World of X

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Ein Neuanfang (Teil 2)

von XFilerN

Kapitel 3

Washington, D.C.
Dulles International Airport
Silvester 1999/2000

Früh am Morgen stiegen Scully und Lucy aus dem Flugzeug und holten ihr Gepäck ab. Der Dulles Airport weckte Erinnerungen in Scully. Da sie sich hier von Mulder verabschiedet und ein neues Leben begonnen hatte. Sie und Lucy ließen sich ihr Gepäck zu einem Taxi bringen und sich nach Arlington fahren. „Wow, ich war noch nie in Washington DC. Das ist eine umwerfende Stadt“, stellte Lucy mit Begeisterung fest. Mulder hatte Scully und sie eingeladen, dieses Silvester bei ihm zu feiern. Sie war schon sehr gespannt, auf den gut aussehenden Ex-Partner ihrer Freundin. Sie wollte sich ein eigenes Bild von ihm machen, da Scully ihr nicht alles erzählt hatte. Das glaubte sie zumindest. Ihre Beziehung zu Mulder schien immer rein beruflich gewesen zu sein. Woran das gelegen hatte, würde Lucy schon bald erfahren. Sie hatte sich fest vorgenommen ihre Freundin mit Mulder zu verkuppeln, das konnte doch nicht so schwer sein.

„Ich hätte nicht gedacht, dass ich mich so sehr freuen würde, die Stadt wieder zu sehen. Ich zeige dir später, wo ich gewohnt habe, okay.“ Scully sah zu ihrer Freundin hinüber und lächelte ihr zu. Lucy erwiderte das Lächeln und nickte ihr entgegen. Sie konnte es kaum erwarten, mehr über Scully in Erfahrung zu bringen, als sie bisher zugegeben hatte. „Wir sind da.“ Scullys Blicke wanderten zu dem Haus auf der linken Straßenseite, in dem Mulder wohnte.

Der Taxifahrer wandte sich zu den Frauen um. „Das macht dann 10 Dollar und 50 Cents.“

Beide zückten ihre Geldbeutel und teilten sich die Zahlung. Sie stiegen aus, nahmen ihre Koffer entgegen, die ihnen der Fahrer überreichte und wechselten die Straßenseite. Nervös schaute Scully sich das Gebäude an und atmete tief ein.

Sie zögerte einen Augenblick und Lucy blickte sie ungeduldig an. „Na komm schon. Ich will ihn endlich kennen lernen.“ Voller Enthusiasmus zog Lucy an Scullys Mantel.

Sie sträubte sich zunächst, doch dann folgte Scully ihr in das Haus. Das Herz schlug ihr bis zum Hals, da sie und Mulder sich nun seit mehr als zwei Wochen nicht gesehen hatten. Das war sie einfach nicht gewöhnt. Sie hatten sich früher beinahe täglich gesehen, als sie noch Partner gewesen waren.

Lucy zupfte an Scullys Haaren, um einige Strähnchen zu ordnen. Lucy wurde von Scully verblüfft und fragend angestarrt, während sie dies tat. „Ich möchte nur das du perfekt aussiehst, wenn er die Tür öffnet.“ Sie kamen vor seinem Apartment an und Lucy zögerte nicht, gegen die Haustür zu klopfen, während Scully unruhig mit den Fingern über ihr Haar strich. Seit sie ihn nicht mehr gesehen hatte kam es ihr so vor, als ob jede Sekunde eine Minute und jede Minute eine Stunde gedauert hätte. Sie fühlte sich als wäre es Jahre her, dass sie sich das letzte Mal gesehen hatten. Als sich die Tür öffnete, glaubte Scully in Ohnmacht zu fallen. War es möglich, dass er noch besser als früher aussah?

„Hi, ich bin Lucy“, stellte sie sich ihm freudig überrascht vor und schleppte Scully hinter sich her in das Apartment.

Mulder grinste sie an und wandte seine Blicke sofort zu Scully. „Ihr seid früher dran, als ich erwartet hatte.“

Scully bekam noch immer kein Wort heraus, es war als hätte sie ihre Stimme verloren. Jedoch hatte ihre Freundin keine Probleme sich zu artikulieren. Sie merkte, dass sie fehl am Platz war und wollte ihnen etwas Zeit verschaffen. „Hey Mulder, wo ist die Toilette?“

„Ins Wohnzimmer, von da ins Schlafzimmer und dann kommst du zum Badezimmer.“ Während er Lucy antwortete, warf er ihr nur einen kurzen Blick zu und wandte sich sofort zu Scully zurück. Er nahm ihr den Mantel ab und stellte die Koffer ins Wohnzimmer.

Scully folgte ihm und fand endlich ihre Sprache wieder. „Schön dich zu sehen.“

Sie nahmen sich in die Arme, als Mulder ihr ins Haar flüsterte: „Ich bin froh dich wiederzusehen. Du siehst gut aus.“ Bei diesen Worten wurde Scully plötzlich verlegen und spürte wie ihr die Röte ins Gesicht stieg. Sie löste sich aus Mulders inniger Umarmung und setzte sich auf die Couch.

Lucy stieß wieder zu ihnen. „Dana, ich lasse euch zwei allein und sehe mir die Stadt an. Ihr habt euch doch sicher viel zu erzählen.“ Ein verschmitztes Grinsen zierte ihr Gesicht. Sie griff zu ihrer Jacke und stürmte aus der Wohnung, ohne eine Reaktion der beiden abzuwarten. Die Tür flog mit einem Knall hinter Lucy zu und die beiden lächelten einander an.

„Sie ist eine gute Freundin, oder?“ Mulder setzte sich neben Scully auf sein Sofa und nahm ihre Hand. „Was hast du ihr erzählt?“

„Nichts. Da gibt es nichts zu erzählen“, gab sie ihm schnell als Antwort zurück, in der Hoffnung, dass er ihr glauben würde.

„Ist ja auch egal. Erzähl, wie war der Flug?“

„Wie jeder. Hier und da Turbulenzen, aber sonst ganz normal.“ Wie typisch ein solches Gespräch doch war. Sie hatten es noch nie geschafft, sich über etwas Anderes außer der Arbeit zu unterhalten. Sie sahen sich an und begannen zu lachen als sie merkten, wie lächerlich sie sich aufführten. Sie verhielten sich wie zwei Teenager, die nicht wussten, was sie miteinander reden sollten. Das war der Moment auf den sich Mulder so sehr gefreut hatte und er wusste nicht, was er jetzt tun sollte. Nur allzu gern würde er sich zu ihr rüber beugen, um ...


Seit Tagen hatte er sich diese Szene vor dem Einschlafen vorgestellt und jetzt konnte er es nicht. – Küss sie doch! – rief die Stimme in seinem Inneren. Er hatte nicht bemerkt, dass er seinen Kopf bei dem Gedanken schüttelte, bis Scully ihn darauf ansprach.

„Weshalb schüttelst du den Kopf, ich habe doch nichts gesagt.“

Er fühlte sich ertappt und grinste verlegen vor sich hin. „Ach nichts weiter.“ – Du Trottel, was Dümmeres fällt dir nicht ein? Sag es ihr! Sag ihr doch, wie sehr sie dir gefehlt hat! – Mulders innere Stimme erklang so laut in seinem Kopf, als würde jemand ihm direkt in sein Ohr brüllen. Er ignorierte sie dennoch. „Was hältst du von einem Kaffee?“

Es gefiel Scully zu sehen, dass Mulder offenbar genauso nervös war wie sie. Sie nickte und folgte ihm in die Küche, um ihm zu helfen. Sie sah sich etwas um und bemerkte eine Veränderung, die sie seit der Ankunft verwirrt hatte. „Mulder, hast du etwa aufgeräumt? Deine Wohnung glänzt ja richtig.“

„Nein, sie sieht genauso aus wie immer.“ Ihm fiel ein bohrender, typisch skeptischer Scully-Blick auf, als er ihr versuchte seine Lüge zu unterbreiten. Sie kannten sich zu lange, um sich in dieser Hinsicht nicht bestens zu durchschauen. Sie wusste, dass er log und er wusste, dass es ihr egal war. Es war der Gedanke, der zählte. Mulder wollte Scully imponieren und es war ihm gelungen. Mit einer sauberen Wohnung hatte er sie bisher noch nie überrascht. „Ich wusste, dass du Lucy mitbringst und wollte nicht, dass sie denkt, ich würde wie ein Penner hausen.“ Da war er wieder ihr Blick.

Sie nickte ihm wissend zu, als er sich verteidigte und es auf Lucy schob. – Wie süß er doch sein kann, wenn er nur will. – Scully dachte an die vielen Augenblicke zurück, in denen sie die Wohnung in einem reinen Chaos vorgefunden hatte und fühlte sich durch Mulders Geste gerührt. Sie wusste, dass er ihretwegen aufgeräumt hatte. Alles hatte sich verändert, seit sie nach St. Paul umgezogen war. Sie waren beide nicht mehr dieselben Menschen, die sie einmal waren. Nur ihre Gefühle füreinander waren geblieben. Die Spannung löste sich, als sie sich bei ihrem Kaffee unterhielten und endlich, nach all den Jahren, redeten sie mal nicht von der Arbeit. Sie begannen sich kennenzulernen.

xXx

Kurz vor Mitternacht

Mulder hatte auch die Einsamen Schützen eingeladen, um sich nicht allein unter zwei Frauen aufhalten zu müssen. Lucy fühlte sich ausgesprochen wohl in ihrer Gesellschaft. Zuerst hatte sie befürchtet, sich verloren unter alten Bekannten vorzukommen, doch sie hatte sich geirrt. Byers, Frohike, Langly und sie stellten die verrücktesten Verschwörungs-Theorien auf und unterhielten sich prächtig mit diesem umfangreichen Thema. Zudem flirtete sie heftig mit den Jungs. Im Gegensatz zu Scully, war Lucy alles andere als schüchtern. Mulder und Scully füllten die Champagnergläser auf und verteilten sie unter ihren Freunden. Sie stellten sich alle in einem Kreis auf, Mulder schaute auf seine Uhr und begann, „Zehn, neun“ und alle riefen mit ihm, „acht, sieben, sechs, fünf, vier, drei, zwei, eins, ein Fröhliches Neues Jahrtausend!!“ Sie stießen auf das kommende Jahr ihre Gläser zusammen und tranken darauf. Gemeinsam verließen sie das Apartment mit den Gläsern in den Händen, um sich das Feuerwerk über Washington anzusehen.

Vor dem Haus brach in wenigen Minuten ein ohrenbetäubender Lärm aus. Überall stürmten Leute aus ihren Wohnungen und zündeten einen Feuerwerkskracher nach dem anderen an. Andere schossen bunte Leuchtraketen in den Himmel. Es war ein traumhafter Anblick, da der schwarze Nachthimmel, mit den verschiedensten Farben erleuchtet wurde. Die glühenden Funken regneten von oben herab, doch sie erlöschen bevor sie die Dächer erreichten. Rund um sie herum, verschwand die Straße in einer dicken Nebelwand, welche durch die vielen Explosionen entstanden war.

Lucy kam zu Scully herüber, die Hand in Hand mit Mulder das Feuerwerk bewunderte und sagte ihr ins Ohr: „Ich werde mit den Jungs um die Häuser ziehen. Wartet nicht auf uns.“ Und zwinkerte ihrer verdutzten Freundin zu, bevor sie sich mit einem frechen Grinsen zu den Schützen begab und mit ihnen davon schlenderte.

„Wo gehen die denn hin?“, wollte Mulder wissen und sah fragend zu Scully hinab.

„Sie zeigen Lucy die Stadt. Wir sollen nicht auf sie warten.“ Sie blickten sich verlegen an, denn es war offensichtlich, dass dies ein Verkupplungsversuch ihrer Freunde war. „Was jetzt?“ Scully fühlte sich seltsam, bei dem Gedanken allein mit ihm zu sein. Es war vereinbart, dass sie und Lucy sich das Schlafzimmer teilen und Mulder im Wohnzimmer schlafen sollte. Doch allem Anschein nach, würde Lucy in dieser Nacht nicht in Mulders Apartment zurückkehren, was die Sache verkomplizierte. Andererseits was sollte schon passieren?

Nach einer Weile gingen sie noch immer händchenhaltend in das Apartment zurück. Dies war eine rein freundschaftliche Geste. Zumindest redeten Mulder und Scully sich das ein, um nicht auf dumme Gedanken zu kommen. Sie waren gute Freunde, sehr gute Freunde und nichts weiter. Um sich von seiner Fantasie abzulenken, erzählte Mulder ihr erstmals von dem Besuch seiner Schwester. Er hatte sicher gehen wollen, sich nicht zu irren, bevor er es ihr mitteilen wollte.

Nach einigen Gläsern Champagner lagen sie müde nebeneinander auf der Couch und schwiegen. Sie genossen die Nähe des anderen ohne irgendwelche Absichten. Scully lag in seinem Arm und blickte auf seinen Brustkorb, der sich hob und senkte. Sie schwelgte in Erinnerungen, als Mulder sich auf diesen Arm aufstützte und sie ansah. Durch das gedämmte Licht wirkte sie noch schöner auf ihn, als sie es ohnehin immer tat. Er fühlte, wie das Herz in seiner Brust immer stärker zu pochen begann, während er versuchte, seine Gefühle zu kontrollieren.

Scully lächelte ihn an, da sie bemerkt hatte, wie er ihr Gesicht musterte. „An was denkst du gerade?“ Ihr war das Risiko dieser Frage bewusst. Denn jetzt wäre der passende Moment, um es geschehen zu lassen. Sie konnte seine Nervosität spüren und auch dieses Gefühl der Aufregung, welches in ihr wuchs. Sie fühlte das Kribbeln in ihrem Bauch, als ob Schmetterlinge darin tanzten und ihr Herz begann zu rasen.

Er gab ihr keine Antwort und lächelte sie nur sanft an. Mulders Gedanken überschlugen sich, denn er wollte es. Er wollte sie mehr als alles andere. Er gab ihr einen leichten Kuss auf die Stirn, sah ihr tief in die Augen und sagte mit flüsternder Stimme: „Ich ... bin froh, dass du hier bist.“ – Mist, so ein Mist! Du Feigling, jetzt hast du deine einzige Chance vermasselt! – rief die Stimme in seinem Kopf, als er nicht den Mut aufbringen konnte, sie zu küssen.

Scully lächelte ihn an. „Ich bin auch froh darüber.“ Sie streichelte mit einer Hand über seine Wange und fühlte die Enttäuschung, die in ihr aufstieg. Vielleicht wollte er doch nicht dasselbe wie sie, damit müsste sie sich abfinden. Oder er brauchte doch noch etwas Zeit. Aber wie lange sollte sie noch auf ihn warten? Fürs erste war sie zufrieden, hier neben ihm zu liegen und ihn zu fühlen, seinen Körper, der den ihren wärmte und sie in dem Gefühl der Geborgenheit hielt. Scully gab Mulder einen Kuss auf die Wange, bevor sie sich zur Seite drehte, ihre Augen schloss und einschlief.

Er sank wieder neben sie, atmete den süßen Duft ihres Haares ein und ließ ebenfalls den Schlaf über sich kommen.

xXx

Es war schon gegen Mittag, als es an der Tür zu seinem Apartment klingelte. Mulder lag noch auf der Couch und rieb sich die Augen, nachdem er durch das Klingeln geweckt wurde. Zu seiner Überraschung lag Scully nicht mehr neben ihm und so musste er die Tür selbst öffnen.

Lucy stand freudestrahlend im Hausflur und stürmte in die Wohnung, wobei sie Mulder etwas anschubste. Sie grinste ihm frech entgegen. „Und wie war’s Romeo?“ Sein Gesichtsausdruck machte ihr klar, dass sie sich raushalten solle und nicht weiter fragen durfte. – Es ist nichts passiert. Wie viel Hilfe brauchen die beiden denn noch. Sie sind wie füreinander geschaffen. – Lucy schüttelte den Kopf. „Oh Mann, ihr seid mir so zwei Loser.“

„Ich war wohl nicht deutlich genug, dann drück ich es eben in Worten aus. Ob etwas zwischen Scully und mir läuft oder nicht, ist nicht deine Angelegenheit. Es ist nun mal komplizierter als du denkst.“ Er sah Lucy mit einer Mischung aus Frust und Verlegenheit an und sie nickte ihm verständnisvoll zu.

„Okay, ich hab’s kapiert. Die Jungs und ich hatten die wildesten Fantasien, als wir uns vorstellten, was ihr zwei alleine so alles treibt.“ Sie blickte auf den Boden, seufzte und warf Mulder dann einen enttäuschten Blick zu. „Wo ist sie?“

„Ich glaube im Badezimmer. Soll ich dir auch einen Kaffee machen?“

Mulder ging in die Küche, während Lucy ihm auf dem Weg ins Bad antwortete: „Ja gerne, aber schön stark.“ Sie hörte plätscherndes Wasser aus dem Bad und klopfte an die Tür, bevor sie fragte: „Dana, ich bin’s. Kann ich reinkommen?“

Lucy konnte ein, durch die Tür gedämmtes, „Ja, klar“ hören und ging hinein.

Dana lag entspannt in der Badewanne und lächelte, als Lucy hereinkam. „Oh Dana, soll ich nicht lieber Mulder zu dir schicken. Er könnte dir den Rücken waschen.“

„Lucy, lass den Quatsch.“ Scullys Miene wirkte leicht verärgert auf sie, deshalb unterließ Lucy weitere Kommentare dieser Art. Sie setzte sich auf den Rand der Wanne, legte ihre Hände in den Schoß und sah Scully fragend an. Sie wollte wissen, was schiefgelaufen war. Sie hatte all ihre Hoffnung, auf ein Happy End, in den Abend investiert und nichts war geschehen. Lucys Blick war derselbe wie an ihrem ersten Abend in dem Restaurant, als sie schier vor Neugier geplatzt war. Ihre Augen flehten förmlich nach einer Erklärung, was Scully zum Schmunzeln brachte. „Was ist schiefgelaufen, Dana?“

Während sie eine Ladung Shampoo in ihr Haar massierte, begann sie zu erzählen. Lucy schlug ihre Hände über dem Kopf zusammen und stieß einen kleinen Schrei aus, als Dana fertig war, mit ihrer Schilderung des Abends. „Schhh ... Mulder kann uns sonst hören“, sagte Dana nach Lucys Schrei. „Ich wollte ja gerne. Ich schätze, er hat sich nicht getraut.“

Ungläubig, mit hoch gezogenen Augenbrauen sah Lucy in Scullys Augen. Dann fragte sie: „Denkst du, er braucht noch mehr Zeit, Dana?“

„Ich weiß es nicht. Schon möglich, aber wie lange soll ich noch auf ihn warten?“ Sie sahen sich fragend an, denn sie wussten beide keine Antwort darauf.

xXx

Die letzten paar Stunden vergingen schnell, zu schnell für Scullys Geschmack. Denn es war wieder soweit, der Rückflug nach St. Paul rückte näher und näher. Sie hatten ihr Gepäck schon abgegeben und standen zu dritt am Terminal des Dulles Airport. „Ich hol mir noch was zum Lesen, bin gleich wieder da.“ Lucy wollte nicht stören und schlenderte zu einem der zahlreichen Zeitungsläden, des Flughafengeländes.

Mulder und Scully standen sich gegenüber, sahen sich in die Augen und warteten darauf, dass einer von ihnen den Anfang machte. Er sah traurig aus, biss sich auf die Lippen und fragte sich, ob es zu spät war. „Dana, ich ... kannst du nicht noch einen Tag bleiben?“

Sie schüttelte beinahe unmerklich, bedrückt den Kopf. Tränen sammelten sich in ihren Augen, als sie ihn ansah. – Tu es, bitte. Trau dich! – flehte sie ihn in ihrem tiefsten Inneren an. Scully merkte, dass er nachdachte. Nur worüber? Fragte sie sich. Und dann kam ihr alles wie in Zeitlupe vor.

Mulder nahm zärtlich ihr Gesicht zwischen seine Hände, beugte sich zu ihr hinunter, sah tief in ihre blauen Augen und küsste sie sanft. Zuerst auf die Stirn, dann sah er sie wieder an und flüsterte: „Ich will nicht, dass du mich verlässt. Nicht noch einmal.“

Ihr Herz drohte stehen zu bleiben, sie hörte auf zu atmen und sie schloss ihre Augen, als Mulder es tat und seine Lippen ihren Mund berührten. Alles um sie herum verschwand, als sie seine warmen, weichen Lippen auf ihren fühlte. Tränen des Glücks rannen über ihre Wangen, denn er hatte ihr Flehen erhört. Doch plötzlich ertönte eine laute Durchsage, die beide erschrecken ließ. Es war die Ankündigung ihres Fluges, der ihnen diesen lang ersehnten Moment ruinierte. „Ich muss gehen. Ich kann erneut von vorne anfangen. Bitte versteh das, Mulder.“ Auf ihr kaum hörbares Flüstern, folgte ein zaghaftes Nicken von ihm. „Komm mit mir. Komm zu mir nach St. Paul, bitte.“

Er musste seine Antwort nicht in Worten ausdrücken, sie sah es an seinem Blick. Er wollte es nur allzu gern, aber er konnte es nicht. Noch nicht. Seine Augen verlangten nach Zeit, um darüber nachzudenken und Scully nickte ihm verständnisvoll zu.

In diesem Moment stieß auch Lucy wieder zu ihnen. „Dana, sorry, aber wir müssen los, wenn wir unseren Flug nicht verpassen wollen.“ Sie konnte fühlen, dass sie jetzt etwas fehl am Platz war, noch dazu mit dieser Aussage. Sie sah, dass etwas während ihrer Abwesenheit geschehen war, aber um rauszufinden was hatte sie keine Zeit mehr. Sie gab Mulder einen kleinen Klapps auf die Schulter „Wir sehn uns!“ und sah ungeduldig zu Scully.

„Denk darüber nach, Mulder.“

Ihre Worte waren klar und deutlich ein Angebot und er nickte ihr zu: „Das werde ich. Bis dann, Dana. Pass auf dich auf, okay.“ Sie nahmen sich in die Arme und drückten sich so fest, als wäre es ein Abschied für immer.

Als Scully und Lucy zum Gateway gingen, drehte sie sich mehrmals nach Mulder um, bis sie ihn nicht mehr sehen konnte.

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Später im Flugzeug fragte Lucy: „Was war? Erzähl es mir.“ Scullys Grinsen verriet alles, als sie an den Augenblick zurückdachte und Lucy bohrte weiter. „Wie war’ s?“

„Mit einem Wort, wow.“ Scully seufzte tief und fuhr fort. „Er hat die tollsten Lippen, die mich je geküsst haben.“

„War es ein richtig leidenschaftlicher Kuss?“

„Nein, das nicht. Aber er war zärtlich, echt und voller Liebe.“ Sie träumte sich zurück in diesen Augenblick und Lucy schwieg. Sie freute sich für Scully, denn ein unschuldiger Kuss war besser als keiner. Sie nahm Scullys Hand, um ihr zu zeigen, dass sie sich mit ihr freute und sie verstand.

Mulder fuhr zu seinem Apartment zurück. Er war so zufrieden und glücklich, wie noch nie zuvor in seinem Leben. Er hatte seinen gesamten Mut zusammengenommen und sie geküsst. Nach all den Jahren, nach allem was sie gemeinsam erlebt und gesehen hatten, war es ihm gelungen. Das Radio in seinem Wagen lief in voller Lautstärke. Elvis natürlich, wie könnte es auch anders sein. Mulder sang völlig euphorisch mit und das, obwohl er nicht immer den richtigen Ton traf. Keine Droge hätte ihm ein solches Hochgefühl verschaffen können, wie nur dieser eine Kuss von Scully es getan hatte. Doch als ihm ihr Ultimatum wieder einfiel, schaltete er das Radio leiser und dachte angestrengt nach. Er musste einen Weg finden, um die X-Akten nicht aufgeben zu müssen. Denn die waren schon lange zu einem Teil seines Lebens geworden. Sie waren sein Leben. Er konnte sie nicht schließen. Nicht einmal Scully zu liebe. Mulder musste einen anderen Weg finden und dazu hatte er sich fest entschlossen.


Minnesota, St. Paul
Gerichtsmedizinisches Gebäude
Zwei Monate später

Scully hatte sich gerade ihre Arbeitskleidung angezogen, als Jonathan Grey zu ihr kam. „Dana, mach schnell. Wir haben Arbeit.“

„Haben wir das nicht immer. Was ist dabei so dringend?“ Sie sah ihren Kollegen fragend an, denn schließlich führten sie täglich Obduktionen durch, die mehr oder minder wichtig und interessant waren. Routine eben. Und das schon seit zweieinhalb Monaten.

„Das ist was anderes.“ Er blickte sie ernst an und verzog ein wenig sein Gesicht, als er an die Leiche dachte. „So etwas hab ich noch nie zuvor gesehen, Dana. Sie ist ...“ Er konnte nicht die passenden Worte finden. „Das musst du dir ansehen, sonst glaubst du es mir nicht.“

Scully schüttelte verwirrt ihren Kopf und folgte ihm in einen weiteren Untersuchungsraum. Dort standen zwei Agenten des FBI, welche offenbar auf sie gewartet hatten. Einer der beiden kam ihr bekannt vor, doch sie konnte sein Gesicht nicht einordnen. Grey und sie gingen zu ihnen hinüber und stellten sich vor.

Der Ältere schien freudig überrascht, als er Scully erblickte. „Agent Scully, was tun Sie denn hier?“

Jetzt fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. Sie hatte vor langer Zeit mit diesem Agenten an einem Fall zusammengearbeitet. Welcher Fall das war, wusste sie jedoch auch nicht mehr, ohne eine gedankliche Stütze. „Agent Bocks, lange nicht mehr gesehen. Ich arbeite nicht mehr für das FBI.“

Der Mann schien ein wenig verwirrt, durch Scullys Aussage. Aber jetzt war nicht der Zeitpunkt über ihren Karrierewechsel zu reden. Er konnte später nach Einzelheiten fragen. „Also ... Dr. Scully?“ Sie nickte Bocks zufrieden zu, bevor er fortfuhr. „Wir haben diese junge Frau“, er warf einen Blick auf den bedeckten Leichnam, auf dem Tisch vor sich, „so gegen vier Uhr heute Nacht in einer Seitengasse gefunden. Sie wurde übel zugerichtet. Ich brauche, so schnell es geht, einen Bericht über die Autopsie und ein toxikologisches Gutachten.“

Er hielt Scullys Hand fest, als sie im Begriff war die Leiche abzudecken und anzuschauen. Sie warf ihm einen fragenden Blick entgegen. Weshalb hielt Bocks sie von der Untersuchung ab? „Erinnern Sie sich noch an den Fall von damals? Mulder und Sie hatten mir geholfen ihn zu lösen.“ Agent Bocks wandte seinen Blick nicht von ihr ab und sah sie weiterhin sehr eindringlich an.

Scully begann zu überlegen ... dann sah sie entsetzt zu ihrem Kollegen und wieder zu Bocks. – DONNIE PFASTER – Dieser Name hallte durch ihren Kopf und vor ihrem inneren Auge blitzten die Bilder der verstümmelten Leichen auf. „Pfaster ist doch nicht etwa frei?“ Ihr Gesicht war aschfahl, sie sah aus als würde sie jeden Moment umfallen. Doch Scully blieb standhaft und wartete nervös auf eine Antwort.

Agent Standon, der jüngere, gab ihr die erhoffte Information. „Er ist vor einem Jahr in der Gaskammer gestorben. Aber es sieht nach einem Nachahmungstäter aus. Zumindest bist jetzt. Vielleicht finden Sie und Ihr Kollege etwas heraus, das uns weiterhilft.“

Die Agenten verließen die Halle, während Scully sich Handschuhe überstreifte. Grey tat es ihr gleich und zog das Laken, welches die Leiche bedeckte, beiseite. Scully schnappte nach Luft und wandte den Blick ab.

„Alles okay?“, wollte Grey wissen, bekam jedoch keine Antwort.

Sie hatte ja nun schon viel gesehen, aber das ... es war abscheulich. Der Anblick dieser Frau war abgrundtief markverzehrend, ein Bild blanken Schreckens. Das Grauen in Scullys Gesicht konnte nur mit dem toten Entsetzen in den Augen des aufs schlimmste entstellten Opfers gemessen werden. Kein Mensch, nur eine wahre Bestie, konnte zu solch einer Schreckenstat fähig sein. Der ganze Raum schien sich plötzlich zu drehen und für einen winzigen Moment wurde Scully schwarz vor den Augen.

„Dana, ... alles okay?“ Ihr Kollege kam auf sich zu und sah sie eindringlich an. Er merkte, dass sie ihn nicht gehört hatte und wiederholte seine Frage. Es kam ihm vor, als sei sie nicht hier, sondern ganz woanders. Grey packte sie ein wenig am Arm und schüttelte sie etwas, um sie in die Realität zurück zu holen.

Erst jetzt nahm Scully seine Anwesenheit war, sie schluckte einige Male und spürte das sich ihr Innerstes sich seinen Weg hinaus bahnte. Sie presste eine Hand auf den Mund, blickte sich in der Halle um und stürzte zum nächsten Waschbecken. Sie konnte es nicht mehr zurückhalten und übergab sich in Gegenwart ihres Kollegen.

„Hey“, fragte er besorgt, „... geht’s dir jetzt besser?“

Als Scully ihren Kopf wieder hob und ihm einen entschuldigenden Blick entgegnete. Sie schüttelte energisch den Kopf, senkte ihn wieder und erbrach sich ein weiteres Mal. Dass es ihr mehr als peinlich war, konnte er deutlich in ihren Augen sehen. Scully spülte ihren Mund aus und wandte sich zu Grey um. „Oh Mann ...“, keuchte sie, „so schlecht war mir schon ewig nicht mehr.“

Grey schenkte Scully ein mitfühlendes Lächeln. „Soll ich die Autopsie allein machen?“

„Nein ... es geht mir wieder gut. Tut mir leid, dass du das mitbekommen musstest, Jon.“

Ein gequältes Grinsen huschte über ihr Gesicht, doch er winkte hinter sich und meinte nur: „Halb so schlimm.“ Grey deutete ein Nicken an, das zum Untersuchungstisch wies, und Scully nickte ihr Einverständnis.

»Das Opfer wurde als Meredith Brooks identifiziert. Sie war weiß, weiblich, fünfundzwanzig Jahre alt und ledig. Auf Grund der Hämatome, Schürfwunden, Quetschungen und abgebrochener Fingernägel konnte man von einem Kampf ausgehen. Eine vaginale Untersuchung ergab, dass das Opfer vor ihrem Tod vergewaltigt wurde. Anschließend hat der Mörder ihr das Herz, die Lungen, die Nieren und die Leber entfernt. Sämtliche Organe, bis auf das Herz, wurden neben dem Leichnam gefunden. Die explizite Entnahme der Organe lässt auf einen psychisch Kranken als Täter schließen. Er ist männlich, circa dreißig bis fünfunddreißig Jahre alt, eins achtzig groß und durchschnittlich bis überdurchschnittlich intelligent. Aufgrund der deutlichen Schnittwunden ist davon auszugehen, dass er ein Messer oder sogar ein Skalpell für die Verstümmelung benutzt hat. Es konnten jedoch keinerlei Spuren oder Waffen, welche zur Überführung nötig wären, am Tatort bei dem Leichnam gefunden werden. Der toxikologische Befund, besagte überdies, dass keine ungewöhnlichen Substanzen, wie Drogen jeglicher Art, Alkohol oder Medikamente, in ihrem Blut nachgewiesen werden konnten. Was auf eine Vivisektion hinweist.«
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