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The X-Files: Lost Investigations (Season 3.1)

von meiko

Kapitel 3: Ernte

The X-Files: Lost Investigations
Season 3

3.3 Ernte (Teil 3 von 3)

Created by Chris Carter
Written by meiko

Redaktion und Artwork
Gabi S.


[Opening Credits]



Waynesville, North Carolina
West Haven Cemetery
2:42 PM

Aus dem kalten Wind waren eisige Hände geworden, die mit aller Macht versuchten, in die Ritzen und Spalten ihrer Mäntel zu kriechen. Raben kreisten kreischend über dem Friedhof und verliehen der Szene etwas Unwirkliches - etwas, das nicht länger mehr in diese Zeit gehörte.
Mulder kniff die Augen zusammen und beobachtete die Tiere. "Nimmermehr", murmelte er leise.
Scully sah ihn überrascht an. "Seit wann lesen Sie Gedichte, Mulder?"
Ihr Kollege deutete ein kurzes Lächeln an. "Eher selten, aber für Poe und Thoreau mache ich eine Ausnahme."
"Soweit ich weiß, war Thoreau nicht gerade als Dichter bekannt."
"Nur ein Test, Scully", zwinkerte er ihr zu. "Obwohl ich auf der Akademie immer der Ansicht war, man sollte Civil Disobedience mit in den Lehrplan aufnehmen."

Obwohl der Tag noch nicht weit fortgeschritten war, schickte sich das Tageslicht bereits an, zugunsten der trüben Dämmerungsstunden zu verblassen. Mulder ging zielstrebig voran und Scully ahnte, dass er die Gräberreihe suchte, an der das letzte Unglück stattgefunden hatte. So schnell sie konnte folgte sie ihm, doch irgend etwas schien sie zu blockieren. Ihre Beine wurden immer schwerer und schon bald schien sie gegen ein Gummiseil anzurennen.
"Mulder!", rief sie schließlich, und der Wind packte sie unbarmherzig im Nacken.
"Kommen Sie, Scully", rief er über die Schulter gewandt. "Ich muss es noch einmal sehen."
Erschöpft blieb sie stehen und sah sich um. Der Sandweg schien ins Nichts zu verlaufen. Wie merkwürdig... noch am Vortag war er ihr nicht so lang vorgekommen. Abrupt blieb sie stehen und ließ den Blick hin- und herwandern.

Etwas war anders. Die plötzlich in den Ohren dröhnende Stille, die lautlose Bewegung der Vögel über ihren Köpfen, die schweigende Verneigung der Baumkronen. Die sichtbaren Anzeichen bildeten nur die Spitze des Eisbergs. Unter der Oberfläche lauerte noch mehr - viel mehr. Mulder schritt unbeirrt voran.
Erneut schien die Zeit stillzustehen, doch diesmal durchbrachen schrille Geräusche die Glasglocke über ihren Köpfen. Auch Mulder war stehen geblieben und sah sich erschrocken um.
Und nun konnten sie es beide sehen: Sie kamen!
All die Zeit waren sie über ihnen gewesen, schienen sich gesammelt und auf den richtigen Moment gewartet zu haben: Wie auf einen unsichtbaren Befehl hin stürzten sich die Vögel auf die beiden Agenten, ihr Ziel fest im Auge.

Auf der Polizeistation hatte sich Schwester Adalia aus ihrem Stuhl erhoben und schritt mit ausgestreckten Armen auf Harold Jones zu. Die Kaffeetasse war umgestürzt und auf dem Tisch breitete sich eine braune Lache aus, die geduldig zu Boden tropfte.
"Setzen Sie sich", befahl der Sheriff, doch die Oberin schien seine Worte nicht hören zu können. Ihr Blick flackerte und alles Weiß war aus ihren Augen verschwunden.

"Zurück, Mulder", schrie Scully und bedeckte ihr Gesicht schützend mit dem Ärmel. Der Wind war in ein gespenstisches Heulen übergegangen und Vögel aller Arten umflatterten sie mit aufgeregtem Flügelschlagen: Raben, Krähen... doch Scully hatte keinen Blick für solche Details. Alles was sie in diesem Augenblick interessierte, waren der scharfe Schnabel und die Krallen eines besonders großen Tieres, das sich immer wieder hartnäckig auf sie stürzte.
Ein Schuss krachte und Mulders Kugel zerfetzte das Gefieder des aggressiven Tieres, so dass es mit jämmerlichem Klagelaut zu Boden ging.

"Bleiben Sie stehen!", brüllte Jones und drückte auf einen verborgenen Knopf unter dem Tisch. Normalerweise bildete er sich ein, mit Menschen gut und sicher umgehen zu können - seine Fähigkeit, Schwächere zu manipulieren hatte ihm auf dem Department bereits den einen oder anderen Karriereschub eingebracht. Doch dies hier... Er sah in die Augen der Oberin und spürte das Kratzen der Angst auf seinem Rücken. Wo zu Teufel blieben denn die Kollegen? War die Zeit stehen geblieben?

Auch Scully war gestürzt. Aus den Augenwinkeln konnte sie sehen, wie Mulder einen weiteren Angreifer von sich abwehrte. Geistesgegenwärtig rollte sich Dana auf den Bauch, wodurch ihr Gesicht einer scharfen Krallenattacke entging. Blitzschnell wendete das Tier in der Luft und bohrte seinen Schnabel in ihren Unterarm.

Im Jefferson Hospital sackte Dr. Anderson mit einem Ächzen in sich zusammen. Die erschrockenen Reaktionen der Schwestern sah er nicht mehr, und er hörte auch nicht mehr ihre besorgten Fragen. Keuchend schnappte er nach Luft und krallte sich krampfhaft an einer Tischplatte fest. Sein Nacken fühlte sich an wie in einen Schraubstock eingespannt. Mühsam wandte er den Kopf zur Tür und wieder sah er die Geister der Vergangenheit. Er hatte sie alle operiert, das wusste er. Könnte er sich doch nur an ihre Namen erinnern. Wenn diese Menschen mit ihren Nöten ihm doch nur etwas bedeuten würden. Ja, er hatte sie geheilt, doch nie waren sie mehr als leblose Hüllen für ihn gewesen. Er spürte es ganz deutlich: Würde er sich nur an einen einzigen Namen erinnern, dann wäre alles gut. Nur nicht das Bewusstsein verlieren, nur nicht...

Scully schrie, einmal, und wieder. Dann verdunkelte sich ihr Blick und eine gnädige Ohnmacht wollte sich über sie senken. Die Geräusche schwollen an, das unbarmherzige Kreischen, Krächzen... Es steigerte sich zu einer unerträglichen Kakophonie, bis sie schließlich das gesamte Denken der Agentin bis in den letzten Winkel ausfüllte. Und dann...

Stille. Plötzlich, ohne Vorwarnung.

Langsam, sehr langsam und wie in Zeitlupe erhob sich Scully und sah zu Mulder herüber, der in eben diesem Moment taumelnd wieder auf die Beine kam. Prüfend sah er sich um, doch die Vögel waren... verschwunden. Ein dünner Blutfaden rann an seiner Wange hinab und durchnässte seinen zerrissenen Mantelkragen. Sorge und Furcht spiegelte sich in seinem Blick, als er in wenigen Sprüngen zu ihr hastete und sich über sie beugte.
"Dana", flüsterte er, fast zärtlich. "Alles in Ordnung?"
Tränen der Erleichterung stürzten aus ihren Augen. Ja, alles war gut. Er blutete zwar, doch er lebte!


Waynesville, North Carolina
Police Department
3:51 PM

Ungläubig beobachteten die beiden Agenten die Veränderung, die mit Schwester Adalia vor sich gegangen war.
"Tut mir leid", brummte Jones ungerührt. Sein Gesicht strafte seine Worte Lügen, und auch Deputy Miller blickte ohne Mitleid auf die Oberin des Asyls herab. Von der sehnigen Jugend, die Adalia trotz ihres Alters all die Zeit über ausgestrahlt hatte, war nichts mehr zu spüren.
Sie war nicht mehr bewusstlos. Der blaue Fleck an ihrer Stirn, wo Harold Jones sie niedergeschlagen hatte, begann bereits regenbogenfarben zu schillern. Doch was auch immer Mulder oder Jones und Miller einmal in ihren Augen gesehen haben mochten - es war verschwunden.
Der Blick stumpf und leer, so lag sie seitlich auf einer Liege. Handschellen fesselten ihre Hände auf dem Rücken und ihr Kopf bewegte sich wie im Traum langsam vor und zurück.
"Schwester?" Mulder berührte die Oberin leicht am Arm. Kein Zeichen von Erkennen flackerte in ihren leeren Augen.
Als Mulder sich wieder aufrichtete und Dana ansah, schüttelte er nur den Kopf. "Lassen Sie uns gehen, Scully. Es ist nicht mehr hier."


Wohnung von Melissa Scully
9:25 PM

Melissa saß noch immer bewegungslos auf den Kissen und starrte auf die Waffe in Kryceks Hand. "Was wollen Sie von mir?", fragte sie heiser.

Alex Krycek antwortete nicht sofort, doch als er dann sprach, schwang ein Tonfall in seiner Stimme mit, der Melissa einen eisigen Schauer über den Rücken jagte. "Ich möchte, dass Sie mit Ihrer Schwester reden." Mühsam unterdrückte Wut ließ ihn erbeben und der Lauf der Pistole zitterte etwas. "Machen Sie ihr klar, dass sie sich sofort von ihrem Partner zurückziehen soll! Machen Sie ihr klar, dass sie sich auf dem falschen Weg befinden!"
Drohend machte er einen Schritt auf Melissa zu und beugte sich zu ihr nieder. Sein Atem schlug ihr ins Gesicht.
"Sie sollten alles daran setzen ihr klar zu machen, dass sie sich bereits auf einem Weg ohne Wiederkehr befinden. Ein Weg, auf dem es für die beiden keine Hoffnung geben wird - weder für Mulder noch für Ihre Schwester!"

Melissa schluckte schwer; ihre Atmung ging flach und ihr war speiübel.
"Was, wenn sie nicht auf mich hören werden?", fragte sie.
Krycek näherte seinen Mund ihrem Ohr und zögerte einen Moment. "Dann wird es Argumente geben, die sie überzeugen werden." Er sah sie an und für den Bruchteil einer Sekunde erkannte Melissa so etwas wie Bedauern in seinen Augen. "Ich habe Sie gewarnt, Melissa!"

Er wandte sich um, knipste das Licht aus und eilte zur Tür. Die Hand an der Klinke, blieb er noch einmal stehen und sah zurück. Und obwohl es jetzt so dunkel war, dass Melissa sein Gesicht nicht mehr erkennen konnte, glaubte sie, seinen intensiven Blick auf sich zu spüren.
"Und dann wird es auch für Sie zu spät sein!"

Die Tür fiel ins Schloss und sie blieb allein in der Nacht zurück.


FBI Hauptquartier
Washington D.C.
9:34 PM

Es war dunkel im Büro. Die Schreibtischlampe warf einen traurigen kleinen Lichtkegel auf Scullys Macintosh. Sie lehnte sich müde zurück und strich vorsichtig über ihren bandagierten linken Arm. Es würden keine Narben zurückbleiben, hatte Dr. Carter ihr versichert, doch Scully wusste es besser. Es blieben immer Narben zurück. Man würde sie nicht sehen können, doch sie würden sie ihr Leben lang begleiten.

< Agent Mulders erste Einschätzung der Vorfälle, nach denen Schwester Adalia für die drei Todesfälle verantwortlich zu machen sei, muss mangels Beweisen abgelehnt werden. Weder die Obduktion der Opfer noch die Ermittlungsarbeit vor Ort erbrachten einen eindeutig belegbaren Zusammenhang zwischen dem merkwürdigen Verhalten der Oberin des Bethany Asyls und dem Tod der ehemaligen Insassen der Anstalt. Ich möchte ausdrücklich erwähnen, dass auch Agent Mulder seine erste Einschätzung revidiert hat. Schwester Adalia befindet sich seitdem in der geschlossenen Anstalt des Jefferson Hospitals in psychologischer Behandlung. Die atypische Aggressivität der Vögel auf dem West Haven Friedhof von Waynesville konnte seither nicht mehr beobachtet werden. Nach intensivem Vergleich der Obduktionsergebnisse kann es als sicher angenommen werden, dass die tödlichen Verletzungen aller drei Opfer von den Krallen und Schnäbeln dieser Vögel herrühren. >

Scully hielt inne und legte die Handflächen aneinander. Die Fakten. Kalt und nüchtern. Doch die tiefsten Narben entsprangen stets den Wunden der Seele.

< Noch ein weiterer Todesfall war ein diesem Tag zu beklagen. Dr. Anderson, der Chefarzt des Jefferson Hospitals, verstarb den Protokollen zufolge zur selben Zeit an den Folgen eines Herzinfarkts. Ein Zusammenhang zu unseren Ermittlungen scheint nicht zu bestehen. Da keine Ursache für das artfremde Verhalten der Vögel festzustellen ist, bleiben die Todesfälle von Waynesville in letzter Konsequenz... ungeklärt. >


FBI Hauptquartier
Washington D.C.
11:23 PM

Die Falten des Rauchers gruben sich noch ein wenig tiefer in seine fahle Haut ein, als er lächelnd den Bericht von Dana Scully zu den anderen Dokumenten in den Abfalleimer gleiten ließ. Geistesabwesend zündete er sich eine Zigarette an; dann fiel sein Blick auf das flackernde Streichholz in seiner Hand. Achselzuckend warf er es zu dem Papier in den Eimer und sah zu, wie der Bericht Feuer fing, hell aufflammte und schließlich zu Asche zerfiel. Asche, wie wirbelnde bunte Blätter.

Vor dem Fenster fegte der Herbstwind durch die Straßen und trieb das Laub vor sich her.


Ende.


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