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Der stille Gesang des Windes

von Poes Raven

Kapitel 1

Prolog: Dem Herzen entfließend





'Liebst du mich?

Du hast es mir nie gesagt.



Ich weiß, wie sehr du mich liebst; mit welcher Aufrichtigkeit du es tust, wie tief sie ist -- diese Liebe.

All dies spüre ich, wenn wir vereinigt sind, wenn wir uns lieben. Ich fühle es so sehr, dass ich weinen möchte.

Dennoch fehlt etwas, das dieses Wunderschöne nicht absolut vollkommen werden lässt... Ich möchte es von dir hören. In all seiner impulsiven Süße. Dem Herzen entfließend. Ich möchte diese lodernde Flamme, wenn du es sagst, in meinem Herzen bewahren, wo es meine verträumte Seele jederzeit, wenn sie es begehrt, hören kann. Worauf mich ein Gefühl von Sehnsucht überkommen wird und mich melancholisch werden lässt. Und dann... dann weine ich.



Ich liebe dich.

Auch ich habe es dir nie gesagt.'













Kapitel 1: Waiting for the miracle







Sie flüchtete sich in seine Umarmung und suchte dort die Dunkelheit, die sie alles würde vergessen lassen. Doch was sie fand, war Schmerz. Der ewige Schmerz, der sie schwer am Herzen packte und sie nicht mehr so schnell loslassen würde. Nicht ehe sie das Wunder erfuhr, welches ihr versprochen wurde. Das Wunder, auf das sie sehnlichst wartete.

Statt dessen nur tiefe Wunden, die ihre Seele prägten.

Wie sollte sie auch jemals etwas finden können, von dem sie nicht wusste, in welcher Gestalt es anklopfen würde? Wäre sie in der Lage, es zu erkennen, wenn es direkt vor ihr stünde? Würde es überhaupt jemals kommen? Oder war der Glaube an Wunder nur ein Vorwand zu hoffen?



Hoffen war ein schönes, aber auch beklemmendes Wort. Es führte einem nie die Wirklichkeit vor Augen und ließ den Optimismus eines jeden Menschen kämpfen. So lange kämpfen, bis der Pessimismus die Oberhand gewann.

Dann verlor man den Glauben an Wunder, die Hoffnung, das Vertrauen in Gott und fiel in ein tiefes Loch aus Trauer, Wut und Schmerz.





Was Scully in diesem Moment fühlte, wusste sie nicht so genau. Von dem Moment an, als der Arzt ihr sagte, dass der Versuch, ein Baby zu bekommen, fehlgeschlagen war, bis zu dem Moment, als sie in ihrer Wohnung auf Mulder traf, war für sie klar, dass sie nie das Glück einer Mutter erfahren würde.

Dann jedoch sprach ihr Partner jene Worte aus, die ihr den Mut zu Glauben einhauchten.



"Ich hoffe. Ich möchte so gern glauben",



war ihre kurze Antwort. Doch so reich an Emotion und Aufrichtigkeit, dass es durchaus nicht wie eine einfallslos dahergesprochene Phrase auf seine Beteuerung, des Geschehens von Wundern, klang.





Seine Arme waren noch immer um ihren Körper geschlungen. Sie hielten ihn und die Last ihres Herzens.



"Es ist nicht schwer, an Wunder zu glauben. Es ist schwer, auf sie zu warten",



flüsterte er ihr ins Ohr, so dass nur sie es hören konnte und hoffte, ihr dadurch Mut machen zu können, ihr zu erzählen, wie stark sie war.



Er ließ seine Lippen an ihrem Ohr verharren und schloss seine Augen. Seine Seele schrie. Doch anstatt hinauszurennen und Dummheiten zu tun, damit er und sein Gewissen sich besser fühlten, blieb er bei ihr. Wenn es sein musste, bis in Ewigkeit.

Denn Tatsache war, dass er hier mehr benötigt wurde als irgendwo sonst auf der Welt. Und nur hier lag im Moment die Wichtigkeit seines Handelns.

Also hielt er sie. Er wollte noch so viel mehr für sie tun, doch alles, was in seiner momentanen Macht stand, war, sie noch ein wenig fester zu halten und ihr somit das Gefühl zu vermitteln, dass sie in dieser weiteren dunklen Stunde ihres Lebens nicht allein sein musste. Aufopferungsvoll spendete er ihr all seine Kraft, so wie sie es immer für ihn tat.



Nach einigen emotionalen Minuten löste sie ihre Umarmung. Vorerst war sie über die Tränen hinweg, doch der Schmerz saß noch tief. Sie schaute ihm in die Augen. Es sah so aus, als wollte sie in ihnen nach etwas suchen. Womöglich nach Worten, welche seine Lippen nicht wagten zu sprechen, seine Augen jedoch unfähig waren, zu verheimlichen.

Bald, wünschte sie sich, bald würde er es übers Herz bringen.



Ein scheues, keineswegs heiteres Lächeln fuhr über ihre Lippen. Im gleichen Moment griff sie nach seiner Hand und drückte sie leicht. Es bedeutete ein süßes Danke.



"Bleibst du... bleibst du heute Nacht hier?",



fragte sie flehend, davor Angst habend, diese Nacht alleine mit ihrer Trauer verbringen zu müssen.

Als er dieses vernahm, strich er tröstend über ihre glühende Wange - wie er es immer tat -, was sie veranlasste, die Lider zu senken, um seiner Berührung zu lauschen - wie sie es immer tat -. Wie immer fühlte es sich sehr gut an, sehr richtig. Eine vertraute Berührung, die aufrichtige Freundschaft verlangte.



"Wenn du mich brauchst, werde ich sofort bei dir sein",



versprach er ihr und ließ von ihrer Wange ab. Ein weiteres trauriges Lächeln überkam sie.



"Ich gehe dann mal ins Bad und mache mich etwas frisch",



sprach sie kaum hörbar und verschwand im Badezimmer. Zurück blieb ein leicht angeschlagener Mulder, der nicht von seinem Platz wich.





Es verging etwas Zeit, bis Scully aus dem Bad kam. Zeit, deren Sekunden und Minuten Mulder kaum wahrnahm. Als er sie schließlich entdeckte, wie sie gerade auf dem Weg ins Schlafzimmer war, um ihre Sachen dort abzulegen, schien er, wie aus Trance gerissen...

Er hatte sich während ihrer Abwesenheit mit schweren Gewissensbissen geplagt. Für ihn gab es keine Zweifel, dass sie es nicht zuletzt ihm zu verdanken hatte, nie in die leuchtend blauen Augen ihres kleinen Sohnes oder ihrer kleinen Tochter blicken zu können. Solche Ereignisse waren es, die ihn in starke Selbstzweifel stürzten, welche ihm vor Augen führten, dass er alle, die ihm nahe standen, in tiefes Unglück stürzte und dass es besser wäre, alleine zu leben, alleine zu kämpfen, alleine zu sterben.



Als er jünger war, hatte er einen Mentor, der ihn lehrte, dass ein Mann, der sich entschloss zu kämpfen, sich gleichzeitig für ein einsames Leben entschied.*

Zweifelsohne war dies ein Axiom. Doch allen Regeln trotzend, entschloss er sich, seinen Weg nicht allein zu gehen.





"Scully, ich...",



versuchte er sie aufzuhalten, bevor sie im Schlafzimmer verschwinden würde.

Als sie sich nun völlig nass und nur in ihr weißes Baumwollhandtuch gehüllt umdrehte, um ihn anzuhören, musste er feststellen, dass er keine Worte für das fand, was er sagen wollte...

Wie schon so oft erreichte er den Punkt, an dem es genug war. Er wollte Scully von sich weg in Sicherheit wissen.



"... es tut mir leid",



war dann aber alles, was er zu seinem eigenen Entsetzen sagen konnte.

Jedoch konnte sie ihm sehr genau ansehen, was er wollte. Es stimmte sie traurig. Denn ihre eigenen momentan sehr aufgewühlten Gefühle in den Schatten stellend, tat es ihr weh, zu sehen, wie er von diesen dunklen Dämonen, die ihn in seiner Vergangenheit geprägt hatten, heimgesucht wurde und ihn dazu veranlassten, solch ein Dummkopf zu sein.

An jedem anderen Tag, an dem er versuchte, sie aus seinem Leben auszuschließen, wäre sie wütend über seinen Egoismus gewesen, doch heute Nacht fühlte sie sich Mulder emotional zu nahe. Außerdem verstand sie es nur allzu gut, dass er sich Vorwürfe machte. Sie hingegen würde ihm nie etwas Derartiges vorwerfen. Es war schließlich ihre Entscheidung, an seiner Seite zu sein.





Scully war dennoch von Mulders süßem Versuch - entstanden aus purer Hilflosigkeit -, sich zu entschuldigen derart gerührt, dass ihre Emotionen sie dazu bewegten, auf ihn zuzugehen, ihren Arm um seine Schultern zu legen und sich für einen flüchtigen Kuss an ihn zu schmiegen.

In der nächsten Sekunde war sie über ihr Handeln fast mehr erschrocken als Mulder.



Leicht verlegen, doch mehr verwirrt stand sie ihm nun gegenüber.



"Entschuldige! Ich hätte nicht.. Mein Temperament ist wohl mit mir durchgegangen",



versuchte sie sich aus ihrem Dilemma herauszureden und drehte ihm den Rücken zu, um im Schlafzimmer zu verschwinden.

Doch ehe sie einen Schritt setzen konnte, ergriff Mulder ihre linke Hand mit leichtem, aber bestimmenden Druck und hielt sie einen kurzen Augenblick, den er brauchte, um ihr dadurch etwas mitzuteilen.

Ihr Atem ging schwer und ihr Herz schlug in immer kürzer werdenden Intervallen gegen ihre Brust. Es war ihre Antwort auf das, was er ihr sagte -- auch wenn dies nur auf unterbewusster Basis geschah. Unsicher neigte sie ihren Kopf zur Seite und richtete ihren Blick auf seine Augen...



Erkennst du es? Siehst du dein Wunder? Es steht hier und wartet. Es wartet auf dich, und nicht du auf das Wunder. Es steht hier mit schmerzhaftem Flehen und bittet darum, empfangen zu werden ,



sprachen sie unerbittlich immer und immer wieder.

Zögerlich zog Mulder sie stets ihren Blick festhaltend an sich und legte vorsichtig ihren linken Arm wieder um seine Schultern. Sie den Hauch einer Berührung spüren lassend, ließ er seine Hand anschließend langsam ihren Arm hinuntergleiten, an ihrer Seite vorbei, bis zu ihren Hüften, wo er sie sanft in seine Umarmung tauchte.

Der Knoten ihres Handtuchs hatte sich bereits gelöst und wurde nur durch die intime Berührung ihrer beiden Körper vom entblößendem Herabfallen abgehalten.

Genießend standen sie beide Stirn an Stirn da; jeden Moment auskostend; ihre Gesichter so nahe wie selten. Der Platz, der zwischen ihnen herrschte, wurde mit jeder weiteren Sekunde, die verstrich, eine noch unüberbrückbarere Weite.

Die Finger ihrer rechten Hand fuhren sachte über seine Wange und verharrten an seinen Lippen.

Sie schlossen die Augen; fühlten das Feuer lodern.

Und endlich, nach einem zögerlichen Zueinanderfinden, gaben sie sich der zärtlichen Berührung ihrer Lippen hin.
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