World of X

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Nox Aeterna - Triologie Part I

von NightFright

Kapitel 5

C a p i t u l u m I V - OCCASIO PERDITA





10. JULI, 19.07 UHR

BEI PEONA, ILLINOIS



„WAS zur Hölle noch mal war das? Wieso senden wir nicht mehr?“ Mulder starrte fassungslos die vielen Monitore vor sich an, auf denen nur noch statische Störungen zu sehen waren. „Diesen Anzeigen zufolge wurde unser Signal an der Quelle terminiert“, informierte ihn Christina. In höchstem Maße besorgt tauschten sie und Leslie Blicke aus. Der Well-Manicured Man sprang ruckartig auf. „Die Antenne!“, stammelte er nervös, „Wenn sich jemand an der Antenne zu schaffen gemacht hat… die steht nur knapp drei Kilometer von hier entfernt!“ Mulders Augen weiteten sich, als er begriff. „Scheißdreck!“, fluchte er, schnappte sich die beiden Frauen an den Handgelenken, riss sie von den Stühlen hoch und zog sie in höchster Eile hinter sich her in Richtung Ausgang. „Wie konnten wir nur so blöd sein? Wir haben das Licht gespielt, und jetzt kommen die Motten!“

Schon stürmten sie zu viert die Treppe hinauf, die zur Wohnebene zurückführte, als sie ein rasch lauter werdendes, helles Pfeifgeräusch aufschreckte, welches sich ihrem Standort zu nähern schien. Noch bevor sie darauf in irgendeiner Form reagieren konnten, erschütterte eine starke Detonation das Gebäude. Eine Druckwelle, begleitet von einer Wolke aus Trümmerteilen, Glassplittern und Staub, fegte Mulder und seine Begleiter beinahe im selben Augenblick von den Beinen und warf sie die Stufen hinab. Polternd schlugen sie mit voller Wucht auf dem unter ihnen vibrierenden Boden auf, wo sie von verbrannt riechendem Schutt beinahe begraben wurden. Die Wände ächzten unter dieser ungeheuerlichen Belastung gequält auf. Feiner Zementstaub rieselte in Strömen von der Decke herunter. Schwärze. Bewegungslosigkeit. Sekunden vergingen und schienen doch wie Stunden. Dann endlich rappelten sich – halb betäubt – vier verstaubte Gestalten auf, die bis auf einige Schnittwunden an Gesicht und Händen sowie diverse blaue Flecken zur Erleichterung Mulders relativ unversehrt davongekommen waren. „Ich darf annehmen, dass das nicht Ihr üblicher Gong zum Abendessen war?“, hustete Mulder in Richtung des Well-Manicured Man und spuckte verschluckten Staub aus. Gemeinsam taumelten sie, so schnell sie es zustande brachten, die nunmehr geborstenen Treppenstufen erneut hinauf. Im Obergeschoß angelangt, mussten sie feststellen, dass hier nicht mehr viel übrig geblieben war, was sich noch als bewohnbar hätte bezeichnen lassen. Einige brennende Mauerreste und schwarzverkohltes Mobiliar waren die einzigen Überbleibsel des Wohnzimmers, in dem sie sich noch vor wenigen Stunden aufgehalten hatten. Immer wieder fielen Schindeln vom geborstenen Dach krachend ins Innere des zerstörten Hauses. Flirrend heiße Luft umgab sie und erschwerte ihnen jeden Atemzug. Eilig begannen sie, sich instinktiv einen Weg durch den Schutt ins Freie zu bahnen. Just in diesem Augenblick erfolgten in der näheren Umgebung zahlreiche weitere, wenn auch schwächere Explosionen, deren Widerschein die rauchenden Trümmerhaufen um sie herum sekundenlang in ein gespenstisches Gewirr aus grellem Licht und Schlagschatten verwandelten. „Wir müssen sofort von hier weg! Hoffentlich steht unser Jeep noch!“, schrie Leslie durch den donnernden Nachhall der Detonationen ihren Begleitern zu. Dann hatten sie es endlich geschafft und standen im Freien. Hinter ihnen stürzten die letzten Reste des Hauses in sich zusammen. Angestrengt spähte Mulder in die dämmerige, verqualmte Halbnacht hinaus. In einigen hundert Metern Entfernung waren rund um das Grundstück, auf dem sie standen, tiefe Einschlagkrater zu erkennen, denen sich kräuselnder Rauch entstieg. Der Jeep stand wie durch ein Wunder unbeschadet am umgeknickten Gatter.



„Hört ihr das?“, meinte Christina plötzlich und humpelte zögerlich einige Schritte weiter nach vorne, dem Zaun entgegen. Mulder folgte ihr, befreite ihre dunkle Lederjacke sowie ihr nackenlanges, braunes Haar vom gröbsten Schmutz und Holzsplittern (eigentlich eine recht überflüssige Geste, aber er hielt es für angemessen). Da hielt auch er inne und spitzte konzentriert die Ohren. „Sie hat Recht“, pflichtete er ihr schließlich bei. „Irgendwas kommt da aus Südosten auf uns zu. Gedämpfte Motorengeräusche – und zwar nicht gerade wenige!“ Nun trug der milde Wind die mysteriösen Laute heran, so dass sie alle deutlich hörten. „Nun, man will meinen, so ein Haus explodiert für gewöhnlich nicht ganz von selbst!“, gab der Well-Manicured Man, dem von Leslie eine leicht blutende Schnittwunde an der Hand versorgt wurde, zynisch zu bedenken. Das Motorengedröhn schwoll allmählich an. Als sich auch noch das unverkennbare Sirren von Hubschrauberrotoren dazu mischte, schüttelte Mulder unwillig den Kopf. „Nein! Alles, nur das nicht!“, murmelte er und hetzte den Weg aus Steinplatten entlang, der zurück zum Jeep führte. Auf einer breiten Front, knapp zwei Kilometer vor ihnen, tauchte ein gleißend helles Lichtermeer aus Unmengen an leistungsstarken Scheinwerfern und Suchleuchten auf. Wie unschwer zu erkennen war, bewegte sich da eine große militärische Einheit auf sie zu. Nachdem er sich schützend die Hände über die Augen gehalten hatte, konnte Mulder olivgrüne Panzerfahrzeuge, Truppentransporter und Lastkraftwagen erkennen, die allesamt mit dem weißen Stern der US-Armee gekennzeichnet waren. Acht Kampfhubschrauber vom Typ ‚Apache’ flogen den Bodentruppen voraus.

„Hier rückt das halbe gottverdammte US Marine-Corps an, wenn´s langt!“, verkündete Mulder düster, als sich seine entsetzten Begleiter zu ihm gesellt hatten, um sich selbst ein Bild von der Lage zu machen. „Schnell, Mulder, in den Wagen! Wir müssen zusehen, dass wir schleunigst von hier wegkommen!“, drängte Leslie und wollte ihn zum Jeep zerren, doch er bremste sie energisch ab. „Und wohin? Die Helikopter haben uns in spätestens ein, zwei Minuten eingeholt, selbst wenn da statt unserer Mühle K.I.D.D. stehen würde! Außerdem können die uns mit ihrem Arsenal an Raketen schneller ins Nirwana blasen, als wir ‚Das war´s’ sagen können!“ „Und was wollen Sie dann tun, unser… heldenhafter Beschützer? Haben Sie uns hierher geführt, nur damit wir ein wenig später sterben als der Rest unseres Teams? Gerettet und doch verloren? Das kann unmöglich Ihr Ernst sein! Soll alles, was wir in den letzten 48 Stunden erdulden und durchleiden mussten, umsonst gewesen sein? Antworten Sie mir!“ Leslies Augen füllten sich mit Tränen der Wut und der Verzweiflung. Mulder packte die weinende Frau an den Schultern. Ihm wollte keine tröstende Antwort einfallen. Bei nüchterner Betrachtung blieben ihnen in dieser verfahrenen Situation keinerlei Optionen.



Keine Sekunde später zeichnete sich im Licht der Scheinwerfer die schemenhafte Gestalt eines Mannes ab. Niemand vermochte zu sagen, woher er gekommen war; fast hatte es den Anschein, als habe er sich aus einzelnen Lichtstrahlen gebildet und Form angenommen. „Auch mich würde Ihre Antwort auf diese Frage sehr interessieren, Mulder!“ Die laute Stimme gehörte einem braunhaarigen jungen Mann, der in einem schwarzen Tarnanzug steckte, aber keine Waffe bei sich trug. Die hochgekrempelten Ärmel der Uniformjacke ließen kräftige Unterarme mit fest zusammengeballten Fäusten erkennen. Etwa zehn Meter vor dem Jeep blieb der Uniformierte stehen. Grünblaue Augen musterten die Gruppe prüfend, bevor sie an Mulder haften blieben.



„Tasker!“, brachte der nur hervor.



Sein Gegenüber verzog keine Miene. „Ich hatte Ihnen doch ausdrücklich die Anweisung gegeben, es nicht zuzulassen, dass man Ihre Spur aufnimmt! Natürlich bedeutete das auch, sich nicht lange am selben Ort aufzuhalten!“ „Warum haben Sie mich nicht vorgewarnt, Tasker? Wo Sie doch angeblich alles so gründlich im Voraus wissen? Sagen Sie uns doch gleich, dass wir eh alle draufgehen bei diesem aussichtslosen Schwachsinn! Um das vorherzusehen, braucht es keine hellseherischen Fähigkeiten!“, schrie Mulder zornig. Da schnellte Tasker mit einer Geschwindigkeit, welche die menschliche Wahrnehmung überstieg, nach vorne und stand schlagartig unmittelbar vor Mulder. Zornig zeigte er hinter sich auf die anrollende Armada, die unaufhaltsam näher rückte. „Wollen Sie etwa angesichts dessen, was da auf Sie zukommt, mit mir zu diskutieren anfangen, Mister Mulder? Jetzt, exakt in diesem Moment, entfernen Sie sich mit jeder Sekunde, die Sie verstreichen lassen, mehr und mehr Ihrem Ziel, dem Sie zum Greifen nahe sind! Ihnen bleiben nur zwei Möglichkeiten: Entweder Sie steigen sofort in den Wagen und verschwinden – oder ich sehe dabei zu, wie man Sie erbarmungslos in die Erdumlaufbahn schießt!“


Erste, wenn auch noch recht ungezielte Salven aus Maschinenpistolen und Sturmgewehren ratterten auf die zusammengedrängte Gruppe los. Christina glaubte ihren Augen nicht zu trauen: Zwar erkannte sie deutlich das Mündungsfeuer der einzelnen Geschoßgarben, vermochte aber beim besten Willen keine Schützen auszumachen, welche die Gewehre in Händen hielten. Die Waffen schienen in der Luft dahin zu gleiten. „Begreifen Sie es doch endlich! Die sind uns nicht nur zahlenmäßig, sondern auch technisch haushoch überlegen! Wie wollen wir einem Gegner entgegen treten, den wir gar nicht sehen können, Mulder?“, warf Leslie ein, die bereits mit dem Well-Manicured Man in den Jeep stieg.

Endlich wandte sich auch Mulder zum Fahrzeug um, schwang sich hinter das Lenkrad, startete eilig den Motor und trat das Gaspedal bis zum Anschlag durch, nachdem auch Christina auf den Rücksitz gehechtet war. „Dies ist das letzte Mal, dass ich Ihnen helfe, hören Sie? Bei unserem nächsten Treffen werden Sie sich wünschen, nie jemals überhaupt den X-Akten zugeteilt worden zu sein!“, rief Tasker dem Jeep hinterher, der mit einem mörderischen Tempo querfeldein über die leicht hügelige Wiesenlandschaft raste.







Lieutenant Colonel Crest lachte. Sein Befehlsfahrzeug – ein Panzerspähwagen mit Achtrad-Antrieb – brauste an der Spitze der Angriffsgruppe, die ohne Rücksicht auf jegliches Hindernis durch das breite Tal walzte, das nunmehr von Gefechtslärm widerhallte. Trotz seiner teils bedenklichen Verletzungen hatte er es sich nicht nehmen lassen, diesen Einsatz wie geplant persönlich zu leiten. Ein euphorisches Gefühl der Siegeszuversicht machte sich in ihm breit, während er den Vormarsch seiner Truppen links und rechts von ihm verfolgte, den Oberkörper weit aus der Kommandantenluke herausgestreckt. Starker Fahrtwind blies ihm ins Gesicht – was ihn jedoch dank Schutzbrille nicht zu kümmern brauchte. Nicht allzu weit entfernt vor ihm brannte das Haus, das mit einer verräterischen Antenne in Verbindung gestanden hatte – dieselbe Antenne, über welche Mulders dramatischer Appell übertragen und die durch seine Spezialtruppen kurz zuvor in die Luft gesprengt worden war.

„Colonel, der Major für Sie. Soll ich durchstellen?“, meldete sich Crests Bordfunker über Kopfhörer. „Ja sicher! Er soll Zeuge sein, wie ich das Problem Fox Mulder jetzt und für alle Zeiten aus der Welt schaffe!“ Im nächsten Moment hatte er einen Mann in der Leitung, der sich mit gepresster, blechern klingender Stimme um ein einigermaßen verständliches Englisch bemühte, allerdings einen deutlichen deutschen Akzent mitschwingen ließ. „Wie sieht es aus, Crest? Haben Sie Mulders versprengten Trupp endlich ausfindig gemacht?“ „Weit mehr als das, Stettner“, antwortete der Colonel selbstzufrieden. Wiederholt musste er sich am stählernen Kuppelrand festhalten, wenn sein Spähwagen über eine Unebenheit polterte. „Uns ist es gelungen, seine Transmission zu unterbrechen! In diesem Augenblick gerade stürmen meine Einheiten auf die Hütte zu, von der aus er gesendet hat… selbst wenn da noch einer lebt, dann nicht mehr lange! Wer stehen bleibt, wird einfach platt gewalzt – das spart Munition!“



„Sir, unsere vorgerückten Späher melden soeben, dass sich vier Zivilpersonen plus eine weitere in Uniform außerhalb des Gebäudes aufhalten!“, schaltete sich plötzlich ein Soldat in das Funkgespräch ein. „Shit, ich seh´s grad selber!“, fauchte Crest und rang um Fassung. In den Strahlen seiner weit reichenden Suchscheinwerfer musste er mit ansehen, wie Mulder, zwei Frauen und ein alter Mann in einen geparkten Jeep einstiegen und mit Höchstgeschwindigkeit losfuhren.

Der mysteriöse Uniformierte, den niemand hatte kommen sehen, blieb zurück und drehte sich nun seiner Kolonne zu.



„Colonel, Sie haben doch nicht etwa Probleme da draußen?“ Stettners Stimme klang bereits wesentlich ungeduldiger und drohender. Mit einem entschiedenen Druck auf einen Schalter an seinem Kopfhörer würgte Crest die Verbindung kommentarlos ab. Über einen anderen Schalter stellte er Kontakt zu seinen Teileinheits-führern her. Nur unzureichend gelang es ihm, in seinem Befehl den mordsmäßigen Zorn, der in ihm hochbrodelte, zu unterdrücken. „An alle Einheiten! Den Jeep noch nicht angreifen, der wird uns ohnehin nicht entwischen! Feuer stattdessen zunächst auf die verbliebene Einzelperson konzentrieren! Ich will diesen dreckigen Alien-Rebellen tot sehen! Scharfschützen und Infanterie sollen auf seine Hals- und Nackenregion zielen, die Raketenwerfer, Apaches und Geschütze können einfach draufhalten! Auf mein Kommando…“



Im selben Augenblick riss Tasker, der seit Mulders Abfahrt keinen Schritt nach hinten gewichen war, die Arme hoch. Nach einigen Sekunden der regungslosen Konzentration begann über ihm die Luft zu flimmern, als ob sie stark erhitzt würde. Dann bewegte er langsam die Hände vor seinem Kopf aufeinander zu, wobei sein Körper vor Anspannung bebte.

Mit einem jähen Ruck wurden die Hubschrauber, die beinahe Taskers Position erreicht hatten, aus ihrer Formation gerissen und wirbelten unkontrolliert umher, wobei ein ungeheurer Druck die Kanzeln und Seitenwände eindrückte und zusammenknüllte wie Papier. Kaum berührten die Hände des Alien-Rebellen einander, flogen sämtliche Helikopter auf den mittleren in der Formation zu. Eine gewaltige Kerosin-Explosion kündete vom definitiven Ende der Besatzungen, der Maschinen sowie sämtlicher an Bord befindlicher Munition, die fast gleichzeitig mit in die Luft ging. Wie riesige lodernde Feuerbälle stürzten die zerstörten ‚Apaches’ mitten in die aufmarschierenden Truppen hinein, mähten klaffende Lücken in die Front. Herabregnende Trümmer und abgerissene Bruchstücke von Rotorblättern führten unter den Soldaten, denen ihre moderne Tarnwesten in dieser Situation nicht im Geringsten halfen, zu verheerenden Verlusten.



Um ein Haar wäre Crest aus dem Panzerwagen geschleudert worden, als dieser in jähen, ruckartigen Zickzack-Bewegungen den Überresten seiner Kampfflieger ausweichen musste. Er dachte an die vielen guten, praktisch unersetzlichen Männer, die er in diesen Sekunden verlor. Rotglühende Metallsplitter pfiffen teilweise nur wenige Zentimeter an seinem eingezogenen Kopf vorbei. Unter Aufgabe jeglicher Funkdisziplin schrie er wie besessen in sein Sprechfunkgerät: „Jagt diesem Scheißkerl die Eingeweide aus seinem gottverdammten Leib! Jeder, der noch zu irgendeiner Waffe Zugang hat, soll unverzüglich das Feuer eröffnen!“

Zwar war die Streitmacht des Colonels angeschlagen, jedoch alles andere als vernichtet – und dementsprechend heftig bellten die Geschütze los. Kaum mehr auszumachen war die Stelle, an der Tasker jetzt lediglich noch vermutet werden konnte; Geschoßeinschläge und Maschinengewehrgarben pflügten jedes Fleckchen Erde meter-tief um, schleuderten Bäume durch die Luft und erzeugten eine dichte, graubraune Wand aus undurch-dringlichem Qualm.

Nach wenigen Minuten ließ Crest das Sperrfeuer einstellen. Völlig gleichgültig, wie oft er tatsächlich getroffen worden ist, dachte er zufrieden, wenigstens ein paar der Treffer haben auf jeden Fall seine einzig verwundbare Stelle erwischt. Er befahl einen kurzen Halt, um die intakt gebliebenen Verbände neu zu formieren und dann schnellstmöglich wieder die Verfolgung der Flüchtigen aufzunehmen. Beschädigte Fahrzeuge wurden aus der vordersten Linie herausgelöst und sammelten sich, beladen mit verwundeten Soldaten, zur Rückverlegung ins Basislager.



Fast niemand bemerkte in diesem Durcheinander, dass aus dem sich allmählich lichtenden Schlachtennebel eine deformierte Gestalt hinkend hervortrat. Tarnfarbene Uniformfetzen klebten ihr am entsetzlich verbrannten Körper. Die von Schusswunden übersäten Arme hingen schlaff herab, und das Gesicht bestand nur noch aus einer unförmigen, breiigen grünen Masse. Plötzlich ging ein Zucken durch den mühsam aufrecht stehenden Mann. In Windeseile begannen sämtliche Verletzungen, aus denen eine grünlich-schleimige Substanz floss, zu verheilen. Das Gesicht gewann wieder an Form und Konturen – zunächst sah man, dass Ohren, Mund, Nasen-löcher und Augen völlig vernarbt waren, bis eine frische Hautschicht diesen grauenvollen Anblick wie eine Maske aus lebendem Gewebe überdeckte. Tasker hatte sich völlig regeneriert.



Ungläubig rissen Crest und seine Männer die Augen auf. „Unmöglich!“, stammelte der Colonel und starrte auf den unbeugsamen Alien-Rebellen, der inmitten einer völlig verwüsteten Kraterlandschaft stand. „Ich habe doch noch gesehen, wie sein Hals mehrmals von Kugeln durchsiebt wurde! Zur Hölle… grünes Blut, Narben im Gesicht – aber ohne Schwachstellen?“ „Also auch kein Super-Soldat, Colonel?“, fragte Crests Bordfunker nach, dem bereits reichlich mulmig zumute war. „Egal! Letzten Endes brauchen wir einen Dreck über ihn zu wissen – entweder er oder wir, heißt es jetzt! Neuen Angriff vorbereiten…“















11. JULI, 7.33 UHR

NAHE BITTERFELD, DEUTSCHLAND



Major Stettner war kurz davor gewesen, vor lauter Zorn den Verstand zu verlieren, als ihm mitgeteilt worden war, dass Fox Mulder dem sorgfältig geplanten und aufwändig arrangierten Hinterhalt in Cleveland entkommen sei und nun unter fremder Mithilfe damit begonnen habe, zu seinem bislang mächtigsten Schlag auszuholen: die Enthüllung der Wahrheit in der Öffentlichkeit. Am liebsten hätte er den Überbringer dieser Hiobsbotschaft, einen noch recht jungen Hauptgefreiten, von der Stelle weg erschossen, doch ein letzter Hauch von Vernunft hinderte ihn am Griff zum Pistolenhalfter. Mit starrem Blick und ohne ein einziges Wort zu sprechen hatte er vor Stunden die Hybriden-Zuchtanlange in Eisleben verlassen und war alleine durch die unterirdischen Gänge geeilt. Für gewöhnlich benutzte das Personal kleine Shuttle-Fahrzeuge, um die großen Entfernungen innerhalb des komplexen Tunnelsystems in kürzester Zeit zurückzulegen – doch Stettner lag diesmal nicht viel daran, sein Ziel schnell zu erreichen, im Gegenteil: Er brauchte die Zeit, um wieder zu sich zu kommen, seine Fassung zurück zu erlangen. Kaum ein anderer hätte mit ihm Schritt zu halten vermocht, so schnell marschierte er. Angst vor einem Verlust seiner Orientierung brauchte er nicht zu haben, denn so gut wie er kannte diese Gänge sonst niemand. Das Echo seiner energischen Schritte hallte vereinsamt durch die engen, knapp drei Meter hohen Röhren aus Stahl und Zement und verlor sich im schummrigen Halbdunkel, welches ihn umgab.



Nachdem er stundenlang so gelaufen war, allein, die Augen stets ausdruckslos und unbeweglich geradeaus gerichtet, erreichte er schließlich einen Einlass in der Tunnelwand zu seiner Rechten, über den er einen Aufzug betrat. Ohne auch nur für eine Sekunde auf die Anzeigetafeln zu sehen, drückte er entschieden den Knopf, der ihn abwärts bringen sollte, noch sehr viel tiefer dem Erdinneren entgegen. Während der Lift beinahe lautlos hinab raste und die im Schacht angebrachten Positionslampen, die durch kleine Seitenfenster in die schwach beleuchtete Kabine schienen, im Sekundentakt über das verbitterte Gesicht des Bundeswehr-Offiziers huschten, trat der breitschultrige Mann langsam zurück an die vibrierende Rückwand, lehnte sich mit dem Rücken daran und ließ sich langsam zu Boden sinken. „Er wird mir nicht… meine einzige Hoffnung nehmen, nicht jetzt!“, murmelte er vor sich hin, die Hände an die Stirn gepresst – so, als versuche er verzweifelt, gegen Kopfschmerzen anzukämpfen. Quälende Erinnerungen aus seiner Vergangenheit begannen, in seinem Kopf neue Gestalt anzunehmen, ihn aufs Neue zu verfolgen. „Nein!“, schrie Stettner und schlug mit den Fäusten so heftig gegen die Metallverkleidung der Kabine, dass einige Schrauben aus ihren Fassungen fuhren und ein dünnes Aluminiumblech verbeult herausbrach.

Gerade noch, bevor er völlig die Beherrschung verloren hätte, verlangsamte der Aufzug, kam zum Stillstand und öffnete sich vor dem schweißüberströmten Major. Fast wie in Trance taumelte er vorwärts, passierte einige Sicherheitsabfragen mit Netzhaut-Scan, Daumenabdruck-Kontrollen und Stimmzertifizierungen. Endlich schlug er hinter sich eine schwere, massive Stahltür zu und stand in einem dunklen Raum, der nur durch den schwachen Schein mehrerer dunkelblauer Neonröhren spärlichst erhellt wurde. Das vertraut klingende Summen von Überwachungsmonitoren, Hochleistungsrechnern und Belüftungs-Kompressoren ließ ihn einen Teil seiner verlorenen Beherrschung wieder finden. Ruhiger atmend schritt er vorsichtig tiefer in das Zimmer hinein – der blaufarbigen Lichtquelle entgegen. Nach einigen Metern blieb er stehen. Ein glasiger Schimmer begann Stettners Augen zu überziehen, sein Sichtfeld vor ihm verschwamm langsam. Andächtig, fast wie zum Gebet, sank er in einen Drehstuhl, die Handflächen fest auf die Seitenlehnen gedrückt.



Vor ihm erhellte sich ein großer, hoch auflösender Flachbildschirm. Sein zittriger Zeigefinger huschte routiniert über die berührungssensitive Benutzeroberfläche des Onscreen-Menüs. Er brauchte nicht einmal hinzusehen, um die korrekten Felder anzuwählen – längst hatte er die exakte Reihenfolge der nötigen Eingaben verinnerlicht, wäre selbst völlig blind dort angelangt, wo er hinwollte.



>ZUGRIFF AUF PERSÖNLICHE DATEIEN
TEIL I: „THE X-FILES - MULDER & SCULLY“ WIRD FORTGESETZT IN…



- Capitulum V: „Confide Nemini“ („Vertraue Niemandem")

- Capitulum VI: „Abalienatio“ („Die Entzweiung")

- Capitulum VII: „Finis Mundi" („Das Ende der Welt")

- Capitulum VIII: „Golgotha"

- Capitulum IX: „Terror Invasionis" („Die Schrecken der Invasion")

- Capitulum X: „Purgatorium" („Fegefeuer")





BEREITS ERSCHIENEN…



- Prologus

- Capitulum I: „Consilia Sinistra“ („Finstere Pläne“)

- Capitulum II: „Error Fatalis" („Ein verhängnisvoller Fehler")

- Capitulum III: „Veritatem Expositus“ („Die Wahrheit enthüllt“)





IN PLANUNG…



- Teil II: „THE X-FILES - INFESTATION"

- Teil III: „THE X-FILES - REVELATION"
Rezensionen