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Familienbande IV: Zerfetzte Herzen

von Dawn

Kapitel 8

Eagle Rock
Donnerstag
13:11


Scully beobachtete, wie Mulder der Länge nach durch die Küche stapfte, sich scharf umdrehte und die Bewegung in die Gegenrichtung wiederholte, das Telefon war fest an sein rechtes Ohr gepresst. Skinner sprach an diesem Punkt am Meisten, Mulder warf lediglich leises zustimmendes Grunzen und dann und wann ein oder zwei Sätze zur Verdeutlichung ein. Ihr Boss ging anscheinend vorsichtig mit ihm um, da Mulder relativ ruhig und vernünftig blieb. Trotzdem konnte sie sehen, dass er das Telefon so fest hielt, dass seine Knöchel weiß hervortraten und dass er ruckartig und ungleichmäßig ging, was seinem normalen anmutigen Schreiten widersprach. Sie warf einen Blick über den Tisch um zu sehen, wie Grey seinen Bruder mit vor Sorge gerunzelter Stirn beobachtete. Grey spürte ihren Blick und er sah sie fragend an.

„Glaubst du, dass Skinner ihn zurückkommen lassen wird?“

Scully spitzte die Lippen und lächelte dann kläglich. „Da Mulder bis jetzt noch weder auf Schreien noch auf Obszönitäten zurückgegriffen hat, vermute ich, dass die Antwort auf diese Frage ja ist.“

Grey erwiderte ihr Lächeln nicht, sein Stirnrunzeln verstärkte sich nur, so dass er noch aufgewühlter aussah. „Ich bin mir nicht sicher, was ich davon halten soll, obwohl ich weiß, dass es Fox freuen wird. Ich denke alles was ich sehen kann, ist das er zurück ins Feuer geht, und sich seine Verfassung seit ihr vor zwei Tagen angekommen seid nicht gebessert hat. Ich mache mir Sorgen um ihn, Dana.“

Scully beugte sich über den Tisch um ihre Hand auf seinen Arm zu legen. „Ich weiß. Das tue ich auch. Aber es wäre nicht anders, wenn Mulder hier bleiben würde, Grey, er würde sich nur weiter selbst quälen, weil er sich fragt was zu Hause passiert. Dieses Monster weiß genug über Mulder, um zu erkennen, dass er nicht vor einer Herausforderung zurückschreckt.“

Ihre Augen verdunkelten sich und Grey war überrascht Furcht in ihnen zu erkennen.
„Was? Was denkst du?“

Sie zuckte mit den Schultern, aber ihr Gesicht war noch immer ernst. „Ich glaube, dass ich erleichtert sein werde, wenn Mulder in einer stärker kontrollierten Umgebung ist. Dieser Killer hat sich auf ihn fixiert, und ich denke nicht, dass schon jemand die Folgen davon kennt.“

Bevor Grey das kommentieren konnte, hielt Mulder Scully das Telefon vor die Nase. „Skinner will mit dir reden. Ich werde unsere Sachen packen.“

Scully hielt sich das Telefon ans Ohr, ihre Augen folgten Mulder, als er die Küche verließ. „Sir?“

„Scully, Mulder hat mich über den… Vorschlag, denn der Killer ihm gemacht hat, informiert. Ich habe ihm daraufhin mitgeteilt, dass wir Hinweise zum Fundort von Samantha Thomas’ Leiche bekommen haben. Sie müssen die Autopsie vornehmen, sobald Sie zurück sind.“

„Ja, Sir. Das hatte ich erwartet.“

Stille, durchbrochen von Skinner, der sich nervös räusperte.

„Sir?“

„Ich habe Mulder nicht alles gesagt. Ich konnten spüren, dass die Nachricht des Killers ihn stark mitgenommen hat, und dachte es sei am besten ihm eine Chance zu geben sich zu beruhigen.“

Scully schloss ihre Augen, ein Schauer lief ihr den Rücken hinunter. Sie war sich sehr sicher, dass sie nicht hören wollte, was Skinner ihr zu sagen hatte.

„Reden Sie weiter, Sir.“

„Scully, die Anweisungen zu Samanthas Leiche enthielten ein Herz, und es passt zu der Kleidung, die sie getragen hat. Ich kann nur vermuten, das Mulders Herz zu einem anderen Opfer gehört.“

Mehre Auswahlmöglichkeiten von Flüchen, die sie während ihres Lebens auf eine Militärbasis gelernt hatte, schossen Scully durch den Kopf, doch sie blieb stumm. Ihr Magen wand sich, aufgewühlt von Frucht – sowohl für das Kind, das dem sicheren Tod geweiht war, als auch für Mulder, der sicher einen Weg finden würde, um die Verantwortung auf sich zu nehmen.

„Scully?“

Skinners Stimme klang besorgt und rief eine Antwort hervor.

„Er eskaliert.“, sagte sie leise. „Aus der Warnung, die er Mulder geschickt hat, schließe ich, dass es berechnet war, dass er zu dem Fall zurückkehrt.“

„Ich stimme Ihnen zu.“ Die Worte waren auf eine Art gesprochen, die Scully verriet, dass ihr Boss mit seinen eigenen Schuldgefühlen zu kämpfen hatte. Als er fortfuhr war seine Stimme jedoch hart vor Ärger. „Das ist der *einzige* Grund dafür, dass ich Mulder wieder ins Team zurückkommen lasse. Ich fange an zu glauben, dass Mulder Recht hat; wir werden nicht in der Lage sein, diesen Irren ohne ihn zu fassen. Sagen Sie Mulder nur nicht, dass ich das gesagt habe.“, fügte er trocken hinzu.

„Er packt im Moment, also bin ich sicher, dass wir bald unterwegs sein werden. Ich bin auch sicher, dass er direkt in Büro wollen wird, sobald wir in der Stadt sind.“, sagte Scully vorher und wünschte sich, sie hätte in der Nacht zuvor mehr Schlaf bekommen.“

„Melden Sie sich dann in meinem Büro. Ich werde hier sein. Wollen Sie, dass ich die Nachricht überbringe?“

Scully dachte darüber nach, sie sehnte sich danach Skinner einen solchen Schlag austeilen zu lassen. Leider wusste sie, dass Mulder ihr nie verzeihen würde, dass sie die Information während der Fahrt nach Hause für sich behalten hatte. Er hatte schon Probleme genug damit gehabt, ihre Verwicklung in seinem Abzug von dem Fall zu akzeptieren, sie war sich nicht sicher ob das Vertrauen zwischen ihnen eine zweiten Schlag vertragen konnte.

„Nein. Darum werde ich mich selbst kümmern. Danke für die Vorwarnung, Sir. Er wird das nicht gut verkraften.“

Skinner machte ein ersticktes Geräusch von Belustigung. „Das tut er nie, Scully. Wir sehen uns.“

Scully drückte auf den Knopf, der die Verbindung trennte, starrte auf das tote Telefon und kaute auf ihrer Lippe. Sie hatte Greys Anwesenheit tatsächlich vergessen, bis er sprach.

„Es wurde noch ein Kind entführt?“

Sie ging langsam, als sie das Telefon zurücklegte und erlaubte sich selbst ein paar extra Momente um ihre Gedanken und Emotionen zu sammeln. Sie konnte Greys stetigen Blick, der jeder ihrer Bewegungen folgte und sich katalogisierte, auf sich spüren. Schließlich lehnte sich zu gegen den Küchentresen zurück und steckte eine Haarsträhne hinter ihr Ohr.

„Das Herz, das Mulder eben erhalten hat, gehörte nicht zu Samantha Thomas. Skinner und das Team hatten das schon, zusammen mit dem Fundort ihrer Leiche.“ Sie hasste den kühlen, berechnenden Klang ihrer Stimme, sogar als ihr klar wurde, dass es ein Verteidigungsmechanismus war.

„Wer?“

„Das steht noch nicht fest. Ich bin sicher, dass Skinner daran arbeitet, während wir reden.“

„Woran arbeitet?“

Mulders Rückkehr hätte selbst dann keinen dramatischeren Effekt auf Scully haben können, wenn er hervor gesprungen wäre und „Buh!“ gerufen hätte. Sie schrak hoch und drehte sich zur Tür, reflexartig wanderte ihre rechte Hand zu ihrem Rücken.

„Erschieß mich nicht, Bulle, ich ergebe mich.“, sagte Mulder mit erhobenen Händen und einem Schmunzeln im Gesicht.

„Schleich dich nicht so an mich ran!“, stöhnte Scully und ließ sich zurück gegen die Schränke sinken.

Mulder zog eine Augenbraue hoch und lehnte sich gegen den Türrahmen. „Tut mir Leid, ich wusste nicht, dass ich schleiche. Woran arbeitet er?“

Überlass es Mulder bei der Sache zu bleiben und die anfängliche Frage nicht zu vergessen. Aus den Augenwinkeln sah Scully wie Grey ruhig aufstand und sich an seinem Bruder vorbei quetschte um die Küche zu verlassen. Sie kämpfte gegen das Gefühl der Enttäuschung und des Verrats, das sie überflutete, an. Sie erkannte, dass es keine Möglichkeit gab, sich langsam heranzutasten und so sah sie ihrem Partner direkt in die Augen.

„Mulder, Skinner hat dir etwas Wichtiges nicht gesagt.“ Scully sah wie seine Augen schmal wurden und sein Stirn sich zusammenzog und hob eine Hand um eine Wutausbruch zu unterbinden. „Warte eine Minute! Er versucht nicht, dir was vorzuenthalten, er wollte dich nur nicht sofort damit belasten. Er wollte dir Zeit zum Durchatmen geben.“

„Meine Geduld für dieses überwältigende Bedürfnis mich zu beschützen, das du und Skinner habt, wird langsam knapp, Scully. Ich bin ein großer Junge, und ich würde es zu schätzen wissen, wenn du es mir einfach direkt sagen würdest.“

Die Worten waren hatten verärgert klingen sollen, aber Scully kannte Mulder gut genug um zu erkennen, dass es ein Schutzschild war, dass er in Erwartung schlechter Neuigkeiten angelegt hatte. Sie ignorierte seinen finsteren Blick und machte vorsichtig weiter.

„Mulder, es war ein Herz bei den Hinweisen auf den Fundort von Samantha Thomas’ Leiche und es passt zu ihrer Kleidung.“

Scully beobachtete sein Gesicht, als er die Informationen verarbeitete und schnell zu einer herzzerreißenden Schlussfolgerung kam. Sein Schmerz überstieg sogar Mulders wichtige Fähigkeit Distanziertheit vorzutäuschen. Scully trug innerhalb von Sekunden einen heftigen inneren Kampf aus, instinktiv wollte sie ihre Arme um ihn legen, doch sie wusste, wie wichtig es für ihm war, die Fassung zu bewahren. Sie gab der Intuition nach, durchschritt den Raum, schlang ihre Arme um seine Taille und legte ihren Kopf auf seine Brust ohne etwas zu sagen.

Nach nur einem Moment des Zögerns, legten sich Mulders Arme um ihre Schultern. Leichte Zuckungen liefen durch seinen Körper, sodass es sich anfühlte, als würde er zittern und Scully konnte sein Herz schnell schlagen hören. Ihr eigenes antwortet mit einem mitfühlenden Flattern und sie ließ ihre Hände in abstrakten Mustern über die starren Muskeln in seinen Schultern und seinem Rücken wandern.

„Wer *ist* er, Scully?“, flüsterte Mulder mit einer Stimme, die vor unvergossenen Tränen. „Was will er von mir?“

„Er ist ein Verrückter, Schatz. Er weiß wahrscheinlich selbst nicht, was er will.“, murmelte Scully und löste sich, sodass sie sein Gesicht sehen konnte.

Dankbarkeit traf ihren Blick, aber sie war mit Unglauben gepaart. „Da widerspreche ich. Ich glaube, er weiß genau was er will, wir haben es bis jetzt nur nicht herausgefunden. Das macht mir Angst.“

„Mulder, versprich mir, dass du versuchen wirst, deine Perspektive zu behalten. Du kannst dich nicht zu weit hineinsaugen lassen oder du wirst ertrinken.“

Erneute Verärgerung, die Scully tatsächlich als Verbesserung gegenüber dem Schmerz empfand. „Ich kenne meinen Job, Scully. Ich mache nur, was nötig ist um Ergebnisse zu bekommen.“

Scully streckte die Hand aus, um sie an seine Wange zu legen und zu versuchen die Härte ihrer nächsten Aussage zu mildern. „Das sagst du, Mulder, und ich weiß, du glaubst es. Aber du kannst dich selbst nicht sehen. Bevor Skinner dich von dem Fall abgezogen hat, sahst du aus, als würdest du zum dritten Mal unter gehen.“

Mulders Augen flehten. „Er eskaliert, Scully. Und wir wissen beide, was das auslöst.“ Seine Stimme brach und er atmete tief durch, bevor er fortfuhr. „Der einzige Weg, wie ich im Moment mit mir selbst leben kann, ist alles dafür zu geben, diesen Kerl zu fassen.“

Scully blinzelte die Feuchtigkeit in ihren Augen weg. „Das verstehe ich, Schatz, das tue ich wirklich. Aber ich bin selbstsüchtig. Ich weigere mich, dich dabei zu verlieren.“

Grey wählte diesen Moment, um um sie herum zu gleiten und die Küche erneut zu betreten. Er trug eine Reisetasche, die auf die Fliesen fallen ließ, bevor die Arme verschränkte.

„Ich hab gepackt. Wer fährt?“

Sowohl Mulder als auch Scully waren für einige Sekunden sprachlos, bevor Mulder sich zusammenriss und antwortete.

„Häh?“

Scully presste die Lippen zusammen um eine Grinsen zu unterdrücken. „Ich pflichte dieser irgendwie wenig wortgewandten Antwort bei. Was glaubst du was du da tust?“

Grey rollte ungläubig dreinblickend seine Augen. „Wonach sieht es denn aus? Ich fahre mit euch zurück nach D.C. Ich habe sowieso den Rest der Woche frei, und wenn ich hier bleibe, wird es darauf hinauslaufen, dass ich diesen verdammten Schuppen ganz allein fertig mache.“

Scully lächelte, übertrug Anerkennung, Erleichterung und Zuneigung mit ihren Augen. Mulde jedoch löste sich aus ihrer Umarmung und schüttelte eisern seinen Kopf.

„Auf keinen Fall, Grey, das kannst du nicht machen. Es ist zu gefährlich.“

Grey sah ihn mit einem sanften Gesichtsausdruck an. „Ich bin nicht derjenige, der von einem Killer verfolgt wird, Fox.“, sagte er ruhig. „Du bist hier in Gefahr, nicht ich.“

„So habe ich das nicht gemeint, und das weißt du!“, grummelte sein Bruder die Stirn runzelnd. „Es ist eine Sache mich besuchen zu kommen und in meiner Wohnung rumzuhängen, aber das ist völlig anders. Du wärst mitten in einer wichtigen Ermittlung, in der die Polizei und das FBI verstrickt sind und es vor Reportern nur so wimmelt. Es wäre unmöglich nicht aufzufallen.“

Grey schob stur seine Lippe vor und Scully musste auf ihre beißen um nicht zu lachen. Manchmal waren die Ähnlichkeiten zwischen den beiden Brüdern unglaublich.

„Fox, ich dachte ich hätte schon vor langer Zeit klar gestellt, dass ich nicht vorhabe diese gesichtslosen Feinde von dir mein Leben diktieren zu lassen. Du bist mein Bruder und wenn ich ein Teil deines Lebens sein werden, dann zum *meinen* Bedingungen – nicht zu ihren. Ich komme mit euch.“

Mulder öffnete den Mund um zu widersprechen, stellte jedoch fest, dass ihm dazu die Motivation fehlte. Obwohl er sich um Greys Sicherheit sorgte, war der Gedanke an die Unterstützung seines Bruders sehr tröstlich.

„Ich fahre.“, sagte er stattdessen, sein Tonfall forderte Grey heraus zu widersprechen.

Grey grinste und bückte sich um seine Tasche aufzuheben. „Was immer du sagst, kleiner Bruder. Solange ich dabei bin.“
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