World of X

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Vergessene Schlüssel

von LSprys

Kapitel 1

"Komm schon Scully, was willst du sonst in deinen Ferien machen? 'Frühstück bei Tiffanys' lesen oder deine Medizin-Magazine alphabetisieren?"

"Ich werde meine Ferien genießen und ja, vielleicht das Buch lesen, auf das du so intensievst hinweist—du hättest wohl gerne, dass ich mit nach Quonochantaug komme und dir helfe, die Hütte aufzuräumen?"

"Yep, da triffst du den Nagel auf den Kopf."

"Wir sehen uns doch hier oft genug, warum sollte ich auch noch meinen Urlaub mit dir verbringen?"

"Weil du weißt, dass ich dich schrecklich vermissen würde, und wenn du nicht in der Nähe bist, halse ich mir wieder Unmengen von Problemen auf,  und du musst her rennen und mir heraushelfen."

"Traurig aber wahr. Aber, was ist der wahre Grund, warum ich mitkommen soll?"

"Wenn du genauso gut einen Pinsel schwingen kannst, wie du deine Pistole schwingst...", sagte er, grinste sie an und rieb treudreinblickend seine Schulter. "Die Arbeit geht schneller voran und ich muss dich nicht mitten in der Nacht anrufen und dir mein Leid klagen. Komm Scully, wir machen einen Ausflug in den Wald."

"Mulder, soll ich dich daran erinnern, was das letzte Mal passiert ist, als du mir einen 'netten Ausflug in den Wald' versprochen hast?"

"Oh, ja, tut mir leid deswegen."

"Mulder..."

"Ja?"

"Wann fahren wir los?"

"Ernsthaft?"

"Warum bist du dich auf einmal so enttäuscht?"

"Weil ich den halben Tag damit verbracht habe, mir Gründe einfallen zu lassen, wie ich dich dazu überreden kann und bis jetzt bin ich noch überhaupt nicht zu den guten gekommen."

"Spar sie dir für später auf. Du wirst sie vielleicht brauchen, um mich zu überzeugen, dich nicht zu erschießen, wenn wir von Moskitos und sonstigem Kleinzeug zerstochen werden."

"Ah, Scully, sie werden von dir ablassen, wenn sie merken, dass du gar nicht so süß bist wie man bisher angenommen hat."

Scully drohte bereits, mit dem Briefbeschwerer zu werfen, doch dann griff sie nach ihrer Tasche und ging in Richtung Tür.  "Ich hole dich morgen früh um sieben ab. Und danke noch mal, du wirst es nicht bereuen."

"Nein, aber du vielleicht. Ich schnarche öfters; ziemlich laut sogar, wenn ich mich rächen will."

Während sie das sagte, richtete sie Mulders Krawatte, warf ihm ein schelmisches Grinsen zu und huschte aus dem Zimmer. Mulder stand da mit einer zurechtgemachten Krawatte und offenem Mund und war völlig perplex darüber, dass ihn seine Partnerin auch noch nach fünf Jahren überraschen konnte.

 

xXxXxXx

 

Mulder holte sie kurz nach sieben ab. Er verstaute ihre Sachen im Auto und sie machten sich auf die dreistündige Fahrt nach Quonochantaug.

"Ok, Scully, wir sind da", verkündete Mulder später.  "Und das, nachdem wir bloß fünfeinhalb Stunden bis hierher gebraucht haben!"

"Woher sollte ich wissen, dass da eine Baustelle ist? Wenigstens sind wir die schöne Strecke gefahren."

"Mir scheint es, als ob wir immer die landschaftliche Strecke fahren. Mit Kühen und allem drum und dran."

"Wirklich, Dr. Scully, nach allem, was wir gesehen haben, beklagst du dich wegen den Kühen?"

"Mich stören nicht die Kühe an sich, sondern die wohlriechenden Gase, die von ihnen ausgehen."

"Ich habe nichts ungewöhnliches gerochen", sagte Mulder und zwinkerte ihr zu.

"Alles klar, Mulder, und ich bin gerade zur Direktorin des FBI ernannt worden."

"Also schön, Direktorin, wie gefällt dir das Haus?"

"Ich war schon einmal hier, weißt du nicht mehr?"

"Ja, aber jetzt herrscht Tageslicht und du musst mich nicht davon abhalten, mich selbst über den Jordan zu schicken."

Nach einem kurzen Moment, in dem sie an das letzte Mal dachte, als sie hier waren, wandte sich Scully zu Mulder. "Weißt du, das Haus ist wirklich ganz schön. Ich glaube, ich kann einige Tage hier aushalten.  Vor allem, wenn ich irgendwelche belastenden Beweise gegen dich finde - wie zum Beispiel das berühmte Bärenhaut-Foto."

"Tja, wenn du so etwas finden willst, schlage ich vor, wir packen es an. Hier, fang!"

Scully fing die Schlüssel, die Mulder ihr zuwarf, ohne Umstände und machte sich daran, um das Haus aufzuschließen, während Mulder ihre Sachen aus dem Auto holte.

Doch sobald sie ins Haus trat, vergaß sie alle Bedenken darüber, ihren Urlaub hier zu verbringen, denn das Haus war wirklich wundervoll. Zwar furchtbar staubig, aber perfekt. Scully konnte sich Mulder gut als Kind vorstellen, wie er hier mit Samantha die Räume unsicher gemacht, mit ihr Spiele gespielt und ihr vorgelesen hatte.

Die Stimme ihres Partners schreckte sie aus ihrer Tagträumerei.  "Hast du vor, den ganzen Tag in der Tür stehen zu bleiben, oder nur bis mir die Arme abfallen?"

Scully grinste ihn an und sagte ohne sich umzudrehen, "Du hättest nicht alles auf einmal tragen sollen. Viele Leute sind zwar vom Gegenteil überzeugt, aber du bist nicht Supermann."

"Aber ich könnte ihn im Fernsehen spielen", antwortete Mulder und ließ alles im Flur fallen.

"Was hältst du davon, Scully?" fragte er mit einem Lächeln. (Diese Frage hat er ihr schon verdammt oft während der letzten Jahre gestellt.) Sie drehte sich zu ihm um und legte ohne zu überlegen ihre Hand auf seine Brust. "Es ist sogar schöner, als ich es mir vorgestellt hatte. Das letzte Mal, als ich hier war, war ich viel zu erschrocken, um mich richtig umzusehen."

"Dafür möchte ich mich bei dir entschuldigen," sagte er in einem traurigen Tonfall. "Ich habe nicht vor, dir so etwas je wieder anzutun - vertrau mir.  OK, wie wär's, wenn ich dir vor dem Mittagessen die Gegend zeige?"

"Mittagessen?? Du hast es also ernst gemeint, als du sagtest, dass du kochst? Ich dachte, du hättest mich auf den Arm genommen und ich müsste am Ende die ganze Woche kochen!"

Mulder sah geschockt aus: "Wie, denkst du, überlebe ich zu Hause die ganze Zeit?"

"Sonnenblumenkerne, Eistee und was du auch immer noch von mir klaust", antwortete Scully in einem genauso witzelnden Ton.

"Meine Liebe, du wirst noch mächtig überrascht sein." Nach der Erkundungstour durch das Haus, das unter anderem zwei bequeme Schlafzimmer, ein großes Wohnzimmer, eine sogar noch größere Terrasse und eine kleine, aber effiziente Küche hatte, zauberte Mulder ein recht ordentliches Truthahn-Sandwich aus den Lebensmitteln, die sie mitgebracht hatten.

"Mulder...", begann Scully und schaute ihn über ihr Sandwich hinweg an.

"Ja?" fragte er mit einem großen Bissen Sandwich im Mund.

"Hast du Skinner darüber informiert, dass ich hier oben mit dir bin?"

"Ja, ich habe ihm gesagt, dass meine Mutter dich dazu verdonnert hätte, die Dachrinnen zu säubern und die Wände neu zu streichen—" Scully brach in Gelächter aus und fragte ihn nach Skinners Reaktion.  "Eigentlich", begann Mulder, "hat er mir nur gesagt, dass ich darauf achten soll, dass du nicht entführt, gefressen, mit einer Waffe bedroht, von Enigma gejagt oder von einem Riesenwurm gefangen gehalten wirst. Dann hat er gesagt, dass ich dir danken soll, dass du mitgekommen bist, denn er will gar nicht wissen, in welche Probleme ich mich ohne dich 'reinreiten kann." Für einen kurzen Moment herrschte eine gewisse Spannung zwischen den beiden und sie blickten einander in die Augen. Doch dann fing Mulders Magen an zu knurren und sie fingen beide an zu lachen.

Als sie nach dem Essen das Geschirr wegräumten, klingelte Mulders Handy.  Seine Mutter war dran, die ihm mitteilte, dass sie es nicht bis später in der Woche schaffen könnte, nach Quonochantaug zu kommen.  "Sie sagt, dass ihre Freundin nach ihrer Hüftoperation ein paar Tage Pflege braucht und meine Mutter ist die einzige, die Zeit hat." Scully hatte sich dies bereits mit Hilfe des einseitigen Gespräches am Telefon zusammengereimt. Sie hatte versucht, nicht hinzuhören, aber manchmal fiel es ihr schwer, seine Stimme einfach zu ignorieren.  "Was schlagen Sie also vor, Dr. Scully?"

"Ich schlage vor, Mr. Mulder, dass du dir den Senf von deinem Kinn wischst und wir schauen nach, was alles so gemacht werden muss."

"Du willst also trotzdem hierbleiben?"

"Klar. Außerdem", fuhr sie fort und klemmte sich ihre roten Haare hinter die Ohren, "weigere ich mich, mich wieder in dieses Auto zu setzen - mit deiner Singerei in einem Ohr und Elvis' im anderen - Ich glaube, dann würde ich noch vor der Grenze von New Hampshire verrückt werden."

Nachdem sie einen Plan aufgestellt hatten, was alles erledigt werden musste, brach die Nacht herein und beide Agenten fingen nach dem langen Tag an zu gähnen.

"Wo sollen wir schlafen, Mulder?"

"Warum fragst du, Scully?" antwortete Mulder mit einem Blick der Unschuld.  "Ich bevorzuge zwar eher die linke Seite vom Bett, aber ich lasse immer der Lady den Vortritt."

"Mulder", warnte Scully, aber sie meinte es nicht so. "Wenn ich nicht so müde wäre, würde ich dir irgendetwas an den Kopf werfen, aber du siehst ja, ich kann kaum meine Augen offen halten. Ich würde bestimmt viel zu tief zielen und etwas viel wichtigeres als deine Schulter treffen."

"Führ' mich bloß nicht in Versuchung, Scully!"

"Wenn du mir nicht gleich verrätst, welches der Schlafzimmer ich nehmen soll, schlafe ich hier auf der Stelle ein, und du musst mich nach oben tragen. Denk daran, dass der menschliche Körper im Schlaf fast zweimal so viel wiegt."

"Ich warne dich noch einmal, führe mich nicht in Versuchung mit solchen Versprechungen. Heute Nacht müssen wir hier unten schlafen, weil die Laken seit etwa einem Jahr nicht gewechselt worden sind, und außerdem ist es viel zu staubig da oben. Wir können morgen früh lüften."

"Ich nehme also an, ich schlafe auf der Couch und du auf dem Boden. Es sei denn, ich soll in der Wanne schlafen."

"Ahhh, Scully, du kennst mich so gut!"

Nachdem sie genügend Decken gefunden und es sich zurecht gemacht hatten, sprang Mulder plötzlich auf und schaltete das Licht am anderen Ende in der Halle ein.

"Warum machst du das Licht an?"

"Weil ich weiß, dass du es hasst, in völliger Dunkelheit zu schlafen."

Scully schaute ihn in kompletter Verwunderung an.

"Hey, Scully", sagte Mulder mit erhobenen Augenbrauen. "Ich bekomme auch andere Dinge neben den X-Akten mit."

Mulder legte sich auf seinen alten Schlafsack auf den Boden und rief Scully eine gute Nacht zu, die immer noch völlig überrumpelt senkrecht auf der Couch saß.

 

xXxXxXx

 

Mulder schreckte aus dem Schlaf, als etwas von oben auf ihn fiel. Er öffnete die Augen und grinste, als er merkte, dass die Hand seiner Partnerin von der Couch gerutscht und auf seiner Brust gelandet war. Er wollte ihre Hand schon wieder zurück auf die Couch heben, als das Mondlicht, das durch das Fenster schien auf eine kleine Narbe zwischen ihrem Daumen und ihrem Zeigefinger fiel. Er griff nach ihrer Hand, um die Narbe zu berühren, und merkte, wie weich die Hand seiner besten Freundin eigentlich ist. Die einzigen Male, an denen er ihre Hand gehalten hatte, war, wenn er ihr aufhalf oder wenn er etwas entgegen nahm, was sie ihm reichte. Er hatte nie die Möglichkeit gehabt, sich diese kleinen Hände näher anzusehen, wie er es immer schon gewollt hatte. Nachdem er sanft an ihren Fingern und an ihrem Handrücken entlang gestrichen hatte, drehte er ihre Hand und streichelte ihre Handfläche und die Einkerbung auf ihrem Finger vom Abzug ihrer Waffe. Wie oft schon hatte sie ihm das Leben gerettet, indem sie ihre Waffe gezogen und den Feind erschossen hatte? Er wusste es nicht genau.  Ohne es zu merken begann er, ihren Arm entlang zu streichen, als ihn plötzlich eine wohlbekannte Stimme aus seiner  Zufriedenheit riss.

"Was machst du da, Mulder? Für einen Moment habe ich gedacht, du seiest irgendeine riesige, eklige Spinne", hörte er Scullys Stimme.

Mulder stammelte wie ein Schuljunge: "Deine Hand fiel auf mich und ich bin aufgewacht und ich habe die Narbe gesehen und dann wollte ich deine Hand wieder neben dich legen und ich habe gemerkt... wusstest du, dass du sehr weiche Hände hast... Tut mir leid..."

Er sprudelte dies alles in einer solchen Eile aus, dass Scully sich auf die Lippe beißen musste, um nicht laut loszulachen. Die Wahrheit war, dass sie bereits aufgewacht war, als ihre Hand herunter gefallen war, doch sie wollte nicht, dass er aufhört, weil sie seine intime Berührung angenehmer empfand, als sie zugeben wollte.

"Das ist in Ordnung, Mulder, wirklich."

Um der unangenehmen Stille abzuhelfen, die plötzlich in der Luft lag, fügte sie hinzu: "Da wir schon einmal wach sind, wie wäre es mit einem Snack? Ich bin am verhungern."

Mulder war dankbar für den Themawechsel. "Du bist wirklich eine Ess-Maschine, nicht?!"

"Soll das heißen, dass du nichts essen willst?"

"Gott, nein, soll es nicht! Zeig mir den Weg in die Küche, Lady!" Nachdem sie sich Sandwiches gemacht hatten, kehrten sie wieder zurück zur Couch. Scully schaute auf ihre Hände und bemerkte. "Ich hätte nicht gedacht, dass man die Narbe noch sehen kann."

"Wo ist sie her? Ist doch nicht meine Schuld gewesen, oder?!" fragte Mulder und die Sorge stand ihm ins Gesicht geschrieben.  "Oh, nein. Ich habe sie seit ich vierzehn war. Ich habe eine von Moms Zigaretten geklaut und hatte Angst, dass mich jemand erwischt. Ich habe vergessen, dass die Zigarette an war, und etwas Asche ist auf meine Hand gefallen. Tja, Zigaretten und ich passen eben nicht zusammen."

"Dr. Scully, die Rebellin. Ich nehme an deine roten Haare stehen für deine wilde Seite, was?!"

"Du glaubst, das ist wild? In meinem Abschlussjahr in der High School habe ich beschlossen, mich dem Geist der Schule anzuschließen und mir die Haare für den Abschlussball zu färben. In lila und gelb." Mulder grinste. "Das hört sich nicht gerade an, als ob das eine so tolle Idee war."

"Das kannst du laut sagen. Es war auch alles ok, bis ich versuchte, es wieder auszuwaschen. Als ich aus der Dusche kam, waren meine Haare kotz-grün mit kürbis-gelben Strähnen."

"Oh, bitte sag mir, deine Mutter hat ein Foto gemacht, Scully!"

"Da hast Du kein Glück, Schätzchen. Jedenfalls, mein Kleid war weinrot, also sah ich am Ende aus wie ein entlaufenes Objekt von Dr. Seuss. Meine Verabredung wollte, dass ich mich attraktiver fühle und versuchte mehr als nur einen Kuss. Um es kurz zu machen, am Ende hatte er eine nette Narbe am Schienbein und eine blutige Nase und ich musste den ganzen restlichen Abend auf der Tribüne sitzen."

"Jetzt verstehe ich, warum du nicht zu deinem Klassentreffen gegangen bist. Es tut mir leid für dich. Du musst dich schrecklich gefühlt haben."

"Tja, mit der Zeit sind schlimmere Dinge passiert, aber >das< steht immer noch ganz oben auf der Liste. Und wenn du nicht bald dieses Grinsen sein lässt, will ich nichts mehr mit dir zu tun haben"

"Sorry, Scully, ich habe mir nur gerade vorgestellt, wie du dich für den Typen zurechtmachst. Ich hätte dich sogar unterstützt." Plötzlich wurde er ernst. "Ich hätte mit dir getanzt, trotz grüner Haare und allem, denn du hättest immer noch sehr schön ausgesehen."

Zum Glück war es dunkel genug, dass sie nicht sehen konnte, wie Mulder die Röte ins Gesicht schoss, und er bemerkte das überraschte, aber glückliche Glänzen in ihren Augen nicht.

Scully schaute Mulder an und fragte plötzlich: "Bist du sicher, dass du nicht Eddie Van Blundht in Mulders Gestalt bist?" Sie mussten beide lachen und Mulder sagte verschmitzt, "Nee, aber ich bin nahe dran, was?"

"Ja, aber ich habe es gut getroffen, nicht?!" antwortete Mulder schelmisch, drückte Scully zurück auf die Couch und ließ sich wieder auf den Boden fallen.

Nach einiger Zeit legte Scully ihre Hand sanft auf Mulders Brust und schlief ein - Mulder schlief auch ein mit seiner Hand auf der ihren.

 

xXxXxXx

 

Scully wachte langsam auf. Sie brauchte einige Zeit, um sich klar zu werden, wo sie sich befand (bedingt durch ihre Arbeit blieben sie nie lange an einem Ort). Als sie wusste, wo sie war beschloss sie, Mulder mit einem Kissen im Gesicht zu wecken. Sie schwang ihr Kissen mit voller Wucht neben die Couch und war überrascht, dass sie nur den blanken Boden traf.  Mulder war schon auf, aber es war eigentlich viel zu still dafür, dass er sich im Haus befand. Scully stand auf und schlurfte in die Küche, wo sie einen Zettel von Mulder vorfand. Er schrieb, er sei Frühstück holen, weil er keinen Truthahn und Schinken mehr sehen konnte. Scully nahm sich eine Banane, ein Stück Brot und ein Glas Wasser und ging hinaus auf die Terrasse, um ihr Frühstück in der Sonne zu genießen. Sie nahm auch "Moby Dick" mit hinaus, denn sie wusste, dass Mulder nie leise genug sein konnte, damit sie es in Ruhe lesen konnte.

Nach etwa einer halben Stunde kam Mulder wieder zum Haus und platzierte die Lebensmittel auf den Küchentisch. Er bemerkte, dass die Hintertür offen stand und ging heraus, um Scully wissen zu lassen, dass er wieder da war. Er lugte durch den Türrahmen und erblickte Scully vertieft in ihrem Buch. Die Sonnenstrahlen reflektierten warm auf ihrem Haar und sie hatte einen Blick tiefster Zufriedenheit in ihren Augen. Mulder vergaß alles um ihn herum bei ihrem Anblick.

Plötzlich schaute sie auf und war überrascht, Mulder in der Türe stehen zu sehen, sie anstarrend. Er zuckte zusammen, sie zuckte zusammen, er grinste und sie konnte kaum ihr dummes Grinsen auf ihrem Gesicht verbergen.

"Guten Morgen, Scully. Ich nehme an, du hast gut geschlafen, denn als ich heute Morgen aufgestanden bin, hätte ich mit einem Bulldozer über dich drüberfahren können, ohne dich aufzuwecken."

"Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal so gut geschlafen habe."

"Ah, Scully, ich habe neben dir geschlafen. Wie hättest du NICHT gut schlafen können?"

"Ja, Mulder, das muss es gewesen sein. Was hast du an Essen mitgebracht?" "Sag nicht, dass du schon wieder Hunger hast. Bei diesem Tempo müsstest du in vier Jahren mehr als fett sein."

"Mulder, wenn ich mir nicht gerade um die X-Akten, meine Arbeit, die Welt im Allgemeinen oder dich Sorgen machen muss, habe ich eigentlich einen gesunden Appetit und ich liebe essen."

"Ok, also werde ich wohl alles unterlassen müssen, was dir großartig Sorgen macht."

"Mulder, wenn ich mir nicht um dich Sorgen machen müsste, wäre mein Leben geradezu sinnlos. Außerdem finde ich es gar nicht so schlimm."

"Dann werde ich eben weiter gute Arbeit leisten. Ich habe uns Salat, Tomaten und grünen Pfeffer mitgebracht. Gefrorene Pizza, noch einige Sonnenblumenkerne, Eistee und ein paar Ho-Ho's, die ich mit dir teilen werde, wenn du nett zu mir bist. Und ich habe noch ein bisschen Fleisch mitgebracht, für unsere carnivorischen Seiten."

"Du hast schon wieder einen Weg gefunden, mich zu schocken, weißt du das? Bis jetzt habe ich gedacht, du hättest keinen blassen Schimmer, was ein Supermarkt eigentlich ist oder welche Lebensmittel man darin kaufen kann." Scully kramte in den Einkaufstaschen und holte eine Flasche Wein hervor.  Sie warf ihm einen fragenden Blick zu und hob eine Augenbraue. "Was haben Sie mit dieser hier vor, Mr. Mulder? Mich mit Ho-Ho's und Sonnenblumenkernen verführen?"

Mulder wurde roter als ihm lieb war. "Ich habe mir gedacht, dass er ganz gut schmeckt und du magst doch roten Wein. Wir sind immerhin im Urlaub." (Als ob die Verführungs-Idee ihm nicht schon vorher eingefallen wäre.)

"Hm, danke. Du hast einen recht guten ausgesucht." Mulder konnte wieder atmen. "Habe ich mir auch gedacht. Du hast denselben zu Hause in deinem Kühlschrank stehen." Ohne auch nur eine Reaktion von ihr abzuwarten fragte er: "Hast du gemerkt, dass du immer noch deinen Schlafanzug an hast?"

"Du hast mich doch schon in weniger gesehen und hast dich nie beschwert.  Also habe ich mir gedacht, ich lese so viel wie möglich, denn wenn du erst einmal zurück bist, gibst du sowieso keine Ruhe."

"Yep, das stimmt."

Während sich Scully umzog, verstaute Mulder die Sachen im Kühlschrank und versteckte die zweite Flasche Wein dahinter.

"Wo sollen wir deiner Meinung nach anfangen?" Mulder hörte sie zuerst, bevor er sie sah. Sie trat in die Küche und band sich gerade einen Pferdeschwanz. Er musste lachen. Sie hatte ein paar verschlissene Jeans und ein FBI Academy Shirt an. Das Grün ihrer Socken war mehr als verblichen und die alten Tennisschuhe standen auch kurz vor dem Auseinanderfallen. Definitiv keine Büro-Anzüge in ihren Ferien.

"Ich würde aufhören zu lachen, wenn ich du wäre. Hast du heute morgen schon in den Spiegel geguckt, oh Partner mein Partner?"

"Ja, und mir gefiel wie gewöhnlich was ich sah. Du hast endlich mal richtige Klamotten an. Ich hätte nicht gedacht, dass die in deiner Welt überhaupt existieren."

"Man muss halt tief im Kleiderschrank graben, aber man findet sie letztendlich. Sie warten nur darauf, völlig ramponiert zu werden, indem ich dir mit der Arbeit helfe", gab Scully zu.

"Wenn du jetzt noch deine grünen Haare hättest, wäre es ein Bild für die Götter."

Sie ging auf ihn los und er wäre beinahe aus der Tür gefallen, bevor sie ihn kreuz und quer durch den Wald jagte. Mulder hielt urplötzlich an und sie prallte prompt gegen seinen Rücken. Sie schaute über seine Schulter und sah, warum er stehen geblieben war. Vor ihr war eine kleine Lichtung und auf einem der größeren Bäume erblickte sie ein Baumhaus mit einer Leiter.  "Das ist deins, oder?" fragte Scully leise, um nicht den Zauber des Momentes zu zerstören.

"Meines und Samanthas", antwortete Mulder genauso leise.  Plötzlich verspürte Scully ein Verlangen, ihm nahe sein zu müssen. Sie griff nach seiner Hand und hielt sie fest umschlossen. Er war überrascht, doch als sie seine Hand hielt, spürte er die Wärme, die seinen Arm hinaufkroch und wollte sie nicht loslassen. Also tat er es nicht.  "Wir haben immer unsere Sandwiches hier hoch gebracht und sie hier gegessen. Wir wetteiferten immer, wer als erster bei der Leiter war, und wer als letztes ankam, musste abends aufräumen. Wir haben Stratego und Kartenspiele gespielt. Poker hat sie allerdings nie ganz kapiert."

"Du wolltest einer Siebenjährigen Poker beibringen?" fragte Scully mit großen Augen.

"Klar! Willst du's lernen?" fragte Mulder heiter. "Haben es dir deine Brüder nie gezeigt?"

"Eigentlich habe ich es ihnen beigebracht. Aber ich habe es schon lange nicht mehr gespielt."

"Hmmm, eine Herausforderung. Ich glaube, wir haben eine Beschäftigung für heute Abend gefunden."

Mulder drehte sie um und führte sie zurück durch die Bäume. Er hielt immer noch ihre Hand. Als Scully seinen kräftigen Griff spürte, ertappte sie sich dabei, wie sie an eine ganz andere Art von Abendunterhaltung dachte, doch das wollte sie lieber für sich behalten - zumindest fürs erste. Sie lächelte. Es war ihr peinlich, und im Moment war es einfach nur schön, seine Hand zu halten.

Sie kamen aus dem Wald und schauten zum Haus hinunter. "Wo sollen wir anfangen, Scully? Wir können von innen nach außen oder von außen nach innen gehen. Was wäre dir lieber?"

"Wir sollten uns vielleicht als erstes um unsere Schlafzimmer kümmern, damit wir einen Platz zum Schlafen haben heute Nacht. Dann können wir gerne draußen anfangen, das Wetter ist wunderbar heute."

"Was hast du gegen die Couch von letzter Nacht?"

"Abgesehen davon, dass dein Gesicht immer noch Teppichabdrücke aufweist, gar nichts."

"Ich weiß schon. Du hattest die ganze Zeit Angst, so nahe neben mir zu liegen, weil du was-weiß-ich-nicht-alles mit mir anstellen könntest mitten in der Nacht. Herzklopfen, Schmetterlinge im Bauch und Schwindelanfälle. Alles nur, weil ich nur einige Zentimeter von dir weg geschlafen habe. Ich verstehe vollkommen." Irgendwie schaffte er es, all dies mit einem todernsten Gesichtsausdruck herauszubringen, aber dann sah er sich nach Scully um und musste lachen, als er ihren perplexen Gesichtsausdruck sah. Er nahm an, dass sie so auf seinen Kommentar reagierte, doch Scully wusste es besser. Ohne es zu merken kam er der so nahe Wahrheit, dass sie selber lachen musste. Sie sprachen beide kein Wort mehr, als sie zurück ins Haus und in ihre Schlafzimmer gingen.

Als es oben soweit zurecht gemacht war, dass sie später in den Zimmern schlafen konnten, fingen Mulder und Scully mit der Arbeit draußen an.  Mulder säuberte die Dachrinne und die Schornsteine, während Scully sich um den Vorgarten kümmerte. Sie arbeiteten in kameradschaftlicher Stille. Es war eine schöne, angenehme Ruhe. Etwas, das sie nie teilen konnten, wenn sie im Büro waren oder einem Fall nachgingen. Der Tag ging dahin und um sieben Uhr meldete sich Scullys Magen und protestierte. Mulder warf sein Werkzeug herunter und ließ sich daneben fallen. Scully setzte sich neben ihn. "Gut, Meister, ich würde sagen, wir haben einiges geschafft heute. Was hältst du davon, wenn wir alles zusammenräumen und die Pizza in den Ofen schmeißen?"

Sie stand auf und reichte Mulder ihre Hand. Sie wuchtete ihn hoch und sie räumten zusammen auf.

Sobald die Pizza im Ofen war, rief Scully zu Mulder hinüber: "Hey, Mulder, willst du zuerst duschen?"

"Nee, geh ruhig zuerst. Ich liege viel zu bequem, um bloß an Bewegung zu denken, geschweige denn, mich wirklich zu bewegen." Mulder lag quer über der Couch ausgestreckt und seine Beine baumelten über die Armlehne. Und außerdem mochte er den Gedanken, dass Scully in der Dusche war. Er entschied sich jedoch schnell dazu, nicht weiter daran zu denken, denn wenn er es täte, könnte er leicht verrückt werden. Er entschied sich für ein kurzes Nickerchen, und sei es nur, um nicht mehr an Scully denken zu müssen.

Nach etwa 20 Minuten erschien Scully wieder in der Küche. Sie ging hinüber ins Wohnzimmer, um Mulder zu sagen, dass die Dusche nun frei sei und fand ihn ausgestreckt auf der Couch vor mit einem mysteriösen Grinsen auf dem Gesicht. Als sie näher trat, merkte Scully, dass er eingeschlafen war. Er sah zufriedener aus als sie ihn je gesehen hatte, und sie brachte es nicht übers Herz, ihn zu wecken. Sie ging stattdessen wieder in die Küche zurück, machte einen Salat und kramte einige Pappteller und Besteck hervor. Der Timer für die Pizza klingelte, und nachdem Scully die Pizza aus dem Ofen geholt hatte, machte sie sich auf, um Mulder zu wecken. Sie lehnte sich über sein Gesicht und berührte sanft seine Nasenspitze. Nach einem Moment öffnete er die Augen und sah Scullys Gesicht über sich auf dem Kopf stehend. Als sie ihm ihre Zunge herausstreckte, ergriff er ihren Kopf mit beiden Händen.

"Ich weiß nicht, ob ich dich jetzt küssen oder lieber schreien soll."

"Ich würde an deiner Stelle die richtige Entscheidung treffen, denn immerhin mache ich die Pizza und egal wofür du dich entscheidest, es könnte furchtbare Konsequenzen für dich haben."

Scully befreite sich aus seinem Griff und warf ihm ein Kissen an den Kopf, bevor sie wieder zurück in die Küche ging. Mulder folgte ihr dicht auf den Fersen. Er war sich völlig sicher, welche Wahl er getroffen hätte.

 

xXxXxXx

 

Die Pizza und der Salat verschwanden verhältnismäßig schnell. Als Scully ihren letzten Bissen nahm, musste Mulder lachen beim Anblick von Pizza Soße über ihrem ganzen Gesicht. Doch dann erkannte er, dass es gar nicht die Pizza Soße, sonder Blut war.

Zuerst konnte Scully gar nicht verstehen, warum Mulder so urplötzlich leichenblass wurde, doch als sie ihren Mund mit einer Serviette abwischte, sah sie die Ursache von Mulders Schrecken. Sie konnte das Blut aus ihrer Nase über ihre Lippen sickern fühlen.

Sie drückte die Serviette rasch zurück auf ihre Nase und lief nach oben ins Badezimmer.

Nach ein paar Minuten hörte die Blutung auf und Scully wollte schon wieder hinunter gehen, als sie Mulder im Spiegel hinter sich sah. Sie drehte sich zu ihm um und konnte Angst in seinen Augen sehen.  "Mulder, der Arzt hat gesagt, dass das leicht passieren kann, wenn ich hart arbeite. Ich war den ganzen Tag über vornübergebeugt und so muss wohl der Druck entstanden sein."

"Ich dachte, die Operation hätte geholfen." fragte Mulder mit einem Tonfall, der fast Scullys Herz brach. Sie trat zu ihm und legte ihre Hand auf seinen Arm. "Sie hat geholfen. Wenn du nicht einen Arzt gefunden hättest, der bereit war es zu versuchen, wäre ich heute nicht hier. Die Operation war ein Experiment und niemand war sich sicher, welche Nebenwirkungen auftreten könnten. Aber das Wichtigste ist doch, dass sie den Tumor herausbekommen haben, bevor er sich weiter ausbreiten konnte. Ein wenig Nasenbluten hin und wieder ist gar nichts im Vergleich zu dem davor." Sie schaute ihn an und lächelte sanft. "Du hast geholfen, mir mein Leben wiederzugeben, Mulder. Ich habe nicht vor, dieses Geschenk zu verschwenden."

"Scully, ich möchte, dass du weißt, dass ich es jederzeit wieder tun würde."

"Ich weiß, Mulder. Lass uns das jetzt aber vergessen und lieber die Küche in Ordnung bringen, denn ich habe definitiv keine Lust, das morgen noch machen zu müssen."

 

xXxXxXx

 

Um etwa halb zehn gähnte Scully dermaßen, dass Mulder Angst hatte, dass es ihr das Gesicht auseinanderreißen würde.

"Du kannst nicht schon müde sein, Scully. Du hast schon seit anderthalb Stunden nichts mehr gegessen. Wir sollten eigentlich längst wieder essen.  Hm, vielleicht ist meine Uhr stehen geblieben."

"Süß, Mulder."

"Ich gebe mir die größte Mühe. Warum gehst du nicht schon schlafen und ich mache die Bude hier unten zu."

"Warum so zuvorkommend? Ist der Böse Mann oben im Schlafzimmer?"

"Möglich. Zumindest war er es, als Sam klein war. Ich muss jedenfalls noch duschen."

"Da sage ich nicht nein zu dem Angebot. Bis morgen, Mulder." Er sah zu, wie sie die Treppen hinaufging. Sie muss seinen Blick im Rücken gefühlt haben, denn sie drehte sich um und fragte: "Bist du sicher, dass alles in Ordnung ist?"

"Ja, jetzt geh schon, weil ich beim besten Willen heute keine Kraft mehr habe, dich nach oben zu tragen, wenn du eingeschlafen bist." Scully wünschte ihm eine gute Nacht und verschwand nach oben. Sie ahnte, dass irgendetwas ihrem Partner Sorgen machte, aber sie wollte ihn lieber nicht drängen.

Mulder schloss inzwischen alle Türen und nahm eine Dusche. Nachdem er gute zehn Minuten unter dem fast brennenden Wasserstrahl gestanden war, trocknete er sich ab und kroch ins Bett.

 

xXxXxXx

 

Er wachte auf um etwa halb eins in der Nacht und konnte nach dem Traum von Scully und dem Kettenraucher nicht mehr einschlafen. Die perfekten Voraussetzungen für einen Alptraum, dachte er bitter. Wenn bloß der Kettenraucher nicht darin gewesen wäre, wäre es ein sehr schöner Traum gewesen. Nachdem er sich gute zwanzig Minuten hin und her gewälzt hatte, stand er auf, zog sich ein FBI-Akademie T-Shirt über und machte sich auf den Weg zu der Hängematte, die er und Scully diesen Morgen entdeckt und aufgehängt hatten. Er versuchte leise zu sein, aber er wusste, dass seine Partnerin ihn hören und herunterkommen würde. Das war nämlich genau, was er beabsichtigte.

Scully hörte ihn hinausgehen und schaute aus dem Fenster. Sie sah ihn in der Hängematte sitzen und wartete ein paar Minuten, um ihn mit seinen Gedanken alleine zu lassen. Dann griff sie nach einer Decke und schlenderte hinaus in die Nacht.

Mulder hörte wie sie die Küchentür schloss und einige Momente später ihre wohlbekannte Stimme: "Ist der Platz hier frei?" Er schaute auf und nickte. Sie setzte sich neben ihn und beide waren still für eine Weile. "Wie hast du gewusst, dass du hier herauskommen solltest? Woher weißt du immer, wann ich dich brauche?"

"Du machst eben immer genug Lärm, um mich zu wecken - absichtlich oder unabsichtlich. Außerdem scheinen wir beide uns besser zu kennen, als irgendjemand anderes. Ich fühle es einfach und finde dich, egal wo du bist."

"Scully, ich brauche dich jetzt wirklich." sagte Mulder leise.

"Warum..." fragte Scully und legte ihre Hand genau neben seine.  "Scully, als ich dich heute mit all dem Blut sah, hatte ich mehr Angst als je zuvor. Ich dachte, es fängt alles wieder an. Ich könnte es nie ertragen, wenn du alles wieder durchmachen müsstest. Es würde mich umbringen zu wissen, dass du noch einmal all die Schmerzen erleiden müsstest, und dass ich nichts tun kann als daneben stehen und zugucken." Er griff nach ihrer Hand und hielt sie fest als ob sein Leben dranhing. "Als ich dich heute so sehen musste, brach die ganze Welt für einen Moment zusammen. Die drei Minuten, in denen du oben warst, waren die Hölle. Ich will nie wieder denken müssen, dass ich dich jeden Moment verlieren könnte." Seine Stimme brach während seiner letzten Worte.

Mulder wagte einen Blick in ihr Gesicht und war überrascht, dass er Tränen in ihren Augen sah. Er streckte seine Hand aus, um einige zu trocknen, die gefallen waren und Scully ließ auf diese sanfte Geste hin ihren Tränen freien Lauf. Sie sank auf Mulders Brust zusammen und weinte. Mulder spürte, wie seine eigenen Tränen fielen. Er hielt sie fest in seinen Armen und wartete, bis sie sich beruhigt hatte.

Sie schaute auf zu ihm mit tränenüberströmten Gesicht und schenkte ihm ein 'Mulder, du bist absolut wundervoll'- Lächeln. Er lächelte zurück und zitterte, als eine kalte Brise ihn erfasste. Scully merkte es und breitete die Decke über sie aus. Sie drückte ihn sanft herunter und legte sich neben ihn, ihr Kopf an seiner Brust. Mulder schlang seinen Arm um sie und legte seinen Kopf zurück.

"Weißt du, Scully, ich habe Ewigkeiten damit zugebracht, nach Dingen in den Sternen zu suchen, dass ich überhaupt nicht mehr aufhören kann, die Sterne zu beobachten.'

"Sterne sind eins der wenigen Dinge, die noch wirklich und wahrhaftig schön sind. Egal, wieviel man über sie weiß, sie bleiben immer noch geheimnisvoll - das macht sie wunderschön, sogar für die pragmatischste aller Studien."

"Sterne sind nicht das einzige für mich, das wirklich und wahrhaftig schön ist", flüsterte er in Scullys Haar hinein.

"Mulder..."

"Ja?"

"Ich werde dich nie wieder alleine lassen. Ich verspreche es."

"Und ich werde dich nie wieder gehen lassen." Sie sprachen diese letzten Worte so leise, dass sie sie kaum mit ihren Ohren hören konnten. Aber sie konnten sie ganz deutlich in ihren Herzen hören.

 

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Um ca. vier Uhr morgens erwachte Mulder. Er blickte herunter und sah Scullys Kopf neben seiner Brust, ihre roten Haare auf seinem Arm. Er hielt Scully fest an sich gepresst, ihr Arm hielt ihn eng umschlungen. Er könnte sich mit dem Gedanken anfreunden, morgens so aufzuwachen. Er kicherte leise, als er daran denken musste, wie Skinner wohl dreinblicken würde, wenn er sie in diese Situation finden würde. Mulder wollte dieses Gefühl der Sicherheit und der Zufriedenheit so lange wie möglich genießen. Er küsste Scullys Stirn sanft und schlief wieder ein. Scully spürte den Kuss und entschied, nicht gegen das Gefühl der Wärme und Geborgenheit anzukämpfen, das sich über sie ergoss. Sie ließ ihr Gesicht neben Mulders Brust, lauschte seinem sanften und rhythmischen Herzschlag und entspannte sich in seiner Umarmung. Schlaf überkam auch sie nach nicht allzu lange Zeit.

 

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Mulder wachte um halb acht langsam auf und fühlte, wie sich auch Scully regte.

"Scully?" fragte er leise. "Bist du wach?"

"Nicht, wenn ich nicht etwas sagen soll", kam die schlaftrunkene Antwort.

"Ich habe noch nicht vor, mich zu bewegen."

"Ich hasse es, es ihnen sagen zu müssen, Doktor, aber meine Blase explodiert gleich und ich wollte dich nicht ohne Vorwarnung auf den Rasen fallen lassen."

Scully lachte und rollte von ihm weg. Er rannte förmlich ins Haus und Scully folgt langsamer mit der Decke im Arm. Ein paar Minuten später kam Mulder die Treppen herunter und fand Scully zusammengerollt im Halbschlaf auf der Couch. Er legte sich mit dem Kopf auf ihre Schulter und fing an, extra laut zu schnarchen. Sie grinste schief und trommelte spielerisch auf seiner Nase.

"Also, was machst du mir zum Frühstück, Mulder?"

"Was möchten du und dein nimmersatter Magen denn haben?"

"Irgend etwas, das bis 11 Uhr reicht."

"Wir haben nie im Leben genug Essen dafür in diesem Haus. Aber wären fürs erste Obst, Toast, Tee und vielleicht Cornflakes genehm?" Scully streckte sich und sah ihn mit blitzenden blauen Augen an. "Ich denke, ich werde überleben."

Mulder zwickte ihre Nase, um sich zu rächen. "Kann ich mir bei dir einen Stein ins Brett hauen, indem ich dir das Essen ans Bett bringen, so dass du dich nicht einen einzigen Zentimeter bewegen musst?"

"Ich denke schon, obwohl ich fürchte, dass ich dann allen Respekt für dich verliere und dich für den Rest des Tages als Butler betrachten würde."

"Damit kann ich leben."

Er kam zurück mit dem Frühstück auf einem Tablett. Er hatte sogar eine Schürze um und ein Handtuch über seinem Arm.

"Für Sie, Madam Scully." sagte Mulder in dem härtesten französischen Akzent, den er zustande brachte.

Scully hielt es nicht länger aus. Sie prustete los vor lachen. Mulder ließ fast das Tablett fallen. Er platzierte es vor sie auf den Tisch und wandte sich zum Gehen.

"Isst du nicht mit?" fragte Scully, die sich ein wenig beruhigt hatte.  "Mit dem Personal zusammen essen, Madam Scully, ist das nicht gegen die Regeln?"

"Seit wann halten wir uns an die Regeln, hm?"

"Auch wahr." Mulder setzte sich neben sie und sie frühstückten zusammen.  Keiner von beiden erwähnte die vergangene Nacht, aber sie fühlten sich näher zueinander als je zuvor. Sie brauchten keine Worte.

 

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Nachdem sie das Geschirr weggeräumt und sich angezogen hatten, fand Scully Mulder auf der Veranda sitzen. "Was soll heute gemacht werden, Hausmann?" Mulder grinste sie an. "Wir sollten heute vielleicht drinnen weitermachen, denn es wäre unklug, noch mehr Sonne auf unsere Haut zu lassen. Besonders du. Du bekommst eher einen Sonnenbrand als meiner Mutter Fleischhaxen und diese gehen so in Flammen auf." (Er schnippte mit den Fingern) "Du solltest lieber aufpassen, was du sagst oder du behältst diesen Spitznamen - auch im Büro. Außerdem hast du recht. Zeig mir den Weg zu einer Drahtbürste, ich bin bereit, an meinem Appetit zu arbeiten." Mulder sah Scully an, stand auf und seufzte: "Warum überrascht mich das nicht?"

Irgendwie schafften sie es, mittags durchzuarbeiten und um fünf herum erinnerte Scullys Magen sie an diesen Fehler. Sie war gerade damit fertig, den Badezimmerboden zu schrubben, als sie um das Haus herum ging und nach Mulder rief. Sie fand ihn im Wandschrank in der Vorhalle, dessen Wände er gerade schrubbte. Er machte die Wand fertig, glitt aus der Tür und fand Scully hinter sich stehen.

"Netter Anblick", grinste sie.

"Ich bin froh, dass ich dir Freude bereiten kann." Er ging um sie herum. "Du siehst auch nicht schlecht aus", nickte er zustimmend. Er gab ihr einen Klaps mit dem Handtuch und glitt aus der Tür, bevor sie reagieren konnte.

Scully ging in die Küche und fand Mulder, wie er Steaks aus dem Kühlschrank und eine Dose Bohnen aus dem Schrank holte.  "Gib mir 45 Minuten, Scully, und du bekommst eine Mahlzeit, die deinen Magen für lange Zeit beruhigen wird."

Scully ging und räumte ihre Sachen auf. Dann kümmerte sie sich auch um Mulders Zeug, denn das war das Mindeste, was sie tun konnte, hinsichtlich der Tatsache, dass sie schon lange nicht mehr so gut gegessen hatte. Sie hatte sogar Zeit für eine Dusche.

Eine halbe Stunde später betrat sie wieder die Küche und fand einen gedeckten Tisch, das Essen kochend und eine Flasche Wein auf dem Tisch vor. Sogar Mulders Ho-Ho's lagen auf der Küchentheke zum Nachtisch.  Mulder rauschte an ihr vorbei und sagte, er gehe duschen. "Wehe, du fasst irgendetwas an, bevor ich zurück bin!" drohte er im Spaß. Sie setzte sich an den Tisch und nach bereits zehn Minuten war er wieder zurück. Er stellte das Essen auf den Tisch und holte die Steaks aus der Pfanne. Scully war im Begriff, die Weinflasche zu öffnen, doch Mulder nahm sie ihr aus der Hand.

"Nicht heute. Ich bin der Hausmann, weißt du noch?" Er schenkte ihnen beiden ein Glas Wein ein und setzte sich ihr gegenüber.

"Es sieht alles fabelhaft aus, Mulder. Bitte erinnere mich daran, dass ich nie wieder an deinen Kochkünsten zweifele."

Sie fingen an zu essen und Mulder füllte schon bald auf Scullys Bitte hin ihre Weingläser nach. Dies erschreckte Mulder, denn normalerweise hatte sie nur ein Glas bei einem Essen. Als sie zu Ende gegessen hatten, war auch die Weinflasche leer. Sie wuschen ab und Scully nahm die Kiste Ho-Ho's mit hinaus auf die Veranda. Mulder zögerte einen Moment, doch holte dann die zweite Flasche Wein hervor, die er morgens in den Kühlschrank gestellt hatte. Er griff nach den beiden Gläsern und brachte sie ebenfalls hinaus auf die Veranda.

"Ich hoffe, es macht dir nichts aus, aber ich habe uns noch eine Flasche mitgebracht", sagte Mulder mit einem unschuldigen Blick.

"Ich habe mir schon gedacht, dass du irgendwo eine versteckt hast, aber ich habe sie nicht gefunden", antwortete sie mit einem Lächeln und einer erhobenen Augenbraue.

"Ich habe sie hinter dem Kühlschrank versteckt und gehofft, dass du sie nicht findest, weil ich wusste, dass du mir sowieso die Leviten lesen würdest."

"Nein, der Wein schmeckt viel zu gut, um sauer auf dich zu sein", sagte sie und schenkte sich nach.

Er öffnete die Ho-Ho's und sie verzehrten sie und den Wein.  Scully stand eine Weile später auf und trat an das Geländer. "Es kommt ein Sturm auf", sagte sie und sah die Blitze in der Ferne, obwohl sie zu weit weg waren, um den Donner zu hören.

Mulder stellte sich hinter sie und legte seine Hände auf ihren Rücken. Ohne es zu merken begann er, ihr Genick und ihre Schultern zu massieren. Er konnte die Knoten in ihren Muskeln fühlen von all der Schrubberei den ganzen Tag und massierte weiter.

Scully fühlte, wie sie sich durch den Wein und vor allem durch Mulders sanfte Massage entspannte. Sie ließ ihren Kopf nach vorne fallen und seufzte zufrieden. Nach einer Weile drehte sie sich um und begann, seine Schultern zu massieren. Bald wurden sie beide durch den Wein und durch die sanften Berührungen müde und gingen wortlos wieder zurück ins Haus. Sie schalteten die Lichter aus, gingen nach oben in ihre Zimmer und flüsterten sich eine gute Nacht zu, bevor sie ihre Türen schlossen.

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