Part II: "Zeitzeugen"

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Die Sonne erhob sich glühend hinter der Gebirgskette und tauchte die Start- und Landebahn in amorphisches leuchtend rot. Vereinzelte Wolkenschwaden verdunsteten unter den ersten Sonnenstrahlen und kündigten einen heißen, gnadenlosen Tag an.

Jerryl O'Connar, Pilotin der Chesna sah mit abgeschirmter Hand den herannahenden Fahrzeuge entgegen. Staub wurde aufgewirbelt und die Luft flirrte unter der stetig steigenden Hitze.

Es waren vier Fahrzeuge. Sie wußte um ihre Passagiere. Die zwei FBI-Agenten, den Regierungsbeamten, die vier Wissenschaftler und die vier Söldner, die mit ihr zur Isla Nublar reisen sollten.

O'Connar setzte ihr Baseballcap auf und stieg die Gangway hinunter. Die Regierung von Costa Rica und die US Regierung hatten ausdrücklich nach ihr gefragt. Sie wußte nicht warum, aber als ihr General ihr die Anweisung gegeben hatte, war sie hierher gereist. Für sie war es der reinste Blindflug und sie hoffte, die Wissenschaftler würden ihr genaueres erzählen können.

Als sie den Boden erreicht hatte, kamen nach und nach alle vier Fahrzeuge zum Stehen. Der Sand wirbelte noch immer durch die Luft, als sich die ersten Fahrzeugtüren öffneten. O'Connar nahm Haltung an und beobachtete das Schauspiel, das sich ihr darbot.

Der ersten schwarzen Limousine entstiegen eine Frau und zwei Männer. Ihren Blicken und ihrem Aussehen nach zu urteilen, handelte es sich um die Regierungsbeamten. Agent John Doggett, Agent Dana Scully und Richard Walker von der Regierung, ging O'Connar in ihrem Gedächtnis die Namen durch.

Aus dem zweiten Fahrzeug stiegen Dr. Alan Grant und zwei Söldner; Peter Stafford, Wildhüter und Enrico Martinez, Waffenexperte.

Während die Agenten bereits fast auf ihrer Höhe waren, hielt der dritte Wagen, dem Dr. Ian Malcolm mit zwei weiteren Söldnern entstieg. Hierbei handelte es sich um Jack Sanders, einem Sprengstoffspezialisten sowie Thomas Bexter, wiederum einem Waffenexperten und Überlebenskünstler.

Wagen Nummer vier entstiegen zu guter letzt zwei Frauen, Dr. Ellie Sattler und Dr. Sarah Harding.

O'Connar reichte Walker und den FBI-Agenten die Hand, behielt jedoch die anderen Ankömmlinge genaustens im Auge.

"Guten Morgen, Mr. Walker, Agent Scully, Agent Doggett!" O'Connar drehte sich zur Seite, um Dr. Grant zu begrüßen, "Dr. Grant!"

Den Söldnern reichte sie nicht die Hand, ein einfaches Nicken reichte.

Dr. Malcolm traf ebenfalls ein und sie begrüßte ihn förmlich. Seine Mitreisenden erhielten nur ein Nicken.

Als Dr. Sattler und Dr. Harding eintrafen, zuckten bei Erwähnung ihrer Namen ruckartig die Köpfe von Dr. Grant und Dr. Malcolm herum.

O'Connar konnte das Entsetzen in ihren Gesichtern sehen.

"Ellie!" Grant schob seinen Hut zurecht, "was machst Du hier? Ich hatte doch gesagt, daß..."

"Alan, Du solltest wissen, daß Du mir nichts verbieten kannst!" erwiderte sie und lächelte Ian Malcolm an.

"Dr. Sattler, wie reizend Sie zu sehen!" Malcolm nahm ihre Hand und küßte sie auf diese, "Sie werden immer schöner!"

"Malcolm!" schnaufte Grant und sah seinen Nebenan ärgerlich an.

Dieser jedoch wandte sich nun Dr. Harding zu und funkelte diese seinerseits an: "Sarah, hat Dir unser letzter Ausflug auf die Isla Sorna nicht gereicht?"

"Man hat mich explizit angefordert, Ian, ich werde mir das Geld nicht entgehen lassen! Außerdem soll jetzt keine Gefahr mehr von dort ausgehen!" sie sah ihn schnippisch an.

"Keine Gefahr, ha!" kam es fast zeitgleich aus Malcolms und Grants Mund.

Scully und Doggett sahen sich fragend an.

"Meine Damen und Herren," erklang O'Connars Stimme ein wenig lauter. Sie hatte sich unterdessen wieder auf die Gangway begeben, um einen besseren Überblick zu erhalten.

"Ich bin Major Jerryl O'Connar und werde Sie zur Isla Nublar fliegen. Die Regierung hat mich beauftragt, direkten Kurs einzuschlagen. Wir werden in genau drei Stunden fliegen. Ich hoffe also, Ihre Equipment ist in den Fahrzeugen oder bereits an Bord. Wenn Sie fragen zur Flugroute haben, dann stehe ich Ihnen gern zur Verfügung. Sollten Sie Fragen zur Isla Nublar haben, wenden Sie sich bitte an Dr. Grant, Dr. Sattler oder Dr. Malcolm. Fragen zu Ihrem Auftrag erhalten sie von Mr. Walker, der für die Regierung arbeitet," ihre Stimme hatte den nötigen energischen Klang beinhaltet, so daß alle Aufmerksamkeit auf ihr ruhte.

"Wo werden wir landen?" Dr. Malcolm sah zu ihr hinauf.

"Auf der Isla Nublar!" erwiderte Major O'Connar und zog sich in den Flieger zurück.

Malcolm und Grant sahen sich skeptisch an.



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Scully bezog ihren Sitz neben Dr. Grant und beobachtete Doggett, wie er sich eine Reihe vor ihnen neben Richard Walker niederließ.

Die Streitereien bei ihrer Ankunft hatten sie ein wenig beunruhigt. Warum wollten Dr. Grant und Dr. Malcolm nicht, daß die beiden Wissenschaftlerinnen mit ihnen flogen. Warum hatte sie nur das Gefühl, daß dort draußen eine Gefahr auf sie zu lauern schien?

"Sie sind von der Regierung?" Grants Stimme drang in ihre Gedanken.

"Vom FBI," erwiderte sie und reichte ihm ihre Hand, "Agent Dana Scully."

"Sehr erfreut," erwiderte ihr Sitzpartner, obwohl sie nicht wußte, ob sie ihm das abkaufen sollte.

"Und weshalb reisen Sie mit dieser Gruppe?" er sah sie unter seinem Hut hervor an und sie glaubte, dort ein Paar blauer Augen zu erkennen.

"Wenn wir das wüßten... es geht um irgendeine Unbedenklichkeiserklärung, aber ich schätze wir sind unzureichend informiert worden," entgegnete sie und nahm den Mann neben sich etwas genauer unter die Lupe.

Scully schätzte ihn auf etwa 50, obwohl er ein wenig jünger aussah. Er hatte nicht besonders viele Fältchen um die Augen, was sie darauf schließen ließ, daß er nicht außerordentlich viel lachte, dennoch konnte sie eine gewisse Sympathie nicht abstreiten.

"Ich denke wir sind alle ungenügend informiert worden!" brummte er und ließ seinen Blick zu Dr. Sattler schweifen, die gegenüber neben Dr. Harding Platz genommen hatte. Dr. Malcolm saß direkt hinter ihnen.

Grant betrachtete ihn argwöhnisch.

"Sie halten wohl nicht sehr viel von Dr. Malcolm?" Scully fing seinen Blick auf.

"Er ist Chaosmathematiker, das wird er Ihnen jedenfalls erzählen. Meines Erachtens führt er sich jedoch wie ein Rock Star auf!" Grant ließ sich in seinem Sitz zurück gleiten und zog den Hut in die Stirn. Für ihn war das Gespräch beendet.



***

O'Connar nahm neben Peter Stafford ihren Pilotenplatz ein. Stafford war Hobbyflieger und diente ihr als idealer Co-Pilot, auch wenn sie es gewöhnt war, mit Profis zusammen zu arbeiten.

Mit einem kurzen Blick nach hinten, vergewisserte sie sich, daß alle ihre Passagiere an Bord waren. Sie nahm das Mikrofon zur Hand und gab Anweisung, sich anzuschnallen. Mit einem weiteren Blick nach hinten, erkannte sie, daß alle ihren Anweisungen folgten. Noch einmal ging ihr durch den Kopf, was für ein eigenwilliges Team zusammen gestellt worden war. Nun gut, sie wußte nicht, worum es ging, ihr Auftrag war es lediglich, auf der Isla Nublar zu landen und anschließend alle wieder zurück zu fliegen. Die Leute, die das Team zusammen gestellt hatten, wußten wahrscheinlich, warum sie diese Leute engagiert hatten.

Sie setzte sich zurück auf ihren Platz und startete die Maschine.

"Waren Sie schon einmal auf der Isla Nublar oder der Isla Sorna?" sie sah ihren Co-Piloten an.

"Nein, aber ich habe sehr viel davon gehört und es hat mich verängstigt!" seine Stimme klang nicht ängstlich, aber er schien sehr viel Respekt vor dieser Insel zu haben und ein wenig besorgte sie das.

Die Maschinen tourten auf und O'Connar konnte das sanfte Vibrieren der Motoren spüren. Mit gewohnt geübten Griffen betätigte sie einige Knöpfe und brachte die Maschine dann auf die Startbahn in die gewünschte Position.

Sie betätigte den Schub und die Chesna begann Fahrt aufzunehmen. Immer schneller, dann zog sie das Ruder und sie hoben ab. Ihr Flug ins Ungewisse hatte begonnen.



***

Ellie Sattler sah hinunter auf das Flugfeld, das sich immer weiter von ihnen zu entfernen schien. Sie wußte nicht, ob sie wirklich das richtige getan hatte, doch die Aussicht die Isla Nublar noch einmal zu betreten und zu sehen, daß ihre Alpträume keinen Grund mehr hatten, war zu verlockend. Seit fast zehn Jahren plagte sie sich nun mit diesen Träumen herum und es hatte ihre Ehe zerstört. Noch trug sie den Ehering, doch sie hatte selbst ihren Mädchennamen wieder angenommen und war zurück ins Berufsleben gekehrt. Eigentlich in dem Augenblick, als Alan von der Isla Sorna zurück gekehrt war und ihr gesagt hatte, daß sie die beste war. Sie konnte sich noch genau daran erinnern. Für einen kurzen Augenblick hatte sie sich zurück versetzt gefühlt, zurück auf die Isla Nublar, in den Jurassic Park von John Hammond und zu ihrer dünnen, beginnenden Beziehung zu Alan.

"Dr. Sattler?" ein großer, relativ gut aussehender Mann ließ sich auf dem Sitz vor ihr nieder und sprach sie an.

"Ja und mit wem habe ich das Vergnügen?" sie reichte ihm die Hand und schnallte sich anschließend wieder los. Sie hatten ausreichend Flughöhe erreicht.

"John Doggett, FBI!" er lächelte trocken.

"FBI, so so... Bundesbehörde!" sie legte den Kopf schief, "warum ist das FBI mit an Bord?"

"Das würde ich gern von Ihnen erfahren, Dr. Sattler, was ist auf der Isla Nublar geschehen?" er sah sie aufmerksam an und die Wissenschaftlerin zuckte erstaunt zusammen.

"Sie wissen gar nicht, was auf der Isla Nublar oder der Isla Sorna geschehen ist?" ihre Stimme klang äußerst gestreßt.

"Wir hatten leider nur eine Mappe mit unzureichenden Informationen, weitere Instruktionen sollten wir auf dem Flug von Ihnen erhalten," der Agent sah sich kurz um.

"Ich kann Ihnen nur erzählen, was ich vor zehn Jahren dort erlebt habe, wenn Sie aktuellere Informationen möchten, dann sollten Sie sich an Alan Grant wenden. Er war zwar auch vor zehn Jahren das letzte Mal auf der Isla Nublar, aber vor etwa eineinhalb Jahren hat es ihn unfreiwillig auf die Isla Sorna verschlagen," begann Dr. Sattler mit ihren Erklärungen.

"Die B-Seite des Jurassic Park!" warf Dr. Malcolm von hinten ein und Dr. Sattler drehte sich kurz um.

"Jurassic Park?" Agent Doggett schien verwirrt.

"Urzeitliche Monster, geschaffen von einem irren Wissenschaftler. Er wollte die Echsen in einem Park ausstellen, doch das ganze ging nach hinten los!" Malcolm nahm seine Sonnenbrille ab.

"Dr. Grant, Dr. Malcolm und meine Wenigkeit wurden damals dorthin gelockt, um eine Unbedenklichkeitsbescheinigung für den Park auszustellen," Dr. Sattler fuhr sich durch ihr Haar.

Doggett sah von der Wissenschaftlerin zu Dr. Malcolm. Jetzt wurde ihm einiges klar. Jetzt begriff er, warum die Wissenschaftler an Bord so merkwürdig reagiert hatten. Und dennoch waren sie alle wieder gekommen.

"Urzeitliche Monster? Was darf ich darunter verstehen?" Agent Scully schaltete sich ein und beugte sich zu der Gruppe. Sie hatte schon etwas länger zu gehört, doch sich bisher nicht zu Wort gemeldet.

"Dinosaurier!" ertönte Alan Grants Stimme neben ihr, "Velociraptoren, Tyrannosaurus Rex, Spinnosaurus und viele mehr!"

"Aber die sind ausgestorben!" erklang ihre Stimme irritiert.

Die Wissenschaftler sahen sie betroffen an und sie fühlte ein unwirkliches Gefühl von Furcht in sich aufkommen.