World of X

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Regam

von Small Potato

Kapitel 7

Sonntag 17:06 Uhr; Route 49, südwestliche Richtung

Sie waren seit bald vier Stunden im Auto unterwegs, über Highways und schier endlose Landstraßen. Fred hatte ihr bereitwillig all ihre Fragen beantwortet, soweit er dies konnte.

Er erklärte ihr, dass er in Wahrheit ein toter Mann sei. Alfred Lempers. Als junger, vielversprechender Student wurde er mit 21 Jahren von einem seiner Dekane angesprochen, ob er nicht an ein paar Versuchsreihen teilnehmen wollte, als unterstützender Wissenschaftler. Er selbst hatte eine Arbeit über das prozedurale Gedächtnis kleinerer Säugetiere verfasst, was wohl einige der Forscher des neuen Projekts, dem er zugeteilt wurde, auf ihn aufmerksam gemacht hatte. Er hatte sich geehrt gefühlt und war, wie er sagte, mit geschlossenen Augen in sein Verderben gerannt.
Sein Leben, wie er es kannte war mit dem Moment vorbei gewesen, als er den Geheimhaltungsvertrag des Projekts `Regam´ unterzeichnet hatte – alles im Dienste der Regierung, im Dienste der Sicherheit der Vereinigten Staaten, so wurde ihm versichert.
Seine Arbeit verlangte ihm Alles ab, es begann mit kleineren Versuchsreihen an Ratten und Meerschweinchen. Dabei ging es um die Beeinflussbarkeit ihres Handelns, aber es wurden auch Tests durchgeführt um verschiedene Substanzen und deren Auswirkungen auf den Organismus der Tiere zu erforschen.
Später weiteten sich die Projekte aus, kleinere Studien wurden in Hospizen und mit Menschen, die im Todestrakt warteten durchgeführt – ohne deren Wissen. Nach und nach nahem sie in ihrem Labor selbst Menschen auf, um die Tests vor Ort durchführen und die Testpersonen rund um die Uhr beobachten zu können. Das Projekt hatte sich immer weiter ausgedehnt, immer mehr Versuchspersonen wurden in das Labor gebracht, sodass ein unauffälliges Arbeiten im Creansmanterlaboratory nicht mehr möglich gewesen war.
Die Abteilung kam schließlich in einem alten Militärschutzbunker unter, einem weitläufigen Tunnelsystem in Virginia, nahe Lunenburg, das einstmals als geheimer Zufluchtsort bei einer möglichen radioaktiven Verseuchung während des Kalten Kriegs gebaut wurde. Hier hatten sie die Möglichkeit ihre Versuchsreihe unbemerkt auszubauen.
Die menschenverachtenden Versuche, die von da an durchgeführt wurden, kannten keine Grenzen – von Details wollte er nicht sprechen.
Doch Scully spürte, wie sehr es ihm zusetzte, als diese Erinnerungen wieder in ihm hochkamen.
Nach einiger Zeit des Haderns hatten zwei Kollegen und er selbst sich dazu entschlossen, diese Versuchsreihe zu untergraben um sie letztlich beenden zu können.
Doch dazu kam es nicht. Durch die Überwachung der Angestellten, flogen seine Vorbereitungen auf und ihn hatte damals das gleiche Schicksal ereilt, wie vor einigen Tagen Laurie Sunkbarn – jedoch mit einem etwas anderen Ausgang.
Eine tiefe Traurigkeit schien über ihn zu kommen, er schluckte sie hinunter und fuhr fort.

Er selbst hatte überlebt. Als John Doe wurde er in einem Krankenhaus wieder aufgepeppelt. Die Männer, die für seine vermeintliche Ermordung verantwortlich waren, glaubten ihn sicher für tot. Darüber lächelte er, sie seien eben lediglich Forscher. Forscher mit einer ziemlich krankhaften sadistischen Ader, fügte er hinzu, aber eben keine Profikiller.
Nur seine Schwester, die während all dieser Zeit seine Vertraute war, suchte weiter nach ihm, glaubte nicht an seinen Tod und fand ihn schließlich.
Sie hatte dafür gesorgt, dass er einen Namen bekam, eine neue Identität.
Wie genau sie das angestellt hatte, hatte sie ihm niemals gänzlich offenbart. Aber sie hatte schon immer etwas zwielichtige Freunde, trieb sich in Kreisen herum, die seine Eltern – Gott sei ihrer Seele gnädig – niemals toleriert hatten. Sie war in den Augen ihrer Eltern das schwarze Schaf der Familie gewesen, doch waren er und sie immer besonders eng verbunden gewesen.

Fred blickte auf seine Hände, die in seinem Schoß ruhten. Er gab zu abgeschweift zu sein und erklärte, dass nun der schwierigste Teil folgen würde, denn dort, in diesem Krankenhaus hatte sich auch der schreckliche Vorfall zugetragen.
Scully konnte den Klos in seinem Hals förmlich hören.
Fred verstummte aber Scully musste es wissen und hakte nach, was an jenem dunklen Tag im Jahre 1994 geschehen war, wieso diese beiden Frauen ihr Leben lassen mussten.
Schweiß stand ihm auf der Stirn, seine Augen blickten starr geradeaus, schwammen jedoch.
Er könne es heute nicht mehr wirklich erklären. Er war sich in diesem Moment sicher gewesen, dass diese beiden, die Krankenschwester und die Seelsorgerin, geschickt worden waren, ihn zu holen. Sie hatten ihm Fragen gestellt, so viele Fragen und wollten Tests machen. Plötzlich sei er durchgedreht. Er habe Angst gehabt, schreckliche Angst, sagte er gepresst, es war Notwehr, sie hatten ihn nicht zurückbringen dürfen.
Scully wagte kaum zu ihm hinüberzuschauen. Sie runzelte die Stirn und fragte ihn, wieso er sie auch noch hatte verstümmeln müssen, ob es nicht gereicht habe, sie zu töten.
Fred hatte die Augen geschlossen und geflüstert, dass er nachschauen wollte, ob sie den Chip hatten.
„Was für einen Chip?“, hatte Scully nachgehakt.
Und da hatte er ihr geradewegs in die Augen geblickt und geantwortet, dass es ein selbiger sein musste, wie der, den auch Skopnitz hinter einem seiner Ohren eingepflanzt bekommen hatte. Den man hätte finden müssen, wenn er denn tatsächlich untersucht worden wäre. Dann hatte er genickt und beteuert, dass sie bald verstehen würde.
Nach einigen Momenten der Stille hatte Scully ihn gefragt, ob er einen solchen bei den beiden Frauen gefunden habe.
Fast unhörbar hatte dieser ein `Nein!´ geflüstert.

Seither hatte er sein Dasein, eingepfercht in verschiedenen psychiatrischen Anstalten für Gewaltverbrecher gefristet. Zugleich fügte er hinzu, dass er nicht meine, diese Bestrafung nicht verdient zu haben, schließlich hatte er zwei Menschenleben auf dem Gewissen. `offiziell´ – fügte er melancholisch in Gedanken hinzu.
Vorsichtig hatte Scully nachgefragt, was aus seinen Komplizen geworden sei. Daraufhin hatte er geantwortet, dass er keine Möglichkeit gehabt habe Informationen über sie zu bekommen. Er hatte das Schlimmste befürchtet.
Die schreckliche Gewissheit bekam er, als ihm seine Schwester vor einigen Tagen die Nachricht von einer Wasserleiche zukommen ließ. Er erkannte auf dem Bild Laurie. Die hatten sie umgebracht, dessen war er sich sicher. Und das konnte nur bedeuten, dass sie weiterhin versucht hatte, das Projekt zu sabotieren.
Laurie hatte früher schon die Idee gehabt, Beweise ans FBI zu geben. Er selbst hatte immer Zweifel daran gehegt, inwieweit die Regierung und somit auch das FBI dort mit drin stecken würden. Doch Laurie hatte stets daran geglaubt, dass die Gerechtigkeit siegen würde und man die Verantwortlichen für ihre Gräueltaten vor Gericht bringen und bezahlen lassen würde.
Die Nachricht von der Bombe und dem Attentäter machten das Bild komplett. Denn dieser Skopnitz war seit vielen Jahren Teil der Versuchsreihe in staatlichen Gefängnissen gewesen.

Scully war bei diesem Teil besonders hellhörig geworden und wollte sicherstellen, ob sie nur seinen Vermutungen zufolge unterwegs seien.
Da hatte er kurz und freudlos gelacht. „Agent Scully,...“ er hatte weiterhin gelächelt „...wissen Sie, wozu Die fähig sind? Die haben diesem armen Sauhund Skopnitz seit Jahren in seinem Gehirn herumgepfuscht. Er tat Dinge, die nicht aus eigener Motivation heraus erwachsen waren. Zunächst kleine Aufträge, wie beispielsweise welches Essen er über Wochen zu sich nehmen sollte, wen er anrufen sollte und was er dabei zu übermitteln hatte. Er wurde von ihnen, im wahrsten Sinne, ferngesteuert. Selbst nach seiner Entlassung ging diese Fremdbestimmung wohl weiter. Sein letzter Auftrag lautete, ins FBI Hauptquartier zu gelangen, um Malunis in der Abteilung der Forensik zu erschießen und dann eine kleinere Bombe zu zünden, um die Labore zu zerstören und vor allem die darin befindlichen Beweise zur Existenz dieser Präparate, die eine solch ausgefeilte Bewusstseinskontrolle zulassen. Die Ausrüstung bekam er von einem Maulwurf innerhalb des FBI, Die haben es nach einem Rachefeldzug aussehen lassen!“
„Menschen innerhalb des FBI haben ihre Finger im Spiel?“, hatte Scully nicht wirklich überrascht jedoch frustriert nachgehakt und hatte Georges Gesicht vor Augen während er um sein Leben kämpfte.
„Die Regierung weiß Bescheid, es sind schließlich ihre Studien. Auch hochrangige Tiere im FBI haben Kenntnis darüber, daher wurde auch nicht in alle Richtungen recherchiert. Ich habe früher schon von Ihrer Arbeit an den X-Akten gehört. Sie gehen Dingen nach, die von anderen als Humbug verkauft werden. Ich hatte das Gefühl, dass Sie meine einzige Chance sind. Sie können die Experimente entlarven!“


Es war alles gesagt, jeder hing seinen eigenen Gedanken nach und die Luft im Wagen knisterte vor schweigsamer Anspannung.
Die Landschaften zogen an ihnen vorbei. Lächerlich idyllisch wirkten die kleinen Farmen die mal hier mal dort angesiedelt waren, dazugehörige Felder und Weiden mit vereinzelten Rindern. Dann folgte lange Zeit nichts als einsame Wildnis, und Wälder, soweit das Auge reichte.

„Hier rechts!“, dirigierte Fred nach einer halben Ewigkeit.
Scully lenkte den Wagen auf einen schmalen Seitenweg. Steinchen und Matsch spritzten an den Seiten hoch und klopften gegen ihre Türen. Sie näherten sich einem großen Waldgebiet, hinter dessen Baumwipfeln die Sonne begann sich zu senken.
„Stellen sie es hier ab.“, kommandierte Fred kurz und Scully betrachtete ihn skeptisch.
„Hier? – Mitten im Nirgendwo?“
„Glauben Sie etwa, es gibt dort für uns einen Parkplatz vor der Tür?“
`Na großartig!´
Sie stiegen aus. Scully ließ Kopf und Schultern kreisen. Die lange Fahrt steckte ihr in den Knochen. Sie schloss für einen Moment die Augen.
„Und jetzt? Wo ist es?“
Er streckte den Arm aus und deutete in den Wald. „Noch etwa drei Meilen. Wir müssen uns beeilen, es wird bald dunkel!“
Scully bereute ihre Entscheidung, könnte sie doch nun zu Hause in ihrem Bett liegen und sich ein paar Seiten Walt Whitman hingeben. Aber dann schweiften ihre Gedanken wieder zu George und der schier unfassbaren Geschichte, die Fred ihr erzählt hatte. Nein, sie war am richtigen Ort, sie tat das, was sie tun musste, sie könnte nicht ruhig im Bett liegen, sie würde sich nur etwas vormachen.
Sie nahm den Rucksack aus dem Kofferraum, schloss den Wagen ab und folgte ihrem Begleiter zwischen die Bäume in den Wald.

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Die Dämmerung hatte bereits eingesetzt und sie hatten ihr Tempo erhöht, die Bäume sausten an ihnen vorbei, während ihre Füße über den härter werdenden Waldboden zu fliegen schienen.
Scully konnte Fred nur noch schemenhaft vor sich erkennen. Hauch stieg von ihren Mündern auf und vermischte sich mit dem, sie mehr und mehr einhüllenden Nebel des Waldbodens. Scully dankte Fred im Stillen dafür, dass er sie genötigt hatte, ihre Kleidung zu wechseln. Auf das hier war sie nicht vorbereitet gewesen.

Da, endlich, die Bäume wurden lichter, Sträucher wuchsen vor ihnen empor. Fred wurde langsamer, ließ sich auf den Boden fallen und kroch zwischen den Büschen aus dem Wald hinaus. Sie tat es ihm gleich.
Bäuchlings lagen die beiden nebeneinander auf dem kalten, harten Waldboden. Die Kälte wirkte beruhigend auf Scullys pochendes Herz, dass sich erst langsam wieder nach der langen Jagd durch die Bäume beruhigte.
„Da.“ Frederick nickte in Richtung eines, durch die Lichtverhältnisse schwarz wirkenden, flachen Gebäudes, etwa eine halbe Meile von ihnen entfernt. Es hob sich kaum ab vom dunklen Nachthimmel und Scully musste die Augen zusammenkneifen um seine Größe abzuschätzen.
Aus ihrem Rucksack zog sie ein Fernglas, um die Lage besser einschätzen zu können. Ein dunkler Geländewagen fuhr über das Areal, welches von einem hohen Zaun umgeben war, an dessen oberem Ende eine Stacheldrahtspirale angebracht war.
„Und jetzt?“ Scully fühlte sich leicht entmutigt in Anbetracht der Hürden, die sie zu überwinden hatten, bevor sie irgendeine Form der Beweise für die geheimen, experimentellen Machenschaften der Regierung zu Gesicht bekommen würde.

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