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Familienbande IV: Zerfetzte Herzen

von Dawn

Kapitel 10

Georgetown
Freitag
01:53 Uhr


Das sanfte Leuchten der Nachtischlampe erleuchtete die Bahnen getrockneter Tränen auf Mulders Gesicht. Scully fuhr eine mit federleicht mit einem Finger nach, wobei die weiche Haut seiner Wage in die rauen Stoppeln an seinem Kiefer überging. Mulder zuckte nicht, er war so weggetreten, dass sich nicht mal seine Augen unter seinen Lidern bewegten. Zumindest heute Nacht, würde es keine Träume geben – jedenfalls nicht für Mulder.

Scully lehnte sich vor, um ihre Lippen an seine zu drücken und schmeckte die salzigen Rückstände seiner Tränen. Sie stand auf und die Matratze quietschte in Protest als sich ihr Gewicht anhob. Sie rollte ihre Schultern in einem vergeblichen Versuch die vor Anspannung starren Muskeln zu lösen, dann ging sie zu Grey, der auf ihrer Couch sah, und mit leerem Blick auf den stummen Fernseher starrte. Scully brach mehr zusammen, als das sie sich neben ihn setzte.

„Was hast du ihm gerade gegeben?“, fragte Grey nach einigen Minuten des Schweigens.

„Valium.“, antwortete Scully erschöpft. „Eine LKW-Ladung davon, falls du dich fragst. Er wird für mindestens sechs Stunden weg sein – vielleicht länger, wenn mein seine momentane körperliche Verfassung bedenkt.“

„Hast du immer Valiumspritzen in deiner kleinen Tasche?“

Scully spürte sein Unbehagen und erriet den Grund. „Das hat eigentlich nichts mit Mulder zu tun, ob du’s glaubst oder nicht.“, antwortete sie trocken.

Sie erklärte nicht weiter, dass das Röhrchen ein Souvenir von ihrem Krebs war. Am Ende waren die Kopfschmerzen so qualvoll geworden, dass ihr Onkologe sie als Mittel zur Schmerzbewältigung vorgeschlagen hatte. Grey bemerkte ihre Zurückhaltung und ließ es gut sein.

„Ich sehe ihn nicht gern unter Medikamenteinfluss.“, erklärte er ruhig, während die Finger seiner rechten Hand mit den Fransen ihrer Decke spielten.

„Ich *tue* es nicht gerne.“, gab Scully mit Schärfe in ihren Worten zurück. Der raue Schmerz in seinen Augen schwächte ihren Ärger ab und sie seufzte. „Er war in einem Schockzustand, Grey, und fast schon dissoziativ. Entweder das Valium oder einen völligen Zusammenbruch riskieren.“

Grey zuckte bei dem Ausdruck zusammen, nickte aber. Scully konnte sehen, dass er die Szenen in Mulders Wohnung noch einmal durchspielte. Nach Mulders anfänglichem emotionalem Ausbruch, hatte er sich in sich selbst zurückgezogen, leicht gezittert und seine Haut war blass und klamm gewesen.

Gott sei Dank hatte Skinner die Aufsicht über den Tatort übernommen. Er hatte Mulder einmal angesehen und darauf bestanden, dass sie sich sofort in Scullys Wohnung zurückziehen. Mulder hatte nicht gestritten, sondern war Scullys Führung wie ein fügsames kleines Kind gefolgt. *Das* hatte sie mehr besorgt als seine Tränen.

Während sie zu ihrer Wohnung gefahren waren, hatte Grey seinen Bruder vorsichtig befragt und es geschafft ihm ein paar Antworten zu entlocken. Aber Mulders Antworten waren schwerfällig, als ob jede einen enormen Aufwand und viel Bedenken brauchte. Er hatte mit Augen, die die vorbeifahrenden Wagen nicht wirklich sahen, aus dem Fenster gestarrt und seine Stimme war flach und leblos gewesen.

Zu Hause angekommen, hatte Scully ihn in ihr Schlafzimmer geführt, im ein paar Jogginghosen und ein T-Shirt gereicht, ihm einige Male geholfen, wenn Mulder die Konzentration auf die Aufgabe verloren hatte und abwesend aus dem Fenster starrte. Sie setzte ihn auf ihr Bett, verabreichte das Valium, brachte ihn dazu sich hinzulegen, streckte sich neben ihm aus und hielt ihn. Sie hatte ein Muster von beruhigenden Worten und sanften Beruhrungen aufrechterhalten, bis sein Körper erschlaffte. Schließlich hatte sie ihre eigenen Tränen zugelassen – für Mulder, für Jacqueline und für sich selbst.

„Wird er morgen wieder in Ordnung sein?“

Greys Frage riss sie aus ihren Gedanken und verankerte sie im hier und jetzt. „Mulder hat eine beeindruckende Menge von Verarbeitungsmechanismen, Grey. Es wird ihm besser gehen – viel besser. Aber ich glaube nicht, dass es einem von uns gut gehen wird, bis dieses Monster hinter Gittern ist.“

„Eine Schande die Unterbringung zu verschwenden.“, blaffte Grey boshaft. „Eine Kugel wäre zu gut für diesen Psycho.“ Er schloss seine Augen. „Ich fürchte es wird lange dauern bis *diese* Erinnerung verblasst.“

Tränen brannten in Scullys Augen und stachen in ihrem zu engen Hals. „Zumindest wird es das, irgendwann. Mulder hat ein fotografisches Gedächtnis.“

Grey sah sie erschrocken an. „Ich glaube ich habe nie Konsequenzen davon bedacht. Willst du sagen, dass jeder Tatort…?“

„Jeder Tatort, jeder Mörder, jedes Opfer.“, sagte Scully leise.

„Wie hält er das aus? Ich glaube nicht, dass ich das könnte, Dana.“

Sie lächelte tatsächlich ein bisschen, während sie an Mulders trockenen Witz und seinen oft respektlosen Sinn für Humor im Angesicht des Unaussprechlichen dachte. „Wie ich schon sagte, er hat eine unglaubliche Fähigkeit Schläge wegzustecken.“

„Das hier ist aber anders, nicht wahr?“, sagte Grey zweifelnd. „Fox hat mir die ganze Geschichte von Samanthas Entführung erzählt. Ich verstehe genauso gut wie du, was der Mörder ihm heute Nacht angetan hat. Die Doppelgängerin, das Strategospiel, der Fernseher… Das ist kein Schlag, Dana. Das ist eine Atombombe.“

„Da ist noch mehr.“, flüsterte Scully und vergrub die Zähne in ihrer Lippe.

„*Mehr*?“

Sie zögerte, sprach dann weiter. „Ich weiß nicht, wie ich Mulder das sagen soll, aber wenn meine Vermutung stimmt, dann wird er es im Autopsiebericht sowieso sehen. Mulder hat mir einmal erzählt, dass Samantha sich ihr Schlüsselbein gebrochen hat, als sie von einer Schaukel gefallen ist. Als Roche behauptete sie getötet zu haben, war das eine schnelle Möglichkeit um festzustellen, dass die Leichen, die wir fanden nicht ihre waren.“

„Sprich weiter.“, stachelte Grey, als Scully für einen tiefen Atemzug um ihre angespannten Nerven zu beruhigen innehielt.

„Ich hatte nur einen Moment um die Leiche zu untersuchen, bevor wir gegangen sind und ich musste vorsichtig sein, weil sie immer noch Fotos schossen. Aber… ich bin einigermaßen sicher, dass Jacquelines Schlüsselbein gebrochen war.“

Grey murmelte leise einen Fluch. „Woher weiß dieser Kerl das? Woher bekommt er seine Informationen? Es ist als könne er in Foxs Kopf blicken!“

Plötzlich wurde Scully auf unheimliche Weise an Mulders Worte nach Roches Tod erinnert…

*Ich habe sein Profil erstellt, Scully. Ich bin in seinen Kopf eingedrungen, und irgendwie ist in meinen gelangt, hat Zutritt zu all meinen Erinnerungen an Samantha. Eine Art von… von Nexus ist zuwischen uns entstanden…“

„Ich weiß nicht wie er es macht.“, sagte sie laut, während sie die Erinnerung mit einem starken Kopfschütteln vertrieb. „Zeitungen? Das Internet?“

„*Ein gebrochenes Schlüsselbein*? *Stratego*? Ich bitte dich, Dana! Du weichst aus und das weißt du.“, sagte Grey, wobei die Wärme ins seinen Augen die Schärfe seiner Worte milderte.

Scully stieß einen langen Atemstoß aus, überwältigt von dem Drang für eine Weile zu schlafen und zu entkommen. „Mulder glaubte, dass zwischen ihm und Roche eine Art Verbindung entstanden war, als er sein Profil erstellte. Er nannte es einen Nexus. Er dachte, dass Roche in der Lage war, seine Erinnerungen an Samantha zu sehen.“

„Aber du nicht.“

Scully presste ihre Lippe stark zusammen um eine scharfe Antwort zu unterdrücken. „Ich glaube, dass es andere Erklärungen gibt. Wir haben nur noch nicht an sie gedacht.“ Greys hochgezogene Augenbraue verstärke ihren Ärger.

„Sieh mal, was es mich betrifft, ist die Schlüsselfrage, was dieser Irre für Mulder geplant hat. Die kleine Show heute Nacht bestätigt nur die Tiefe seiner Besessenheit.“

„Dann kleben wir an Fox, wie das Weiß am Reis.“, sagte Grey ruhig.

Scully kicherte leicht, und die Dunkelheit hob sich ein bisschen. „Hab ich dir kürzlich gesagt, wie froh ich bin, dass Mulder einen Bruder hat?“

Grey grinste. „Das hast du grade, Süße. Also ich zumindest werde jetzt etwas schlafen.“

„Es sind Laken und Decken in dem Leinenschrank.“, sagte Scully, die schon beim bloßen Erwähnen von Schlaf gähnte. „Ich kann dir die Couch herrichten.“

„Mach dich nicht lächerlich. Ich mache mein Bett selbst, seit ich vier bin. Ich komm schon zurecht.“, versicherte er ihr trocken.

„Also dann gute Nacht, Grey. Und danke.“

„Nacht, Dana.“

Scully ging leise ins Schlafzimmer, schloss die Tür und zog sich beim Licht des Mondes, das durch die Vorhänge fiel aus. Mulder war auf seiner Seite zusammengerollt, der tiefe, gleichmäßige Klang seines Atems war ein Trost für ihren mitgenommenen Geist. Sie schlüpfte unter die Decke und schmiegte sich von hinten an ihn, wobei sie ein Bei über seine warf und ihre Arme um seine Taille schlang. Obwohl er noch immer tief schlief, drückte er sich tiefer in ihre Wärme und ihren Trost. Und für eine kurze Weile, waren die Dämonen gebannt.



Georgetown
Freitag
09:30 Uhr


Das Zischen der Dusche trieb Grey an eine frische Kanne Kaffee anzusetzen. Das Wasser lief sehr lange und wurde abgestellt, als Grey gerade beschlossen hatte, nach seinem Bruder zu sehen. Als Mulder barfuss und mit nassen Haaren in das Wohnzimmer kam, hatte Grey eine Tasse des heißen Getränks, die er ihm in die Hand drückte. Mulder inhalierte das Aroma und gab ein leises Geräusch der Anerkennung, bevor er sich auf die Couch sinken ließ.

Grey studierte sein Bruder unauffällig, wobei er vorgab die Zeitung zu lesen. Fox sah immer noch ausgezehrt aus, wie ein Gummiband, das bis an die Grenze gedehnt war und nur noch einen Atemzug davon entfernt war zu reißen. Aber seine Augen waren klar und scharf, ohne die erschreckende Unklarheit der vorherigen Nacht. Alles in allem sah er erstaunlich gefasst aus, für einen Mann, der vor nicht einmal zwölf Stunden zitternd und schluchzend auf dem Boden zusammengerollt hatte. Verarbeitungsmechanismen – Dana scherzte nicht.

„Hast du Lust deine tief greifende Bewertung mit dem Testobjekt zu teilen?“, fragte Mulder sarkastisch und schreckte Grey von seiner Träumerei auf.

„Sicher. Zu blass, zu dünn, und sieht aus als könne er noch immer für eine Woche schlafen. Bist du jetzt glücklich, kleiner Bruder?“

Dad hatte Recht gehabt, als er behauptet, dass Angriff die beste Verteidigung sei. Grey lächelte innerlich, als Fox sich ärgerte seine Haltung jedoch fallen ließ.

„Wo ist Scully?“

„In Quantico bei der Autopsie. Sie ist vor etwa einer Stunde gegangen.“
Greys Tonfall wurde weicher. „Bevor sie ging hat sie mich gezwungen zu versprechen, dass ich dich nicht in die Nähe des Orts lassen würde.“

Die Zuneigung und Sorge in Greys Gesicht trieben Mulder auf die Füße, vorgeblich um seine nun leere Tasse in die Küche zu bringen. Während ein Teil von ihm sich nach der offenen, bedienungslosen Liebe seines Bruders sehnte, wie nach Regen nach einer besonders lange Dürre, warnte ihn seine bewusste, geschützte Seite, dass sein Bedürfnis schlussendlich in Schmerz und Verlust enden würde. Wenn es um Leute ging, die er liebte und die für längere Zeit blieben, war Mulders Geschichte lachhaft.

„Scully sorgt sich zu viel – und du auch.“, knurrte er über seine Schulter als er vorsichtig die Tasse ausspülte und sie in den Geschirrspüler gab. Zu Hause hätte er sie in der Spüle gelassen, aber das war schließlich Scullys Wohnung.

Mulder erwartete eine scharfe Antwort, die vielleicht aus seinen frischen Nervenzusammenbruch hindeutete, der ein Beweis dafür war, dass Sorge mehr als angebracht war. Grey sagte jedoch nichts und die Stille zog Mulder zurück ins Wohnzimmer. Zurück in die Schusslinie so zu sagen. Er spürte, wie er sich selbst mental auf einen Streit vorbereitete, während sich seine Hände unbewusst zu Fäusten ballten. Er ignoriert die meckernde Stimme des Psychologen in seinem Kopf, die andeutete, dass er Greys Wut provozieren *wollte*. Das es für Fox Mulder viel sicherer und bekannter war Wut zu akzeptieren als Liebe.

Als würde er seine Gedanken lesen, sprach Grey schließlich. „Sich zu sorgen geht Hand in Hand damit, jemanden zu lieben, Fox. Manchmal ist es fast unmögliche diese zwei Gefühle zu trennen.“

„Ich komme damit klar.“, antwortete Mulder stur und bewegte sich auf festeren Boden zu. „Ich weiß, dass ich letzte Nacht durchgedreht bin, aber das wird nicht wieder passieren.“

Trotz seiner Ankündigung zitterte seine Stimme leicht, was seine Ungeduld nur verstärkte. Mulder presste die Kiefer in einer unabsichtlichen Imitation von Skinner zusammen als er seine Bruder anfunkelte.

Greys Antwort war absolut nicht, was er erwartet hatte und warf in total aus dem Gleichgewicht. „Wie ist das, Fox?“, fragte er, seine Stimme leise und fast schon ehrfürchtig.

Mulder leckte seine Lippen. „Was meinst du?“, fragte er, obwohl er ziemlich sicher war, dass er es wusste.

„Profilen. In den Kopf eines Killers einzudringen und zu versuchen so zu denken wie er.“

Mulder setzte sich in einen Stuhl, seine plötzlich wackeligen und schwachen Beine schonend. Er starrte aus dem Fenster und Grey sah wie er sich auf sein Inneres konzentrierte. Als er schließlich sprach, waren die Worte glatt wie Glas und so bitter wie Tage alter Kaffee.

„Es fühlt sich als würdest du in ein tiefes, dunkles Loch greifen, um etwas herauszuholen, das du verloren hattest.“, murmelte er. „Manchmal ist das Loch voll mit scheußlichen Dingen – verrottendem Fleisch, den schleimigen Larven von monströsen mutierten Insekten, unbeschreiblichen Kreaturen mit scharfen Fängen, die Geschmack an menschlichem Blut finden – aber du musst deine Hand nur eine kleines Stück hineinstecken, um zu finden was du brauchst. Manchmal ist der Inhalt des Lochs nicht so abstoßend, aber du musst viel tiefer graben um an dein Ziel zu kommen – vielleicht sogar so weit, dass es so scheint, als würdest du dich mit den Zehen am Rand festhalten. Und manchmal…“

Mulder schweifte ab, ein kleiner Schauer lief durch seinen Körper. Als er fortfuhr, war seine Stimme kaum mehr, als ein Flüstern. „Manchmal ist das Loch mit jedem erdenklichen Grauen und einigen, die nicht mal die perverseste Fantasie zustande bringt. Und du merkst, dass du um zu bekommen was du brauchst tief in dieses Loch musst, tiefer als du je zuvor gegangen bist. Und sobald du drinnen bist, fangen die schrecklichen Dinge um dich herum an ein Teil von dir zu werden und du fängst an zu glauben, dass du nie wieder heraus kommst. Weil du zu dem Loch *geworden* bist und du nun dorthin gehörst.“

Er wandte seine Blick von dem Fenster ab und Grey zu, er erwartete fast schon Abscheu und Eckel zu sehen. Greys Gesicht war unnatürlich fahl, aber seine Augen zeigten Mitgefühl und tief greifenden Respekt.

„Ich habe gesehen, wie sehr dich das emotional mitnimmt, Fox. Warum machst du es weiterhin?“

Mulder seufzte und lehnte sich mit den Ellenbogen auf den Knien vor. „Weil ich es kann. Weil ich vielleicht den Wahnsinn beim nächsten Mal stoppen kann, bevor es zu spät ist. Und weil ich mir vor langer Zeit geschworen habe, dass ich niemanden zu einem Opfer werden zu lassen ohne darum zu kämpfen.

Er stand auf und ging schnell ins Schlafzimmer um einige Minuten später völlig bekleidet und mit seinen Schlüsseln in der Hand zurückzukommen. Grey stöhnte.

„Fooox! Ich hab’s ihr versprochen! Du bringst mich noch in Teufels Küche mit einer Frau, die eine Waffe trägt!“, jammerte er.

Mulders Lippen kräuselten sich, was einem Lächeln mehr ähnelte, als alles was Grey seit der Ankunft des letzten Herzens gesehen hatte. „Entspann dich, ich gehe nicht nach Quantico. Ich gehe zurück in meine Wohnung um den Tatort zu untersuchen.“

*Das soll mich wohl aufmuntern?* dachte Grey düster.

„Du hast den Tatort gestern Abend gesehen.“, sagte er laut, stand auf und stellte sich zwischen seinen Bruder und die Tür.

Mulder verdrehte seine Augen. „Ja. Richtig. Falls es dir nicht aufgefallen ist, ich war der auf dem Boden, der gebrabbelt hat.“ Er hielt inne um seine Geduld zu sammeln. „Grey, mir geht es jetzt gut, und ich muss es sehen. Dieser kleine Albtraum wurde nur für mich inszeniert, und es ist absolut möglich, dass da etwas ist, dass nur ich verstehen würde. Ich *werde* gehen. Du kannst mir entweder das Leben schwer machen oder mich dabei unterstützen.“

Grey ging widerstrebend zur Seite, doch sein Gesicht zeigte seine Unzufriedenheit. „Weißt du, manchmal denke ich du hast die Fähigkeit mich mehr zu irritieren als irgendjemand sonst auf dem ganzen Planeten.“, grummelte er. „Ich kann nur nicht sagen, wie du das machst.“

Mulder öffnete die Tür und grinste schelmisch. „Frag Scully. Sie macht eine Liste.“



Alexandria
Freitag
10:48 Uhr


Da die Leiche schon lange weggebracht worden war und die Spurensicherung gegangen war, blieb wenig außer dem gelben Absperrband der Polizei und der Schmiererei an der Wand, das auf einen Tatort hindeutete. Grey ging seinem Bruder aus dem Weg, während Mulder wie ein ausgehungerter Wolf auf der Fährte seiner Beute durch die Wohnung ging. Nach fast dreißig Minuten, in denen er das kleine Wohnzimmer aus buchstäblich jedem Winkel inspiziert hatte, ließ er sich mit einem frustrierten Grunzen auf den verstellten Kaffeetisch sinken.

„Hier ist irgendwas, ich kann es fühlen. Ich sehe es nur nicht.“

„Irgendwas in der Nachricht?“, schlug Grey vor. „In der Wortwahl?“

Mulder starrte an die Wand und kaute auf seiner Lippe. „Da sehe ich keine Offenbarungen. Er zieht eine Parallele zwischen dem Spiel, das Samantha und ich spielten und dem Spiel, von dem er glaubt, dass wir es spielen. Offensichtlich empfindet er meinen kleinen Urlaub um dich zu besuchen als einen Versuch meinerseits aufzugeben.“

„Okay. Was ist mit der Art, wie er die Buchstaben geschrieben hat? Sagt dir die Handschrift etwas über ihn?“, stachelte Grey, der nach Strohhalmen griff.

Zu seiner Verwunderung sprang sein Bruder abrupt auf und ging dichter an die Wand heran, er sah eindeutig krank aus. Seine Augen bohrten sich mit erschreckender Intensität in die Worte.

„Fox?“

„Wo ist die Akte?“, fragt Mulder, die Worte waren knapp und scharf.

„Welche Akte?“, fragte Grey irritiert.

„Die Akte, die wir letzte Nacht im Bureau gelesen haben. Roches Akte.“, blaffte Mulder, als würde Grey das Offensichtliche übersehen.

„Es ist in meiner Aktentasche, in deinem Auto, glaub ich. Warum?“

„Hol sie.“

Obwohl ihn Mulders herablassende Art extrem nervte, tat Grey wie ihm geheißen wurde – oder befohlen, wie es der Fall war – wobei er leise etwas grummelte. Sein Bruder riss ihm den schweren Aktenordner buchstäblich ohne ein Wort des Danks aus der Hand und trug ihn zum Schreibtisch, wo er begann eifrig durch seinen Inhalt zu Blättern.

„*Fox!*“, sagte Grey mit zusammengepressten Zähnen.

Mulder hielt seine Hand mit der Handfläche nach außen hoch, nur um einen Moment später zufrieden aufzuschreien, als er ein Stück Papier aufgriff. Greys tosenden Blick ignorierend, raste er zurück um sich direkt vor das Graffiti zu stellen, während seine Augen von der Wand zu dem Zettel und wieder zurück sprangen. Der Zettel begann tatsächlich zu beben, bis er wild wackelte. Immer noch verdutzt, aber nicht mehr sauer, ging Grey an Mulders Seite und nahm sanft den zitternden Bericht aus den bebenden Fingern. Sein Bruder bemerkte es nur indirekt, seine Augen waren auf die spöttischen Worte fixiert.

„Fox, was ist los? Was hast du entdeckt?“

Mulder schaffte es Grey nur für einen Moment anzusehen, bevor sein Blick wieder von der Wand angezogen wurde, wie Stahl von einem Magneten. „Die Handschrift.“, sagte sein Bruder leise mit fast blutleeren Lippen. „Sie kam mir bekannt vor. Es steht genau hier in dieser Akte, Grey. Diese Handschrift gehört zu John Lee Roche.“
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