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Regam

von Small Potato

Kapitel 19

Freitag 03:28 Uhr; Scullys Apartment; Georgetown

Schweißgebadet schreckte Scully aus wirren, angsteinflößenden, fremden und doch allzu realen Träumen hoch. Es kostete sie einige Augenblicke, bis sie sich einzuordnen wusste.

Grob rüttelte der kalte Novemberwind an den Holzläden der Fenster. Ihr Schlafzimmer war in Finsternis getaucht, nur ab und an ließ eine Lücke in der Wolkendecke, die über D.C. zog, das aschfahle Licht des kalten Mondes das Mobiliar in ihrem Schlafzimmer erahnen.
Mit leisem Stöhnen legte sie ihre Hände flach auf ihr erhitztes Gesicht, die Kühle, die von ihnen ausging beruhigte sie. Tief atmete sie ein, versuchte zu spüren, dass sie sich in Sicherheit befand. Sie griff nach der Wasserflasche auf ihrem Nachttisch – leer.
Langsam erhob sie sich. Kurz verzog sich ihr Gesicht zu einer Grimasse, als sie mit stechendem Schmerz daran erinnert wurde, wie geschunden ihre Füße und Knöchel waren. Doch der Heilungsprozess hatte bereits begonnen. Nicht zuletzt, weil Mulder noch in der Nacht ihrer Befreiung sich ihrer körperlichen Wunden angenommen und diese achtsam versorgt hatte.

Auf leisen Sohlen machte sich Scully auf den Weg in ihre Küche, warf dabei einen verstohlenen Blick auf die Couch. Das unnatürlich grellblaue Licht des Fernsehers tanzte über einen schlafenden Mulder. Der Ton des Gerätes war beinahe ausgeschaltet, er hatte sie wohl nicht stören wollen.
Bei seinem Anblick erhaschte sie das traurige Bewusstsein darüber, dass dies zumeist die einzige Art war, wie Mulder sein Hirn ausschalten und zur Ruhe finden konnte. Sie trat noch einen Schritt näher, betrachtete ihn, studierte seine wohlbekannten und zugleich unergründlichen Gesichtszüge. Seine markante Nase, die kantigen Wangenkochen und diese vollen Lippen, welche ihren Blick für einen Moment gefangen hielten. Seine bloße Anwesenheit verbreitete in Scully ein Gefühl der Wärme und Sicherheit. Sie hatte ihm versichert, allein zu recht zu kommen, doch er war nicht von ihrer Seite gewichen. Ihre tiefe Dankbarkeit darüber blieb unausgesprochen. Wie so Vieles.

Mulder hatte sie zu überzeugen versucht, sich in einem Krankenhaus untersuchen zu lassen, doch sie hatte vehement abgelehnt und schließlich hatte er klein bei gegeben. Sie hatte die Vorstellung nicht ertragen können, sich wieder Fremden hinzugeben und Untersuchungen über sich ergehen zu lassen.
Sie wollte wissen, was mit ihr geschehen war, doch war ihr Geist zu geschwächt, zu gepeinigt.
Am Küchentisch sitzend hatte sie sich, als sich die Sonne am Mittwoch Nachmittag bereits zu senken begonnen hatte, eine Binde um den Oberarmgelegt und – ganz die Ärztin – sich zwei Röhrchen Blut abgenommen. Diese warteten nun seelenruhig zwischen Erbsen und Fisch in ihrem Tiefkühlfach darauf, dass Scully physisch und psychisch stark genug sein würde sich der Wahrheit der vergangenen Woche zu stellen. Doch dieser Zeitpunkt war noch nicht nahe.

Nun lenkte sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf ihren schlafenden Partner. Sein jungenhaftes Gesicht, in tiefer Entspannung, ließ sie selbst Frieden fühlen und ein Lächeln huschte über ihr Gesicht und trieb ihr beinahe Tränen in die Augen als sie ihre Gefühle für ihn, ihren Körper und ihre Seele überkommen fühlte.
Seine Lider flackerten ein wenig und sie konnte darunter die Bewegung seiner Augen verfolgen. Er träumte. Doch seine Atmung blieb weiterhin ruhig.
Dieser wundervolle Geist kam selten zur Rast und sie fragte sich während sie mit ihrer Betrachtung fortfuhr ob er jemals seinen Frieden finden würde. Sacht strich sie mit ihren Fingerspitzen über seine Wange. Warm und rau. Einen tiefen Atemzug nehmend entspannte sich sein Körper und seine Augen beruhigten sich unter seinen Lidern.
Vorsichtig zog Scully ihm die Decke, die ein Stück hinabgerutscht war, wieder über seine Schultern und ging in die Küche.
Dort öffnete sie einen der Hängeschränke, nahm sich ein Glas und füllte es mit kaltem Wasser aus der Leitung. Zwei große Schlucke ließ sie ihre Kehle hinabrinnen und sank dann auf einen ihrer Stühle nieder. Sie griff die Zeitung, die ausgebreitet vor ihr auf dem Küchentisch lag.
Mulder hatte sie auf dem Rückweg an einer Tankstelle mitgenommen. Sie überflog zum zigsten Male den kleinen Artikel unter der Rubrik `Sonstiges´. Die Überschrift lautete `Kurzschluss in stillgelegtem Militärbunker geht glimpflich aus´, im Geiste schüttelte sie den Kopf. Kein Wort über die Nutzung dieses unterirdischen Systems, kein Wort über die Opfer, kein Wort über irgendetwas. Lediglich ein Hinweis über die Kosten der Abrissarbeiten, des vollkommen ausgebrannten und eingestürzten Gebäudes, mit `Schutzbunkerfunktion´. Sie nahm einen weiteren Schluck, stützte ihren Ellbogen auf den Tisch und lehnte ihren Kopf gegen die Hand.
Ihr Blick ging ins Leere und sie versuchte zum wiederholten Male Sein von Schein, Realität von Täuschung zu trennen. Doch gelang es ihr auch dieses Mal nicht, sich selbst Klarheit zu verschaffen über die vergangenen Tage, die sie in Dunkelheit, Angst und in der Gewalt rücksichtsloser Dr. Frankensteins verbringen musste.
Tief in ihr wusste sie, was sie gesehen hatte, doch legte sich jedes Mal, bei genauerer Betrachtung ein Schleier über ihre Erinnerungen. Wie beim Greifen nach einem Traum entglitten die Bilder sobald sie allzu angestrengt danach forschte. Frustriert ließ sie los, versuchte ihre Gedanken gleiten zu lassen und nur im flüchtigen Vorbeischauen den ein oder anderen Blick darauf zu erhaschen. So gab sie sich dieser furchteinflößenden Erinnerung hin und driftete hinein in einen Nebel aus Bildern, Gerüchen und Stimmen.

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Freitag 08:49 Uhr; Scullys Apartment; Georgetown

Seine Glieder schmerzten. Obwohl Mulder es gewohnt war, seine Nächte nicht in einem Bett zu verbringen, fühlte er sich wie gerädert.
Er streckte sich, wobei seine Gelenke hörbar ihren Unmut kund taten. Er rieb sich sein Gesicht und griff nach der Armbanduhr, die auf dem kleinen Tischchen vor ihm lag. Schon kurz vor neun. So lange schlief er für gewöhnlich nie, jedoch wurde ihm dabei bewusst, dass dies die erste nach vier Nächten war, in der er überhaupt in den Schlaf gefunden hatte.
Er erhob sich, blickte sich in Scullys stiller Wohnung um und erblickte sie zu seinem Erstaunen zusammengesunken am Küchentisch, ihren Arm darüber ausgestreckt, den Kopf auf dem Oberarm ruhend. Ihr rostrotes Haar ergoss sich über das helle Holz des Küchentischs und fiel ihr zum Teil übers Gesicht. Ihr Oberkörper hob und senkte sich in einem gemächlichen Rhythmus und durch ihren dünnen Pyjama konnte er die Konturen ihres schmalen Körpers erahnen. Und obwohl Mulder sich ihrer Stärke bewusst war, wirkte sie auf ihn in diesen Tagen furchtbar zerbrechlich.
Abermals fraß das Gefühl an ihm, versagt zu haben.
Wut stieg in ihm auf, auf die Welt, auf Scullys Gott und vor allem auf sich selbst. Wieso war er nicht fähig, die, die er liebte zu schützen? Viel zu häufig schon war Scully seinetwegen Situationen ausgesetzt gewesen, die ein Angriff auf ihre Seele gewesen waren. Und auch wenn sie alles daran setzte, immer professionell mit diesen Schicksalsschlägen umzugehen, so wusste Mulder, dass dies lediglich perfekt aufgezogene Fassaden waren. Mauern, hinter denen sie ihre Gefühle verschloss, um sich vor der Welt zu schützen.

Er schaltete den Fernseher aus. Draußen war die Morgendämmerung in vollem Gange und Zwielicht mischte sich mit dem dreckigen Weiß der Straßenbeleuchtung und drang ins Innere der Wohnung. Er ging auf sie zu, zum Greifen nah und doch so fern.

Das Klopfen an der Wohnungstür ließ beide gleichermaßen aufschrecken. Verwirrt starrte Scully ihn mit angsterfüllten Augen an. „Schon gut!“, flüsterte er, dem Bedürfnis sie in den Arm zu nehmen widerstehend. Ermutigend nickte ihr zu und ging zur Tür um zu öffnen.

„Hey Scully, kannst du ein Einschreiben entgegen nehmen?“, rief er ihr über die Schulter zu.
Auf dem Weg zur Tür nahm sie die Decke vom Sofa und schlang sie sich um den Körper. Sie schenkte zunächst Mulder, dann dem Boten einen skeptischen Blick, unterschrieb auf dem Klemmbrett, das ihr entgegen gestreckt wurde und nahm den schmalen braunen Umschlag entgegen.

Zurück am Küchentisch öffnete sie die Lasche und ließ vorsichtig den Inhalt auf den Tisch gleiten. Ein Zeitungsartikel und ein zusammengefalteter Zettel. Mulder setzte sich neben sie.
Mit leicht zittrigen Fingern griff Scully nach dem Zettel, öffnete ihn. Große schwarze Druckbuchstaben starrten ihnen entgegen `DANKE´. Sprachlos nahm Scully die Kette die darauf lag, mit beiden Hände hoch, sodass ihr kleines goldenes Kreuz vor ihren Augen funkelnd hin und her schwankte.

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Der Zeitungsartikel ruhte bislang unbeachtet in der Mitte des Tisches.

`Fünf Tote bei missglückten Bankraub
– Am frühen Abend nahm ein Überfall im Herzen von Washington D.C. seinen tragischen Ausgang. Nach Angaben der Polizei stürmten gegen sechs Uhr am Nachmittag zwei in schwarz gekleidete, maskierte Männer die Washingtoner Zentralbank. Sie brachten zwölf in der Bank befindliche Menschen in ihre Gewalt. Durch die Auslösung des Stillen Alarms wurde die Polizei um 18:14 Uhr hinzugerufen und stürmte die Bank um 19:34 Uhr, nachdem innerhalb des Gebäudes Schüsse gefallen waren. Bei dem anschließenden Schusswechsel verloren fünf Menschen ihr Leben, darunter die beiden Bankräuber, eine Polizistin und zwei Zivilpersonen, einer davon war Arthur McFaldish Associate Deputy Director des FBI. Drei weitere Personen wurden anschließend zur ärztlichen Behandlung ins Krankenhaus gebracht.
Dieser Vorfall bringt erneut die Debatte nach stärkeren Kontrollen zur Erhöhung der inneren Sicherheit auf den Tisch.´


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Wow, hat jemand durchgehalten?
Danke für´s Lesen!!

Ich möchte noch anmerken, dass Mulder, Scully, die Einsamen Schützen, Skinner und Danny alle natürlich nicht mir gehören, sondern ich mir sie nur mal eben ausgeliehen habe. Danke dafür.
Weiterhin habe ich mich an Orten in den USA bedient, sowie zum Teil auch Namen für Krankenhäuser und Banken abgeguckt. Außerdem nutzte ich noch den wundervollen Titel "Stairway to heaven" von Led Zeppelin.

Habe ich etwas vergessen?

Ach ja, leider sind auch MKUltra, Operation Paperclip, Phoenix II und Trident, sowie das KUBARK-Handbuch leider nicht meiner Phantasie entsprungen...
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