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Familienbande IV: Zerfetzte Herzen

von Dawn

Kapitel 14

Holiday Inn
Boston
Samstag 11:15 Uhr


Die Reue kam fünfzehn Minuten später. Das war das Problem mit der Reue, sinnierte Mulder, der mit im Nacken verschränkten Fingern auf dem Bett lag. Sie kam immer zu spät, nachdem der Schaden schon entstanden war. Definitiv kein vorausschauendes Gefühl.

Also lag er auf seinem Rücken und spielte den Streit mit Scully wieder und wieder in seinem Kopf ab, an allen Stellen an denen er sich wie ein Arschloch verhalten hatte zuckte er zusammen. Er stellte fest, dass er oft zuckte.

Die kleine Stimme in seinem Kopf, die die seit dem Anfang seiner Beziehung mit Scully flüsterte, dass sie dazu verdammt war schief zu gehen, war zu einem Kreischen angestiegen. Mulder kannte seinen Charakter gut. Er liebte Scully zu sehr um nicht zuzugeben, dass sie etwas besseres als das was er bieten konnte verdient hatte. Vielleicht war Scully nachdem was heute passiert war zur selben Schlussfolgerung gekommen.

Seine Gedanken schlängelten sich von Scully zu Jason und von Jason zu Callie. Seine bittere Enttäuschung über die Spur zu Roches Auto hinterließ den Geschmack von Galle in seinem Rachen. Der erste konkrete Hinweis seit drei langen Monaten, und es endete in einer Mauer. Mulders Augen fielen zu, als er abschweifte, weder wach noch schlafend, sondern irgendwo dazwischen. Er erinnerte sich an das erste Treffen mit Steve Cole und wie er Roches Sammlung versteckt im Camperaufsatz des El Camino, zwischen die Seiten einer Ausgabe von Alice im Wunderland gepresst, gefunden hatte.

Alice im Wunderland. Sam hatte das Buch geliebt, ihn unzählige Nächte dazu gebracht ihr beim Schlafengehen laut daraus vorzulesen. Das Gerücht, das Lewis Carroll ein Pädophilier gewesen sei gemischt mit Roches kranker Besessenheit beschmutzen diese schönen Erinnerungen, konnten sie jedoch nicht völlig schlecht machen. Er erinnerte sich, wie Sam sich einmal zu Halloween als Alice verkleidet hatte, wie sie böse wurde, weil er sie rücksichtslos damit ärgerte, dass Alice blond und nicht brünett sei. Sie hatte sogar ihre alte und schlecht gelaunte Katze als Requisite mitgenommen und darauf bestanden, dass sie alle Dinah nannten, wie Alices Katze…

Dinah.

Mulders Augen flogen auf und er setzte sich so plötzlich kerzengerade auf, dass sein Blick für einen Moment grau wurde, während das Blut versuchte seinen Kopf einzuholen. Wie hatte er das vergessen können? Alice hatte eine Katze namens Dinah. Und Steven Cole wohnte momentan auf der Dinah Avenue. Zufall? Unwahrscheinlich.

Mulder durchsuchte vorsichtig sein Gedächtnis, analysiertes jedes Wort von Cole. Es traf ihn wie ein Schlag ins Gesicht.

*Glauben Sie, dass der Kerl, der Ihnen diese Herzen schickt, mein Auto gestohlen hat?*

*Niemand* wusste, dass der Mörder die Herzen an Mulder persönlich schickte. Die Presse hatte ihre Existenz aufgespürt, doch nur eine handvoll Agenten, die direkt mit dem Fall betraut waren, wussten, dass er der Empfänger war. Wie hätte Cole das also wissen können?

Nur wenn Steve Cole der Mörder war.

Mulder stand auf und begann auf und ab zu gehen, wobei er sich nervös mit den Fingern durchs Haar fuhr. Zeit Logik anzuwenden. Scully wäre stolz. Er spürte einen schmerzhaften Stich bei dem Gedanken und schob ihn absichtlich beiseite. Callies Leben hing von seiner völligen Aufmerksamkeit ab.

Fakt eins: Steve Cole besaß Roches alten El Camino und meldete ihn passender Weise kurz vor dem ersten Mord als gestohlen.

Fakt zwei: Steve Cole war in die Gegend um Boston gezogen, die Stadt, in der sich Roche einst niedergelassen hatte und in der er seine letzten Stunden verbrachte. Zusätzlich wohnte er in einer Straße, die den Namen einer Figur aus dem Buch trug, das der Kern von Roches Besessenheit war.

Fakt drei: Cole wusste, dass der Mörder Mulder die Stoffherzen geschickt hatte, eine Information, die nicht der Polizei nicht zugänglich war, von der allgemeinen Öffentlichkeit ganz zu schweigen.

Schlussfolgerung?

Zumindest verdiente Steve Cole eine genauere Betrachtung. Mulder schritt zu seiner Anzugjacke, fischte sein Handy hervor und wählte mit zitternden Fingern die Nummer des Boston Field Office.

„Ja, ich versuche Detective Grey McKenzie zu finden.“, erzählte er der erschreckend kecken Empfangsdame. „Er arbeitet an der Westin Entführung. Hier ist Special Agent Fox Mulder, könnten Sie ihn für mich anpiepen?“

Mulder wartete, ruhelos in den engen Grenzen seines Zimmers auf und abgehend. Draußen schlug Regen in seinem sanften Stakkato, das gelegentlich vom leisen Grollen des Donners unterbrochen wurde, gegen das Fenster. Er starrte auf die dunkeln, tief hängenden Wolken und dachte an Callie Westin, verängstigt und in de Gewalt eines Mördes.

„Komm schon, komm schon.“, murmelte er leise, während sich seine linke Hand ballte sich zu einer Faust.

„Tut mir Leid, Agent Mulder, aber sie sagen er ist unterwegs zum Mittagessen.“, sagte die Empfangsdame fröhlich. „Kann ich ihm etwas ausrichten oder soll er zurückrufen?“

„Nein. Ich meine, ja! Sagen Sie ihm, dass ich glaube, dass Cole unser Mann ist, und das ich ihn überprüfen werden.“, sagte Mulder hastig. „Sagen Sie ihm er soll Agent Scully mitbringen und mich dort treffen.“

„Ja, Sir.“

Mulder legte auf und schlug das Telefonbuch bei den Mietwagenagenturen auf, bei dem Gedanken an Scullys Reaktion auf das was er tun würde, verzog er das Gesicht. Er hatte es versprochen – keine Alleingänge mehr. Aber Grey war nicht zu erreichen und wenn er Scully anriefe, würde sie darauf bestehen, dass er darauf wartete, dass sie und Skinner von ihrer Befragung mit Jason zurück waren. Zu viel zeit verschwendet, Zeit die Callie nicht hatte. Jasons ernstes Gesicht kam ihm wieder in den Kopf.

*Was ist mit Callie? Kannst du sie finden?*

Mulder nahm den Hörer ab und wählte.


Auf dem Weg nach Brockton
Samstag
13:30 Uhr


Scully erhielt Greys hastigen Anruf als sie und Skinner noch ungefähr 30 Minuten vom Bostoner Bureau entfernt waren. Sie hatten den Hubschrauber nach New Bedford genommen, wo Jason und seine Eltern sie zu der Befragung getroffen hatten, und sie näherten sich geraden dem Logan Flughafen, als Scullys Handy klingelte und die Hölle losbrach. Skinner brach mehrere Geschwindigkeitsrekorde um das Bureau zu erreichen, wo Grey schon darauf wartete in das Auto zu springen.

„Erzähl es mir noch mal – alles.“, forderte Scully knapp als sie den Highway 24 nach Brockton entlang rasten.

„Dana, da gibt es nicht viel zu erzählen.“, antwortete Grey, seine eigene Frustration war deutlich. „Ich bin gegen halb zwölf was essen gegangen. Als ich zurück kam war da eine Nachricht von Fox, die besagte, dass er glaubt, dass Steve Cole der Mörder ist und das er das untersuchen würde. Er sagte wir sollten ihn dort treffen.“

Scully fluchte wie die Seemannstochter, die sie war, und nahm Skinners und Greys Überraschung gar nicht war. „Er hat geschworen, dass die Tage seiner Alleingänge gezählt wären!“

„Er denkt nicht weiter als Callie Westin.“, bemerkte Grey ruhig. „Ich habe ihn letzte Nacht Samanthas Namen schreien hören. Dieser Fall hat die Grenze für Fox überschritten, ist viel zu persönlich geworden.“

„Das weiß ich!“, blaffte Scully. Sie hielt inne und atmete tief durch, um sich selbst zu beruhigen. „Tut mir Leid, Grey, ich wollte das nicht an dir auslassen. Das ist meine Schuld. Ich hätte ihn nicht alleine lassen sollen, ohne zu wissen in was für einem Zustand er sich befand.“ Sie schloss ihre Augen und rieb ihre Schläfen. „Erfahrungen aus der Vergangenheit hätten mir eine Lehre sein sollen.“

Skinner, der seit Greys Anruf auffallend still gewesen war, war ihr vom Fahrersitz aus einen scharfen Blick zu. „Ich hatte damals Unrecht, Scully. Ich hätte Sie nie für Mulder verantwortlich machen sollen, es war nicht ihre Aufgabe.“

„Aber das ist sie jetzt.“, sagte Scully leise, fing ihre Lippe mit den Zähnen und sah aus dem Fenster auf den nachlassenden Regen.

„Scully, Sie waren heute Morgen da, Sie haben die gleichen Dinge gehört wie Mulder. Können Sie sich an irgendwas erinnern, dass Cole gesagt oder getan hat, dass Mulder überzeugte, dass er der Mörder ist?“, fragte Skinner milde und versuchte die Unterhaltung auf ein produktiveres Thema zu lenken.

Scully überdachte die Frage vorsichtig, die Stirn runzelnd. „Er erzählte uns wie der Wagen gestohlen wurde.“, erinnerte sie sich langsam, verzog dann das Gesicht. „Er dachte es sei „cool“, dass sich zuerst ein Serienmörder und dann ein Kidnapper für den Wagen interessieren. Widerlich.“

„Dann fragte er ob unser Interesse was mit dem Paper Hearts Fall zu tun hat und…“ Scully brach abrupt ab und wurde sehr still.

Grey lehnt sich über den Rücksitz. „Was? An was erinnerst du dich?“

„Er sagte etwas darüber, dass Mulder die Herzen bekommt. Aber das ist vertraulich, er kann das nur wissen, wenn…“

„Er sie verschickt.“, unterbrach Skinner grimmig und drückte seinen Fuß fester auf das Gaspedal. „Eine Moment noch, wir sind gleich da.“


Coles Straße lag verlassen und still da. Eine einzelne braune Limousine schmiegte sich auf halbem Weg zum Bungalow an den Bordstein. Skinner parkte dahinter, sie stiegen aus und Scully ging sofort rüber um durch die Fenster zu spähen.

„Sieht wie ein Mietwagen aus.“, beobachtete sie, wobei Sorge in ihre Stimme kroch. „Könnte Mulder sein.“

Skinner erreichte die Haustür als erster, ignorierte die Klingel und schlug mit der Seite seiner Faust auf die Tür ein. „Federal Agent, öffnen Sie die Tür!“, befahl er lautstark.

Cole kam nicht zur Tür und sie erkannten durch die halbgeöffneten Vorhänge des Fensters keine Bewegungen. Skinner wiederholte seinen Befehl noch einmal, trat dann zurück und trat fest zu, sodass das billige Holz splitterte und die Tür in ihren Angeln hin und her schwang.

Sekunden nachdem sie das Haus betreten hatte, wusste Scully, dass das Haus verlassen war. Sie durchlief das Prozedere, trennte sich von Grey und Skinner um die kleinen Räume gründlich zu durchsuchen, aber ihr Herz klopfte wild vor steigender Angst. Ihr Mulder-Alarm, der in dem Moment als sie Greys Anruf, der seine Panik kaum verbarg, entgegengenommen hatte und seine Lautstärke war stetig angestiegen, bis er alle anderen Gedanken abblockte. Ihr Herz wusste bereits, dass Cole der Killer war und das er irgendwie Mulder entführt hatte. Es fehlte nur noch die Bestätigung.

Sie trafen sich in der Küche im hinteren Teil des Hauses mit leeren Händen. Skinner, der seine Waffe noch immer mit beiden Händen umklammert hielt, deutete durch die Hintertür auf die marode Garage, in der für ein Auto Platz war. Scully und Grey folgten ihm leise als er den Weg über den winzigen Hinterhof zu dem Gebilde wies. Die große Holztür war teilweise geöffnet, das Ende hing einen halben Meter über dem Betonboden. Niemand war überrascht, als Grey sie anhob und unter den ohrenbetäubendem Quietschen der rostigen Scharniere ein leeres Innenleben offenbarte.

Scully sah einen dunkeln Fleck auf dem schmutzigen Boden und ging schnell herüber um ihn genauer zu untersuchen. Skinner sah zu wie sie sich hinunter beugte, den Fleck mit zwei Fingern berührte, die Substanz zwischen den Fingern und ihrem Daumen rieb und dann kurz daran roch.

„Öl“, verkündete sie, das Wort war voller unausgesprochener Emotion. „Es ist frisch. Ich bin sicher das Labor wird rausfinden, dass es mit dem Öl, dass bei Callie Westins Haus gefunden wurde, übereinstimmt.“

„Es könnte ihm immer noch gut gehen, Scully.“, sagte Skinner und legte eine Hand auf ihre Schulter, als sie aufstand. „Er könnte Cole irgendwie folgen. Wir wissen nicht ob das da draußen Mulders Wagen ist, und es gibt nichts, das beweist, das er bewegungsunfähig gemacht oder gegen seinen Willen verschleppt wurde.“

„Jetzt schon.“

Grey stand in der offenen Tür, sein Haar war ein bisschen nass und lockig von dem Regen und sein Gesicht war angeschlagen. „Ich bin zum Fenster an der Seite der Garage gegangen. Da sind eine Menge Spuren im Schlamm und jemand hat den Dreck vom Fenster gewischt um rein sehen zu können. Und ich hab das hier gefunden.“

Grey streckte seine rechte Hand aus und entblößte blutbefleckte Finger. Scully kniff die Augen gegen den plötzlichen Guss von Tränen.

„Mulder.“, flüsterte sie gebrochen.

Seine eigenen Trägheit abschüttelnd, übernahm Skinner die Verantwortung. Er zog sein Handy aus der Tasche seines schwarzen Trench Coats, schlüpfte in den Marine-Modus und begann Befehle zu erlassen.

„Grey, überprüf das Nummernschild auf dem Mietwagen und schau ob es sich zu Mulder zurückverfolgen lässt. Du kannst das Telefon in Coles Haus benutzen. Scully, rufen Sie das Labor in Quantico an und lassen sie eine Kopie von den Daten über Mulders Blut und DNA an das Boston Bureau schicken. Außerdem sollten Sie besser eine Probe nehmen, solange es noch geht, es ist ein Wunder, dass der Regen es noch nicht völlig weggewaschen hat.“

„Da ist ein Abdach.“, erklärte Grey, noch immer gedämpft. „Es hat die meiste Feuchtigkeit abgehalten.“ Er drehte sich um und ging mit gegen den Nieselregen eingezogenen Schultern in Richtung Straße.“

„Ich werde die Spurensicherung hierher bestellen um alles durch zukämen, und die örtlichen Jungs darüber informieren was los ist.“, fuhr Skinner fort. „Sobald wir die grundlegenden Dinge geregelt haben, können wir anfangen darüber nachzudenken, wo Cole hin sein könnte.“


Als er sah, dass Scully mit dem Telefon in der Hand inne gehalten hatte, während sie ihre Fassung zurück gewann, seufzte er. „Scully… Dana. Wir wissen jetzt hinter wem wir her sind und er hat nicht viel Vorsprung. Wir *werden* ihn finden. Mulder ist ein ausgebildeter Agent und ein Psychologe; er wird Cole solange hinhalten, bis wir da sind.“

Erleichtert sah Skinner, dass Scullys Augen hart wurden und sie ihre Schultern mit Bestimmtheit straffte. Sie schickte ihm ein schnelles bestätigendes Nicken und begann wild Nummern in das Telefon zu drücken. Zufrieden trat Skinner zurück um seine eigenen Anrufe zu erledigen, er wünschte seine eigene Zuversichtlichkeit würde mit seinen Worten übereinstimmen.
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