World of X

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Future

von Sonja K

Kapitel 3 - Leben

Cantico

What’s the use of crying
And denying what you feel
Stay here if you will
But don’t think, just hold me
Let me dream
Over your velvet skin
Skin that I yearn to caress
And for as long as
You’re unable to give yourself
I shall never give up trying
It’s pointless to run away
Because you’re mine
Because I want you
And because you want me
There’s a whole world there for the taking
And it’s open up around us

And if it makes you happy
I shall be your guardian angel
Never, ever to leave you
Even when I cannot see
Your sweet smile
Lighting up your face
And for as long as
You’re unable to give yourself
I shall never give up trying
It’s pointless to run away
Because you’re mine
Because I want you
And because you want me
You’ll be everything to me

Because I want you
And because you want me
There’s a whole world opening up to us
There’s a whole world opening up to us



Assistant Director Skinner war nicht sonderlich überrascht, als Mulder und Scully sein Büro betraten und ihn um ein Gespräch baten. Er bot ihnen Platz an und forderte sie dann auf, ihm zu sagen, was sie auf dem Herzen hatten. Nicht dass er es sich nicht denken konnte; schließlich hatte er Mulder erst gestern einen Fall entzogen, von dem er annahm, er sei abgeschlossen. Mulder hatte ihm ziemlich deutlich zu verstehen gegeben, dass er anderer Meinung war, und Skinner erwartete nun die Fortsetzung der gestrigen Debatte.
Er sollte sich so sehr täuschen wie schon lange nicht mehr.
Das erste, was ihm seltsam vorkam war, dass Mulder unruhig auf seinem Stuhl herumrutschte, etwas, das er sonst nie tat.
”Sir...” begann Scully, um gleich darauf von Mulder unterbrochen zu werden.
”Ich...Wir müssen Ihnen etwas sagen, das...”
”Das uns beide betrifft.” unterbrach Scully wieder ihren Partner.
Dann schwiegen beide, als wüssten sie nicht, wie sie fortfahren sollten. Skinner wurde allmählich ungeduldig. Was immer sie ihm zu sagen hatten, es konnte doch nicht so schlimm sein, dass sie wie Grundschulkinder, die mit einem Tadel rechnen, herumdrucksen mussten.
”Also, was ist los?” fragte Skinner streng, und Scully gab sich einen Ruck. Sie war schon immer diejenige gewesen, die besser mit Skinner auskam, und so schien es ihr nur logisch, dass sie es ihm sagte.
”Sir, was Agent Mulder sagen wollte ist, dass...” Sie zögerte einen Moment lang, denn ihr wurde plötzlich bewusst, dass es kein Zurück mehr geben würde, wenn sie jetzt die Wahrheit sagten. Aber das war ihr egal, denn sie wollte es hinter sich bringen. Ein Blick zu Mulder verriet ihr, dass es ihm genauso ging.
”Wir sind...Agent Mulder und ich haben eine Beziehung, und wir dachten, das sollten Sie wissen.”
Nach Scullys Worten war es einen Moment lang vollkommen still im Raum; Mulder bewunderte den Mut seiner Partnerin...Freundin. Scully war erstaunt über die Ruhe, mit der sie die Worte ausgesprochen hatte, und Skinner musste sich erst einmal bewusst werden, was er soeben gehört hatte.
Während sie auf eine Reaktion des AD wartete, griff Scully unter dem Tisch nach Mulders Hand; er drückte sie leicht und hielt sie dann fest, durch ihre Wärme getröstet und beruhigt. Was auch immer gleich geschehen mochte, es konnte ihm nichts anhaben, nicht solange er Danas Hand in seiner fühlte.
Skinner war wie vor den Kopf gestoßen. Er hatte es schon immer geahnt; Mulder und Scully passten einfach zu gut zusammen, hatten zu eng zusammengearbeitet, als dass sich eine Situation wie diese auf Dauer hätte vermeiden lassen. Er hatte sich vor dem Tag gefürchtet, an dem ihm jemand davon erzählen und ihn zum Handeln zwingen würde, aber es überraschte ihn, dass sie es selbst taten. Was zum Teufel erwarteten sie jetzt von ihm? Dass er ihnen seinen Segen geben würde? Es musste ihnen doch klar gewesen sein, dass er sie würde trennen müssen. Das war das Letzte, was er wollte, denn obwohl er es niemals zugeben würde, er mochte die beiden Agenten mit den seltsamen Ideen und dem Hang zur Sturheit. Mulder erinnerte ihn an sich selbst als junger, ambitionierter Agent, und Scully...Nun, sie war die Frau, die er damals gern an seiner Seite gewusst hätte, wenn er wieder einmal über eine der Regeln gestolpert war. Aber all seine Sympathien nützten ihm in diesem Augenblick nichts; er musste eine Entscheidung treffen, die nicht in seinem Ermessen lag, musste die Regeln beachten und den Traum dieser Beiden zerstören, die sich vertrauensvoll an ihn gewandt hatten, um ihn um Verständnis für etwas zu bitten, das er nur zu gut verstand, aber nicht billigen durfte. Er musste zugeben, dass es ihm beinahe lieber gewesen wäre, wenn sie ihm nichts gesagt, ihn einfach im Dunkeln gelassen hätten. Aber da sie das nicht getan hatten, sondern sich für die Wahrheit entschieden hatten, wie er es von Mulder und Scully eigentlich auch erwartet hatte, musste er reagieren, so ungern er das auch tat.
Die Stille war so erdrückend gewesen, dass sowohl Mulder als auch Scully zusammenzuckten, als Skinner schließlich sprach: ”Agent Mulder, Agent Scully, ich bin sicher, Sie wissen, dass das, was Sie mir gerade gesagt haben, Konsequenzen haben muss. Es liegt nicht in meinem Ermessen zu entscheiden, wie weit diese gehen. Wenn ich ehrlich bin, habe ich mit so etwas gerechnet; ich habe nur nicht erwartet, dass Sie es mir selbst sagen. Ich will ganz offen zu Ihnen sein: Ich habe nicht die geringste Vorstellung, was ich nun tun soll.” Er schwieg einen Augenblick und fuhr dann fort: ”Ich kann Ihr Geständnis, wenn man es denn so nennen will, nicht einfach ignorieren, aber...”
”Das erwarten wir auch nicht von Ihnen.” unterbrach Mulder den AD.
”Wir wollten es trotzdem nicht länger geheimhalten. Es ist einfach nicht gut, das zu tun.”
”Ich verstehe. Nun, ich will Ihre Ehrlichkeit nicht bestrafen, indem ich Sie beide trenne, obwohl ich das müsste, wenn ich mich an die üblichen Vorschriften halte. Aber ich bin sicher, dass wir eine Lösung finden werden. Allerdings setzt das voraus, dass Sie beide sich weiterhin an die Benimmregeln des FBI halten; zumindest so weit, wie Sie es schon immer getan haben.”
Sie nickten, und keiner von ihnen konnte ganz den irrationalen Hoffnungsschimmer verdrängen, der am Horizont aufzutauchen schien.
”Das schließt auch ein, dass Sie nicht im Büro Ihres Vorgesetzten Händchen halten!” tadelte Skinner streng und verbiss sich ein Lächeln, als die beiden Agenten einander hastig losließen und sich kerzengerade hinsetzten. Er hatte sie nicht in Verlegenheit bringen wollen, aber er hatte es auch nicht lassen können, sie ein wenig zu ärgern.
”Wenn Sie mir versichern, daß Sie sich im Dienst weiterhin normal benehmen (Zumindest was man bei Mulder und Scully als normal bezeichnen kann, fügte er in Gedanken hinzu), dann kann ich mich dafür einsetzen, dass Sie beide weiter zusammen arbeiten. Ich bin sicher, wenn wir lange genug suchen, werden wir einen Präzedenzfall finden, der dies rechtfertigt. Und bis dahin sollte es niemandem einfallen, mir sagen zu wollen, wie ich meinen Job zu machen habe.”
Mulder konnte es kaum fassen. Sie hatten die Wahrheit gesagt und waren nicht getrennt worden. Skinner räumte ihnen sogar die Möglichkeit ein, weiter zusammen zu arbeiten.
”Danke, Sir.”
”Wofür? Ich tue nur meinen Job und sorge dafür, dass Sie beide Ihren tun. Und jetzt gehen Sie wieder an die Arbeit.”
”Ja, Sir.” erwiderten sie wie aus einem Mund, und Skinner sagte sich, dass es kein Wunder war, dass diese Beiden letztlich zusammengefunden hatten. Es wäre eher eins gewesen, wenn das nicht passiert wäre.
Scully stand auf und verließ das Büro, Mulder dicht auf ihren Fersen. Als sie die Tür erreichten, rief Skinner sie noch einmal zurück: ”Ach, Agent Mulder, Agent Scully...Sollten Sie jemals auf die Idee kommen zu heiraten, laden Sie mich ein.”
Mit vor Überraschung offenen Mündern verließen die beiden Agenten das Büro ihres Vorgesetzten.


Ich kann es nicht fassen. Skinner hat uns tatsächlich nicht getrennt. Wir haben es ihm gesagt, und er lässt uns trotzdem zusammen arbeiten. Jetzt geht es darum, ihn nicht zu enttäuschen. Aber das wird kein Problem sein, denn wir arbeiten noch immer gut zusammen.
Wieder etwas, was nicht normal ist bei uns. Ich kann gar nicht zählen, in wie vielen Dingen wir von der Norm der anderen Paare abweichen, aber es sind viele. Das fängt damit an, dass wir noch nicht einmal ein Date gehabt haben. Wir sind aus heiterem Himmel und mitten aus unserer Freundschaft heraus ein Paar geworden, und das ohne ein einziges Mal richtig auszugehen. Wir sind bis heute nicht zusammen im Kino gewesen, weil sich unser Geschmack, was Filme betrifft, so sehr unterscheidet. Ich würde mir nie einen der ewigen Science Fiction-Filme ansehen, die Fox so liebt, und er würde sich in den Filmen, die ich mag, tödlich langweilen; schließlich kommt da kein einziger Außerirdischer vor. Wir sind eigentlich gar nicht dafür geschaffen, zusammen zu sein, weil wir so unterschiedlich sind. Wir mögen nicht die gleiche Musik, und auch unser Geschmack, was Bücher angeht, ist total verschieden.
Fox steht auf Pommes Frites und Chiliburger, und ich hasse Fast Food, weil ich es ungesund finde. Seine Unordnung macht mich verrückt, und er kann nicht verstehen, wie ich in einer ordentlichen Umgebung leben kann. Existieren vielleicht, aber nicht wirklich leben. Er kann sich bis zur Besessenheit in einen Fall hineinsteigern, und ich muss dann versuchen, ihn zu bremsen.
Trotzdem gibt es einen Grund, warum wir zusammen sind. Ich erkenne ihn an jedem Abend, wenn ich mich in unserem Bett – denn so betrachte ich es langsam – an ihn kuschle, an jedem Morgen, wenn ich aufwache und ihn im Arm halte, wenn er wieder einmal die ganze Küche durcheinandergebracht hat, weil er für uns kochen wollte, aber nicht den passenden Topf oder die Schüssel gefunden hat und mich dann mit diesem verletzten Blick ansieht, so dass ich nur lachen und ihm verzeihen kann, wenn er mir mein Lieblingseis mitbringt, obwohl ich nur ein einziges Mal erwähnt habe, welches das ist, wenn ich seinen erfreuten Gesichtsausdruck sehe, weil ich ihm Sonnenblumenkerne besorgt habe, einfach so, wenn ich ihn ansehe...
Es gibt tausend und eine Situation, in der ich erkenne, warum wir zusammen sind: Weil wir uns lieben. So einfach ist das. Es hat nichts mit Logik zu tun, auch nicht mit Wissenschaft oder Vernunft, es ist einfach etwas, das man nicht greifen kann, nicht kategorisieren oder einordnen, es ist einfach da, unerklärlich und doch nicht zu übersehen.
Wenn ich vor ein paar Monaten geahnt hätte, dass ich so etwas sagen würde, dann hätte ich nur den Kopf geschüttelt. Es ist nicht typisch für Dana Scully, unlogisch zu handeln, und dennoch tue ich es, jeden Tag aufs neue, und habe sogar Spaß dabei. Willkommen in der Welt der Gefühle, Agent Scully.


***


Es gab nur eins, was Scully störte: Dass Mulder so verflucht vorsichtig war. Wenn sie zusammen auf der Couch saßen und sich einen Film ansahen, kam er nicht einmal auf die Idee, sie zu umarmen, auch wenn sie spüren konnte, dass er das gern getan hätte. Auch nachts, wenn sie sich eine Decke teilten, passte er auf wie ein Schießhund, dass er ihr nur ja nicht zu nahe kam. Offenbar saß die Erinnerung an jenen einen Abend noch zu tief, und er fürchtete, sie doch noch zu überrumpeln. Was sie betraf, war das Unsinn, aber sie schaffte es einfach nicht, ihm das begreiflich zu machen. Bis sie an einem Wochenende bei Charles eingeladen waren, dessen Frau ihren Geburtstag feierte.
Es war inzwischen zu einer Selbstverständlichkeit geworden, dass Mulder zu den Feiern, die im Herbst häufig stattfanden, eingeladen wurde, denn jeder in der Familie sah ein, dass er unumstößlich zu Dana gehörte und dass sie nicht ohne ihn auftauchen würde. Zuerst hatten ein paar der Verwandten Bedenken gehabt wegen des Zwischenfalls auf dem Familienfest im Sommer, aber nachdem Bill zugegeben hatte, dass er Fox provoziert hatte, war die angespannte Stimmung zwischen den beiden einer abwartenden Haltung gewichen, so dass es zu keinem weiteren Zusammenstoß gekommen war.
Charlie erklärte gleich zu Anfang, dass er und seine Familie nicht genug Platz für alle Gäste hatten, also müssten ein paar von ihnen ins Hotel ziehen, während andere auf Luftmatratzen auf dem Boden schlafen sollten. Mulder, immer Gentleman, erbot sich natürlich, auf dem Boden zu schlafen, was Charles gern annahm. Scully sagte gleich, sie werde auch in kein Hotel gehen, und so wurden die Beiden im Wohnzimmer einquartiert.
In der Nacht wachte Mulder auf. Einen Moment lang wusste er nicht, wo er sich befand, dann fiel es ihn wieder ein: Er und Dana waren bei der Geburtstagsfeier von Danas Schwägerin gewesen und übernachteten in deren Haus.
Mulder lauschte auf Danas Atem, und er dachte daran, wie fröhlich sie den ganzen Tag über gewesen war. Sie hatte mit all ihren Verwandten gesprochen und sich lange mit Charles, Bill und ihrer Mutter unterhalten, und er war sich wie ein Außenseiter vorgekommen. Das erschien ihm jedoch nicht so wichtig, solange sie glücklich war. Er würde es noch einen Tag lang aushalten, und dann fuhren sie sowieso zurück nach Washington. Was ihm zu schaffen machte war das Gefühl, in Danas Welt eingedrungen zu sein. Unsinn; du bist ein Teil ihrer Welt, und sie hat sich gefreut, daß du mitgekommen bist, sagte er sich.
”Fox? Bist du wach?”
Er zuckte leicht zusammen, denn er hatte angenommen, sie schliefe fest.
”Ja.” erwiderte er leise.
”Was ist los mit dir? Warum schläfst du nicht?”
”Keine Ahnung. Ich hab nachgedacht.”
”Worüber?” wollte sie wissen.
”Ach, nichts. Ist nicht so wichtig.”
Sie schwieg, und er dachte schon, sie sei wieder eingeschlafen, als er plötzlich ihre Stimme dicht bei seinem Ohr hörte: ”Hast du noch Platz hier drin? Dann rutsch mal ein Stück.”
Bevor er wusste wie ihm geschah, war Dana schon zu ihm in den Schlafsack gekrochen und hatte sich an seine Seite gekuschelt. Sie fühlte sich warm und weich an, und unglaublich gut.
”So, und jetzt sagst du mir, was los ist.”
”Ach, es ist eigentlich wirklich nichts. Ich komme mir nur immer so komisch vor, wenn ich mit deiner Familie zusammen bin. Als ob ich in eine Welt eindringe, die nicht meine ist.”
Er hörte sie leise lachen. ”Das hat Charlie heute auch zu mir gesagt, als du draußen warst. Er hat das Gefühl, sich zwischen uns zu stellen, wenn er sich mit mir unterhält. Das ist doch ganz normal; du kennst sie alle noch nicht, und es wird eine Weile dauern, bis sich das ändert, aber es wird sich ändern. Und falls es dich beruhigt, sie mögen dich alle sehr.”
”Bis auf William.”
”Ach, Bill wird sich schon daran gewöhnen, dass seine kleine Schwester jetzt nicht mehr von ihm beschützt werden muss. Er will immer noch auf mich aufpassen, und das beinhaltet auch, jeden anderen Mann von mir fernzuhalten.”
Sie schwiegen eine Weile, und Mulder sehnte sich danach, sie in den Arm zu nehmen, zumal das in dem engen Schlafsack zweckmäßig gewesen wäre, aber er tat es nicht.
Schließlich musste sie wieder lachen. Er erkundigte sich irritiert: ”Was ist?”
"Ich muss gerade an unser kleines Gespräch im Wald denken, weißt du noch?”
Mulder dachte einen Moment lang nach, dann schüttelte er den Kopf.
”Schlafsäcke.” half sie ihm auf die Sprünge.
”Wenn es heute nacht Schlafsäcke regnet, haben Sie vielleicht Glück.” entgegnete er und musste auch lachen.
”Ich hätte damals alles gegeben, wenn es tatsächlich welche geregnet hätte. Wenn mir jemand erzählt hätte, dass ich eines Tages wirklich einen Schlafsack mit dir teilen würde...”
”Ja, es ist schon komisch. Ich hatte auch fast gehofft, es könnte etwas passieren, in diesem Wald. Aber ich denke, es ist gut, dass es das nicht ist. Sonst wären wir vielleicht nicht hier.”
”Du meinst, alles wäre anders gelaufen?”
”Wer weiß? Aber das ist jetzt egal. Es ist so gelaufen, wie es gelaufen ist, und das ist die Hauptsache... Tust du mir einen Gefallen?”
”Jeden.”
”Sei nicht immer so ein verdammter Gentleman.”
”Wie meinst du das?”
”Du denkst immer, du müsstest um Erlaubnis fragen, wenn du mich festhalten willst. Das mußt du nicht. Tu einfach mal, was du denkst. Ich werde mich schon nicht in Luft auflösen, versprochen.”
Erst war er irritiert, dann stumm vor Staunen. Dann nahm er Dana in die Arme und hielt sie so fest er nur konnte, drückte sie an sich und küsste sie, bis sie beide atemlos waren. Als sie ihr Gesicht an seinem Hals vergrub, konnte er spüren, wie sie lächelte.
Ein paar Minuten später schliefen sie ein.


***


Weihnachten. Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll. Es war... es war etwas ganz Besonderes. Sonst habe ich Weihnachten immer entweder bei meiner Familie verbracht, je nachdem, wem ich leid genug getan habe um mich einzuladen, oder ich war allein. Auf jeden Fall war es immer eine ziemlich traurige Angelegenheit, denn es hat mir bewusst gemacht, wie allein ich eigentlich bin.
In diesem Jahr war alles anders. Ich hatte gerade überlegt, die Feiertage bei Charles und seiner Familie zu verbringen, als Fox mit seiner Idee ankam, Weihnachten zusammen zu feiern. Ich muß zugeben, dass ich einigermaßen überrascht war, denn ich hatte damit gerechnet, dass er zu seiner Mutter fahren würde. Er hat fünf Minuten gebraucht, um mich vom Gegenteil zu überzeugen und mich dazu zu bringen, seien Einladung anzunehmen. Es erstaunt mich immer wieder, wie schnell er mich zu etwas überreden kann.
Nach zwei weiteren Tagen kam er an und machte dieses verlegene Gesicht, das er immer drauf hat, wenn etwas schief gelaufen ist.
"Äh, Dana, wegen Weihnachten..."
Ich ahnte böses, aber dann war es doch nicht so schlimm wie ich erwartet hatte.
"Könnten wir bei dir feiern? Ich meine, ich habe keinen Kamin...Wie soll der Weihnachtsmann denn bei mir in die Wohnung kommen?"
Ich konnte nicht anders als zu lachen.
"Ich dachte schon, du versetzt mich. Natürlich können wir bei mir bleiben. Das tun wir doch schon seit Wochen, wenn ich richtig drüber nachdenke. Weißt du überhaupt noch, welche Nummer dein Apartment hat?"
Manchmal macht es mir Spaß, ihn zu ärgern, das gebe ich zu. Und er ist darauf hereingefallen, wie er es immer wieder tut und hat mich mit einem so verletzten Gesichtsausdruck angesehen, dass ich ihn nur in die Arme nehmen und an mich drücken konnte, damit er merkt, dass ich es nicht so gemeint habe. Das ist eines der wenigen Probleme: Er nimmt alles ernst, was ich sage. Er glaubt immer noch nicht, dass er mich verdient hat. Deshalb muss ich manchmal mit meinen Aussagen ein wenig vorsichtig sein. Ich weiß das, und meistens halte ich mich daran, aber manchmal kann ich nicht widerstehen. Ich werde ihm eines Tages mal klarmachen müssen, daß es keine Gunst von mir ist, ihn zu lieben, sondern dass ich es wirklich und von ganzem Herzen tue, damit er aufhört, solche Gedanken zu haben.


Ich weiß nicht, was mich auf die Idee gebracht hat, aber ich will, dass Weihnachten etwas ganz besonderes für Dana wird. Ich habe sie schon viel zu lange nicht mehr überrascht, und jetzt werde ich das tun. Ich habe eine Weile überlegen müssen, aber dann hatte ich es. Es gibt nur ein einziges Problem: Wie bekomme ich sie dazu, für vierundzwanzig Stunden aus ihrer Wohnung zu verschwinden, ohne dass sie sofort Lunte riecht? Manchmal ist es verdammt schwierig, mit einer FBI-Agentin befreundet zu sein. Es gibt jedesmal Probleme, wenn man sie überraschen will. Sie ist schon manches Mal dahinter gekommen, was ich vorhatte, aber diesmal muss ich einfach dafür sorgen, dass sie nichts mitbekommt. Ich überlege, ob ich ihren Bruder bitten soll, sie einzuladen, vielleicht unter dem Vorwand, eines der Kinder sei krank und sie müsse als Babysitter einspringen.
Es könnte allerdings gefährlich werden, William zu fragen. Ich habe den Eindruck, dass er mich noch immer dafür hasst, was mit Melissa passiert ist. Er hat mal zu mir gesagt, dass es mir offensichtlich vollkommen egal ist, was ich seiner Familie angetan habe. Er würde anders denken, wenn er wüsste, wie sehr mich das alles noch immer quält, besonders wenn ich sehe, dass Dana mir nicht die Schuld dafür gibt. Ich tue es. Immer noch. Ohne mich wäre ihre Schwester noch am Leben und sie selbst wäre nicht durch die Hölle des Krebses gegangen. Vielleicht wird er eines Tages sehen, wie sehr ich seine Schwester liebe, aber bis dahin sollte ich mich lieber von ihm fernhalten, denn ich möchte es Dana ersparen, noch eine Auseinandersetzung zwischen uns miterleben zu müssen. Die letzte reicht noch für eine Weile.
Aber eigentlich wollte ich doch über Weihnachten nachdenken. Wie kriege ich Dana aus dem Haus?


Es ist doch nicht zu fassen. Da freue ich mich einmal darauf, ein paar Tage mit Fox verbringen zu können, ohne dass uns dauernd die Arbeit dazwischen kommt und wir aufpassen müssen, dass niemand etwas merkt und Skinner doch noch zum Handeln zwingt, und schon am ersten Tag macht mir meine Familie einen Strich durch die Rechnung. Meine Mutter will unbedingt, dass ich ihr bei den Vorbereitungen für die Feiertage helfe, an denen sie natürlich wieder einmal ihre Freundinnen eingeladen hat. "Fox kann auch mitkommen, wenn er will. Und vielleicht wollt ihr ja hier bei mir feiern." hat sie vorgeschlagen. Ich habe möglichst freundlich und diplomatisch abgelehnt. Das fehlt mir noch, mit ein paar neugierigen Freundinnen meiner Mutter Weihnachten zu verbringen und mich ständig von ihnen über meinen Job und mein Privatleben ausfragen lassen zu müssen. Ich möchte einfach nur mit Fox allein sein, aber das versteht anscheinend niemand. Auch er nicht, wie mir scheint, denn er hat nur gesagt, ich könne ruhig gehen, er werde mit unseren Vorbereitungen schon allein fertig werden. Ich hoffe, er weiß, was er tut, denn ich bezweifle, dass er jemals in seinem Leben Weihnachtsvorbereitungen getroffen hat, die über das Basteln von kleinen Karten für seine Eltern hinausgehen. Aber es bleibt mir nichts anderes übrig als ihm zu vertrauen, denn Mom hat mir ziemlich deutlich zu verstehen gegeben, dass sie beleidigt ist, sollte ich ihr nicht helfen, wenn sie uns schon nicht überreden kann, mit ihr zu feiern. Und da ich sie nicht verletzen will, werde ich eben zu ihr fahren und hoffen, daß ich schnell wieder zurück bin.


***


Scullys Befürchtungen waren gar nicht so unbegründet: Mulder hatte durchaus seine Schwierigkeiten mit den Vorbereitungen, aber nicht, wie sie vermutet hatte, weil er keine Ahnung hatte, sondern weil ihm jemand dazwischen kam: Langley und Byers kamen, um sich nach einer Geschenkidee für Frohike zu erkundigen. Das hätte Mulder nicht überraschen sollen, weil sie jedes Jahr kamen und ihn fragten, aber diesmal waren sie für ihre Verhältnisse ziemlich früh dran. Normalerweise machten sie sich bis zum Morgen des 24.12. Gedanken und kamen dann zu ihm, um ihm zu sagen, dass er ihre letzte Hoffnung sei. Dieses Jahr aber kamen sie schon am 23., was ihn vollkommen aus dem Zeitplan geraten ließ, da er sie nicht einfach abwimmeln konnte; schließlich waren sie seine Freunde. Also bat er sie herein und versuchte, ganz schnell eine passende Geschenkidee aus dem Hut zu zaubern. Das wollte ihm allerdings nicht gelingen, weil er die ganze Zeit an die Überraschung für Dana denken musste und an ihr Gesicht, wenn sie sie sah, und so wurde es eine ziemlich lange Diskussion, die damit endete, dass sie übereinkamen, Frohike die neueste auf dem illegalen Markt erhältliche Software zum Entschlüsseln von allen nur erdenklichen Codes zu schenken, was bei Mulder ein starkes Déjà Vu auslöste. Er hütete sich allerdings, etwas zu sagen, denn das würde die Entscheidung nur hinauszögern...


Scully war mehr als nur ein wenig gereizt. Erst hatte sie sich von ihrer Mutter eine Litanei nach der anderen zum Thema Ehe anhören müssen, und dann hatte sie auch noch über eine Stunde gebraucht, um sich loseisen zu können. Jetzt kam sie nach Hause, und es sah ganz so aus, als sei Fox spurlos verschwunden.
Was denkt er sich eigentlich? fragte sie sich, als sie die Tür zu ihrer Wohnung hinter sich ins Schloss zog. Erst wollte er unbedingt mit mir zusammen feiern, und dann verschwindet er einfach, ohne mir zu sagen wohin.
Mit einer heftigen Bewegung warf sie ihre Jacke über die Garderobe und trat ins Wohnzimmer...
...wo ihr ein kleiner, aber wunderschön hergerichteter Weihnachtsbaum entgegen strahlte. Sie sah sich um und entdeckte, dass der gesamte Raum geschmückt war. Alles schien für eine Weihnachtsfeier vorbereitet zu sein, nur einer fehlte: Fox.
Gerade als sich Scully fragte, wo er sein könnte, hörte sie die Tür und drehte sich um, sah genau in sein leicht betroffenes Gesicht.
"Oh, du bist schon da, das tut mir leid. Ich hatte gehofft, deine Mutter würde dich noch ein wenig länger beschäftigen, aber..."
"Für meinen Geschmack war es lange genug." gestand sie, und Mulder fuhr fort: "Eigentlich sollte das hier eine Überraschung sein." Er machte eine das ganze Wohnzimmer umfassende Bewegung mit der Hand.
"Mach dir nichts draus. Es ist wunderschön." Damit kam sie auf ihn zu und küsste ihn leicht auf die Wange, wobei sie es sich nicht verkneifen konnte, ein wenig zu spiksen um zu erkennen, was er hinter seinem Rücken hielt. Aber Mulder war auf der Hut.
"Vergiss es." grinste er. "Du erfährst es früh genug; jetzt wird erstmal gegessen."
Sie versuchte erneut, einen Blick auf den Gegenstand in seiner Hand zu erhaschen, aber er wehrte sie wieder geschickt ab.
"Sei nicht so neugierig."
"Hey, das gehört zu meinem Beruf."
"Aber heute bist du nicht im Dienst! Also laß es sein, du kriegst es sowieso nicht raus, bis ich es dir sage."
Scully gab nach und ging an ihm vorbei in die Küche. Dort wartete die nächste Überraschung: Der Tisch war gedeckt, und es roch gut nach weihnachtlichem Essen.
"Na?"
Sie hatte gar nicht gemerkt, dass Fox hinter sie getreten war, bis er die Arme um sie legte und sie kurz an sich drückte.
"Hast du das alles alleine gemacht?" erkundigte sie sich verblüfft, denn bisher hatte sie seine häuslichen Fähigkeiten nicht gerade hoch eingeschätzt, auch wenn er sie nie allein den Abwasch machen ließ.
"Na ja... Ich gebe zu, ich hatte Hilfe. Susan hat..."
"Wer ist Susan?" Sie hatte nicht misstrauisch klingen wollen, aber er musste es so aufgefaßt haben, denn er fuhr hastig fort: "Die Tochter meiner Nachbarn. Sie ist 18 und geht aufs College."
"Und sie hat an Weihnachten nichts besseres zu tun, als dir beim Kochen zu helfen?"
"Eigentlich schon, aber ihre Eltern wollten sie und ihre Schwester für ein paar Stunden aus dem Haus haben, damit sie in Ruhe vorbereiten können, und da wollten sie zu mir. Ich war aber gerade auf dem Weg zu dir, und so hab ich sie mitgenommen. Ich gebe zu, das war eine ziemlich gute Idee..."
Er brach ab, und Scully hakte nicht weiter nach. Den Rest konnte sie sich denken...


Ich kann es noch immer nicht fassen: Er hat tatsächlich für mich gekocht, auch wenn er es nicht allein geschafft hat. Das ist das Wunderbarste, was je ein Mann für mich getan hat, für mich zu kochen und mich zu Weihnachten zu überraschen.
Wir haben uns dann zum Essen hingesetzt, und ich muss sagen, es hat wunderbar geschmeckt. Inwieweit das Susan zu verdanken ist, ist mir eigentlich vollkommen egal; was für mich zählt, ist etwas ganz anderes.
Nach dem Essen sind wir ins Wohnzimmer gegangen, wo Fox erstmal nach meinem Geschenk suchen musste; er hatte es einfach zu gut versteckt, und außerdem schien er mir ziemlich nervös zu sein. Ich hatte keine Ahnung warum, aber er stolperte ständig über irgend etwas oder ließ etwas fallen, und dann hatte er eben auch noch vergessen, wo er mein Geschenk hingelegt hatte. Ich meine, nach dem Essen konnte doch nicht mehr viel schiefgehen, oder?
Ich konnte nicht anders, als ihn in die Arme zu nehmen, denn ich wollte ihm nicht den Abend verderben indem ich fragte, was los sei. Er würde es mir sagen, wenn er das wollte, und wenn nicht, dann eben nicht.


Mulder war in der Tat nervös, denn er wünschte sich, dass es für Dana ein ganz besonderer Abend wurde, wenn sie ihn schon nicht mit ihrer Familie verbrachte. Er freute sich sehr, bei ihr zu sein, und er wünschte sich, dass sie sich genauso sehr freute.
Als sie ihn schließlich sanft, aber bestimmt in die Arme nahm und zur Couch zog, sagte er nichts mehr, auch wenn er ihr eigentlich erst ihr Geschenk geben wollte. Wenn er es denn gefunden hätte. Aber leider konnte er sich partout nicht mehr erinnern, wo er es hingelegt hatte. Soviel zum fotografischen Gedächtnis, dachte er sarkastisch, aber dann vergaß er das Geschenk, als Dana ihn küsste und leise sagte, wie glücklich sie sei.
"Ich könnte mir keine schönere Art denken, Weihnachten zu feiern."
"Ich auch nicht." entgegnete Mulder und setzte sich zu ihr, um sie in die Arme zu nehmen. Plötzlich sprang er wie von der Tarantel gestochen wieder auf.
"Was ist?" wollte Dana erschrocken wissen, denn sie fürchtete, er habe sich weh getan. Wortlos griff Mulder unter das Sofakissen und zog ein kleines Päckchen in leicht zerknittertem Papier hervor.
"Ich glaube, ich habe gerade dein Geschenk gefunden."
Sie konnte nicht anders, sie musste einfach lachen. Er sah so schrecklich zerknirscht aus, wie er ihr das Päckchen entgegen streckte, und er schien es nicht annähernd so komisch zu finden wie sie.
"Da will ich einmal einen schönen, romantischen Abend mit der Frau verbringen, die ich liebe, und dann geht alles schief." beschwerte er sich, und Scully mußte nur noch mehr lachen.
"Hey, es geht doch nicht alles schief." versuchte sie ihn zu trösten. "Es macht schließlich nichts aus, dass das Papier ein wenig zerknittert ist, und außerdem ist es ganz allein meine Schuld; wäre ich nicht so früh zurückgekommen..."
"...hätte ich dein Geschenk sicher nicht unter einem Sofakissen versteckt." ergänzte er.
"Komm, lass es uns auf deine Mutter schieben; schließlich hat sie dich nicht lange genug aufgehalten."
Sie erwiderte sein verschmitztes Lächeln und nickte.
"Gute Idee. Und jetzt lass mich endlich das Geschenk aufmachen; ich sterbe vor Neugier."
"Eigentlich hatte ich gedacht, ich lasse dich traditionsgemäß bis morgen früh warten..."
"Wenn du es drauf ankommen lassen willst, dass ich dann wirklich eine Minute nach Mitternacht wieder aufstehe... Ich konnte noch nie gut warten."
Mulder seufzte. "Und so etwas ist FBI-Agentin. Wie kommt es, dass man dir diese kindischen Züge nicht anmerkt, wenn du im Dienst bist?"
"Alles Tarnung."
"Okay, ich will nicht riskieren, dass du mir wirklich noch vor Neugier stirbst oder dass du statt dessen auf mich losgehst, um an das Geschenk zu kommen."
"Ich? So etwas würde ich doch niemals tun." entgegnete sie mit gespielter Unschuld und setzte sich wieder auf die Couch, von der sie sich auch erhoben hatte, als Mulder so hastig aufgesprungen war.
"Also, nun mach es schon auf."
Mulders Augen ruhten mit einer Mischung aus Liebe und Spannung auf ihr, als sie das Papier zu öffnen begann. Er hatte noch nie einer Frau außer seiner Mutter ein ernsthaftes Weihnachtsgeschenk gemacht; sonst verschenkte er immer etwas, das eine lustige Bedeutung hatte, oder vollkommen unbrauchbare Dinge. Aber dieses Mal war es ihm wichtig, dass ihr sein Geschenk gefiel, und er hoffte, das Richtige gefunden zu haben.
Das Strahlen ihrer Augen, als sie den kleinen Teddy in der Hand hielt und den an seinem Hals befestigten Zettel las sagte ihm, dass er mit dem Gutschein für eine Reise zu zweit richtig gelegen hatte. Blieb nur die Frage, wie er Skinner dazu brachte, ihnen beiden gleichzeitig Urlaub zu geben, aber das würde sich schon irgendwie finden.
Nachdem auch Mulder sein Geschenk ausgepackt hatte, saßen sie beide noch eine ganze Weile auf dem Teppich vor dem Kamin und steckten einander gegenseitig die selbstgebackenen Weihnachstkekse von Scullys Mutter in den Mund, alberten herum und neckten einander, nur um kurz darauf wieder ernst zu werden und sich zu küssen, was wieder in Albereien endete.
Irgendwann flüsterte Dana, noch atemlos von der letzten Kitzelattacke, an Fox' Hals: "Danke."
"Wofür?"
"Für alles...für heute. Das ist das schönste Weihnachten, das ich je gehabt habe, seit ich kein kleines Kind mehr bin. Um ehrlich zu sein, habe ich Weihnachten seitdem immer ein wenig gefürchtet, weil ich meistens irgendwie allein war, und ich hatte auch bei meiner Familie immer das Gefühl, dass sie lieber ohne mich feiern, weil ich sie an das erinnere, was sie niemals sein wollen. Die toughe, aber einsame Agentin, die jedem misstraut und sich nicht fest binden kann, weil sie tief in ihrem Innern viel zu ängstlich dazu ist."
Die letzten Worte hatten so traurig geklungen, dass Mulder sie fest an sich drückte, um sie zu trösten ihr und widersprach:
"Aber du hast doch keine Angst, dich zu binden; sonst wäre das mit uns nicht passiert, oder?"
"Nein, da hast du recht. Aber ich hatte lange Angst, das muss ich einfach zugeben. Und deshalb war Weihnachten für mich irgendwie ein Alptraum, weil ich dann immer das Gefühl hatte, mich selbst in ein paar Jahren zu sehen, wenn ich noch immer allein feiern muss, weil es niemanden gibt, der mit mir feiern will. Darum ist es auch etwas so besonderes, was du mir heute geschenkt hast."
Sie schwiegen einen Moment; es gab keine Worte, die das Gefühl hätten beschreiben können, das sie teilten. Schließlich legte Mulder sanft eine Hand an ihre Wange und küsste sie federleicht auf die Lippen. Als sie den Kuss erwiderte, küsste er sie inniger, hielt sie fest in den Armen und strich über ihr Haar, schob seine Hand darunter und streichelte leicht ihren Nacken. Dana fuhr mit den Fingerspitzen über sein Gesicht, als wolle sie es ganz neu erforschen, als habe sie ihn nicht schon hundertmal so berührt, aber dieses Mal war es etwas anderes, war alles ganz neu, auch wenn sie einander schon viele Male geküsst hatten. Seine Hand fuhr an ihrem Rücken hinunter, langsam und vorsichtig, und dann unter ihrer Bluse wieder den Rücken hinauf, um ihre Haut zu spüren und schließlich wieder in ihrem Nacken zu landen. Die Berührung jagte ihr einen Schauer über den Rücken, was Fox besorgt fragen ließ, ob ihr kalt sei. Dana schüttelte den Kopf und schmiegte sich enger an seine Brust, wollte ihm noch näher sein, und als sie langsam begann, die Knöpfe seines Hemdes zu öffnen, blickten sie einander tief in die Augen, und ihre Blicke sagten sich so viel, wie es keine Worte vermocht hätten. Fox drückte Dana wieder für einen Moment an sich und strich dann mit den Lippen über ihren Hals, ihre Schultern, fand wieder ihren Mund, verteilte viele kleine, sanfte Küsse auf ihrem Gesicht. Das Feuer warf seltsame Schatten ins Zimmer, malte Gestalten an die Wände und auf den Boden, aber sie merkten es nicht. In diesem Moment hätten sie es nicht einmal gemerkt, wenn Santa Claus persönlich mit all seinen Rentieren durch den Kamin gekommen wäre, so sehr waren sie im Anblick des anderen, in ihren Zärtlichkeiten versunken, für die nun endlich die richtige Zeit gekommen war...


***


Scully wartete mit gemischten Gefühlen. Einerseits freute sie sich, dass Mulder vorbeikommen würde, nachdem sie drei ganze Tage getrennt gewesen waren, da sie in Quantico für einen erkrankten Pathologie-Dozenten hatte einspringen müssen, aber gleichzeitig hatte sie immer mehr das Gefühl, dass das alles keine so gute Idee gewesen war. Natürlich liebte sie Fox, und ihnen war von Anfang an klar gewesen, dass es alles andere als leicht werden würde. Sie genoss es, dass sie jede freie Minute zusammen verbrachten, und sie hatte ihn vermisst, besonders abends nach Ende der Vorlesungszeit. Es hatte ihr gefehlt, überschwänglich von ihm umarmt zu werden, sobald sie außer Sichtweite der Kollegen waren, zusammen auf der Couch zu sitzen und irgend einen Horrorklassiker oder einen absolut albernen Film anzusehen, seine Küsse auf ihren Lippen zu fühlen, in seinen Armen einzuschlafen, seinen typischen Duft in der Nase, geborgen an seiner Brust und mit der Gewissheit, dass er sie am Morgen mit einem Kuss wecken würde. Die allabendlichen Telefonate waren ein schlechter Ersatz für seine Nähe gewesen, und Dana freute sich, dass er gleich nach Dienstschluss zu ihr kommen wollte. Aber da waren noch immer diese Zweifel. Nicht Zweifel an ihren Gefühlen für einander sondern Zweifel, ob sie diese Gefühle noch lange würden geheimhalten können. Gut, Skinner wusste davon, und er deckte sie aus irgendeinem Grund, aber das konnte er nur so lange tun, wie beim FBI keine Gerüchte und Vermutungen laut wurden. Und genau davor fürchtete sie sich. Es war nur eine Frage der Zeit, bis jemand herausfinden würde, wo Fox Mulder seine Nächte verbrachte und dass es nach Dienstschluss absolut unmöglich war, einen von ihnen ohne den anderer anzutreffen. Wie lange, fragte sich Dana, würde ihr Geheimnis noch eines bleiben?

Can you keep a secret?

These walls keep a secret
That only we know
But how long can they keep it
Cause we're two lovers who lose control


Sie sah sich im Zimmer um. Die vertrauten Gegenstände konnten ihr nicht wie sonst ein Gefühl von Geborgenheit geben. Ihre Wohnung schien ihr plötzlich erdrückend, kam ihr nicht mehr wie früher wie eine Zuflucht vor, sondern wie ein Gefängnis. Ein Gefängnis, in dem ihre Liebe zu Fox eingeschlossen bleiben musste, für immer dazu verdammt, nur hier existieren zu dürfen.

We're two shadows chasing rainbows
Behind closed windows
Behind closed doors


Dana wusste, dass ihre Gefühle sich trotz der widrigen Umstände niemals ändern würden, dass es aber all ihren Bemühungen zum Trotz nicht mehr lange dauern konnte, bis ihr Geheimnis die schützenden und gleichzeitig fesselnden Wände durchdrang wie Wasser, das ein Papierschiff zum Sinken bringt.

If walls could talk - oh
They would say "I want you more"
They would say "hey - never felt like this before"
And that you would always be
The one for me


"Hey, träumst du?"
Dana fuhr zusammen. Sie war so sehr in ihre Gedanken versunken gewesen, dass sie gar nicht gehört hatte, wie Fox hereingekommen war. Jetzt fühlte sie sich ertappt, weil sie Zweifel hatte und schüttelte den Kopf.
"Nein. Ich war nur in Gedanken."
Das strahlende Lächeln verschwand von Fox' Gesicht, als er zu ihr trat und ihre Hand in seine nahm.
"Gibt's Probleme?"
"Nein; schon gut."
Er ließ nicht locker, denn er kannte Dana zu gut, um ihr diese lahme Phrase abzunehmen.
"Komm, sag es mir ruhig. Ich merke doch, dass dich etwas bedrückt."
"Ach, es ist albern."
"Nichts, was dir Sorgen macht, könnte albern sein."
Dana seufzte. Er würde keine Ruhe geben bis sie ihm erzählte, was ihr auf der Seele lag, und dabei wollte sie im Augenblick nur eins: Sich in seine Arme werfen und ihn küssen, bis sie beide außer Atem waren, ihr Zusammensein genießen, solange es noch ging. Statt dessen streckte sie ihm auch ihre andere Hand entgegen und ließ sich von ihm aus dem Sessel ziehen, damit sie ihm direkt in die Augen sehen konnte.
"Es ist eigentlich wirklich nichts. Ich habe nur Angst..., dass wir entdeckt werden."
"Ach, Dana."
Fox spürte, wie ihm ein Stein vom Herzen fiel, nur um einem Neuen Platz zu machen. Er war froh, dass es keine schlimmere Katastrophe war, die Dana traurig machte; gleichzeitig aber wusste er, dass er nicht imstande sein würde, ihr diesen besonderen Kummer zu nehmen, der auch ihn belastete. Es gab nur eine Art, dieser Angst entgegen zu wirken, auch wenn sie sie nicht davor schützte, entdeckt zu werden.
"Selbst wenn sie es merken, was können sie schon tun? Das Schlimmste wäre, uns zu feuern. Und dann haben wir immer noch uns."
Die Sicherheit in seiner Stimme lockerte den Ring aus Angst, der um Danas Seele gelegen hatte, und ihr wurde einmal mehr bewusst, warum sie all diese Risiken eingingen: Es gab einfach keine Möglichkeit, es nicht zu tun. Sie hob den Kopf und sah in Fox' warme braune Augen.
"Du hast recht."
Er grinste.
"Ich hatte schon immer davon geträumt, dass du das eines Tages zu mir sagen würdest. Im Ernst, das ist meine geheime Phantasie."
Dana musste kichern. "Spinner!", brachte sie hervor und zog dann sein Gesicht zu sich heran, um ihn zu küssen.
"Aber immer doch." entgegnete Fox schnell, und dann trafen seine Lippen Danas und er konnte spüren, dass auch sie grinste. Er hielt sie an sich gedrückt und vergrub die Hände in ihrem weichen, roten Haar. Was er zu ihr gesagt hatte, war sein voller Ernst gewesen: Egal was kommen würde, ihre Liebe, ihre gemeinsame Zeit konnte ihnen niemand nehmen.

Two people making memories
Just too good to tell
And these arms are never empty
When we're lying where we fell
We're painting pictures, making magic,
Taking chances,
Making love...


Sie war alles, was er sich ja gewünscht hatte; ihr Körper in seinen Armen, ihre Seele, die sie ihm mit einem Blick offenbarte, ihr Duft, ihre Hände, die seinen Nacken streichelten. Sie schmiegte sich enger an ihn und ließ ihre Lippen über sein Gesicht gleiten, konnte nicht genug davon bekommen ihn zu berühren und ihm nah zu sein.

If walls could talk - oh
They would say "I want you more"
They would say "hey - never felt like this before"
And that you would always be
The one for me


Endlose, zärtliche Küsse und Liebkosungen, weiches Haar unter den Fingerspitzen, geflüsterte Worte, Haut an Haut.
Unendliche Nähe, Geborgenheit und Wärme, die sich langsam zu Hitze steigerte, und tiefe, ehrliche Liebe verdrängten die Angst aus den Herzen der beiden Menschen, deren gemeinsame Stunden alles waren was sie haben würden, wenn die schützenden Wände, die sie umgaben, irgendwann einmal ihr Geheimnis verrieten.

If the walls had eyes - my
They would see the love inside
They would see - me
In your arms in ecstasy
And with every move they'd know
I love you so


Liebe bedeutet, füreinander da zu sein, sich gegenseitig Geborgenheit zu geben. Das tut Fox immer. Wenn er mich berührt gibt er mir Mut, richtet mich wieder auf, wenn ich falle, egal ob er meine Hand nimmt oder mich wie jetzt fest in seinen Armen hält, er gibt mir immer das, was ich brauche. Manchmal frage ich mich, warum ich das nicht schon viel früher gemerkt habe, seine Zärtlichkeit nicht früher zulassen konnte.

When I'm feeling weak
You give me wings
When the fire has no heat
You ligth it up again
When I hear no violins
You play my every string


Warum kann nicht einfach alles so bleiben, wie es ist? Wer sagt, dass es sich ändern muss? Ich will gar nichts anderes als Dana, und ich will sie für immer, mit Herz, Körper und Seele. Warum kann die Zeit nicht stehen bleiben? Ich könnte ewig hier liegen, ihre Silhouette mit dem Fingern nachzeichnen, in ihre warmen Augen sehen, sie küssen...
Niemand hat das Recht, uns dieses winzige Stückchen Glück zu nehmen, das wir uns weiß Gott hart erkämpft haben gegen die brutale Realität, die es uns beiden schwer genug gemacht hat. Ich will verdammt sein wenn ich zulasse, dass jemand Dana weh tut! Gegen diesen schleichenden Feind wird mir allerdings weder mein Wille noch meine Dienstwaffe etwas nützen. Nachrichten verbreiten sich schnell in dieser Zeit. Noch sind wir sicher, hier, an diesem Ort, unserer geheimen Zuflucht vor der Wirklichkeit. Aber wie lange noch?

So stop the press
Hold the news
The secret's safe between me and you
Walls - can you keep a secret?



***


Ein paar Wochen nach Weihnachten hat Dana ihren Gutschein eingelöst. Wir haben von Skinner sofort Urlaub bekommen, er hat keine einzige Frage gestellt; vermutlich konnte er sich denken, dass wir zusammen wegfahren wollten. Irgendwie hat er sogar die Zeit, als wir auf Kathy aufgepasst haben, unter den Tisch fallen lassen, so dass es keine Schwierigkeiten gegeben hat.
Ich hatte ihr versprochen, dass wir Hand in Hand am Strand spazieren gehen und bis spät in die Nacht tanzen würden, dass wir bummeln und lachen und einander küssen würden, wann immer wir es wollen, genau wie ein ganz normales Paar. Natürlich sind wir kein normales Paar, aber ich wollte, dass wir es sind, zumindest für eine Woche, und das haben wir getan. Es hat so viel Spaß gemacht, und sie war glücklich, genau wie ich auch. Das war mein Weihnachtsgeschenk an sie: Dass wir all das tun, was andere Paare auch tun, ohne Aliens, ohne Monster und ohne die ständige Angst, dass uns jemand auf die Schliche kommt und unsere Liebe unsere Arbeit gefährdet. Zwar haben wir darüber gesprochen und durch das Gespräch mit Skinner auch eine gewisse Sicherheit geschaffen, aber es bleibt eben immer ein Rest Zweifel, ein wenig Angst. Aber nicht in dieser Woche.
Es war wunderbar, den ganzen Tag mit ihr zusammen zu sein, in sofern war es auch ein Geschenk für mich, und wir haben jede Sekunde genossen, jeden einzelnen Augenblick ausgekostet bis zum Schluß, sind barfuß durch den Sand gelaufen (Ich hätte nicht gedacht, daß ich Dana dazu würde überreden können, wirklich nicht, aber es hat ihr Spaß gemacht.), und es war ein unbeschreibliches Gefühl, einfach nur wir selbst zu sein, nicht die FBI-Agenten, die wir eben auch sind. Dana ist sehr aus sich heraus gegangen, keine Spur von der immer korrekten und praktischen Frau, die sie im Dienst ist. Ich weiß, dass sie auch anders sein kann, denn ich kenne sie besser, aber es war eine Freude zu sehen, wie locker und frei sie geworden ist. Es war beinahe, als entdeckten wir gemeinsam eine neue Seite an ihr, eine, die sie selbst noch nicht gekannt hat.
Ich bin froh, dass ich alle Zeit der Welt haben werde, um weitere Seiten an ihr zu finden.


Am letzten Tag machten sie einen langen Strandspaziergang, den sie mit einem Picknick abschlossen. Es war das Schönste, was sie bisher zusammen erlebt hatten, und sie wünschten sich beide, dass es nie aufhören würde. Der ganze Tag war ein einziger Traum, und auch das Wetter meinte es gut mit ihnen.
Kaum zu glauben, dass wir morgen wieder in Washington sind und übermorgen im Büro sitzen werden, als sei nichts geschehen, und jetzt sitzen wir hier zusammen, als gebe es auf der ganzen Welt kein einziges Monster, das wir jagen müssen, dachte Mulder flüchtig, als er Dana zusah, wie sie eine Muschel aufhob.
”Hey, ich wette, das ist die schönste Muschel, die es am ganzen Strand gibt.” rief sie fröhlich und hielt sie ihm hin.
”Ich denke, ich werde eine schönere finden.” zog er sie auf, und sie warf übermütig eine Handvoll Sand nach ihm, was der Auftakt zu einer Wasser- und Sandschlacht war.
Später saßen sie zusammen auf einer Decke, auf der auch das Picknick ausgebreitet war, und sahen aufs Meer. Nachdenklich wandte Dana den Kopf wieder Fox zu und sagte leise: ”Ich kann es gar nicht fassen, dass wir hier sind. Ich hatte es mir immer gewünscht, aber dass es eines Tages passieren würde...”
”Freust du dich, dass es passiert?”
”Wie kannst du das fragen? Natürlich tue ich das, und ich möchte, dass du das weißt.” Damit küsste sie ihn leicht auf die Lippen, die von der Meeresluft salzig waren. Er erwiderte den Kuss und sah sie dann wieder an.
”Ich denke, jetzt könnten wir im Himmel mitreden.”
Ihr fragender Blick zwang ihn zu einer näheren Erläuterung: ”Ich habe mal einen Film gesehen, in dem hieß es, im Himmel tun sie nichts anderes, als über das Meer zu reden, wie die Sonne über den Wellen untergeht, wie sie ihre Kraft verliert und langsam zu schmelzen scheint, bis sie nur noch ein ganz schwaches Glühen ist, ein Echo ihrer selbst.”
Seine Worte ließen sie schaudern. Sie schmiegte sich enger in seine Arme und erwiderte leise: ”Das klingt, als sei es ein toller Film gewesen.”
”Nicht nur. Das Ende war ziemlich traurig. Kaum hatten die beiden Hauptpersonen das Meer gesehen, als der eine von ihnen umfällt und stirbt.”
”Das finde ich nicht nur traurig. Er hatte gesehen, was er wollte; ich denke manchmal, dass ich sterben könnte, weil ich das getan habe, was ich am liebsten wollte. Nicht, dass ich nicht noch leben möchte, aber wenn ich jetzt sterben müsste, wäre es nicht so schlimm.”
Einen Moment lang war er schockiert von ihren Worten, dann dachte er darüber nach und nickte. Er verstand sie, und ihm ging es ähnlich. Auch er würde am liebsten ewig mit ihr zusammen sein, aber wenn das nicht möglich sein sollte, so hatte er ihr wenigstens seine Seele geschenkt, etwas, das er bereut hatte, nicht getan zu haben, als sie in Lebensgefahr geschwebt hatte.
Wieder saßen sie eine Weile stumm beieinander, bis sie ihre Sachen zusammenpackten und sich auf den Weg zum Hotel machten, um ihre letzte Nacht in ”Freiheit” zu genießen, bevor sie morgen der Alltag einholen würde.
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