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Vergessene Schlüssel

von LSprys

Kapitel 2

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Ein krachendes Donnern weckte Scully und für einen Moment wusste sie nicht, wo sie war. 'Richtig, das Haus!' Sie richtete sich schweißgebadet auf. Seit der stürmischen Nacht, in der Duane Barry sie entführt hat, fürchtete sich Scully in Sturmnächten, obwohl sie es nie zugeben würde. Sie schalt sich selbst dafür, mitten in der Nacht so kindisch zu sein, und weil sie noch unter dem Einfluss des Alkohols war, durchschossen sie alle möglichen Visionen. Zuerst klatschte ein Ast gegen ihr Fenster, dann meinte sie, einen Schatten in der Ecke ihres Zimmers zu sehen. Das nächste, woran sie sich später erinnerte war, dass sie neben Mulders Bett stand.

"Scully, was ist los? Bist du ok?" In Mulders Augen und seiner Stimme stand die Sorge.

"Bitte lach mich nicht aus, aber seit Duane Barry hasse ich solche Sturmnächte und mein Hund ist nicht hier, um mir Gesellschaft zu leisten und ein Ast schlägt ständig gegen mein Fenster und ich sehe Schatten in meinem Zimmer." Sie sprudelte das alles in einem Satz hervor und wurde rot trotz ihrer Angst, der sie beutelte.

Ohne ein Wort zu sagen hob Mulder seine Bettdecke und bot ihr den Platz neben sich an. Sie schlüpfte dankbar hinein, als der Sturm mit voller Wucht auf den Fensterläden knallte. Scully machte sich ganz klein und vergrub ihr Gesicht in seiner Brust. Mulder hielt sie fest, streichelte sie und murmelte ihr zu, dass er es nicht zulassen wird, dass ihr jemand etwas tut.

Einige Minuten später gab der Sturm nach und Mulder flüsterte ihr zu:

"Wenigstens brauchen wir morgen nicht die Fenster putzen." Daraufhin entspannte sie sich ein wenig. Sie hob ihren Kopf und sah ihm in die Augen. Sie blickte ihn lange an und lehnte dann nach vorne und presste ihre Lippen an sein Kinn. Sie kuschelte sich wieder zurück an seinen Körper, als der Sturm wieder anhob. Sie fühlte, wie er sie auf den Kopf küsste und dann auf ihre Nasenspitze. Er schlang seine Arme um sie und sie drifteten entspannt in den Schlaf.

 

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Um etwa halb sechs wachte Scully auf und fühlte etwas auf ihr liegen. Sie öffnete ihre Augen und sah, dass Mulder fest schlafend mit dem Kopf auf ihrem Bauch lag. Sie bemerkte sein Kissen unter ihrem Kopf und nahm an, dass Mulder sich während der Nacht nach unten gearbeitet hatte und jetzt ihren Bauch als Kopfkissen benutzte. Sein linker Arm lag zudem quer über ihrem linken Bein. Wenn er nicht so ruhig schlafen würde, würde ich ihn ja wecken und ihm sein Kissen wiedergeben, dachte sie. Als sie auf sein Gesicht blickte, fiel ihr ein, dass sie die ganze Zeit, in der sie hier waren, nicht ein einziges Mal über ihre Arbeit gesprochen haben. Das war ziemlich ungewöhnlich, weil dies ja das Hauptthema zwischen den beiden Agenten war.  Ihr war nie aufgefallen, wie viel sie beide doch gemeinsam hatten. Sie strich Mulder eine Strähne aus den Augen und er regte sich im Schlaf. Sie hielt inne und wartete, hoffend, dass er nicht aufwachte. Scully genoss die seltene Gelegenheit, ihn richtig betrachten zu können, ohne ein schlechtes Gewissen zu bekommen. Er legte seine rechte Hand auf ihrem Arm und schlief ruhig weiter. Scully seufzte vor Erleichterung und beobachtete ihn weiter.  Sie genoss den Anblick seiner wohlbekannten Gesichtszüge. Ihre Hand wanderte sanft auf die Narbe auf seiner Stirn und strich dann über sein Haar. Sie fuhr langsam über seine Lippen, sein Kinn und ruhte dann an seinem rechten Ohr. Plötzlich öffnete Mulder die Augen und Scully ließ zu ihrer Überraschung ihre Hand auf seiner Wange liegen.  Mulder schaute sie verwundert an. "Warum liege ich auf deinem Bauch?"

"Weil ich wohl dein Kissen geklaut habe", sagte sie, zog ihre aber Hand immer noch nicht zurück.

"Oh." Mulder hob seinen Kopf und stützte sein Kinn auf seine rechte Hand.

"Ich glaube, ich muss gedacht haben, dass du das nächstbeste Kissen bist." Scullys Hand glitt seine Wange herunter, doch ihre Fingerspitzen blieben auf seinem Kinn. "Ich weiß jetzt nicht, ob ich mich geehrt oder beleidigt fühlen soll."

"Geehrt, denn ich bin ziemlich wählerisch, wo ich meinen Kopf hinlege."

"Hmm. Ich wollte dich nicht gar nicht wecken. Ist dir aufgefallen, dass wir uns während wir hier sind nicht ein einziges Mal auf die Nerven gegangen sind? Wir stellen bald einen Weltrekord auf."

"Entweder das oder es ist etwas im Trinkwasser." Er hob seine Hand und berührte das Kreuz, das an ihrer Halskette hing, die nun flach auf ihrer Brust lag. Er hielt es zwischen zwei Fingern und sagte: "Während der letzten vier Tage sind wir einander näher gekommen, als in den letzten fünf Jahren. Vielleicht liegt es am Haus oder daran, dass wir uns nicht um irgendeinen Fall kümmern müssen oder weil wir hier oben unsere Fassaden eher herunter lassen, als sonst. Wir konnten uns gegenseitig so sehen, wie wir wirklich sind, ohne die Arbeit zwischen uns. Ich will fast überhaupt nicht mehr zurück in unsere alte Welt. Wir werden uns sowieso wieder da unten in dem Kellerbüro zu Tode arbeiten."

Sie legte ihre Hand wieder auf seinen Kopf. "Wir müssen gar nicht wieder wie vorher werden. Obwohl ich es immer schon gemocht habe, mich mit dir zu streiten."

"Logisch, du hast ja auch viel öfter recht als ich." Mulder sah Scully nun endlich an. "Mir gefällt, wie wir jetzt sind. Es wird schwer werden, mich wieder zu Hause an meine Couch zu gewöhnen. Ich fühle mich hier viel sicherer, wie ich mich in einer Ewigkeit nicht mehr gefühlt habe. Ich habe nicht einen einzigen Alptraum gehabt, seit wir hier sind. Hier gibt es keinen Skinner, der uns über die Schultern schaut, keine Monster, die hinter irgendwelchen Ecken lauern, mein Handy hat nicht ein einziges Mal geklingelt—weißt du eigentlich, was für ein Luxus das ist? Ich möchte wieder zurück nach DC, verstehe mich nicht falsch. Ich liebe unsere Arbeit.  Aber in diesen vier Tagen hatte ich ein Leben. Ich glaube nicht, dass ich vorher je eines hatte. Ich werde das hier vermissen - UNS vermissen, wie wir Freunde sein können, ohne ständig umeinander fürchten zu müssen." Mulder ließ das Kreuz los, aber ließ seine Hand blieb wo sie war.

"Mulder, alles hat sich verändert, merkst du das nicht? Wir müssen keines dieser beiden Dinge aufgeben. Ich denke, dass alles besser wird, weil wir diese Zeit hier zusammen hatten. Den chaotischen Alltag werden wir nicht los, aber wir beide haben uns verändert, du und ich. Veränderungen können sehr gut sein, glaube mir. Wir werden auf jeden Fall wieder zurück in diese chaotische Welt gehen, aber ich werde diesen Ort hier nie vergessen. Ich könnte mich an solche Ferien sogar gewöhnen. Wenn man bedenkt, dass ich zuerst überhaupt nicht hier her wollte."

Mulder lächelte. "Das wäre auch noch schöner! Ich würde diese Zeit für nichts in der Welt tauschen wollen. Frau Doktor macht immer alles wieder gut, stimmt's?" sagte er, schloss die Augen und legte seinen Kopf wieder zurück auf ihren Bauch. Scully streichelte seine Wange.  Ohne seine Augen zu öffnen oder seinen Kopf zu heben flüsterte er mit verschlafener Stimme: "Scully, ich würde dich gern behalten." Er sah nicht die freudige Überraschung, die ihr Gesicht erhellte, doch er merkte, wie sie sich unter ihm entspannte und dass sie lächelte. Und dies reichte ihm vollkommen - fürs erste zumindest. Er schlief ein mit seinem Kopf geborgen auf dem Körper seiner besten Freundin.

Mulder erwachte mit dem Duft von Rührei und Schinken in der Nase. Er stand auf, folgte dem Duft in die Küche und fand Scully am Herd. Er ging zu ihr hin und stützte sein Kinn auf ihre Schulter. "Was machst du da Feines?" fragte er und warf einen Blick in die Pfanne.

"Ich habe mir gedacht, dass ich dir wenigstens eine Mahlzeit dafür schulde, dass du in den letzten vier Tagen ständig meinen nie zufriedenen Magen gefüttert hast." antwortete sie und rieb sich dabei ihren Bauch. "Meine Kocherei hat dich noch nicht umgebracht, also hör auf, solche schrecklichen Grimassen zu ziehen."

Mulder machte wieder ein normales Gesicht und sagte unschuldig: "Ich würde es nie wagen, mich über dein Essen zu beschweren. Wer füttert mich denn die ganze Zeit? Wenn ich bei dir auf der Türschwelle auftauche, hast du immer etwas da. Ich versuche das Ganze nur, damit du nicht denkst ich gebe leicht nach."

"Mulder, was du auch immer bist, du bist ganz sicher nicht jemand, der leicht nachgibt."

"Danke." Er setzte sich an den Tisch und griff nach der Gabel. "Jetzt füttere mich oder ich werde feindselig"

"Bloß nicht." Scully füllte seinen Teller und dann ihren. Sie setzte sich ihm gegenüber und sie fingen an zu essen. Nach einer Weile ließ Scully ihre Gabel sinken und tippte Mulder auf die Hand, um seine Aufmerksamkeit zu erlangen.

"Danke für letzte Nacht", sagte sie, als er aufschaute.

"Für was?" fragte Mulder.

"Dafür, dass du bei mir warst und mich nicht wie einen Idioten stehengelassen hast, weil ich vor etwas so irrationalem Angst hatte."

"Erstens glaube ich, dass das Ansichtssache ist und ich persönlich glaube nicht, dass du irgendeine ungerechtfertigte Furcht dein Leben kontrollieren lässt. Wenn du sagst, du hast vor etwas Angst, dann glaube ich dir. Ich würde dich nie auslachen, das weißt du. Ich bin froh, wenn ich etwas tun kann, dass dir hilft hat, dich besser zu fühlen. Vergiss das nicht, ok? Außerdem bin ich noch nie jemand gewesen, der immer an allem zweifelt. Das solltest du eigentlich schon gemerkt haben", lächelte er sie an.  Auf einmal stand Scully auf und umarmte ihn. "Weißt du was?" flüsterte sie ihm ins Ohr.

"Was?" flüsterte er zurück.

"Ich würde dich gern behalten."

Sie ließ ihn los und stellte das Geschirr in die Spüle. Mulder stand da mit einem dummen Grinsen auf den Lippen und starrte auf die feurige Rothaarige an der Küchentheke. Seine feurige Rothaarige, dachte er bei sich. Er verließ die Küche und pfiff die Melodie von Star Trek. Scully hörte ihn und lächelte, denn sie wusste, dass er so etwas nur tat, wenn er in richtig guter Laune war.

 

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Als sie endlich hinausgingen, war es fast zehn und die Mittagshitze hatte bereits eingesetzt. Mulder und Scully machten sich daran, den Schuppen zu säubern. Um fünf Uhr hatte sich einen beträchtlicher Berg Müll angesammelt, und als sie alles weg zum Bordstein getragen hatten, waren sie beide über und über mit Schmutz bedeckt. Scully schaute Mulder an und prustete los vor Lachen.

"Was ist so witzig?"

"Du."

"Du siehst auch ganz nett aus, weißt du das?"

"Es ist nur, dass ich dich noch nie zuvor so dreckig gesehen habe. Wenn uns die anderen Agenten jetzt sehen könnten, würden sie bestimmt aus den Latschen kippen. Die beiden Stubenhocker sind doch tatsächlich herausgegangen und haben Schwerstarbeit geleistet. Die haben uns bestimmt schon lange abgeschrieben."

"Hmm, ich denke nicht, dass wir sie hierher einladen werden, oder? Wir könnten nie unseren Ruf beibehalten, wenn wir auffliegen lassen, dass wir ganz normale Menschen sind."

"Da hast du recht", stimmte sie zu und hob den Wasserschlauch auf, der unaufgeräumt auf dem Boden lag. Sie drehte das Wasser auf und zielte auf ihn. Ein kalter Wasserstrahl erwischte ihn, bevor er sich irgendwohin retten konnte.

"Ich werde dich wohl ein wenig waschen müssen, bevor wir wieder reingehen."

Er griff nach dem Schlauch und drehte den Strahl auf Scully. Eine Wasserschlacht wie eh und je brach aus und nicht lange und sie waren nass bis auf die Haut. Scully wirbelte herum, um ihn eine letzte Wasserladung auf ihn loszuwerden, doch sie verlor den Halt und rutschte auf dem nassen Schlamm aus, der während der Schlacht entstanden war. Sie prallte gegen Mulder und sie landeten beide übereinander im nassen Schlamm. Als Mulder so auf ihr lag, merkten beide, wie nahe sie sich eigentlich waren. Ohne nachzudenken senkte Mulder seinen Kopf, um sie zu küssen, und sie hob ihren, um ihm entgegenzukommen.

In diesem Moment klingelte das Telefon. Mulder schlug seine geballte Faust in den Schlamm und fluchte. "Warum muss dieses verdammte Ding immer in den ungünstigsten Momenten los gehen?"

Er rollte von Scully herunter und hielt ihr das Telefon hin.  "Ich will nicht rangehen, Mulder. Es ist ja sowieso Skinner. Bitte rede du mit ihm."

"Ich will nicht mit ihm reden. Sollen wir es nicht einfach klingeln lassen?"

"Also schön, gib es mir. Du bist mir was schuldig, mein Freund."

"Scully, du bist ein Engel."

Scully streckte ihm die Zunge heraus und ging ans Telefon. Nach etwa einer Minute ernsthafter Unterhaltung, verabschiedete sie sich und legte auf.  "Rate!"

"Unser wunderbarer Chef möchte uns noch eine zusätzliche Woche Urlaub geben?" fragte Mulder und glaubte seinen eigenen Worten nicht.  "Träum weiter. Er will, dass wir so bald wie möglich zurück kommen. Er will uns irgendetwas zeigen."

"Ein neuer Fall?"

"Nehme ich an. Er wollte es nicht näher am Telefon besprechen." Scully schaute ihn unglaublich enttäuscht an.

"Ich denke, wir machen uns besser auf den Weg. Wir können entweder heute Abend fahren und ausschlafen, wenn wir ankommen, oder wir können hierbleiben und morgen früh um circa vier fahren. Was wäre besser?"

"Keines von beiden, aber es ist praktischer, wenn wir heute fahren. Wir haben noch einiges zu tun, bevor wir fahren. Warum gehst du nicht zu erst duschen?" schlug sie vor. "Immerhin hast du weitaus mehr Dreck an dir als ich. Ich räume den Kram hier draußen weg."

Scully stand da und sah ihn an. "Zum ersten Mal in meinem Leben bereue ich es, einen Job zu haben."

Mulder trat näher und schaute sie an. "Wir können jederzeit wieder hierher zurückkommen."

"Ich weiß, aber ich möchte hier bleiben", sagte sie und traute sich nicht, ihm in die Augen zu sehen. "Mit dir."

Sie drehte sich rasch um und ging ins Haus. Mulder wartete einen Moment und folgte ihr dann, nicht darauf achtend, dass der ganze Schlamm auf den Boden tropfte. Er ging nach oben und betrat ohne anzuklopfen das Badezimmer. Scully stand neben einem Haufen schmutziger Kleidung, ein Handtuch um ihren Körper.

"Egal, was passiert", sagte Mulder und versuchte, das kleine Handtuch, das sie an ihren Körper gepresst hielt, zu ignorieren. "Versprich mir, dass du bald wieder mit mir hier her zurück kommst. Es wäre nicht dasselbe ohne dich. Egal, wie viel wir zu tun haben, wir nehmen uns die Zeit und kommen hierher zurück. Versprochen?"

Sie sah das Flehen in seinen Augen, und obwohl sie nur das Handtuch anhatte, trat sie zu ihm und umarmte ihn. "Ich verspreche egal, was passiert, ich komme wieder hierher. Nichts könnte mich davon abbringen."

"Ehrlich?"

"Ehrlich. Und jetzt verschwinde, bevor mein Handtuch verrutscht."

"Weißt du, vielleicht sollte ich lieber hierbleiben. Vielleicht brauchst du jemanden, der dir die Seife reicht oder dir die Füße schrubbt. Ich bin Experte darin", sagte Mulder mit einem frechen Grinsen.  Scully schubste ihn aus der Tür: "Ich schreie, wenn ich etwas brauche. Und jetzt RAUS!!!" lachte sie und versuchte das Handtuch nicht zu verlieren.  Mulder grinste, trat in den Flur und schloss die Tür hinter sich.

Um sechs Uhr hatten sie soweit alles gepackt und im Auto verstaut und überprüften noch einmal, ob alle Türen und Fenster verschlossen waren.  Mulder schloss die Eingangstür und ging neben Scully zum Auto.  "Willst du fahren?" fragte er und wusste, dass sie ablehnen würde, weil sie lange nicht so gerne Nachtfahrten mochte wie er. "Nein danke. Bei meinem Glück landen wir in Kanada."

"Denk daran, dass ich mich normalerweise immer verfahre. Beschwer dich nicht, wenn wir bei den Niagara Fällen oder so landen."

"Ich lasse es darauf ankommen." Sie kletterte auf den Beifahrersitz. Vor ihnen lag eine Drei-Stunden-Fahrt. Mulder setzte sich hinters Steuer und fuhr langsam die Einfahrt hinunter. Beide wünschten sich sehnlichst, dass sie wieder zurück zu dem Moment könnten, bevor das Telefon geklingelt hat.

Während der Fahrt merkten beide die Spannung, die sich im Wagen aufgebaut hatte. Mulder verfluchte innerlich das Telefon und Scully wusste, dass er wütend war. Nach etwa zwanzig Minuten hielt sie es nicht mehr aus.  "Mulder."

"Ja, Scully?"

"Wenn plötzlich ein Baum im Wald umfallen würde und niemand wäre in der Nähe, um es zu hören, würdest du darauf bestehen, der Sache nachzugehen, oder würdest du es einfach sein lassen?" fragte Scully ernst. "Du kannst deinen süßen Hintern darauf verwetten, dass ich dem nachgehen würde, und ich würde dich mitschleppen", antwortete er in einem genauso ernsten Tonfall. "Warum fragst du?"

Scully lachte. "Ich wollte einfach irgendetwas sagen, um dieser Spannung abzuhelfen, die sich hier aufgebaut hat. Wie's aussieht, hat's geholfen." Das Eis war gebrochen und die Unterhaltung fiel ihnen jetzt leichter.  Mulder erzählte ihr von dem Spaß, den er und Samantha in dem Haus gehabt hatten. Sie rollte in ihrem Sitz zusammen, schloss die Augen und genoss den Klang seiner Stimme. Scully fühlte, wie sie immer schläfriger wurde und gab sich nach dem langen Tag, den sie und Mulder gehabt hatten, völlig dem Schlaf hin.

Mulder hatte alles und jeden verflucht, als Scully ihm die Frage mit den Bäumen gestellt hatte. Er wusste, dass sie nur versucht hatte, ihn aus seiner schlechten Laune herauszubringen, und nachdem er sie lachen gehört hatte, fühlte er sich tatsächlich viel besser. Trotzdem wünschte er, dass sie das Telefon klingeln gelassen hätten. Nach etwa einer Viertelstunde hörte Scully auf, ihm zu antworten. Er schaute zu ihr herüber und sah, dass sie eingeschlafen war, ihr Haar über ihrem Gesicht. Er lächelte und hob den Mantel auf, der von ihrem Schoß gerutscht war. Still fuhr er weiter.

Etwa eine Stunde später, "Mulder.."

"Was ist los, Scully?" Er erhielt keine Antwort, deshalb fragte er nochmal.

"Was ist?"

Mulder blickte herüber und merkte, dass sie im Schlaf redete. Er legte seine Hand auf ihrem Arm und sagte leise: "Schlaf weiter, Scully."

"Nein. Was wäre passiert, wenn das Telefon nicht geklingelt hätte?" murmelte Scully, immer noch fest schlafend.

"Ich glaube, ich hätte dich vielleicht geküsst", flüsterte er und konnte nicht glauben, dass er das eben zu ihr gesagt hatte, ob sie schlief oder nicht.

"Es hätte mir gefallen. Vielleicht werden wir irgendwann wieder mal so im Schlamm liegen."

"Davon kann ich nur träumen", antwortete er und fragte sich, ob sie sich an alles erinnern würde, wenn sie aufwachte.

"Ich mag dich wirklich sehr, Mulder. Meine Mutter hat recht, du bist ein wundervoller Mann", murmelte Scully, regte sich in ihrem Sitz und schlief ruhig weiter.

Mulder legte seine Hand auf ihr Knie und drückte es sanft. "Ich mag dich auch sehr."

Scully erwachte nicht etwas später und sie konnte sich an kein Wort ihrer Unterhaltung erinnern, soweit Mulder es beurteilen konnte. Er hielt es auch für besser so, denn er hatte keine Ahnung, wie er reagieren sollte, wenn es anders wäre. Sie fuhren zu einer Tankstelle, um Kaffee zu holen und Scully bot an, den Rest des Weges zu fahren.

"Keine Chance! Wir haben uns nicht ein einziges Mal verfahren. Ich muss außerdem die ganze Strecke fahren, damit ich etwas habe, worauf ich zurückgreifen kann, wenn du mich wieder in der Luft zerreißen willst."

"Ich? Mich über dich lustig machen? Nie im Leben. Woher willst du das wissen?"

"Von dir selbst."

"Oh. Tja, lebe und lerne." Scully sprang zurück ins Auto und sie fuhren weiter.

Einige Zeit später fuhr Mulder in Scullys Einfahrt. "Hier sind wir. Geh schon mal die Tür aufschließen und ich hole deine Sachen aus dem Kofferraum."

"Was für ein Gentleman", sagte sie und fing an, in ihrer Tasche nach den Schlüsseln zu suchen, während sie zu ihrer Haustür ging. Auf halbem Weg hielt sie plötzlich inne.

Mulder holte sie ein. "Du weißt, dass du die Tür nicht von hier aufschließen kannst, oder?"

"Wenn ich an der Tür stehen würde, würde es auch keinen Unterschied machen. Ich habe keinen Schlüssel."

"Was soll das heißen?"

"Ich kann mich erinnern, dass ich meinen Schlüssel auf den Küchentisch geworfen habe, als wir angekommen sind. Der dürfte da jetzt noch liegen. Ich habe ganz vergessen, ihn wieder mitzunehmen, als wir gefahren sind", sagte sie entschuldigend.

"Und ich dachte schon, ich würde nie den Tag erleben, an dem du etwas vergisst. Irgendwie bin ich stolz. Jetzt gehörst du auch auf dieselbe dunkle Seite mit all den anderen von uns. Wenigstens habe ich meine Schlüssel. Ich lasse dich rein und du kannst dich bei mir bedanken mit was immer du auch angemessen findest", grinste er sie an.

"Nein, das geht auch nicht. Ich habe doch die Schlösser auswechseln lassen, weißt du nicht mehr? Ich habe dir einen Schlüssel machen lassen und ihn drinnen liegenlassen, um ihn dir zu geben, wenn du mich abholst. Du hast ihn dir nicht genommen, oder?"

"Da kann ich nur nein sagen. Was ist mit deinen Nachbarn oder deiner Mutter?"

"Keiner von meinen Nachbarn hat einen Schlüssel. Ich habe Mom den neuen gegeben, aber sie ist meinen Bruder besuchen und kommt nicht vor morgen zurück."

Mulder drehte sich um und ging zum Auto. "Tja, dann glaube ich, dass du mich noch eine Nacht auf dem Hals haben wirst. Komm, ich bin am Verhungern. Wir können unterwegs etwas zu essen holen, bis wir zu meiner Wohnung kommen." Mulder grinste innerlich. Jemand da oben muss es wirklich gut mit ihm meinen, denn jetzt hatte er Scully noch für eine Nacht länger.

Scully hatte inzwischen ein schlechtes Gewissen, weil sie es gar nicht so übel fand, dass sie ihre Schlüssel vergessen hatte. Sie stiegen wieder ins Auto und machten sich auf den Weg zu Mulders Wohnung. Im Stillen freuten sich darüber, wie die Dinge ihren Lauf nahmen.

Nachdem sie sich etwas zu essen geholt hatten, kamen sie an seiner Wohnung an. Scully nahm das Essen, während Mulder sich um das Gepäck kümmerte. Er grinste breit, als er seine Schlüssel hervorholte und ihr sie klimpernd vor die Nase hielt. "So fühlt sich Macht also an. Daran könnte ich mich gewöhnen."

"Mach einfach die Tür auf, Hausmann", sagte Scully hinter den Taschen, die sie in den Armen hielt.

"Mit Vergnügen, Madam."

Sie gingen hinein und fielen sofort über das Essen her. Innerhalb von Minuten hatten sie das meiste davon verschlungen, und Mulder stellte den Rest in den Kühlschrank.

"So, mein Herr, wer bekommt die Couch?" fragte Scully und beäugte das Objekt, das Mulder Bett nannte.

"Die Gäste bekommen die Couch, ganz einfach. Ich hole dir eine Decke." Mulder verschwand im Nebenzimmer, bevor sie etwas sagen konnte. Er kam zurück mit einer Decke und einem Kopfkissen. "Ich habe es für besondere Anlässe aufbewahrt. Hier, bitte", sagte er und warf ihr das Kissen an den Kopf.

"Uhhh, jetzt bin ich also ein besonderer Anlass. Andere würden mir sagen, dass ich es mir lieber auf dem Boden bequem machen sollte. Ich komme schon zurecht." Scully fing an, in ihrer Tasche zu graben und holte ihren Schlafanzug hervor, der aus Shorts und einem New York Knicks T-Shirt bestand, das Mulder ihr einmal als Gag zu ihrem Geburtstag geschenkt hatte.

"Ich habe dir doch gesagt, dass ich es tragen werde", sagte Scully und musste daran denken, dass sie selten in etwas anderem schlief.  Sie zog sich um, während Mulder sich sein 'Bett' neben der Couch herrichtete. Sie legte sich hin und Mulder schaltete das Licht aus. Er machte es sich bequem und wünschte ihr eine gute Nacht. Nach ein paar Sekunden hob Scully ihren Kopf über das Couchende. "Ich habe gerade ein starkes Déjà-vu - Du auch?"

Mulder griff im Dunkeln nach ihrer Hand, legte sie auf seine Brust und hielt sie fest umschlossen. "Jetzt ja."

Er schloss die Augen und schlief ein. Er wusste, dass er diese Nacht keine Alpträume haben würde. Scully brauchte ein wenig länger, um einzuschlafen, aber letztendlich tat sie es doch mit dem Gedanken, dass Mulder neben ihr lag und sie nah bei sich haben wollte.

Mulder erwachte am nächsten Morgen und konnte gerade noch hören, wie das Duschwasser abgedreht wurde. Einen Moment später erschien Scully im Türrahmen. Zu Mulders großer Überraschung hatte sie seinen Bademantel an.  Sie blickte ihn an und grinste. "Ich hoffe, es macht dir nichts aus, dass ich ihn mir ausgeliehen habe."

Mulder nickte bloß, denn er hatte Angst, dass wenn er seinen Mund aufmachen würde, er das sagen würde, was ihm durch den Kopf schoss. Nämlich, dass er Scully nie schöner gesehen hatte, als jetzt, wo sie in der Badezimmertür stand und das Wasser aus ihrem Haar auf seinen Fußboden tropfte. Er merkte, dass Scully wieder etwas gesagt hatte. Verwirrt fragte er sie, es noch einmal zu wiederholen. Scully konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen.  "Ich würde zu gerne wissen, was Skinner sagen würde, wenn ich so im Büro auftauchen würde."

"Warum das?" fragte er, immer noch durcheinander.

"Weil ich überhaupt keine Sachen hier habe. Das ist hier ist ja nicht meine Wohnung. Ich kann ja schlecht abgeschnittene Shorts und ein zerfetztes T-Shirt anziehen, oder?"

"Ich wette, seine Reaktion wäre köstlich anzusehen. Es würde definitiv das Feuer in der Gerüchteküche schüren, dass wir 'nicht mehr ganz richtig' sind. Ich glaube echt, du solltest in dem Bademantel gehen—"

"Mulder, du bist echt verrückt, was?"

"Ich gebe mir die größte Mühe. OK, du könntest mich jetzt fragen, ob ich etwas habe, das du anziehen kannst."

"Was? Warum solltest du irgendetwas von mir hier haben? Hast du wieder in meinem Kleiderschrank gestöbert?"

Mulder musste lachen. "Nein, aber ich werde schon irgend etwas finden", rief er ihr zu, bevor er in seinem Kleiderschrank verschwand und eine von Scullys Jacken und ein paar ihrer Hosen zum Vorschein brachte.  "Wo hast du die denn her?" fragte sie ungläubig.

"Aus dem Trockner. Woher sonst?"

"Also gut, fahren wir also die harte Tour. Warum hast du Klamotten von mir aus dem Trockner?"

"Ich liebe es, dich an der Nase herumzuführen. Du hast mich gebeten, sie abzuholen, bevor du ins Krankenhaus gegangen bist."

"Mulder, das ist über einen Monat her! Du hattest sie so lange und hast sie mir nicht zurückgegeben?"

Mulder zuckte die Schultern, schenkte ihr seinen besten 'Tut mir leid, kannst du mir noch einmal verzeihen?' Blick und stülpte seine Unterlippe vor. Scully konnte ihm nicht böse sein und beide wussten das. Sie stöhnte und nahm ihre Sachen mit ins Badezimmer. Bevor sie die Tür schloss, drehte sie sich noch einmal um: "Warum kann ich dir nie lange böse sein?" Ohne auch nur einen Moment abzuwarten, rief er ihr zu: "Weil ich so niedlich bin."

Er ließ sie im Türrahmen stehen und ging pfeifend in die Küche.  Nachdem sie die Reste vom Vorabend gefrühstückt hatten, rief Scully ihre Mutter an und hinterließ ihr eine Nachricht, dass sie am Nachmittag vorbeischauen und den Schlüssel abholen würden. Sie ging schon zum Auto, während Mulder versuchte, seine Frisur zu bändigen. Sie unterdrückte ihr Lachen, als er ohne Erfolg gehabt zu haben herauskam.  "Sag es bloß nicht!"

"Was soll ich nicht sagen?" fragte Scully unschuldig.

"Warum wir schon wieder zusammen hängen."

"Weil ich so niedlich bin", antwortete sie mit denselben Worten, die er vorher gebraucht hat.

"Und schon wieder scheinst du Recht zu haben."

Sie stiegen ins Auto und fuhren in Richtung Stadt.  Nachdem Mulder den Wagen geparkt hatte, gingen sie geradewegs zu Skinners Büro. Die Türe stand offen, also traten sie einen Schritt hinein.

"Guten Morgen. Ich hätte Sie gar nicht so früh zurück erwartet." Scully ergriff das Wort. "Wir sind gestern Abend zurückgekommen. Es war praktischer, als heute Morgen um drei loszufahren."

"Wie auch immer, es tut mir leid, dass Sie ihren Urlaub unterbrechen mussten."

"Das ist schon in Ordnung", sagte Mulder, zog einen Stuhl für Scully heran und nahm neben ihr Platz.

"Behalten Sie diese Einstellung noch für ein paar Minuten, denn die Polizei hat den Kerl gefasst, der eigentlich Ihr nächster Fall gewesen wäre." Mulder lehnte seinen Kopf zurück auf die Lehne. "Das heißt also, dass wir umsonst unseren Urlaub unterbrochen haben."

"Ich habe es auch erst vor einer Stunde erfahren, Mulder. Ich habe versucht, bei Ihrer Mutter anzurufen, aber es ist niemand ans Telefon gegangen. Es tut mir leid."

Scully warf Mulder einen 'Sag kein Wort!' Blick und sagte: "Das ist schon in Ordnung. Wir müssen sowieso noch einiges aufarbeiten." Sie stand auf und legte eine Hand auf Mulders Schulter. "OK, waten wir also durch dein Büro.  Jetzt hast du keine Ausrede, mit der du dich vorm Aufräumen drücken kannst."

Mulder stand auf und nickte Skinner zu, bevor sie aus dem Büro traten und nach unten in den Keller gingen.

Mulder öffnete die Tür und Scully schaltete das Licht an. Der übliche Krempel und ein sechs Tage alter Donut auf Mulders Schreibtisch begrüßte die beiden Agenten. Scully grinste und er lachte. "Ups, das ist wohl meiner."

Scully nahm den Donut in die Hand und klopfte damit auf seinen Tisch.

"Hier, du hast sowieso einen neuen Briefbeschwerer gebraucht." Dann fingen sie an, die beiden beträchtlichen Postberge durchzuschauen, die sich während ihrer Abwesenheit angesammelt hatten.  Eine Stunde später stand Mulder auf, um Kaffee zu holen. Er kam zurück mit einem mehr als verwirrten Ausdruck im Gesicht.  "Was ist los?" fragte Scully verwundert.

"Ich bin gerade Skinner über den Weg gelaufen. Er sagte, da wir ja früher zurück gekommen sind, können wir unseren Urlaub jederzeit zu Ende führen.  Wir bekommen sogar zwei Tage extra."

"Ich hätte gedacht, dass du mich wieder mal reinlegst, aber du meinst das ernst, oder?"

"Oh ja. Wann fahren wir?"

"Wir?"

Mulder wurde rot und stammelte: "Ich habe angenommen, dass wir wieder zurück zum Haus fahren. Ich hätte wohl vorher fragen sollen, was?"

"In diesem Fall, ja. Aber ich denke, wir sollten trotzdem noch eine Weile hier bleiben. Ich will nämlich meinen vollen Urlaub und den möchte ich mir auch erarbeiten."

"Eine Frau der Tat, das gefällt mir. Das passt zu dir." Mulder lehnte sich zurück in seinem Stuhl und sie arbeiteten weiter an den Dingen, die noch ausstanden.

Das Telefon klingelte einige Zeit später und Scully wurde im Labor verlangt. Mulder wollte sie mit einem wenigstens halb aufgeräumten Büro überraschen und machte sich an die Arbeit, sobald sie aus der Tür war. Sie kam um etwa drei Uhr wieder und fand Mulder vor, wie er am Tisch saß und las. Das Büro war aufgeräumter als je zuvor in den letzten fünf Jahren. Sie blieb sichtlich erschrocken in der Tür stehen und er stand auf und bot ihr seinen Arm an.

"Schau dich ruhig um, Scully, es wird schnell nicht mehr so aussehen."

"Ich war nur gerade völlig sprachlos. Ich habe gar nicht gewusst, dass dein Schreibtisch eine Schreiboberfläche hat. Ich bin beeindruckt." Auf einmal drehte sie sich um. "Du willst doch hier raus, oder? Meine Mutter müsste jetzt eigentlich schon zu Hause sein."

"Das ist eine sehr gute Idee. Wenn ich noch eine Minute länger hier aushalten muss, schreie ich." Er griff nach seinem Schlüssel, führte Scully hinaus und machte das Licht aus.

Als sie im Auto auf dem Weg zu ihrer Mutter waren, rief Scully sie noch einmal an. Ihre Mutter nahm ab und Scully teilt ihr mit, dass sie auf ihrem Weg zu ihr seien. Sobald sie aufgelegt hatte, schaute Mulder sie an. "Warum hast du ihr nicht gesagt, was passiert ist? Sie wundert sich bestimmt."

"Es ist einfacher, ihr alles zu erklären, wenn wir da sind. Das Ganze ist viel zu verrückt, um es am Telefon zu erklären. Außerdem kenne ich meine Mutter. Sie behält uns zum Abendessen da und quetscht die ganze Geschichte aus uns heraus."

"Abendessen. Da fällt mich doch glatt ein, dass ich fast am Verhungern bin. Was glaubst du, was es geben wird?"

"Mulder, du bist unverbesserlich. Bieg hier ab."

"Dein Bruder wird nicht da sein, oder?" fragte er, als er in die Straße bog.

Scully sah ihn überrascht an. "Nein, warum?"

"Weil ich den Eindruck habe, dass mich keiner von deinen Brüdern leiden kann."

"Die haben noch nie einen meiner männlichen Freunde gemocht", sagte sie mit einem Lächeln. "Es ist halt ihr Beschützerinstinkt. Du würdest auch keinen von Sams Freunden mögen."

"Hast du gemerkt, dass du sie gerade Sam anstatt Samantha genannt hast?" fragte er leise.

"Tut mir leid. Ich glaube dadurch, dass wir in dem Haus waren, ist sie wirklicher als je zuvor. Ich wollte dir nicht auf die Füße treten."

"Nein, das hast du nicht", sagte Mulder nun lauter. "Ich finde es gut, dass du sie so nennst. Wenn du es sagst, hält deine Stimme nicht diese Spur von Geringschätzung wie bei anderen."

Scully legte ihre Hand auf seinen Oberschenkel. "Eines Tages möchte ich deine Schwester gerne kennenlernen und ihr sagen was für einen wundervollen Bruder sie hat."

Mulder fühlte den sanften Druck ihrer Hand. "Und ich muss ihr sagen was für eine wundervolle Partnerin ich habe."

Sie fuhren still weiter und Scully ließ ihre Hand auf seinem Bein.

Nach etwa zwanzig Minuten fuhren sie vor Mrs. Scullys Haus vor und Mulder stellte den Wagen ab. Scullys Mom hatte bereits die Türe geöffnet und stand winkend im Türrahmen. Scully öffnete die Tür und umarmte und küsste ihre Mutter. Dann wandte sie sich Mulder zu, der sie aus einem Reflex heraus ebenfalls umarmte.

Sie war überrascht darüber und sagte mit einem Lächeln: "Danke, Fox. Ich habe es nicht erwartet, aber ich werde es von jetzt an."

"Mom, nenn ihn nicht Fox."

"Das ist schon ok, Scully. Deine Mutter ist eine der wenigen, die mich so nennen darf."

"Also gut, Fox, Dana, meine erste Frage - warum brauchst du meinen Schlüssel? und die zweite Frage - habt ihr Hunger?" Mulder sah Scully mit einem 'Was habe ich dir gesagt' Grinsen an.

"Es ist eine lange Geschichte und wir sind am Verhungern - zumindest ich."

"Dann mache ich uns am besten etwas zu essen." Mulder und Scully folgten ihr in die Küche, und Mulder zupfte an Scullys Haaren, als sie durch den Flur gingen und Mrs. Scully es nicht sehen konnte. Sie machten es sich in der Küche bequem und erzählten ihr die ganze Geschichte, wobei sie sich gegenseitig ständig unterbrachen. Sie erzählten auch noch während des Essens und begaben sich danach ins Wohnzimmer. Dort setzte sich Mulder neben Scully auf die Couch und sie beendeten ihre Story.  Mrs. Scully lächelte sie an. "Danke, Fox, dass Sie Dana aus dem Büro herausgeholt haben. Ich finde, dass sie viel zu früh wieder angefangen hat zu arbeiten, aber Sie  kennen sie ja, sie hört auf niemanden."

"Kein Problem. Sie hatte außerdem gar keine andere Wahl, denn ich habe ihr gedroht, dass mein Geist sie die ganze Zeit verfolgen und nerven würde, wenn sie nicht mitkommen würde."

Scully boxte Mulder ins Knie. "Mom, ich hätte es ihm auch nicht verübelt", sagte sie mit einem Lachen. "Er würde mich ständig mitten in der Nacht um drei anrufen und mir vorheulen, dass er sich mit dem Hammer auf den Daumen gehauen hat, oder dass die Grillen so laut seien oder das Gras einen so schönen Grünton hat. Ich muss allerdings zugeben, dass ich noch nie schönere Ferien gehabt habe."

Sie blickte ihn an. "Danke."

Sie erzählten weiter bis in die späten Abendstunden, und als Mulder ohne Vorwarnung und leise schnarchend seinen Kopf auf Scullys Schultern fallen ließ, schlossen sich auch Scullys Augenlider. Mrs. Scully stand auf, schaltete das Licht aus und verließ leise das Zimmer.

 

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Als Scully und Mulder um etwa halb neun aufwachten, waren sie beide sichtlich verwirrt, denn sie hatten nicht gemerkt, dass sie eingeschlafen waren. Sie gingen in die Küche und fanden dort Mrs. Scully, ein Buch im Schoß.

"Warum hast du uns schlafen lassen?" verlangte Scully zu wissen.

"Weil ich nicht möchte, dass ihr mitten auf dem Highway einschlaft. Ich habe schon eine Tochter verloren und ich sehe keinen Grund, eine weitere oder ihren gutaussehenden Partner zu verlieren."

Scully war verlegen. "Ja, danke." Sie sah Mulder an. "Ich glaube, wir machen uns besser auf den Weg."

"Auf geht's."

Sie gingen alle zur Tür und Mulder umarmte Mrs. Scully und gab ihr einen großen Schmatzer auf die Wange. Scully lachte: "Willst du mich ausbooten, Partner?"

"Jep!" Er ging zum Wagen und startete den Motor. Dana und Mrs. Scully standen immer noch lachend auf der Veranda. Scully umarmte ihre Mutter.  "Ich gebe dir den Schlüssel bald wieder. Danke für das Essen." Mrs. Scully hielt ihre Tochter noch einen Moment fest. "Komm bald wieder vorbei und vergiss nicht, diesen netten jungen Mann mitzubringen. Ich habe ihn sehr gern in meiner Gesellschaft."

"Ich auch, Mom. Er kommt wieder und sei es nur für ein Essen umsonst oder die Umarmung." Scully ging herunter zum Auto, wo Mulder geduldig auf sie wartete und ihr die Türe aufhielt. Sie stiegen ein und fuhren winkend davon.

"Den halt dir mal lieber warm, Dana", dachte Mrs. Scully mit einem Lächeln zu sich und ging zurück ins Haus.

Mulder ließ Scully an ihrer Wohnung heraus. Er kam noch mit, um seinen Schlüssel abzuholen und entschied sich für einen schnellen Abgang, bevor er etwas tun würde, was sie beide bereuen würden. Er sagte schnell Auf Wiedersehen und rannte förmlich zurück zum Auto. Scully stand da und sah ihm verwirrt nach. Sie zuckte mit den Schultern und bereitete sich fürs Bett vor. Es war schade, dass er nicht einmal angeboten hatte länger zu bleiben.

Mulder saß inzwischen alleine im Auto um die Ecke und verfluchte sich dafür, dass er so ein Idiot war. Er überlegte, ob er nicht wieder umdrehen und zurück gehen sollte, doch Scully würde bestimmt sauer sein und das würde ihn umbringen. Langsam fuhr er davon, wissend, dass er allein sein würde.

 

xXxXxXx

 

Scully konnte überhaupt nicht schlafen und wurde um etwa halb eins durch das Hämmern an ihrer Tür nicht geweckt. Es ärgerte sie eigentlich ein wenig, weil sie noch etwas länger mit sich und ihrem Selbstmitleid allein sein wollte. Doch dann sah sie auf die Uhr und bemerkte, wie spät es eigentlich war. Sie stand auf, griff nach ihrer Waffe und schaute durch den Spion. Mulder stand da mit den Händen in seinen Taschen. Sie überlegte, ob sie ihn überhaupt hereinlassen sollte, doch entschied sich dann dafür.  Mulder war mit einem Schritt in der Wohnung, ergriff sie und umarmte sie fest.

"Mulder, was machst du hier? Warum bist du nicht zu Hause?" Er ließ ein wenig los und blickte sie an. "Ich wollte nach Hause gehen, aber dann habe ich gemerkt, dass etwas fehlt. Du warst nicht da. Ich habe dich plötzlich schrecklich vermisst und musste unbedingt herkommen." Scully war geschockt. Wenn Mulder normalerweise solche Sachen sagte, fing er immer an zu stottern, es war ihm peinlich und er vermied Augenkontakt. Doch heute schien er völlig zuversichtlich und sah ihr direkt in die Augen.

"Warum musstest du herkommen?" fragte sie und hatte Angst davor, was passieren könnte, obwohl sie hoffte, dass es passiert.

"Weil ich das schon seit fünf Jahren tun will und nie die passende Gelegenheit dazu hatte." Bevor Scully antworten konnte, presste er seine Lippen auf ihre. Mit diesem einen Kuss durchströmten sie auf einmal all die Gefühle, die sie tief in sich verborgen hatte, und sie hielt Mulder fest, als ob ihr Leben davon abhinge.

Sie ließen sich auf die Couch fallen. "Das ist es übrigens, was ich in diesem Schlammbad gemacht hätte, wenn nicht..." Sie zog ihn näher an sich heran und fing an, sein T-Shirt auszuziehen. "Und das ist, was ich gemacht hätte."

Plötzlich, wie ein gemeiner Wink des Schicksals, klingelte das Telefon.

Mulder ließ seinen Kopf auf Scullys Brust fallen. "Bitte geh nicht ran." Scully gab ihm einen Kuss, griff nach dem Hörer hinter sich und hoffte, dass es nicht Skinner war. "Hallo...Mom??...Was ist los, es ist schon spät...Ja, ich bin gerade beschäftigt."

Mulder entschloss sich dazu, seine Anwesenheit mitzuteilen. "Hallo, Mrs. Scully! Wie geht's?" rief er in den Hörer und begann, Scully ebenfalls von ihrem Shirt zu befreien.

"Ja, Mom, das ist es, womit ich gerade beschäftigt bin... Ruf mich morgen Abend an", säuselte Scully zufrieden ins Telefon, legte auf und wandte sich wieder dem zu, was sie angefangen hatte.

Mulder schaute auf von seiner Erkundung von Scullys Bauch. "Ich habe gerade etwas Wichtiges festgestellt. Ich bin völlig hilflos, hoffnungslos und wahnsinnig verliebt in dich."

Ohne auch nur ein weiteres Wort zu verlieren, hob Mulder Scully in seine Arme und trug sie in ihr Schlafzimmer. Sie waren sich darin einig, dass sie ab diesem Moment den Rest ihrer Ferien in Scullys Bett verbringen würden.

 

Ende

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