World of X

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Regam

von Small Potato

Kapitel 18

Dienstag 20:22 Uhr; Forschungsstation; Virginia

Die Stille nach der Explosion kreischte in ihren Ohren. Es war schwer die Besinnung wiederzufinden.
Mulder zog Scully aus der Luke heraus, sah wie der dichte Qualm sich über dem Gelände verbreitete und den Himmel verdeckte. Dann blickte er auf Scully zurück, die sich an seinem Arm klammernd einige Schritte weiter schleppte.
Mit einer Hand zog Mulder sein Funkgerät hervor. „Los Frohike! Hol uns ab!“, schrie er hinein, schleppte Scully noch etwas weiter zu einer Baumreihe und ließ sie dort vorsichtig nieder, sodass sie sich an einem der Stämme angelehnt für einen Moment ausruhen konnte.
Ihr ganzer Körper bebte. Erst jetzt nahm er wahr, dass sie lediglich ein Hemdchen trug. Er entledigte sich seiner Lederjacke und legte sie ihr um.
„Bist du verletzt?“ Seine Stimme war mit Angst belegt. Hastig schüttelte Scully den Kopf und zog sich die Jacke etwas enger um die Schultern. Mulder ließ den Schein der Lampe über sie gleiten. Ihre Hand- und Fußgelenke waren blutig aufgescheuert, die Haut ihrer nackten Arme und Beine war an vielen Stellen dunkel gefärbt, ob es von Schmutz oder Blutergüssen herrührte konnte er so nicht ausmachen. Ihre Haare waren zerzaust, ihr Blick ging ins Leere und sie schlotterte am ganzen Körper.
Er hockte sich zu ihr und schloss sie in seine Arme um sie zu wärmen und zu schützen. Wo verdammt nochmal blieb Frohike?

Nach einigen Minuten, die quälend langsam verstrichen waren, konnten sie endlich ein sich näherndes Motorgeräusch wahrnehmen und schließlich Mulders Wagen in der Dunkelheit ausmachen. Die Scheinwerfer hatte Frohike vorsichtshalber ausgeschaltet. Mulder leuchtete mit seiner Lampe in die Richtung des Fahrzeugs.
„Hey Scully,...“, er half ihr behutsam auf die Beine, „... lass uns von hier verschwinden!“
Sie nickte teilnahmslos und ließ sich bereitwillig von ihm auf die Rückbank helfen.

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Dienstag 20:45 Uhr; Route 40, nordöstliche Richtung

Die Stille im Wagen war drückend. Nur das beständige Rauschen der vorbeiziehenden Luft war zu vernehmen, als hätte ein jeder vergessen zu atmen.
Frohike steuerte den Ford sicher über die leere Landstraße. Scully saß am hinteren linken Fenster und starrte hinaus in die Finsternis. Sie hatte kein Wort gesagt, schien in einer anderen Welt, vollkommen regungslos und paralysiert.
Mulder blickte vorsichtig über seine Schulter nach hinten, um sie zu sehen. Seine Augen ruhten für einen Moment auf ihr, dann schaute er zu Frohike. Dieser erwiderte seinen Blick sorgenvoll, wagte jedoch keinen Ton von sich zu geben.
Ihre Augen richteten sich wieder auf die dunkle Straße, die vor ihnen lag. In der Ferne sahen sie hektisch blinkende Blaulichter auf sich zukommen und kurz darauf ertönten die schrillenden Sirenen zweier Löschfahrzeuge. Sie brausten an ihnen vorbei und verschwanden in der Schwärze der Nacht.

Nach etwa zwanzig Minuten lenkte Frohike den Wagen auf einen Rastplatz, wo sie bereits ungeduldig von Langly und Bayers erwartet wurden. Die beiden kamen auf das Fahrzeug zu, das langsam zum Stehen kam.
„Verfluchter Sauhund, Mulder!“, grinste Langly. „Wir hatten schon befürchtet, ihr hättet es nicht geschafft!“
Mulder nickte ihm dankend zu.
„Was ist mit Scully? Wie geht es ihr?“ Langlys Stimme klang ernsthaft besorgt.
„Ich weiß es nicht. Sie sagt kein Wort.“, gestand Mulder leise.
„Es geht mir gut!“ Alle drehten sich zu Scully um, sie steuerte auf wackeligen Beinen ihrem eigenen Wagen entgegen, setzte dabei ihre Schritte mit Bedacht, um sich ihren Schwindel nicht anmerken zu lassen. Dann öffnete sie die Beifahrertür und ließ sich erleichtert auf den Sitz gleiten.
„Du musst sie in ein Krankenhaus bringen!“, sagte Bayers direkt heraus.
„Nein!“ Es war Scully, mit fester Stimme, dann leiser. „Nein, bitte, kein Krankenhaus!“
„Aber Scully ...“, setzte Mulder an.
„Kein Krankenhaus!“, wiederholte sie bestimmt.
Mulder kaute auf seiner Unterlippe, wog im Kopf die Risiken ab und nickte schließlich zögernd.
„Okay, kein Krankenhaus.“
Dann wandte er sich wieder den anderen zu. „Ich denke, wir könnten alle etwas Ruhe gebrauchen. Fahrt ohne uns. Ich melde mich, sobald ich kann.“ Sie nickten ihm zu, wussten, dass Widerworte zwecklos sein würden und öffneten die Türen zu Mulders Auto. „Ach und Jungs, danke!“, damit stieg Mulder zu Scully in den Wagen und brauste davon.

„Scheiße, Leute,..“ Frohike konnte seinem Drang zu fluchen einfach nicht unterdrücken. „...also, das hatte ich nicht erwartet!“ Und schüttelte vor Ungläubigkeit über die letzten Stunden den Kopf.

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Dienstag 22:06 Uhr; Motel an der Route 360

Die Fahrt war schweigend verlaufen. Mulder hatte immer wieder zum Beifahrersitz hinüber gespäht. Sie hatte einfach nur da gesessen, hatte keine Mine verzogen, ihre Augen waren starr geradeaus gerichtet, doch ihr Blick war ganz woanders gewesen. Sie sah Dinge, die er nicht zu sehen vermochte. Und er hatte spüren können, wie sie Mauer um Mauer errichtete, um sich vor den Geschehnissen zu schützen. Ihre sonst so strahlende Anmut war einer stumpfen Maske gewichen, die sie krampfhaft aufrecht zu erhalten versuchte.
Die Angst, sie noch tiefer in ihr Versteck zu treiben, hatte ihn von dem dringlichen Wunsch abgehalten, sie zu berühren, mit ihr zu sprechen. Er fühlte sich so machtlos angesichts ihres Schmerzes und der Art und Weise, wie sie sich vor ihm verschloss, ihn ausschloss und ihren inneren Kampf alleine ausfocht.
Er hatte seine Konzentration versucht, wieder auf die Straße zu richten, doch die bleierne Erschöpfung hatte mehr und mehr Besitz von ihm ergriffen, sodass er sich letztlich dazu entschieden hatte, ein Motel für den Rest der Nacht aufzusuchen.


Nun drang das Geräusch von prasselndem Wasser beständig an sein Ohr. Mulder war eine Zeit lang unruhig in dem kleinen Zimmer auf und ab gelaufen. Er war damit beschäftigt gewesen, seine Gedanken zu sortieren, das Geschehene zu verstehen und im Geiste alle Fakten zusammen zu tragen um das große Ganze zu sehen. Aber seine Aufmerksamkeit glitt immer wieder weg von dem Fall, hin zu dem, was hinter dieser Badezimmertür vor sich ging.
Irgendwann ließ er sich in den Sessel in der Ecke fallen, sah auf seine Armbanduhr und rieb sich die Augen, unfähig zu fassen, was geschehen sein mochte. Sein Herz schlug hart, die Wut raste in ihm und zugleich war da diese tiefe Befriedigung, sie gefunden zu haben. Sie lebend gefunden zu haben und all dem rechtzeitig entkommen zu sein. Er lehnte sich zurück, schloss die Augen.
Grausame Bilder spielten sich vor seinem inneren Auge ab. Bilder von der Realität, die er gesehen hatte, vermischt mit seinen schlimmsten Befürchtungen, was ihr angetan worden sein konnte.
Er lehnte sich wieder vor, die Ellenbogen auf die Knie gestützt, sein Gesicht in seinen Händen vergraben. So verharrte er einen Moment und schaute dann abermals auf seine Uhr. Sie war nun schon bald eine halbe Stunde da drin.

Er erhob sich und ging hinüber zu der Tür, zögernd klopfte er, „Scully?“ – keine Antwort. „Scully, ich werde nun reinkommen!“, sagte er etwas lauter, drehte sachte den Knauf und schob die Tür auf.
Heißer, dichter Dampf erfüllte das kleine Bad. Sein Herzschlag erhöhte sich, „Scully?“, langsam setzte er einen Fuß vor den anderen und streckte seine Hand nach dem Vorhang aus. Vorsichtig, um sie nicht zu erschrecken, zog er ihn ein Stück zur Seite. Scully stand da, unter dem heißen Wasserstrahl, sich mit den Händen an der gefliesten Wand abstützend, den Kopf gesenkt.
Sie stand einfach so da, regungslos, scheinbar nicht einmal wahrnehmend, dass er hier war. Mulder drehte das Wasser ab, das auf seiner Haut brannte, als es ihm über Hand und Arm lief. Dann griff er den Bademantel, der an einem Haken neben der Dusche hing, und legte ihn Scully um die Schultern. Mit seiner linken Hand hielt er den Mantel vor ihrer Brust zusammen, die rechte schlang er um ihre Hüfte und führte sie hinaus aus dem dampfenden Bad, in das kleine Zimmer.

Bereitwillig, beinahe teilnahmslos, ließ sie sich zu dem Bett leiten. Er schlug die Decke zurück und sie sank auf die Kante nieder. Den Blick noch immer gesenkt. Langsam hockte sich Mulder vor sie, sah von unten zu ihr hinauf, in ihr beschämtes Gesicht. Sie versuchte seinem Blick auszuweichen, doch seine Augen suchten beständig nach den ihren. Bis er sie schließlich fand und er konnte in ihnen lesen und sie ließ ihn gewähren.
Diese erste Mauer begann zu bröckeln.
Eine stumme Träne irrte haltlos an ihrer Nase hinab und er erhob sich halb, kniete vor ihr und zog sie an sich. „Ist schon gut!“, flüsterte er, sie mit beiden Armen haltend. Er spürte, wie die Mauer in sich zusammen fiel und fühlte zugleich seine eigene Hilflosigkeit, in Anbetracht der Angst und des Schmerzes, die dahinter zum Vorschein kamen.

Mulder kletterte zu ihr aufs Bett, zog sie näher zu sich, legte ihr die Decke um und schlang seine starken Arme um sie. Ihren Kopf unter seinem Kinn ruhend, bebte ihr Körper in seiner Umarmung. Er hüllte sie ein, und bedeckte sie mit all seiner Liebe. Er hielt sie fest und bestimmt um sie zu schützen und zugleich so behutsam er nur konnte. Denn es war, als hielte er ihre Seele in seinen Händen und würde er sie unvorsichtig anrühren, so lief er Gefahr sie zu zerbrechen.
Heiße Tränen rannen ihre Wangen hinab, unmöglich sie aufzuhalten, unmöglich sie zu kontrollieren. Ein Schluchzer bahnte sich seinen Weg tief aus ihrem Inneren heraus und sie verlor sich in seinen Armen und nichts war noch existent außer der Wärme und des Halts.

So saßen sie da, er hielt sie in seinen Armen, unfähig seine Gefühle zu ordnen und Mulder wünsche, er könnte ihr den Schmerz nehmen, könnte sie schützen vor all dem, was ihr widerfahren war. Seine Machtlosigkeit und Furcht bohrten sich tief in sein Herz und er realisierte, dass er nicht nur sie hielt, sondern sich ebenso an ihr festhielt und so spendeten sie sich gegenseitig Halt und Trost.

Nach langer Zeit versiegten die Tränen und Scullys Körper wurde ruhiger und entspannte sich an seiner Brust. Ihr Atem ging nun langsam und gleichmäßig und sie glitt hinein in einen dankbaren Schlaf. Behutsam legte er sie auf die Kissen um ihr die so dringend benötigte Ruhe und Entspannung zu gewähren. Sorgsam breitete er die Decke über ihr aus und strich ihr eine Strähne, noch immer feuchten Haares aus dem Gesicht. Ihre Wangen waren noch blasser als gewöhnlich und wirkten eingefallen, tiefe Ringe lagen unter ihren Augen. Aber sie war hier. Sie war am Leben. Er hatte sie zurück.
Überwältigt von seiner Liebe nahm Mulder ihre Hand sacht in die seine. Er führte sie an seine Lippen, hauchte einen Kuss auf ihre Handfläche und legte sie sich für einen kurzen Moment an seine Wange. Er schloss seine Augen und konnte einzelne Tränen, die sich hinauf kämpften, nicht unterdrücken.
Schließlich erhob er sich vom Bett, doch Scully umklammerte seine Hand, hielt ihn davor zurück, zu gehen. Er verstand ihre Botschaft und legte sich langsam zurück zu ihr, zog sie in seine Arme und spendete Kraft für die Träume, die folgen sollten...

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