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Familienbande VI: Seltsame Bettgenossen

von Dawn

Kapitel 10

Vorm Georgetown Memorial
Dienstag
13:28 Uhr


Skinner hatte keinen guten Tag.

Das Chaos, das das Krankenhaus umgab, hatte direkt nach der Explosion epische Ausmaße angenommen und machte keine Anstalten sich zu legen. Sirenen heulten, während ein stetiger Strom von Krankenwagen die momentanen Patienten von Georgetown, sowie die von der Explosion Verletzten evakurierten und in andere Krankenhäuser in der Gegend brachten. Maschinen ratterten, während Rettungsteams darum kämpften Zugang zu den stark beschädigten Stockwerken zu bekommen, die immer noch von Hilfe abgeschnitten waren. Reporter und Fernsehteams drohten die Barrieren zu überfluten, während sie Fragen schrien, Mikrofone in Gesichter hielten und Fotos schossen.

Skinner hasste die Presse.

Und während alle dem, durch den Lärm und die Verwirrung, das Erteilen von Befehlen und das Treffen von Endscheidungen, um Schadenskontrolle zu betreiben, trauerte Skinner. Um eine kleine Frau mit feuerroten Haaren, deren Mut und Entschlossenheit nur von ihrer Loyalität und Integrität übertroffen werden. Um einen Mann, der von Verlust und Tragödien verfolgt wurde, aber ein brillantes Hirn und die Fähigkeit über den Tellerrand hinauszublicken besaß, die ihn zu einem der besten Agenten machte, mit dem Skinner jemals zusammengearbeitet hatte.

Ein sinnloser Verlust und komplett vermeidbar.

Und das war der Punkt an dem Skinners Trauer nahtlos in Wut überging. Der gesamte Vorfall hatte kurz vor einer friedlichen Lösung gestanden, ohne Zweifel auf Grund von Mulders unheimlicher Fähigkeit seinen Gegenspieler zu analysieren. Es hätte keine Toten geben müssen – besonders nicht die zwei, die er privat als Freunde und nicht nur Kollegen angesehen hatte. Bis die Tat eines übereifrigen Polizisten alles hochgehen lassen hatte. Buchstäblich.

Eine Tragödie, sagte Chuck Draper, Captain und verantwortlicher Officer der D.C. Polizisten, deren Ankunft mit der von Skinner und seinen Agenten zusammengefallen war. Ein Officer, der es gut meinte, aber unerfahren war, hatte einen schlecht beurteilten Schritt gemacht, der nicht nur sein eigenes Leben, sondern auch das anderer gekostet hatte. Ein tödlicher Denkzettel warum es so wichtig war der Befehlskette zu folgen.

Draper war ein guter Mann und Skinner akzeptierte öffentlich seine Bewertung und seine Beileidsbekundungen. Privat, jedoch, hegte er mehr als nur ein paar Zweifel und Groll. Er hatte schon früher mit Mike Fenton, dem Führer des SWAT-Teams zu tun gehabt. Skinner schloss seine Augen und nahm seine Brille ab, um sich den Naserücken zu massieren. Und sich zu erinnern.

**Zweiunddreißig und verantwortlicher Special Agent bei seinem ersten großen Fall, ein schiefgegangener Banküberfall. Zehn Geiseln – eine schwer verletzt. Zwei mit Sturmgewehren bepackten Schützen und kilometerlangen Strafregistern wegen Einbrüchen und bewaffneter Überfälle.

Sein Unterhändler stellt eine Kommunikation zu den Schützen her, ist sich sicher, dass er sie dazu überreden kann friedlich aufzugeben.

Fenton, aufbrausend und angeberisch, hat eine andere Meinung. Die Täter würden nie aufgeben wollen, argumentiert er. Der einzige Weg Leben zu retten ist mit Volldampf rein zu gehen. Er ist gebieterisch – ärgert sich von Anfang an über Skinners Beteiligung. Er stellt seine acht Jahre bei der Truppe zur Schau, acht Jahre an der Front im Vergleich zu Skinners Unerfahrenheit.

Sie streiten erbittert, bis Fenton seine Zuversicht unterstreicht bis er den Punkt erreicht hat an dem er sich fügt. Fentons Truppen gehen mit Tränengas und lodernden Waffen rein.

Beide Schützen sterben, aber nicht bevor sie drei Geiseln getötet haben. Fenton ist kaltblütig zwiespältig. Er hebt die sieben geretteten Leben hervor und benutzt Ausdrücke wie „akzeptable Verluste“.

Skinner kann sich nicht vergeben – sogar sechzehn Jahre später.**

Skinner seufzte, öffnete die Augen und starrte über das Meer der Aktivtäten den leeren Van des SWAT-Teams an, dessen Insassen nun bei der Kontrolle der Mengen halfen. Fenton hatte die Güte ihm aus dem Weg zu gehen und er war klug genug die Konfrontation nicht zu suchen – zumindest nicht jetzt und hier.

Er hatte Grey mal gesagt, dass es Zeiten gab in denen er sich sicher war, dass das Leben nur eine einzige Serie von Ereignissen war, die sich endlos wiederholten. Nun, dieses Mal war er kein unerfahrener Frischling, dem das Selbstvertrauen fehlte. Dieses Mal, bei Gott, würde er dafür sorgen, dass Fenton die Verantwortung für seine Handlungen übernahm.

„Assistant Director Skinner? Sir?“

Die leise, weibliche Stimme, belegt mit Angst, riss ihn aus seinen dunklen Gedanken. Er drehte seinen Kopf zu dem Geräusch und wurde von einer attraktiven jungen Frau mit honigblondem Haar und großen blauen Augen. Nicht nur eine Frau, sondern eine Agentin, die ihm allzu bekannt war.

*Verdammt.*

„Agent Harding.“, sagte er grob. „Ich glaube mich daran zu erinnern Ihnen den Winkler-Fall zugeteilt zu haben. Ist der schon abgeschlossen?“

Obwohl sie normalerweise eine Verfechterin des Protokolls war, ignorierte sie ihn – eine Tatsache die ihren Geisteszustand bestätigte. „Ich habe von der Explosion gehört, das Gerücht ging wie ein Lauffeuer durchs Bureau. Sie sagen, dass Agent Mulder und Agent Scully tot sind. Ist das wahr?“

Der frische Stich der Schmerzen bei ihren Worten überraschte ihn. „Es sieht so aus.“, bestätigte er durch fest zusammen gepresste Zähne.

Kristen senkte die Augen und nickte, sie zeigte Fassung, doch Skinner konnte das Beben ihrer Hände sehen, bevor sie in den Taschen ihres marineblauen Hosenanzugs verschwanden.

„War er bei ihnen?“

Er musste ihre Stärke bewundern – die Frage war in einem gleichmäßigen Ton gestellt, nur ein kleiner Bruch am Ende verriet Emotion.

„Nein. Aber“, er hob eine Hand um ihr erleichtertes Seufzen zu unterdrücken, „er war in dem Gebäude, als die Bombe hochging. Und er hat sich meiner Anweisung herauskommen und die Rettungsteams die Suche machen zu lassen widersetzt. Er ist überzeugt, dass sie vielleicht immer noch leben und er hat es sich zur Aufgabe gemacht sie zu finden.“

Kristen spitzte die Lippen mit einer Mischung aus Sorge und liebevoller Verzweiflung im Gesicht. „Er ist manchmal unglaublich dickköpfig.“

Skinner Augenbrauen hoben sich. „Ich muss zugeben, ich dachte Sie wären wütender. Dieses Gebäude ist völlig instabil und die Abschnitte werden weiter einstürzen. Er hat sich selbst in ernst zunehmende Gefahr gebracht.“

Kristens Augen glitten von seinen fort und er erkannte, dass die Furcht da war, nur vorsichtig versteckt. „Natürlich wünschte ich er wäre hier, Sir, außerhalb der Gefahrenzone. Aber ich liebe ihn. Und das bedeutet, dass ich akzeptieren muss, dass er durchs Feuer – oder in diesem Fall ein einstürzendes Gebäude – gehen würde, um seinen Bruder zu retten.“

„Und wenn niemand mehr zu retten ist?“, flüsterte Skinner.

Sie hob ihren Kopf und straffte ihre zusammengesackte Haltung. „Dann werde ich hier sein und helfen die Scherben aufzusammeln.“


Treppenhaus
Dienstag
14:30 Uhr


„Das funktioniert nicht.“

Grey benutze seinen Arm um sich Schweiß und feuchte, lockige Haarsträhnen von der Stirn zu wischen. Er sah finster über seine Schulter auf den Mann, der hinter ihm auf dem Treppenabsatz ausgebreitet lag und an einer Flasche Wasser nippte.

„Und das wird es auch nie, wenn du nur auf deinem Hintern rumsitzt und mir die ganze Arbeit überlässt!“, konterte er. „Deine Schwester ist irgendwo da oben – oder hast du das vergessen?“

Bill schmetterte die Plastikflasche auf den Boden und lehnte sich vor. „Natürlich hab ich das nicht! Aber ich bin clever genug um unnütze Energieverschwendung zu erkennen wenn ich sie sehe. Wir versuchen schon seit über einer Stunde einen Weg durch dieses Geröll frei zu räumen und das würde man noch nicht mal bemerken. Akzeptier die Tatsachen, McKenzie. Wir werden da nicht durch kommen.“

Grey legte ein weiteres Stück der Trockenmauer zur Seite und sah zu wie seine Hände vor Müdigkeit bebten. Er stapfte die vier Stufen zum Absatz hinunter und warf sich neben Bill auf den Boden, schlang seine Arme um seine Beine und legte den Kopf auf seine Knie.

Er war wütend. Wütend, weil ein nach Ruhm suchendes Kind die Niederlage aus dem Fängen des Sieges riss. Wütend, weil er Recht hatte, weil ihre stundenlange harte Arbeit nur zur Folge hatte, dass ihre Kräfte schwanden. Wütend auf die verräterischen Tränen, die seine Kehle zuschnürten und ständig hinter seinen Augenlidern schwebten, obwohl er entschlossen war nicht vor diesem Mann zusammenzubrechen.

„Ich habe noch keine brillanten Ideen von dir gehört.“, grummelte er, schürte den Ärger um die Trauer zu unterdrücken.

Überraschenderweise ließ Bill sich nicht ködern. „Ich habe nie gesagt, dass ich eine hätte.“

Schweigen füllte die Leere zwischen ihnen. Grey versuchte den Aufruhr in seinem Geist zu beruhigen, aber Bilder von Fox funkten wieder und wieder dazwischen.

„Er ist vor einer Woche fast gestorben. Er ist immer noch so schwach.“, Grey biss die Worte zurück, erschrocken darüber, dass er sie laut ausgesprochen hatte.

Ein Ellenbogen stieß gegen seinen Arm und ein Flasche Wasser wurde in seine Hand gedrückt. Immer noch verlegen wegen seines Eingeständnisses und verwundert über Bills kleine Geste der Nettigkeit drehte Grey seinen Kopf und nahm einen tiefen Schluck aus dem Behälter. Das Wasser war lauwarm, aber köstlich.

Nach einem kurzen Schweigen sprach Bill. „Wenn ihn irgendjemand durch so eine Situation bringen kann, dann Dana. Gott weiß, sie weigert sich ihn gehen zu lassen, egal was passiert.“

Es war ein missgönnendes, unbeholfenes Angebot von Trost, aber Grey akzeptierte es mit Güte. Wieder ein paar Minuten Stille bis er sie brach.

„Das würde er auch, weißt du. Vergiss nicht, dass er den ganzen Weg bis in die Antarktis gegangen ist um Dana sicher zurück zu bringen.“

„Natürlich wäre sie gar nicht in der Antarktis gelandet, wenn seine verdammte Suche nicht gewesen wäre.“, stellte Bill mit scharfer Stimme fest.

Es gab dem erlöschenden Funken von Greys Ärger Zunder. „Wie kannst du Fox nur immer für alles Schlechte verantwortlich machen, was Dana passiert?“

„Weil er es ist! Dana hatte ein gutes Leben, bevor sie mit den X Akten und deinem Bruder in Berührung kam! Sie stand ihrer Familie nahe und sie wusste wo ihre Verantwortlichkeiten lagen. Sie war zufrieden!“

„Sie leisten wichtige Arbeit, Bill, eine Arbeit die eine Wirkung gegen das Böse in dieser Welt hat. Ich habe es gesehen!“

„Aber zu welchem Preis? Sie hat schön öfter fast mit ihrem Leben bezahlt als ich zählen kann!“

„Du hast einen Tunnelblick, Bill!“, explodierte Bill. „Du denkst, dass es für Fox ein Picknick war? Jedes Mal wenn ich ihn gesehen habe, hat er eine neue Narbe zu seiner Sammlung hinzugefügt! Sie haben *gewählt* das zu tun. Das Mindeste was wir tun können, ist diese Entscheidung zu akzeptieren.“

„Warum sollte ich eine Entscheidung akzeptieren, die sowohl Dana als auch unserer Familie viel Trauer gebracht hat?“, zischte Bill.

Grey lehnte seinen Kopf gegen die Wand und starrte in die Luft. „Martin Luther King, jr. hat gesagt, dass das Leben erst dann lebenswert sei, wenn man etwas gefunden habe das es wert sei dafür zu sterben.“, sinnierte er ruhig.

Bill schnaubt. „Du denkst, dass kleine grüne Männchen es wert sind zu sterben?“

Grey warf ihm einen Blick zu, seine Lippen verformten sich zu einem reuigen Schmunzeln. „Denkst du wirklich, dass es die *Suche* ist für die sie sterben würden? Du bist noch schwerer von Begriff als ich dachte, Billy Boy.“

Bill schnappte mit offenem Mund nach Luft, bis die Bedeutung von Greys Worten klar wurde. Er lief dunkelrot an und sprang auf die Füße, er riss die Tür zum Treppenhaus auf und hielt auf der Schwelle inne.

„Ich werde schauen, ob ich einen anderen Weg nach oben finden kann.“, blaffte er, die Worte waren knapp und ohne die Erwartung einer Antwort gesprochen. „Du kannst auf deinem Arsch sitzen bleiben oder mitkommen – ist mir eigentlich egal was.“

Er stapfte durch die Tür und ließ Grey zurück, der die Wasserflasche in seinen selbstgemachten Rucksack steckte und ihn auf seine Schultern hob. Die überbeanspruchten Muskeln in seinem Arm protestierten lautstark und schickten kleine Schmerzschübe als Zeichen ihres Unwohlseins.

„Wie könnte ich denn bei einer so gütigen Einladung nein sagen?“, antworte er und widerstand dem unsichtbaren Schuljungenteil seiner Psyche, der hinter Bills Rücken Grimassen schneiden wollte.

Stattdessen wischte er den Schweiß aus seinem Gesicht und zählte bis zehn, was er dieses Mal auch ganz schaffte. „Wappne dich, Grey.“, murmelte er. „Wenn alles gut geht, könnte der Kerl eines Tages dein Schwager sein.“ Er schauderte gespielt und zog die Tür auf. „Also *das* ist eine X-Akte.“
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