Scully und Mulder fühlte, wie heiße Tränen ein wenig den dünnen Stoff seines T-Shirts durchdrangen. Doch er unterbrach sie nicht und hielt sie nur weiter fest.
"Ich habe gedacht, daß, wenn man Schwäche zeigt und nicht alles selber bewältigt, jedes Problem, wie groß es auch sein mag, man... man nicht mehr respektiert wird. Besonders... besonders in Gegenwart meines Vaters und...", Scully schluckte noch ein drittes Mal und auf Mulder’s T-Shirt entstand langsam ein kleiner feuchter Fleck aus Tränen.
"...und...", setzte Scully an, aber sie legte eine weitere Pause ein, als schien sie zu überlegen, ob sie wirklich fortfahren sollte.
"...und in Ihrer Gegenwart hatte ich dieses Gefühl. ...Ich wollte einfach nie Schwäche zeigen aus Angst."
Mulder war wie erstarrt. Sollte er daran Schuld sein, daß Scully ihm die Wahrheit verschwiegen hatte? Die Wahrheit über etwas, das er verursacht hatte? Verzweifelt suchte er nach Worten.
"Scully,... ich..."
"Nein, Mulder", unterbrach sie seinen hilflosen Ansatz. "Ich habe jetzt gemerkt,... daß manchmal,... wenn man Schwäche zeigt, es einen stärken kann,... so wie jetzt. Und die Stärke und Kraft, die man daraus gewinnt ist viel wertvoller als die, die man versucht mit aller Macht an sich zu reißen. ...Verstehen Sie, was ich meine?"
Erst jetzt sah Scully zu Mulder auf und als er in ihre Augen sah konnte er die Tränen in ihren Augen sehen.
"Ja", flüsterte er, "ich denke schon", fügte er hinzu, während er sanft den Druck, mit dem er sie festhielt, verstärkte.
Dankbar schmiegte Scully sich an ihn. Und plötzlich tauchte ein Gedanke in ihrem Bewußtsein auf. Es war der gleiche Gedanke den sie heute schon einmal gehabt hatte, aber nicht hatte festhalten können. Intuitiv wußte sie, daß es sich um den gleichen Gedanken handeln mußte, obwohl sie sich an den ersten nicht einmal erinnern konnte. Nur das Gefühl das sie dabei empfunden hatte, war ihr in Erinnerung geblieben. Und genau jenes Gefühl beherrschte sie jetzt, da sie erneut diesem Gedanken Zutritt in ihr Bewußtsein gewährt hatte. Ein Gefühl von Wärme durchströmte ihren Körper. Aber keine Wärme, die von außen kam. Vom Kaminfeuer, der Wolldecke oder Mulder’s Umarmung. Nein. Es war eine Wärme, die sie von innen her durchströmte. Sie kam tief aus ihrem Inneren, vielleicht von der Stelle, an der einige Menschen den Sitz der Seele vermuteten. Aber was war denn die Seele eines Menschen? Ist es nicht genau das, was die Menschen menschlich macht? Sind es nicht die Gefühle, die sie empfinden, die dieses Menschsein ausmachen? Und dieses Gefühl, das sie empfand kam aus dem tiefsten Inneren ihrer Seele und sie wußte, daß diese Gefühle echt sein mußten. Genauso wie sie wußte, daß der Gedanke, der diese Gefühle ausgelöst hatte, wunderschön und zugleich auf seine Weise richtig und ehrlich sein mußte.
Sie dachte jetzt intensiv an diesen Gedanken.
*Ich wünschte, ich könnte immer so aufwachen. Bei ihm. Ihn sehend. Ihn fühlend.*
So intensiv, wie sie jetzt an diesen Gedanken dachte, so intensiv wurde jetzt auch das Gefühl der Wärme, der Geborgenheit, des Glücks.
Noch enger schmiegte Scully sich an Mulder, der sie immer noch sanft und zugleich mit starkem Griff festhielt, und atmete seinen Geruch ein. Sie hatte sich noch nie so wohl in den Armen von jemandem gefühlt und das, obwohl sie noch nicht einmal mit Mulder zusammen war. Sie waren nie ausgegangen, hatten sich nie geküßt...
Vielleicht fühlte sie sich gerade deswegen so sicher und geborgen. Es gab nichts, das sie unter Druck setzen konnte, auf welche Art und Weise auch immer. Sie vertraute Mulder blind... und sie vertraute ihm alles an. Sie hatte mit keinem Menschen selbst mit ihrer Mutter, nicht über ihre Angst sprechen können. Ihre Angst, schwach zu sein und das Anderen zu zeigen und sich dies selber einzugestehen. Wieder kam ihr der Gedanke in den Sinn.
*Ich wünschte, ich könnte immer so aufwachen. Bei ihm. Ihn sehend. Ihn fühlend.*
Ja, wenn sie morgens aufwachen könnte, mit Mulder an ihrer Seite, dann könnte der Tag verlaufen, wie er wollte. Es würde alles gut werden.
Sie lächelte. Vielleicht war sie albern, aber neben ihrer Karriere, die sie immer als das Wichtigste angesehen hatte, rückte jetzt etwas anderes in den Vordergrund. Sicherheit, Geborgenheit, Liebe. Hatte sie ihre Karriere nicht auch deswegen krampfhaft in den Vordergrund gestellt, weil sie Angst hatte, sich zu öffnen? Vielleicht hatte sie sich schon immer Liebe gewünscht, aber Angst gehabt. Angst vor Zurückweisung, Angst davor, ausgelacht zu werden. Aber mit einem Mal wußte sie, daß die wahre Liebe ihr Kraft geben würde. Sie könnte über alles hinwegsehen, alle Sticheleien und Verletzungen ignorieren, solange sie nur an der wahren Liebe festhalten konnte. Diese Erkenntnis erfüllte sie, so wie die Wärme und das Gefühl des Glücks und Der Geborgenheit ihren Körper durchströmten. Was bedeutete das? Konnte das heißen, daß sie die wahre Liebe gefunden hatte? Mulder? Ihr Partner und bester Freund? Dieser Gedanke war absurd. Aber dieses Gefühl; konnte dies Gefühl falsch sein? Nein, sie wußte, daß es echt war, ehrlich.
"Scully?"
Sie erstarrte. Hatte Sie laut geredet?
"Ist wieder alles in Ordnung? Sie zittern nicht mehr."
"Ja, ich glaube, mir geht es wieder gut", antwortete Scully erleichtert. Zitterte ihre Stimme? Klang sie unsicher?
"Wirklich?"
Es lag einfach in Mulder’s Natur, mißtrauisch zu sein.
"Sehen Sie mich an", forderte er sie auf, bevor sie antworten konnte. Er nahm einen Arm von ihrem Körper, rückte ein Stück von ihr fort und legte seine Hand unter ihr Kinn, um ihren Blick auf sein Gesicht zu richten.
Er blickte in ihre Augen. Blau wie der Himmel und der Ozean. Klar wie das Wasser im Paradies. Es ging ihr besser, ja. Aber er konnte den Blick nicht abwenden. Er starrte wie gebannt in ihre Augen. Es war, als könnte sie ihn mit diesen Augen hypnotisieren, jedes Mal, wenn er in diese sah. Es war, als würde er in ihnen versinken.
"Mulder?"
Ihre Stimme riß ihn aus seiner Hypnose.
"Ja?"
"Ist alle in Ordnung?" Besorgt sah sie ihn an und runzelte die Stirn. Jetzt starrte er auf ihren Mund und konnte seinen Blick abermals nicht losreißen. Er hätte sich dafür ohrfeigen können, aber er war wie in Trance, als wäre er betäubt worden.
"Mulder?! Was ist denn los?" Ihre Stimme klang noch besorgter, aber es mischte sich bereits ein wütender Unterton darunter.
"Scully?"
"Ja?" Jetzt klang ihre Stimme nur noch besorgt.
"Ich", begann Mulder und schluckte. Er befeuchtete seine Lippen und startete einen neuen Versuch. "Ich denke, daß Sie der stärkste Mensch sind, dem ich je begegnet bin."
Sprachlos starrte Scully ihn an.
"Sie sind ihren Idealen immer treu geblieben und haben sich nie von Ihrem Weg abbringen lassen. Sie sind auch stärker, als ich es je war..."
Immer noch starrte Scully ihn an.
*Die wahre Liebe...*, schoß es ihr durch den Kopf.
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