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Regam

von Small Potato

Kapitel 12

Montag 13:54 Uhr; Forschungsstation; Virginia

Gleisendes Licht brannte in ihren Augen, ein metallischer Geschmack lag auf ihrer Zunge und zog sich ihre Speiseröhre hinab. In ihrem Kopf tobte ein wildes Meer, das immer wieder gegen ihre Schädeldecke schlug und sie fast wieder die Besinnung verlieren ließ.
Gierig sog sie die Luft durch den Mund ein und kämpfte gegen eine ungeheure Übelkeit an. Noch immer war sie nicht in der Lage, ihre Augen zu öffnen, zu schmerzhaft war das Licht nach der Zeit der Dunkelheit.
Sie befand sich in einer halbaufrecht sitzenden Position, spürte, dass ihre Hand- und Fußgelenke mit kalten Eisenschellen an ihrem Stuhl fixiert waren. Wie viel Kraft sie auch aufwand, es gelang ihr nicht, sich zu befreien sondern führte nur zu weiteren Blitzen, die ihr durch den Schädel fuhren. Durch das Rauschen in ihren Ohren nahm sie entfernte Stimmen wahr.
„Los...machen! ... Ich ... bin ... Bundesagentin!“, stammelte sie mit schwerer Zunge. Ihre Stimme klang so fremd und rau, dass sie sich nicht sicher war, ob es wirklich sie selbst war, die sprach.

Sie zuckte zusammen, als sich eine große Hand auf ihren Oberschenkel legte und einen kräftigen Druck ausübte, sie zwang sich dazu die Augen zu öffnen, konnte aber lediglich die Konturen eines hochgewachsenen Mannes auszumachen.
„Das haben Sie sich ganz alleine selbst zuzuschreiben! Waren Sie nicht neugierig, auf das, was hier geschieht? Sie werden es erfahren!“ Seine Stimme war kalt und klang verzerrt, wie alles das sie wahrnahm.
„Bitte...“, es war ein aufrichtiges Flehen, welches sich seinen Weg nach Außen bahnte ohne, dass sie sich dessen bewusst war.

Der Mann drehte sich weg von ihr, „Geben Sie ihr noch eine Dosis!“, die Anweisung galt einer weiteren, sich im Raum befindenden Person. Scully konnte die, sich nähernden Schritte hören und die Panik ergriff Besitz von ihr.
„Nein!“, sie kämpfte mit aller Macht, um sich aus ihren gnadenlosen Fesseln zu befreien, mit dem einzigen Ergebnis, dass sie sich ihre Gelenke wund scheuerte. „Nein – Nein!“
Der Einstich war das Letzte, das sie wahrnahm, bevor ihr die Augen zu flackern begannen und sie das Bewusstsein verlor.
„Sollen wir direkt loslegen?“, fragte er seinen Vorgesetzten.
„Ich erwarte sorgfältige Arbeit! Es wäre fatal, noch mehr Aufmerksamkeit auf uns zu ziehen!“
„Wieso beseitigen wir sie nicht einfach?“
„Hören Sie, Cole, ich sagte: noch mehr Aufmerksamkeit schadet uns mehr, als alles andere! Die Aktion in Washington war schon zu riskant, noch einen toten FBI Agenten können wir uns nicht leisten!“ Sein Ton war streng und die Anspannung war ihm anzusehen, es stand zu viel auf dem Spiel. „Finden Sie heraus, was sie weiß und löschen Sie alles! Ich will über jeden Schritt informiert werden! Haben Sie mich verstanden?“
Der jüngere Wissenschaftler straffte sich „Jawohl, Sir!“
Sein Vorgesetzter nickte und verließ den hellen Raum und Cole blieb mit der regungslosen Agentin zurück.

Er wusste, was er zu tun hatte, war es doch letztlich beinahe zur Routine geworden. Cole schüttelte den Kopf und versuchte diese Gedanken beiseite zu schieben. Aber das mulmige Gefühl wurde er heute einfach nicht los. Zu viele Schwachstellen waren in der letzten Zeit aufgetaucht. Zunächst die Entwendung der Substanzen und die Prozedur, herauszufinden, was mit ihnen geschehen war. Er hatte Laurie als Kollegin eigentlich immer geschätzt und so hatte es Cole beinahe Leid getan, sie zu behandeln. Aber sie hatte das Projekt nun mal in erhebliche Gefahr gebracht, somit war keine andere Möglichkeit geblieben, als dieses Risiko zu beseitigen.
Das weitere Vorgehen mit Skopnitz hatte sich als Glücksfall herausgestellt, der Kontaktmann des FBI versicherte, dass alles nach Plan verlaufen war und keiner Verdacht geschöpft habe. Er war vertrauenswürdig; ein hohes Tier im Bureau. Jedoch musste ihm wohl etwas entgangen sein, sonst hätte gestern Abend nicht diese Agentin in den Labors herumgeschnüffelt.
Irgendetwas war schief gelaufen und es musste herausgefunden werden was und wer dafür die Verantwortung trug! Das Projekt war schon lange nicht mehr sicher und er wünschte sich, der Abbau würde schneller von Statten gehen.

Er fuhr den kleinen Rollwagen zu sich heran und drapierte ihn mit verschiedenen Fläschchen und Spritzen, die er aus den kleinen Hängeschränkchen hervorzauberte. Er kontrollierte den Sauerstoff und stellte ein Glas Wasser bereit.
Während er alles für das Verhör vorbereitete summte er ein Lied um sich von seinen trüben Gedanken loszureißen. Er hatte es am Morgen im Radio gehört und es war ihm seither nicht mehr richtig aus dem Kopf gegangen.
Schließlich hielt er inne, betrachtete sein Arrangement und nickte zufrieden, dann blickte er auf die Uhr. Gleich zehn nach zwei, Martie schien sich wohl zu verspäten.
Gerade als er diesen Gedanken hatte, öffnete sich die Tür und sein älterer Kollege trat herein. „Ist alles vorbereitet?“
Martie hatte ein rundliches Gesicht mit weichen Zügen, seine Stimme war etwas tiefer, als man es vielleicht erwarten würde, wenn man ihn das erste Mal traf.
„Alles soweit klar. Vitalzeichen sind in Ordnung, für unsere Zwecke sogar sehr gut.“ Er nickte dem Älteren zu. „Lass es uns anfangen. Je eher wir sie wieder los sind, desto besser! Ich bin dann mal drüben!“ Damit ging er in den kleinen Nebenraum, um die Vitalfunktionen zu überwachen. Er nickte seinem Kollegen durch die große Scheibe zu.

Martie, ein Mann, der seine besten Jahre bereits hinter sich zu haben schien, griff nach einem der Fläschchen, prüfte das Etikett `5-Ethyl-5-isopentylbarbitursäure´, nickte zufrieden und zog gewissenhaft eine der Spritzen auf. Er hielt sie gegen das Licht, klopfte leicht dagegen und ließ die kleine Luftblase komplett entweichen, bis aus der Nadelspitze die ersten Tröpfchen heraustraten.
Routiniert, jedoch mit äußerster Vorsicht injizierte er das Amobarbital in die Kanüle in ihrer linken Hand.
„Versuchen wir es mal hiermit, junge Dame.“, sprach er mit freundlichem Ton. „Mal sehen, ob Sie uns etwas erzählen möchten!“
Mit einer weiteren Injektion, diesmal eines Wachmachers, schien langsam wieder Leben in die junge FBI Agentin zurück zu kehren.

Ihre Lider waren schwer und Scully musste all ihre Kraft dazu aufwenden, sie zu öffnen. Doch war das Licht noch immer so grell, dass sie sie sogleich wieder zusammenkniff.
„Dana!“
Sie war verwirrt, fragte sich, zu wem diese Stimme gehörte, sie war ihr nicht vertraut, klang aber so rund und voll, dass sie beinahe die ihres Vaters hätte sein können.
„Dana!“
Wieder! Sie zwang sich abermals die Augen zu öffnen. Zunächst war ihr Blick verschwommen und sehr undeutlich, doch nach einigem Blinzeln schaffte sie es, den Mann vor sich zu fokussieren.
Es war ein älterer Herr, dessen einstmals wohl schwarzes Haar grau meliert war. Er trug einen dunkelblauen Strickpullover und darüber einen weißen Kittel, der locker seine nicht mehr ganz so schlanke Statur versteckte.
Scully atmete erleichtert auf. Sie wusste nicht genau, wo sie gewesen war, die Tatsache jedoch, dass ihr nun ein Arzt gegenüberstand und mit ruhiger Stimme zu ihr sprach, beruhigte sie ungemein.
`Wenn nur nicht diese Kopfschmerzen wären!´ Sie wollte sich mit ihren Händen die Schläfen massieren. Der Schock traf sie wie ein Fausthieb, sie konnte ihre Hände nicht bewegen. Sie war fixiert!
Panisch starrte sie den Mann vor sich an und schluckte hart.
„Ich... bitte, lassen Sie mich gehen!“
„Ja aber natürlich.“, sprach dieser mit einem Lächeln auf seinen Lippen. „Zuvor müssen Sie mir aber noch ein paar Fragen beantworten.“
„Ich habe aber gar keine Antworten.“ Es war die Wahrheit. Ihr Kopf schien leer und müde und sie konnte nur schwer ihren eigenen Namen zusammenkriegen.
„Na, machen Sie sich mal keine Sorgen, junge Dame, das bekommen wir zwei schon hin!“, er räusperte sich. „Also, Sie sind...?“
Scully versuchte trotz ihrer Panik ruhig zu bleiben. `Was zum Teufel soll das? Wo bin ich?´ Bilder blitzten auf `In einem Gebäude – einem flachen, einstöckigen Gebäude, ja! Oh Gott, der Gang!´ Sie sah sich selbst mit einem Mann `Fred!´ durch einen langen Gang gehen, links und rechst diese Räume. `Zellen! Operationssäle! Untersuchungsräume!´
Und mit einem Mal wusste sie, wo sie war, was sie hier wollte und das Bewusstsein dafür, dass sie sich in einem dieser Untersuchungsräume aufhielt raubte ihr die Sinne.
Sie begann hektisch zu atmen, kämpfte gegen ihre Fesseln an und schaukelte sich immer höher in ihre eigene Panikattacke, sie begann zu hyperventilieren, die Muskulatur ihrer Hände krampfte und ihre Lippen wurden taub. Schließlich verlor sie, beinahe dankbar, das Bewusstsein.

Martie atmete tief durch und sah mit einem leicht genervten Achselzucken hinüber zu Cole der ihm von dem anderen Räumchen ein Zeichen gab. Martie nahm die Hyperventilationsmaske vom Haken des Rolltischchens, hielt sie geduldig auf Scullys Mund und Nase und wartete, bis sie wieder zu sich kam. Zusätzlich spritzte er ihr eine weitere Dosis.
Scully hatte Mühe, wieder klar zu sehen. Der Ton des älteren Mannes wurde nun etwas fordernder, nahm beinahe einen Befehlston an. „Nennen Sie mir Ihren Namen und Ihren Auftrag!“
Benebelt, ohne wirklich im Hier und Jetzt angekommen zu sein lallte Scully ihren Namen, Dienstnummer und –grad wie im Schlaf herunter. Sie wollte einfach nur, dass es vorbei war!

Und dann begann das Verhör. Fragen über Fragen wurden ihr gestellt, manche von ihnen beantwortete sie gleich, von anderen verstand sie nicht den Sinn. Manches Mal driftete sie ab, dann nahm der Fremde ihr Gesicht in beide Hände, fixierte sie somit noch stärker, zwang sie ihn anzusehen und kam ihr dabei empfindlich nahe.
Zog die Müdigkeit allzu stark an ihr, hatte der Mann mit Kittel immer ein Mittelchen parat, dass sie für einige Zeit wieder zurückholte.
Er stellte Fragen über diese Einrichtung, Dinge, die sie gesehen hatte. Er stellte Fragen über Banalitäten. Fragen über Verbindungen. Wie sie hierher gelangte. Wer sie führte. Wie sie sich Zutritt verschafft hatten. Welche Menschen von ihrem Aufenthalt hier wussten... Immer wieder und wieder.

Die gleichen Fragen mit anderem Wortlaut. Und noch einmal von vorne.

Den Mann weiterhin zu fokussieren fiel ihr immer schwerer, doch er verlangte es von ihr. Mehr als einmal schob er seine Hand unter den Saum des dünnen Baumwollhemdchens, dass sie trug und legte sie auf ihren bloßen Oberschenkel. Dabei erklärte er ihr, dass es viele Methoden gäbe, sie dazu zu bringen aufmerksam zu sein und dass er bitte dringlich von ihr erwarte, dass sie sich zusammennehme und konzentriere.

Und die Fragen gingen weiter und begannen von vorne.

Als Scully wieder einmal abdriftete, benommen von der Müdigkeit und den Drogen, lehnte sich Martie in seinem Stuhl zurück, schaute auf die Wanduhr und rieb sich über das Gesicht. Dann wandte er sich zu Cole rüber. „Hey, ich glaube wir machen Schluss. Seit über zwei Stunden nichts Neues. Ich denke, wir sind durch, sehr viel mehr, als auf dem Videoband zu sehen ist, scheint sie nicht zu wissen!“ Dann fügte er mit einem Grinsen hinzu „Außerdem brauche ich nach fünf Stunden und - “ er sah nochmals auf die Uhr „und dreizehn Minuten echt mal ´ne Zigarette!“
Er schob das Tischchen zurück. „Alfred zu erwischen hat jetzt höchste Priorität. Die sollen alle herbestellen, damit wir die Sache so schnell wie möglich vom Tisch haben. Bring die Tonbänder runter und mach das hier fertig!“ er deutete beiläufig auf Scully und verließ dann den Raum.

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Montag 19:45 Uhr; Forschungsstation; Virginia

Cole ließ seine Nackenmuskulatur knacken, schüttelte seine Arme aus und machte sich dann daran, Elektroden an Scullys Schläfen und hinter ihren Ohren anzubringen. Mit jeweils einem Streifen Klebeband fixierte er ihre Lider, nahm noch einige Einstellungen an dem Elektroschockapparat vor und startete die Prozedur, welche eine Reihe kleinerer epileptischer Anfälle in dem Kopf der jungen, rothaarigen FBI Agentin hervorrufen werden würden. Mit jeweiligen kleineren Spannungssteigerungen.

Es war schon eine Kunst für sich, die Apparate so zu bedienen, dass die richtige Dosis verabreicht wurde. Bei diesem Gedanken konnte er ein kleines Lächeln nicht unterdrücken und fühlte den Stolz seine Brust anschwellen. Zwar hatte er seine Befehle zu befolgen, doch er selbst hatte das Können, die Macht. Beherrschte sein Handwerk wie kein Anderer. Fehler würden ihm nicht unterlaufen.
Er zog eine weitere Spritze mit Muskelrelaxanzien auf und injizierte sie in die Kanüle.
Konzentriert studierte er ihre Vitalzeichen, die während der Behandlung ständig überwacht wurden.
In einigen Minuten würde durch diese Therapie ein hirnorganisches Psychosyndrom ausgelöst. Nachdem das Ausleuchten von vorhandenem Wissen endlich abgeschlossen war, würde es vielleicht noch drei, vier Tage dauern, in der die Maßnahme zum Abschluss gebracht werden würde, bis sie „entlassen“ werden könnte – und er hoffte, dass dann auch seine Arbeit hier getan war und die Versuchsreihe an einen sichereren Ort verlagert werden würde.

Die Elektroschockbehandlung schien rein äußerlich keine große Sache zu sein, sie würde nach einigen Minuten abgeschlossen sein und man sah der Patientin nicht einmal an, wie der Strom durch ihr Hirn jagte, eigentlich wirkten sie alle dabei immer recht zufrieden, dachte Cole, während er die junge Frau näher betrachtete.
Es kribbelte in seinen Fingerspitzen, zu gerne hätte er sie angerührt, traute es sich aber doch nicht, da er um die ständige Videoüberwachung innerhalb dieser Untersuchungsräume wusste.
So brachte er seine Arbeit schnell zu Ende. Sie war nun vorbereitet für die Prägungsphase. Er nahm die Elektroden und die Klebestreifen ab und setzte ihr einen Helm auf, der akustische und visuelle Reize abgab.
Die erste Phase der Leerstellenneuprogrammierung hatte begonnen. Er lächelte `Wie ein Videoband, das man überspielt!´ Er schaute auf die Uhr, zum Glück war der erste Behandlungsabschnitt der kürzeste, was hieß, dass er noch vor halb eins hier fertig sein und seinen wohlverdienten Schlaf bekommen würde.

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