World of X

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Wege

von LSprys

Kapitel 2

Nachdem sie mit dem Essen fertig waren, verweilten sie noch etwas am Tisch und genossen den Anblick des fallenden Schnees durch das Esszimmerfenster. Mulder drehte sich zu Mrs. Scully um. Sein Gesicht drückte völlige Zufriedenheit aus. „Danke noch mal. Ich habe ganz vergessen, wie schön es ist, sich einfach mal nur zu entspannen und mit seiner besten Freundin und ihrer Mutter rumzuhängen. Mein letzter wirklich guter Freund war Josh Cunningham. Wir waren vierzehn und haben immer um drei Uhr morgens den Kühlschrank ausgeraubt. Seine Mom ist runtergekommen und blieb den Rest der Nacht mit uns auf und hat uns Geschichten erzählt und Witze gerissen. Wir haben sie beide verehrt.“

Er lehnte sich nach vorne und stütze sein Kinn auf seine Hand, versunken in lang vergessenen Erinnerungen. „Sie wusste wie einsam es in meinem Haus war.... Sie gab mir immer große Gläser mit Eistee oder heiße Schokolade und hat gesagt, dass ich immer willkommen sei, ob Tag oder Nacht. Ich habe in diesem Jahr oft bei Josh übernachtet, bis zu dem Tag, an dem sie bei einem Autounfall ums Leben kam. Josh musste zu seinem Vater nach Phoenix ziehen. Das war das letzte mal, dass ich ihn gesehen habe.“



Eine weiche Hand auf seiner Wange und eine bekannte Stimme holten ihn wieder in die Realität zurück. „Ich bin kein Josh Cunningham, aber ich würde es gern versuchen.“



Er stand auf und schlang die Arme um Scully. „Du hast für mich bereits mehr getan, als du jemals wissen wirst.“ Er gab ihr einen langen sanften Kuss auf die Stirn. „Außerdem kennst du niemanden in Phoenix.“

Mulder ließ sie widerwillig gehen und drehte sich zu Mrs. Scully. „Sie mag vielleicht keinen Toast machen können, dafür aber verdammt gute heiße Schokolade. Wenn du jetzt nichts dagegen hast kann ich uns allen gerne einen machen.“



Er stand auf und ging in die Küche. Mrs. Scully stand ebenfalls auf um ihm zu zeigen wo alles war, aber Scully streckte ihren Arm aus und antwortete mit leiser Stimme: „Nicht, Mom. Gib ihm eine Minute um sich zu sammeln. Das letzte was er will ist, dass wir ihn so sehen. Außerdem hat er eine einzigartige Art, mir zu zeigen, dass er in Ordnung ist.“



Aus der Küche tönte Mulders Stimme: „Scully, wo ist die Schokolade?“



„Wie kommt er bloß ohne dich aus?“



Scully schüttelte ihren Kopf und ihre Augen Zwinkerten. „Er schafft es, ....gerade noch so.“ Sie rief zurück in die Küche: „Ich komme, oh du großer Oxford-Absolvent.“





Ein Brüllen aus der Küche brachte Mrs. Scully dazu durch die Tür zu stürmen. Sie schlitterte ein wenig und blieb schließlich stehen, als sie Mulder und Scully sah. Beide waren über und über von Kakao-Pulver bedeckt, von Mulders Kopf tropfte Milch und er hielt einen Löffel anklagend in Scully Richtung. „Was um alles in der Welt ist hier passiert?“



Mulder setzte seinen besten finsteren Gesichtsausdruck auf und antwortete: „Sie hat mich einen Oxford-Absolventen genannt...“ Er wollte noch mehr sagen, aber Scully schnitt ihm das Wort ab. „Er hat mich einen Gerichtsmediziner vom FBI genannt.“ Nachdem Scully das gesagt hatte, brach sie an der Theke mit heftigem Gekicher zusammen, während Mulder sich vor Lachen krümmen.



Jetzt war Mrs. Scully an der Reihe: „Ich kann KEINEN von euch beiden irgendwo mit hinnehmen. Jetzt räumt das hier auf, oder ihr bekommt keinen Nachtisch.“



Nachdem die Küche die Besichtigung von Mrs. Scully endlich überstanden hatte, gab es „als Belohnung“ Schokoladen/Kirsch-Käsekuchen.

Sie stellte den Kuchen vor Scully ab und ging zurück, um ein Messer zu holen. Mulder lehnte sich zu Scully über und flüsterte in ihr Ohr. „Hast du schon bemerkt, dass du sabberst, oder macht dir das nichts aus?“



Sie wandte die Augen nicht vom Kuchen ab. „Wenn du einmal ein kleines Stückchen von diesem Kuchen probiert hast, wird dir das auch nichts mehr ausmachen.“



Mrs. Scully kam zurück und hielt das Messer in der Hand, das Scully ihr ungeduldig aus der Hand nahm und anfing, riesige Stücke für jeden zu schneiden.

Mulder starrte sie an. „Geduld ist eine Tugend, Scully.“



„Mulder, das Gesetz der Geduld hört dann auf zu existieren, wenn du eine Theorie verfolgst und ich Käsekuchen habe. So einfach ist das.“ Mit einem Funkeln in den Augen sah sie zu Mulder. „Und außerdem weißt du was mit mir passiert, wenn ich hungrig bin.“



„Und ich denke, Leute nennen mich verrückt.“ Er griff über den Tisch und nahm die Platte, die ihm gereicht wurde. Als er einen Bissen genommen hatte, verstand Mulder, warum Scully so in Verzückung geraten war. „Das muss bei Weitem das beste Junkfood sein, das der Mensch kennt.“



Zwanzig Minuten später war der kleine Kuchen schon fast ganz aufgegessen, so das Mulder das letzte Stückchen mit Scully teilen musste. Er lehnte sich herüber und klopfte mit seinen Fingerknöcheln auf ihren Oberschenkel. „Ich glaube der ist jetzt endgültig voll. Wer hätte gedacht, dass du an einem Tag so viel Essen kannst, wie du wiegst.“

Scully drohte Mulder, die Gabel in seine Hand zu stechen. „Falls du dich erinnerst: Erdnussbutter und Gurken um vier Uhr morgens ersetzen niemals wirkliches Essen.“ Sie nahm die Teller. „Ganz nebenbei: ich werde viel Energie brauchen, um alle Teller abzuwaschen. du hättest mehr essen sollen, ....in Anbetracht dessen, dass du sie abtrocknen wirst.“



Mulder stand neben ihr auf. „Lust auf einen weiteren Deal?“



Scully schielte zu ihm. „Ich fühle, dass ich Glück habe. Schieß' los.“



„Du trocknest ab, ich werde abwaschen. Deine Mom sitz in einem Sessel und ruht sich aus, nachdem sie dieses köstliche Essen gekocht hat.“



Noch bevor sie antworten konnte, mischt sich Mrs. Scully ein. „Abgemacht.“ Sie sah zu ihrer Tochter rüber. „Tut mir leid, Liebling, aber man lässt nie die Chance aus, jemand anderen die Teller abwaschen zu lassen.“



Mulder trug die restlichen Teller in die Küche und stellte sie in die Spüle, direkt auf die Töpfe, die dort schon lagen. Er füllte das Waschbecken mit heißem Wasser und Spülmittel, tauchte seine Hände ein und begann die Teller zu säubern. Er bemerkte nicht, wie Scullys Mutter kurze Zeit später verschwand. Sie wuschen und trockneten weiter die Teller ab. Es herrschte eine angenehme Ruhe, bis: „Bitte Lächeln.“



Mulder drehte sich als erster um und entdeckte Mrs. Scully mit einer Polaroid Kamera im Türrahmen. Schnell wie ein Blitz drehte er Scully herum, umarmte sie und setzte ihr Seifenschaum auf die Nase. Scully guckte mit einem verwirrten Lächeln im Gesicht Richtung Tür und sah die Kamera eine Sekunde zu spät. Mrs. Scully schoss das Foto und hängte es an den Kühlschrank, bevor sie die Küche wieder verließ. „Tut mir leid, mein Schatz, aber ich konnte mir diese Chance nicht entgehen lassen.“



Scully drehte sich sofort zu Mulder um stach in seine Brust. „Du gemeiner Schurke. du hast die Kamera gesehen.“



Er zuckte mit den Schultern und grinste. „Und?!“



„Du hattest wenigstens Zeit, halbwegs normal auszusehen. Ich sehe grauenvoll auf dem Foto aus.“



Mulder senkte seinen Kopf und legte seine Stirn auf ihre. „Du könntest von oben bis unten mit Teer und Federn bedeckt sein und trotzdem würdest du noch wunderschön aussehen.“



„Ihr beide, der Schurke und der Charmeur, macht mich verrückt. Wie schaffst du es nur dich mit deinem Charme aus jeder Situation herauszumogeln?“



Er bewegte seinen Kopf etwas, so dass er direkt in ihre Augen sehen konnte. „Das ist nicht der Charme, Scully, das ist die Wahrheit.“



Sie sah zu ihm auf, Tränen drohten zu fallen, und sie flüsterte leise. „Danke.“



Er hob seine Hand etwas und wischte die Blasen von ihrer Nase. Dann wischte er ihr die einsame Träne von der Wange, die entkommen war. „Ich sollte dir danken. Du bist die Schönheit in meiner Welt“, er hielt für einen Moment inne, „so wie mein Trost, mein Beschützer und mein Gelegenheitskopfkissen.“



Scully schenkte ihm das Lächeln, genauso wie schnelle Umarmung. „Wir sollten lieber die Teller fertig abwaschen.“ Sie drehte sich um und sah sich in der Küche um. „Wo ist Mom hingegangen?“



„Ich werde dafür eine wilde Vermutung anstellen müssen, aber ich denke sie hat wahrscheinlich den Raum verlassen.“



Sie schlug mit dem Handtuch nach ihm. „Wenn doch nur alle unsere Fälle so einfach wären.“



Mulder verbeugte sich vor ihr. „Du hast den Meister gefragt, du bekommst die Antwort.“



„Ich gebe auf. Waschen Sie einfach weiter ab, Sir, oder wir werden hier noch die halbe Nacht verbringen.“



„Der Meister denkt, dass dies eine sehr gute Idee ist.“



Zwanzig Minuten später kamen sie ins Wohnzimmer zurück und fanden Mrs. Scully lesend auf der Couch vor. „Ich war kurz davor nach euch zu sehen. Ich habe schon gedacht, ihr seid vielleicht in den Abfluss gerutscht.“



Mulder legte sich auf den Boden vor den Kamin. „Nach dem, was ich gegessen habe, werde ich vielleicht gerade durch die Tür passen.“



Scully setzte sich neben ihn auf den Boden und lehnte sich gegen den Stuhl. „Mach’s dir ja nicht zu bequem, wir müssen bald wieder los.“



Mulder drehte sich herum, bis sein Kopf auf Scullys Oberschenkel lag und seine Füße in Richtung Feuer gestreckt waren. „Mrs. Scully haben sie gewusst, dass ihre Tochter ein wundervolles Kissen hergibt?“



Mrs. Scully lachte. „Nein, Fox, aber wenn es denn funktioniert, würde ich es nicht in Frage stellen.“



„Guter Tipp“, antwortete Mulder. Er drehte sich auf die Seite und schloss seine Augen.

Ungefähr eine Minute später fing Mulder leise an zu schnarchen. Flüsternd bemerkte Mrs. Scully: „Wenn er sich wohl fühlt, macht er sich überall ein Zuhause, was?“



Scully ließ ihre Hand auf seiner Schulter. „Das ist ja gerade die Sache. Zuhause schläft er nie viel, aber sobald er mal bei mir ist, schläft er fast überall ein. Ich glaube, man kann sein Haus auf keinen Fall sein Zuhause nennen.“



„Wenn man das so sieht, kann man fast sagen, sein zu Hause ist überall da, wo du auch bist.“



Sie strich sein Haar zurück, so dass sie ihn deutlicher sehen konnte. Sein friedlicher Gesichtsausdruck ließ ihr Herz einen Schritt schneller schlagen. „Weißt du, Mom, ich glaube mein Zuhause wäre auch nicht richtig ohne ihn. Du kannst dir nicht vorstellen, wie oft ich schon über seine Schuhe der Größe 12 gestolpert bin, die mitten im Flur lagen. Ich habe mir seinetwegen ein Lager von Eistee im Schrank angelegt. Ich finde Hülsen von Sonnenblumenkernen bei mir im Sofa, mein Kühlschrank ist bedeckt mit seinen Notizen von irgendwelchen Fällen. Er legte CDs nie zurück in die richtige CD-Hülle, er durchwühlt meine Filme - lacht über die Hälfte. Er hat sogar schon seine eigene Kaffeetasse, die er nie abwäscht. Und weißt Du, was das Komische daran ist?“ Scully sah mit einem gedankenverlorenem Gesicht auf. „Ich kann mir nicht eine Sache vorstellen, die ich ändern möchte. Ich mache mir schon Sorgen, wenn er mich nicht morgens um zwei Uhr anruft. Ich kann ganz ehrlich sagen, dass ich total durcheinander wäre, wenn ich nicht glücklicher wäre als ich jemals war.“



Mrs. Scully kam zu ihr herüber und küsste ihre Tochter sanft auf die Stirn. „Er ist ein ziemlich liebenswerter junger Mann, hm?“



Scully strich weiter sanft mit ihren Fingern über sein Gesicht. „Mehr als du dir vorstellen kannst.“

Sie saßen für einen paar Minuten schweigend da, bis Scully sich zu ihrer Mutter mit einem Lächeln umdrehte. „Du kannst ruhig den Fernseher anmachen, wenn du willst, das stört ihn nicht.“



Mrs. Scully nahm die Fernbedienung. „Wenn du nichts dagegen hast, es gibt gerade ein Alfred Hitchcock Festival auf AMC. Ich glaube es läuft im Moment ‚Der unsichtbare Dritte’.“ (*)



„Machst du Witze? Ich liebe Cary Grant und James Mason.“



Sie fanden den Kanal. „Oh, gut, es fängt gerade an.“



Beide machten es sich gemütlich, während Mulder weiter auf dem Boden schnarchte. Ungefähr eine Stunde später lehnte sich Mrs. Scully herüber. „Möchtest du etwas Popcorn?“



Noch bevor Scully antworten konnte, ertönte eine verschlafene Stimme aus ihrem Schoß. „Wenn es nur so von Butter trieft und überhäuft ist mit Salz, würde ich was davon nehmen.“



Mrs. Scully lachte: „Ich glaube, das lässt sich machen.“



Nachdem sie den Raum verlassen hatte, sah Scully zu Mulder runter, in seine immer noch verschlafenen Augen. „Wie lange bist du schon wach?“



Er richtete sich auf und setzte sich neben sie. „Knapp zehn Minuten, aber es war viel zu gemütlich, als dass ich auch nur daran gedacht hätte, mich zu bewegen. Ich glaube, ich sollte dich zu meiner permanenten Kopfstütze machen“, er streckte sich, „Aber bei der Aussicht auf Popcorn entschied ich mich doch dazu, etwas zu sagen.“



Scully stand auf. „Solange ich nicht auf einem kalten Boden sitzen muss, kann ich mit einem Job als Kopfstütze leben.“ Sie fröstelte, setzte sich auf die Couch und legte die Decke um sich. „Ich hätte Mom vorher danach fragen sollen, aber ich wollte dich nicht wecken.“



Mulder setzte sich zu ihr auf die Couch und sah sie streng an. „Wenn dir kalt ist, hättest du mich wecken sollen. Ich möchte Skinner nicht gerne erklären müssen, wie mein Partner zu einem Eis am Stiel geworden ist. Denk’ darüber mal nach, wir müssten Fälle in warmen Gegenden übernehmen, damit dir nicht kalt wird. Keine arktischen Eis-Stationen oder Alaska-Expeditionen mehr.“ Er dachte über seine Gedanken einen Moment nach, dann zeigte er auf den Boden. „Zurück auf den Boden. Vielleicht kriegen wir den Trip nach Italien doch noch.“



Scully bot Mulder die Hälfte des Afghanen an, der dies dankend annahm. „Von jetzt an, friere ich für niemanden mehr.“



Er legte die Decke enger um sie herum. „Ich glaube, dann muss ich dich nur noch warm halten, hm?“



Scully legte ihren Kopf auf Mulders Schulter. „Ich glaub’ schon.“



Eine Minute später kam Mrs. Scully mit einer gefüllten Schale voll Popcorn zurück. Scully erklärte Mulder gerade die Handlung des Films. Sie reichte Scully die Schale und setzte sich neben sie. „Hab ich irgendwas verpasst?“



Mulder sah Scully mit lächelnden Augen an. „Nein.“



Der Film endete zur gleichen Zeit, wie das Popcorn leer wurde. Mulder stand auf und zog Scully neben sich hoch. „Wir sollten jetzt wirklich langsam gehen. Der Schnee wird uns bestimmt aufhalten.“



Mrs. Scully stand auf und Mulder gab ihr eine extra lange Umarmung. „Danke für alles. Es war einfach toll. Das Essen, die Gesellschaft, einfach alles. Ich bin so froh, dass Du mich gefragt hast zu kommen.“



„Wenn ich mich richtig erinnere, habe ich nur meinen Teil der Abmachung gehalten. Und denk’ daran: du kannst jederzeit gerne wiederkommen. Ich hab’ dich gerne hier. Wenn ihr mir versprecht, aus irgendwelchen Schwierigkeiten ’raus zu bleiben, könnt ihr jedes Essen haben, das ihr euch wünscht.“



Mulder half Scully in ihren Mantel. „Ich denke, das lässt sich regeln, wenigstens für eine Weile.“



Scully umarmte ihre Mutter und gab ihr einen Kuss. „Hab’ dich lieb, ich ruf’ dich in ein paar Tagen mal an. Danke noch mal.“



Ihre Mutter lehnte sich zu ihr rüber und flüsterte in ihr Ohr: „Weißt du, du bist auch sehr liebenswert.“ Dann mit lauterer Stimme, „Seid bitte vorsichtig , ihr zwei. Es sieht ziemlich glatt aus.“



Beide drehten sich noch mal um und winkten ein letztes Mal, als sie sich vorsichtig auf den Weg zum Auto machten.





Zehn Minuten später lenkte Mulder das Auto auf den Freeway. „Hm, ...die Strassen sind hier zum Glück nicht allzu schlimm.“ Es sah wie Scullys Hände zu Fäusten geballt waren und schon die Fingerknöchel weiß hervor traten. Sie wusste, dass er gelogen hatte, damit sie sich besser fühlte. „Vielleicht sollten wir umdrehen?“



Scullys Fäuste entspannten sich und sie spähte aus dem Fenster hinaus. „Das würde bedeuten, dass wir vom Freeway runter müssen, wieder zurück auf den Freeway hinauf, dann über drei Straßenkreuzungen und durch die Nachbarschaft. Es ist wahrscheinlich sicherer, wenn wir hier bleiben und besonders langsam fahren.“

Mulder lehnte sich vor und versuchte vergeblich, durch den dicht fallenden Schnee zu sehen. „Wie konnte uns das nur so schnell erwischen? Es waren doch nur ein paar Schneeflocken, als wir losgefahren sind. Jetzt bin ich schon froh, wenn ich das Auto vor mir sehen kann.“ Er warf einen Blick zu Scully. „Deine Mom wird sich die Haare ausreißen. Zehn zu eins, dass du zu Hause mindestens acht verzweifelte Nachrichten von ihr hast, wenn wir endlich zu Hause sind.“



Scully lächelte ein wenig. „Ich kann mir sogar vorstellen, wie sich diese dann anhören. ’Dana, warum seid ihr nicht umgekehrt? Ich bin krank vor Sorge. Ich weiß nicht, ob du vielleicht tot auf dem Highway liegst oder nicht. Warum bist du nur jemals zum FBI gegangen? Warum verstehst du dich nicht besser mit deinen Brüdern? Fox ist wirklich ein netter Kerl, hm? Ruf mich bitte an. Wieso konntest du nicht ein Tierarzt werden, wie wir es gesagt haben? Dana, nimm jetzt sofort das Telefon ab, junge Lady!`“



„Vergiss nicht, ‚wann wirst du endlich zur Ruhe kommen, heiraten und mir eine Wagenladung voll Enkel bescheren?’“ Er sah schnell zu Scully rüber und bemerkte, wie sie sich die Hand vor den Mund hielt. Mulder gab ihr sein patentiertes ’die-Mundwinkel-halb-hochgezogenes’ Grinsen. „Liege ich falsch?“



Trotz größter Bemühungen, rutschte Scully ein lautes Prusten zwischen ihren Fingern raus und sie konnte sich nicht mehr halten. Sie warf ihren Kopf zurück auf den Sitz und lachte solange, bis sie nach Luft schnappte. Zwischen mehreren Luftzügen antwortete sie: „Nein, ...und schon wieder hast du es geschafft, meine Mutter perfekt nachzumachen.“ Und nachdem sie sich wieder etwas beruhigt hatte: „Du bist wirklich ziemlich spooky (*), weißt du das?“



Er starrte immer noch geradeaus und streckte ihr die Zunge raus. Dann, in einem ernsteren Ton: „Du bist auch nicht weniger un-spooky. Obwohl ich mir den Namen auf die Stirn tätowieren ließe, wenn ich herausbekäme, wie ich Scotty rufen könnte, damit er uns nach Hause beamt.“



Die nächste halbe Stunde fuhren sie schweigend weiter. Der Schnee fiel immer dichter und Mulder umgriff das Lenkrad fester. Er atmete einen Moment später erleichtert auf und zeigte Scully das Zeichen für ihre Ausfahrt. Obwohl sie nur fünf Minuten vom Freeway entfernt wohnte, brauchten sie eine weitere halbe Stunde, bis sie bei ihrem Appartement ankamen. Mulder fuhr langsam an den Gehsteig heran und schaltete die Zündung aus. Für einen Moment saß er nur so da und war dankbar dafür, dass sie nicht im Graben gelandet waren, wie so viele andere Autos, an denen sie vorbeigefahren waren. Er spürte Scullys Hand auf seinem Arm. Er drehte sich zu ihr um und sah, dass die große Anspannung aus ihrem Gesicht gewichen war. Sie knöpfte sich ihren Mantel zu und sah zu Mulder.

„Noch Lust auf einen weiten Deal?“



Mulder dachte insgeheim aber alles was er laut aussprach war: „Kommt drauf an, um was für einen Deal es sich handelt.“



„Was hältst du davon, diese Nacht auf meiner Couch zu verbringen?“



Mulder hob eine Augenbraue in ihre Richtung. „Was springt für dich bei diesem kleinen Geschäft heraus?“



Sie sah ihn mit ernsten blauen Augen an. „Ich weiß, dass du sicher in meinem Wohnzimmer und nicht irgendwo tot bist.“



Mulder zwinkerte ihr zu. „Warum? Passt eine Beerdigung nicht in deinen vollen Zeitplan? Ich hatte erwartet, du nimmst dir die Zeit und erscheinst ganz in schwarz, siehst wundervoll wie immer aus und absolut willig, dich selbst aufzugeben, weil du ohne mich nicht mehr leben kannst.“



Ein Ausdruck purer Angst blitzte in Scullys Augen auf und Mulder bereute sofort, dass er überhaupt seinen Mund aufgemacht hatte. Er streckte seine Hand aus und umfasste leicht ihr Kinn. „Ich werde bleiben, wenn du für mich lächelst.“



Scully gab ihm ein kleines schwaches Lächeln, aber ihre Augen verrieten immer noch die Gedanken, die ihr durch den Kopf gingen. „Komm Romeo, deine Couch erwartet dich.“ Sie öffnete die Tür und schleppte sich durch das Schneetreiben bis zur Tür. Mulder folgte ihren Spuren und hielt sich hinten an ihrem Mantel fest, so dass keiner von ihnen weggeblasen werde konnte. Sie schaffte es, die Tür zu öffnen, obwohl ihr Haar ihr immer wieder in die Augen flog. Mulder schlug die Tür hinter ihnen zu, und versuchte soviel Kälte wie möglich auszuschließen. Sie gingen zu Scullys Wohnungstür, doch als sie den Türgriff umdrehen wollte, hielt Mulder sie mit seinen Händen fest.



„Ich wollte dich nicht erschrecken, wirklich nicht. Ich würde niemals versuchen in diesem Wetter nach Hause zu kommen“, dann, mit einem Funkeln in seinen Augen, „Außerdem sind die Wände hier dick genug, so dass wir uns keine Sorgen um die Nachbarn machen brauchen. Wir können schreien und brüllen so laut wie wir wollen.“ Durch diese Bemerkung fing er sich einen Schlag auf den Arm ein, aber auch das begehrte Lächeln, auf das er gewartet hatte und das ihm zeigte, dass sie ihm vergeben hatte. Scully ließ sie dann beide ins Wohnzimmer ein. Sofort schleuderte Mulder seine Schuhe weg, als er durch den Flur ins Badezimmer ging. Sie starrte die Schuhe für einen Moment lang an. Ein warmes Gefühl breitete sich in ihrem Körper aus und sie war auf einmal unverschämt glücklich darüber, dass draußen so schlechtes Wetter herrschte.



Eine Minute später erschien Mulder wieder. Er fand Scully immer noch in der Tür stehend, mit einem albernen Grinsen auf ihrem Gesicht. Er ging zu ihr hinüber und erregte ihre Aufmerksamkeit.

„Schmiedest du gerade irgendwelche heimtückischen Racheakte gegen mich?“



Scully schüttelte ihren Kopf, lächelte aber weiter. „Nein, wieso fragst du?“



„Weil du wie ein Affe grinst.“



Scully zog ihren Mantel aus und setzte sich auf die Couch, um sich die Schuhe auszuziehen. „Ich habe nur darüber nachgedacht, was ich zu Essen hier habe.“ Sie stand wieder auf und ging in die Küche.



Mulder folgte ihr. „Das war kein Essens-Lächeln..... . Was heckst du in deinem kleinen verdrehten Kopf schon wieder aus?“



Sie fand einen Topf, mit einem Rest von Braten drin und gab ihn Mulder. „Erstens - du hast recht, das war kein Essens-Lächeln, zweitens – denk’ dran, Größe zählt nicht, zumindest nicht, wenn man von der Größe eines Gehirns spricht und drittens – frag’ ein Mädchen nie, was sie gerade denkt, wenn sie ein Lächeln wie gerade eben im Gesicht hat.“



Scully ging zurück ins Wohnzimmer und ließ Mulder zurück, um das Essen aufzuwärmen. Ein paar Minuten später kam Mulder mit zwei vollen, dampfenden Tellern zurück. Er hatte absolut keine Ahnung, warum seine Partnerin sich manchmal so merkwürdig verhielt; er wusste nur, dass er mit ihr lieber hier war als irgendwo anders.



Sobald sie sich gesetzt hatten, fingen beide an zu gähnen. Scully stellte ihren leeren Teller zurück auf den Tisch und verschwand im Schlafzimmer. Kurz darauf kam sie mit einer Daunen Steppdecke und einem weiteren Kissen zurück. Sie legte beides ans Ende der Couch. „Hier, für dich.“ Sie musste so sehr gähnen, dass man fast meinen konnte, ihr Kopf teile sich in zwei. „Ich gehe ins Bett. Brauchst du sonst noch etwas?“



Mulder nahm beide Teller und stellte sie ins Waschbecken. Als er zurück ins Wohnzimmer kam, meinte er: „Nur kurz eine Frage. Ist es in Ordnung, wenn ich die Hose ausziehe? Ich hasse es in ihr zu schlafen.“



Scully konnte sehen, wie er leicht errötete. Sie wollte ihn nicht in Verlegenheit bringen, aber sie konnte nicht widerstehen: „Aber Du lässt doch die Boxershorts an, oder?“



Jetzt hatte Mulders Gesicht die Farbe einer Tomate, und er konnte nur noch stotternd seine Antwort hervorbringen. „Natürlich.“



Sie stand da und schüttelte ihren Kopf. „Das ist das zweite Angebot, das du innerhalb von zwei Tagen verpasst hast.“ Scully freute sich, als sie sah, wie Mulders Unterkiefer herunterklappte. „Ich versuche nur, dich auf Zack zu halten, Mulder. Gute Nacht.“ Sie ging zurück in ihr Schlafzimmer und schloss die Tür hinter sich.



Er klopfte an ihre Tür und als sie öffnete, reichte er ihr seine Jeans. „Du bist gut, verdammt gut.“ Er drehte sich um, ging den Flur zurück und ließ Scully zurück, die ihm nur noch mit offenem Mund hinterher starren konnte. Bevor er das Licht ausmachte, drehte er sich abermals um: „Aber ich bin immer noch besser. Gute Nacht, Scully.“ Er löschte das Licht und hörte noch Scullys Lachen in seinen Ohren. Ein warmes Gefühl umgab sein Herz, weil die Rothaarige im Nebenzimmer ihn gebeten hatte zu bleiben.



Er wachte auf, und sah Scully am Ende der Couch sitzen. Sie war ganz in schwarz gekleidet und weinte leise. Er versuchte sich aufzusetzen, er wollte sie trösten, doch im gleichen Moment wollte er auch fragen, was passiert ist. Doch noch bevor er dies tun konnte, sah Scully durch den Raum und Mulders Augen folgten ihr instinktiv. Dort, wo eigentlich der Küchentisch stehen sollte, stand jetzt ein weißes Kreuz, das mit Blut bespritzt war. Unter dem Kreuz war eine Reihe von Steinen. Mulder erkannte sofort, dass es Grabsteine waren. Er ging zu ihnen hinüber, ließ sich auf die Knie fallen und fuhr langsam mit seinen Fingern über die Namen: William Mulder, William Scully, Melissa Scully... als er beim vierten Namen angekommen war, drehte sich sein Magen um: Dana Katherine Scully. Dieses Gefühl war es, dass ihn plötzlich erkennen ließ, was für quälende Erinnerungen heute Abend für Scully wieder aufgetaucht waren. Erinnerungen, die er unbewusst wieder wachgerufen hatte. Wie viele Male hatte er ihr schon Schmerzen zugefügt?...Zu viele, um sie zu zählen, dachte er bitter. Er hielt in seiner plötzlichen Wut inne, als er etwas Kleines aufblitzen sah, das an dem Kreuz hing. Mulder stand auf und erkannte, dass es sich um Scullys goldenes Kreuz handelte. Vorsichtig hielt er es in seiner Hand, so dass das Licht den Glanz des Goldes einfing.



Auf einmal spürte er eine Hand auf seinem Arm und eine schmerzlich bekannte Stimme in seinem Ohr: „Sieh genau hin, Mulder.“



Er drehte sich um, sah aber niemanden hinter sich. Mulder stellte fest, dass Scully nicht mehr am Ende der Couch saß. Verwirrt über das, was ihm gerade gesagt worden war, drehte er sich wieder zurück. Das weiße Kreuz war verschwunden, genauso wie die Grabsteine, bis auf einen. Er sah herunter, doch er konnte nicht mehr als einen flüchtigen Blick auf den letzten verhassten Stein werfen. Irgendwo in seinem Unterbewusstsein hatte er gefunden, was er gesucht hatte, aber bevor er es richtig registrieren konnte, schreckte Mulder von der Couch hoch.



„Heilige Scheiße“, murmelte er während er tief Luft holte. Mulder richtete sich auf und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Während er einen Blick auf die gemütliche, vertraute Einrichtung warf, hatte er auf einmal den plötzlich überwältigenden Drang, sicher zu gehen, dass Scully in Ordnung war. Er ging leise ins Schlafzimmer und hinüber zu ihrem Bett.



Vergraben unter der Decke, zusammengerollt auf der Seite liegend, fand er Scully mit einem leichten Lächeln im Gesicht vor. Eine Welle der Erleichterung durchströmte ihn und ohne zu überlegen neigte er sich zu ihr hinunter und gab ihr einen Kuss auf die Stirn.

Leise ging Mulder zurück ins Wohnzimmer. Er sah zur Couch und wusste, dass er diese Nacht wohl keinen Schlaf mehr finden könnte. Statt dessen setzte er sich vor Scullys Computer. Er hoffte, dass sich zumindest ein Spiel darauf befand, mit dem er sich die Zeit vertreiben konnte.



Nach zwanzig Minuten hatte Mulder alle Hoffnung aufgegeben noch irgend etwas anderes als Autopsieberichte und Zusammenfassungen zu finden. Er hatte gerade beschlossen, sich seiner letzten Zuflucht, dem Fernseher mit dem Nachtprogramm, zuzuwenden, als eine unbenannter Datei seine Aufmerksamkeit auf sich zog. Sie befand sich ganz unten auf dem Bildschirm und wartete geduldig darauf, geöffnet zu werden. Mulder hätte sie vielleicht gar nicht bemerkt, wäre sie wie alle anderen von Scully’s Dateien ordentlich mit vollem Namen oder Akten-Nummern versehen worden. Die Neugierde übermannte ihn und er öffnete sie.
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