World of X

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A Christmas Story

von Mona

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Ein Kaufhaus in Washington DC, 23. Dezember, 10.43 am.



Scully wühlte gerade in einem Stapel aus Cashmeere- Schals als ihr Handy mit einem lauten Piepen auf sich aufmerksam machte.



„Scully“, meldete sich die Agentin.



„Hi, Scully. Ich bin’s!“



„Mulder?“, fragte sie etwas verwundert.

„Was gibt’s denn? Sie haben doch auch Urlaub, oder irre ich mich da?“



„Nein, Sie irren sich überhaupt nicht, aber das ist genau der Grund, weshalb ich anrufe!“



„Weshalb rufen Sie an, Mulder? Ich fürchte, ich verstehe nicht!“



„Haben Sie die nächsten Tage schon was vor?“



„Was? Nein! Aber warum wollen Sie das wissen? Ich habe nicht vor, dieses Jahr wieder mit Ihnen auf Geisterjagd zu gehen, wenn Sie das meinen!“



„Nein, nein. Was Sie immer gleich denken!“



„Also, was ist los, Mulder? Haben Sie einen Alien in Ihrem Schlafzimmer, oder was drucksen Sie sonst so herum?“, antwortete Scully, langsam schon etwas genervt von den komischen Andeutungen ihres Partners.



„Ich habe eine Reise gewonnen!“



„Was?“, schrie die Agentin ins Telefon. So laut, dass sich die Leute in ihrer Umgebung fragend nach ihr umdrehten.



„Das ist doch nicht Ihr Ernst, oder? Sie haben eine Reise gewonnen? Und wohin?“



„Das ist es ja gerade! Alaska!“



Scully konnte sich das Lachen nicht mehr verkneifen und prustete laut los.



„Mulder, wer verlost denn bitte eine Reise nach Alaska!?!“, kicherte sie ins Telefon.



„Ha, ha! Sehr komisch! Wenigstens hab’ ich mal was gewonnen. Leider weis ich nicht einmal mehr, wo das gewesen sein soll!“



„Sie sind aber ganz sicher, dass Sie die Reise gewonnen haben, oder?“, sagte Scully, immer noch lachend.



„Ja. Auf dem Umschlag steht mein Name und meine Adresse. Leider ist er ohne Absender!

Da steht:



Sehr geehrter Mr. Mulder!

Erfreut kann ich Ihnen mitteilen, dass Sie bei unserem Gewinnspiel den Hauptpreis - eine Reise nach Alaska - gewonnen haben. Die Tickets sind für Sie am Flughafenschalter hinterlegt worden und warten auf ihre Abholung. Der Flug ist für 23.12.01 datiert. Wir freuen uns auf Ihren Besuch!

Mit freundlichen Grüßen S.C.



„S.C. ? Wer soll denn das sein?“, fragte Scully.



„Das kann ich Ihnen leider auch nicht sagen!“



„Mulder, jetzt denken Sie mal scharf nach! Sie müssen doch wissen, ob Sie bei einem Gewinnspiel mitgemacht haben!“



„Scully, ich mag zwar ein bisschen paranoid sein und vielleicht auch ein wenig verrückt, aber ich weis doch, ob ich bei einem Gewinnspiel mitgemacht habe, oder nicht!“



„Tja. Dann weis ich auch nicht, was Sie da machen sollen!“



„Was würden Sie tun?“



„Mmh? .... Ich glaube, ich würde fahren. Ich meine, was soll schon passieren!?! Wenn Sie hin kommen, kommen Sie auch wieder zurück!“



„Das trifft sich aber gut!“



„Was trifft sich gut,..... Mulder?“



„Dass Sie mitfahren! Ganz unten auf dem Brief steht nämlich:



P.S. Die Reise ist für zwei Personen!“



„Oh, nein, nein, nein, Mulder!- Nein, ich fahr’ da nicht mit! Ich wollte endlich mal-“



„Sie waren doch gerade noch so begeistert, Scully“, unterbrach er sie.

„Jetzt kommen Sie schon! Und sollte diese Reise doch etwas Schlechtes mit sich bringen: Geteiltes Leid ist halbes Leid!“



„Mulder - . . . . Na, gut, warum nicht! Solange es nicht um Geister, Aliens oder irgendwelche Ungeheuer geht!

Wann geht’s denn los?“



„Der Flug geht in zwei Stunden.“



„Okay, okay. Dann muss ich mich beeilen! Also, wir treffen uns im Terminal!“, sagte die Agentin und drückte den Knopf, der die Verbindung beendete.



Und schon in der selben Sekunde fragte sie sich, warum sie das jetzt getan hatte. Warum lies sie sich immer wieder von Mulder überreden? Eigentlich hatte sie sich auf ein erholsames, ruhiges Weihnachtsfest gefreut. Sie wäre in die Kirche gegangen, hätte sich in eine Decke gewickelt, Tee getrunken, Plätzchen gegessen und „A Christmas Carol“ im Fernsehen angesehen. Vielleicht hätte sie dann noch Mulder besucht. Und so! Alaska! Sie wusste nicht mal, was sie erwartete! Irgendwie musste ihr Verstand aussetzen, wenn Mulder mit solchen waghalsigen Ideen bei ihr ankam!




Flughafen, Washington DC, zwei Stunden später



„Sorry, Mulder.“, eilte Scully auf ihren Partner zu, der schon ungeduldig auf die Uhr blickend im Terminal des Flughafens wartete.



„Haben Sie erst noch Plätzchen gebacken, oder warum sind Sie so spät?“, fragte er grinsend.



„Ha, ha! Eigentlich sollte man zu dieser Zeit Plätzchen backen und nicht nach Alaska fliegen!“, antwortete sie sarkastisch.



„Kommen Sie, Scully! Was hätten Sie schon zu Hause gemacht. Sie hätten sich doch nur fürchterlich gelangweilt! Sein Sie froh, dass ich Sie überredet habe! Vielleicht treffen wir ja Santa Claus!“, sagte Mulder grinsend und machte sich auf den Weg zum Ckeck-in Schalter.



„Sie glauben doch nicht etwa an Santa Claus, Mulder?“, rief sie ihm nach.



„Wer weiß!“



„Oh, Mann!“, sagte Scully leise zu sich und folgte Mulder. Aber eigentlich hätte sie sich das ja denken können. Wenn man an Aliens glaubt, warum dann nicht an Santa Claus?







Alaska, 8.54 pm



Als die beiden Agenten das Flugzeug verließen, wehte ihnen ein eiskalter Wind entgegen Und auch sonst hatte es wohl nicht über -20 Grad Zum Glück war der Weg zum Terminal nicht so weit. Busse fuhren hier nicht und überhaupt konnte man hier kaum von einem Flughafen sprechen. Es gab eine Landebahn und eine Startbahn und auf dem Hauptflughafen Alaskas hatten die Agenten in ein kleines Propellerflugzeug umsteigen müssen, das sie schließlich hierher brachte. Der „Terminal“ war ein Holzhaus mit einem roten Ziegeldach von dem aber, vor lauter Schnee, nicht viel zu sehen war.

Innen an der Information stand eine Frau, eingemummelt in einen grünen Schal, roten Anorak und eine weiße Zipfelmütze.



„Entschuldigen Sie...“, sprach Mulder sie an, „wir haben eine Reise hierher gewonnen und haben jetzt leider keine Ahnung wie es weitergeht!“

„Ah, Sie sind das! Gehen Sie einfach auf die Hinterseite des Hauses. Da wird Sie dann ein Taxi abholen.“



Mulder bedankte sich noch bei der Frau für ihre Hilfe und dann stapften die beiden Agenten durch den tiefen Schnee um das Haus herum. Doch nirgends war irgendeine Spur von einem Taxi, geschweige dann von einer Straße, oder von Leben. Soweit man sehen konnte, gab es nur Schnee und Eis. Es war fast völlig dunkel und wäre nicht gerade Vollmond gewesen hätte man überhaupt nichts sehen können.



„Toll, Mulder! Hat sie nicht irgend etwas von einem Taxi gesagt?“



„Sein Sie doch nicht immer so pessimistisch! Es wird schon kommen! Hier ist die Infrastruktur eben nicht so gut ausgebaut wie in Washington!“



„Welche Infrastruktur, Mulder?“, fragte Scully sarkastisch.

„Sehen Sie irgendein Anzeichen von Straßen, Häusern, Hotels, oder überhaupt von etwas menschlichem -“



„Sshhh“, unterbrach Mulder sie.



„Was?“



„Hören Sie das nicht?“



Scully lauschte angestrengt in die Nacht hinein, konnte aber beim besten Willen nichts hören.



„Mulder, da ist nichts! Sie bilden sich -“



„Doch, hören Sie nur!“



Und tatsächlich konnte Scully es jetzt auch hören. Es kam aus Richtung Norden. Es klang wie ein.... ein Klingeln und Schellen.

Auf einmal tauchte ein fahler Lichtschein am Horizont auf, der immer Näher kam. Und mit abnehmender Entfernung wuchs stieg auch die Lautstärke des Klingelns.



„Mulder? Was ist das?“, fragte Scully verunsichert.



Doch ihr Partner antwortete nicht, sondern sah dem näherkommenden Licht entgegen.



„Scully, sehen Sie doch mal! Das ist ein Schlitten!“

Scully wandte ihren Blick wieder von Mulder ab und blickte dem Geräusch entgegen.

Er hatte Recht! Es war tatsächlich ein Schlitten, gezogen von vier Rentieren. Hätte eines auch noch eine rote Nase gehabt, hätte Scully sich wahrscheinlich totgelacht. So starrte sie nur ungläubig dem Gefährt entgegen, bis es schließlich genau vor ihr und Mulder zum Stehen kam.



„Sind Sie die Gewinner der Reise?“, fragte der Mann auf dem Bock, an Mulder gewandt. Sein Gesicht war bis auf die Augen mit einem dicken roten Schal bedeckt, aber Scully hätte schwören können, dass sie darunter ganz deutlich ein paar spitze Ohren abzeichneten.



„Ja, das sind wir.“, antwortete Mulder.

„Ich bin Fox Mulder und das ist Dana Scully.“, stellte er sie vor.



„Angenehm. Mein Name ist Kobo.“, sagte er und schüttelte Mulder die Hand.



„Kobo wie?“, fragte Scully misstrauisch.



„Einfach Kobo. Kein Nachnahme. Bei uns hier gibt es das nicht! Wollen Sie jetzt einsteigen, oder hier versauern?“



„Ist das das Taxi, von dem die Dame da drinnen sprach?“, fragte Scully, indem sie auf den Schlitten deutete.



„Ja, was haben Sie denn gedacht? Dass wir hier mit einem Rolls Royce herumfahren?“



Scully starte Kobo immer noch ungläubig an. Irgend etwas kam ihr an ihm

komisch vor. Allein schon dieser Name!



„Jetzt kommen Sie schon, Scully! Steigen Sie schon ein!“, forderte Mulder sie auf, dem an Kobo überhaupt nichts aufzufallen schien und der es sich im Schlitten schon gemütlich gemacht hatte.

Widerwillig stieg Scully zu ihm. Doch was sollte sie auch anderes tun? Wahrscheinlich sah sie schon Gespenster!



Kaum hatte sie sich gesetzt ging es auch los. Mit einem „Hüa!“ Kobos, setzen sich die Rentiere in Bewegung und trabten zurück in die Richtung, aus der sie gekommen waren.



„Sehen Sie, Scully! Das ist doch richtig romantisch! Eine Schlittenfahrt bei Vollmond, der Schnee glitzert....“, schwärmte Mulder und legte seinen Arm um sie.



Wäre es ihr nicht so kalt gewesen und wäre sie nicht so todmüde, hätte sie es nicht zugelassen, aber so kam Mulders Arm ihr genau Recht. Er wärmte sie und gleichzeitig konnte sie sich, so dass sie schon nach kurzer Zeit eingeschlafen war.



Ein „Brrrr, steh“ und ein Ruck, der gleichzeitig durch den Schlitten fuhr, holte Scully in die Realität zurück.



„Na, wieder wach?“, fragte Mulder, als sie ihm entgegen blinzelte.



„Ja. In ihrem Arm kann man wirklich hervorragend schlafen. Das sollte ich öfter tun!“



„An mir soll es nicht liegen!“, gab Mulder zurück, als Scully auch schon aus dem Schlitten stieg.



Sie standen mitten in einem - . Ja, wie konnte man es bezeichnen. Am besten stellt man sich das Dorf von Asterix und Obelix im Winter vor. Das kam der Sache wohl am Nähesten! Die Häuser waren aus Steinen gemauert und hatten alle ein spitzes Dach, welche völlig mit Schnee bedeckt waren. Insgesamt gab es vielleicht zehn Häuser. Die meisten davon waren klein. Als hätten sie nur ein Zimmer. Eines sah aus wie ein Stall. Es war mit einem Holzzaun umgeben und im Schnee zeichneten sich deutlich Hufspuren ab. Wahrscheinlich der Rentierstall, vermutete Scully. Ein Haus aber unterschied sich von den Anderen erheblich. Es war groß, im Gegensatz zu den Anderen riesig, und hatte zwei Stockwerke. Außerdem stand es genau in der Mitte der Anlage und war ganz rot angestrichen. Nur das Dach war vom Schnee weiß.



„Und, ist doch schön hier, oder?“, riss Mulder sie aus ihren Gedanken. Er stand neben ihr und betrachtete das ganze neugierig.



„Mulder, Sie halten mich jetzt vielleicht für total bescheuert, aber dieses Dorf hier sieht aus wie die Weihnachtsstadt in einem meiner Weihnachtskinderbücher.“

„Wer sagt Ihnen, dass sie es nicht ist?“



Scully sah Mulder eine Weile an. Dann sagte sie:



„Mulder. Sie haben mir doch irgend etwas verschwiegen, oder? Ich meine, Sie wissen, wo wir hier sind!“



Mulder drehte langsam seinen Kopf in ihre Richtung und sah sie an.



„Wären Sie denn mitgekommen, wenn ich zu Ihnen gesagt hätte ‘Hey, Scully! Fahren Sie mit mir über Weihnachten an den Nordpo, zu Santa in die Weihnachtsstadt?’. Nein, Sie hätten mich genauso angesehen, wie Sie es jetzt tun. Mit hochgezogener Augenbraue und als wäre ich völlig verrückt!“



„Mulder, Sie sind völlig verrückt! Ich meine, Sie glauben doch nicht im Ernst, dass das hier die berühmte Weihnachtstadt ist, mit Elfen und Trollen und einem alten Mann mit weißen Bart und roter Zipfelmütze, oder? Ich meine, warum ist der Schlitten dann nicht geflogen?“



„Vielleicht ist er es ja? Sie haben doch geschlafen!“



„Mulder, jetzt kommen Sie schon. Das ist doch völlig unmöglich! Was ist denn dann mit dem Brief, den Sie mir vorgelesen haben. Und außerdem weiß jedes Kind, dass es keinen Weihnachtsmann gibt und das die auf dem Weihnachtsmarkt nur verkleidet sind. Und Sie, ein erwachsener Special Agent vom FBI, wollen mir erzählen, dass Sie tatsächlich an den Weihnachtsmann glauben?“



„Es gibt keinen Brief. Das habe ich Ihnen gesagt, damit Sie mitkommen. Ich wusste, dass Sie neugierig sein würden und es hat ja wohl keine andere Möglichkeit gegeben, Sie hierher zu bringen.

Und was das Glauben an den Weihnachtsmann betrifft: Ich glaube nicht nur an ihn, Scully! Ich weis, dass es ihn gibt!“



„Ach! Und woher wollen Sie das wissen? Sind Sie vielleicht selbst der Weihnachtsmann?“



„Scully, warum können Sie nicht einfach akzeptieren, dass es Dinge gibt, die wir nicht erklären können. Noch dazu, wenn Sie direkt davor stehen? Warum soll es keinen Weihnachtsmann geben? War Weihnachten nicht viel schöner, als Sie noch ein Kind waren und noch genug Phantasie hatte, an Dinge zu glauben, die nicht wissenschaftlich bewiesen werden können ?Hatte das Weihnachtsfest nicht einen viel größeren Zauber? Ist es nicht so, dass Sie es heute nur noch als etwas alltägliches betrachten? ‘Ach, ist schon wieder Weihnachten?’ . Sie erkennen es und akzeptieren es. Vielleicht ist da noch ein kleines bisschen Freude, aber den Zauber den Sie früher als Kind empfanden, der ist erloschen.“



Mulder war, während er dies sagte, näher an Scully herangetreten, stand ihr jetzt genau gegenüber und sah ihr in die Augen.



„Ich habe Ihnen nicht gesagt, wo wir hinfahren, weil Sie sonst nicht mitgekommen wären.

Ich wollte nur, dass Sie wieder einen kleinen Teil der weihnachtlichen Freude empfinden, die Sie aus ihrer Kinderzeit kennen.“, fügte Mulder sanft hinzu.



„Mulder“, antwortete Scully nach einer kurzen Pause, in der sie Mulder nur anblickte und über seine Worte nachdachte. Aus seinen Augen sprach die pure Überzeugung. Ihm war es egal, was die Leute über ihn dachten. Ob sie ihn als paranoid, oder verrückt bezeichneten, oder ihn sogar Spooky nannten. Er wusste es besser. Er war schlauer als all die Menschen da draußen. Scully beneidete ihn manchmal darum, einfach an etwas glauben zu können, ohne auch nur den geringsten Beweis dafür zu haben. Das war es wahrscheinlich, weshalb dieser Mann sie so sehr faszinierte. Gerade weil er das genaue Gegenteil von ihr war. Sie konnte Dinge noch nicht einmal glauben, wenn sie sie sah. Wie jetzt. In ihrem Inneren tobte ein Kampf zwischen ihren Überzeugungen und dem, was hier um sie herum war. Doch schließlich gab sie ihre Vernunft einfach auf.



„Wissen Sie, dass Sie gerade all meine Überzeugungen und mein Vertrauen in die Wissenschaft völlig durcheinander werfen?“, fragte sie Mulder mit Tränen in den Augen.

„Alles, was ich mir mein ganzes Leben lang aufgebaut habe?“



„Ja. Und ich kann mir vorstellen, wie schwer das für Sie ist. Aber ich verlange ja nicht von Ihnen, dass Sie jetzt auch an Aliens, oder Yetis, oder irgend etwas anderes glauben. Ich will nur, dass Sie Ihren Augen vertrauen,. . . und mir. Glauben Sie mir, Sie werden Weihnachten so viel mehr genießen können, als vorher.“



Scully sah Mulder an und nickte schließlich.



„Ich vertraue Ihnen!“



Dann nahm er sie in die Arme und hielt sie eine Weile nur fest. Schließlich sagte er:



„Und, wollen Sie ihn jetzt kennen lernen?“



Als Scully ihn nur verständnislos anblickte, fügte Mulder hinzu:



„Santa Claus?“



Scully war immer noch komisch bei dem Gedanken und plötzlich musste sie grinsen.



„Klar, warum nicht! Dann kann ich endlich mal fragen, warum er mir damals das Mikroskop nicht geschenkt hat!“



Mulder lächelte sie an, nahm sie bei der Hand und beide gingen in das rote, große Haus.



Drinnen sah es aus, wie es sich wahrscheinlich jedes Kind vorstellt. Es gab eine Bäckerei, einen Schuster, eine Werkstadt, eine Malerei und überall waren Trolle, Elfen und Wichtel eifrig an der Arbeit. Im ganzen Raum waren Puppen, Spielzeugautos, Teddys, Computer, Kleidungsstücke und vieles mehr verteilt. Scully konnte ihren Augen nicht trauen. Immer wieder starrte sie die Wesen an. Zwar waren sie nicht so klein, wie es immer berichtet wurde, doch entsprachen sie sonst völlig den Beschreibungen aus den Kinderbüchern, die sie früher immer gelesen hatte. Die Elfen hatten glitzernde Flügel und blondes, langes Haar. Außerdem waren sie ganz in weiße, lange Gewänder gekleidet. Den Unterschied zwischen Wichteln und Trollen konnte Scully nicht so ganz erkennen. Irgendwie sahen alle männlichen Wesen hier gleich aus. Spitze Ohren, lange Nase, eine spitze rote Mütze auf dem Kopf und Schuhe mit nach oben gebogenen Spitzen. Auch Kobo war unter ihnen.

Alle drehten sich interessiert nach ihnen um, als sie den Raum betraten und brachen dann förmlich in Begeisterungsströme aus, als sie Mulder erkannten. Sie kamen auf sie zu gerannt und umringten sie. Sie begrüßten Mulder, wie einen alten Freund und warfen ihm die unterschiedlichsten Fragen an den Kopf. Und erst als Mulder sie alle geduldig beantwortet hatte, beruhigten sie sich langsam wieder und gingen zurück an die Arbeit.

Scully war (absolut) sprachlos und beobachtete mit offenem Mund, wie Mulder sich mit den Trollen, Wichteln und Elfen unterhielt und manche sogar mit Namen, wie Gilly, Dave, Smue, Lemmy oder Sue ansprach.

Als die Schar wieder an ihre Arbeit zurückgegangen war, war Scully immer noch ganz perplex.



„Mulder? Woher . . .kennen Sie die, ich meine.... ihre Namen?“



Mulder grinste Scully an.



„Ich glaube, so sprachlos hab’ ich Sie noch nie gesehen!“, antwortete er.

„Kommen Sie weiter! Sie wollen doch Santa kennen lernen, oder?“, fügte er dann hinzu, packte Scully wieder bei der Hand und zog sie durch das riesige Zimmer zu einer Tür mit der Aufschrift ‘ S.C. Zutritt nur für Berechtigte ‘.

‘SC’? Irgendwie kam das Scully bekannt vor. Natürlich! Der angebliche Brief (Der) war doch mit S.C. unterzeichnet. Santa Claus. Dann hatte Mulder sie ja doch nicht ganz belogen. Sie war einfach zu dumm gewesen!

Doch kaum hatte sie den Gedanken zu Ende gedacht, standen sie auch schon mitten im Zimmer. Wahrscheinlich das Arbeitszimmer, von Santa. Überall türmten sich Stapel von Wunschzetteln und Briefen der Kinder. In der Mitte, durch das viele Papier fast völlig verdeckt, stand ein Schreibtisch, an dem ein weißhaariger Mann mit langen ebenso weißen Bart saß. Er war gerade dabei, die - wahrscheinlich letzten drei - Wunschzettel zu lesen, und die Bestellung in den Nebenraum weiterzugeben.

Als er Mulder und Scully erblickte, stand er sofort auf, ging auf Mulder zu und begrüßte ihn herzlich. Dann wandte er sich Scully zu, schüttelte ihr die Hand und sagte:



„Und Sie sind wahrscheinlich die Frau mit dem stärksten wissenschaftlichen Sturkopf, die es auf der Erde gibt.“



„Hat er Ihnen das gesagt?“, fragte Scully, die sich langsam wieder beruhigt hatte, und zeigte dabei auf Mulder.



„Genau!“, antwortete Santa „Und seien Sie froh, dass er es getan hat. Sonst wären Sie nämlich jetzt gar nicht hier.“



Scully sah erst Santa, dann Mulder verständnislos an.



„Normalerweise dürfen hier keine Fremden herkommen. Das wäre viel zu gefährlich für uns. Was würde wohl passieren, wenn die falschen Leute herausfinden würden, dass es uns alle tatsächlich gibt. Sie würden hier alles untersuchen und auf den Kopf stellen und Versuche an uns durchführen. Dasselbe würde wohl passieren, wenn man tatsächlich außerirdisches Leben entdecken würde. Aber Mulder hat mir versichert, dass Sie ganz sicher kein Wort darüber verlieren würden, was Sie hier sehen. Er wollte Sie nur überzeugen, dass es tatsächlich Dinge gibt, die die Menschen nur für Märchen halten. Und als er mir Sie näher beschrieben hat, konnte ich einfach nicht mehr nein sagen. Ich musste Sie einfach kennenlernen!“, erklärte Santa.



„So, was hat er denn gesagt?“, wollte Scully jetzt wissen.



Nach kurzem Zögern, und kurzem Blickkontakt mit Mulder, antwortete Santa:



„Das sagt er Ihnen am besten selbst! Sie sollten jetzt schlafen gehen. Morgen haben wir einen anstrengenden Tag vor uns.“



„Was ist denn morgen?“, fragte Scully Mulder, als sie auf dem Weg zu den Hütten waren, die ihnen eine Elfin zugewiesen hatte.



„Morgen dürfen Sie mit dem Schlitten mitfliegen.“



Das klang immer noch völlig fremd und auch lächerlich, doch trotzdem glaubte Scully es. Selbst wenn sie es immer noch nicht akzeptiert hatte, blieb ihr ja nichts anderes übrig, nach allem was sie an diesem Tag erlebt hatte.



„Sie haben mir immer noch nicht erzählt, woher Sie Santa kennen.“, fragte sie Mulder dann, als sie durch den tiefen Schnee zu ihren Hütten stapften.



„Das ist ganz einfach. Ich hab’ ihn damals dabei beobachtet, wie er durch unseren Kamin gekommen ist. Von da an wusste ich, dass das kein Mensch in einem Kostüm sein konnte. Seit jenem Tag habe ich immer in der Nacht zum Christmas Day auf ihn gewartet. Auch als ich schon eine Teenager war. Und als er merkte, dass ich tatsächlich an ihn glaube, hat er mich eines Nachts mit hierher genommen. Und seitdem komme ich öfter über Weihnachten.“



„Aber ist es nicht gefährlich. Ich meine, er sagte vorhin, dass niemand Fremdes hierher kommen soll.“



„Niemand, der nicht an ihn glaubt, wird nach ihm suchen. Und die, die an ihn glauben,

sollen ihn auch finden, da sie ihm nicht schaden werden.“



Scully nickte.



„Wie können Sie sich so sicher sein, dass ich nicht die nächstbesten Wissenschaftler, die mir in die Finger kommen, hierher schleppe, um alles untersuchen zu lassen? Schließlich bin ich Wissenschaftlerin.“



„Das ist ganz einfach: Ich kenne Sie. Sie würden niemandem schaden; nicht mal wegen der Wissenschaft.“



Scully sah Mulder in die Augen. Wie gut er sie doch kannte.



„Danke, dass Sie mich hierher gebracht haben.“, fügte sie hinzu und nahm Mulders Hand.



„Keine Ursache. Wenn ich schon mal eine Reise gewinne, dürfen Sie auch mitfahren.“, witzelte Mulder.



Scully musste lachen. Wie konnte sie nur so eine Geschichte glauben! Das war ihr jetzt im Nachhinein völlig unverständlich. Aber nachdem, was sie mit Mulder schon alles durchgemacht hatte, warum nicht!



„Na dann, Gute Nacht!“, antwortete sie, verschwand in ihrer Hütte und fiel in dem weich gepolsterten warmen Bett sofort in einen tiefen Schlaf.







24. Dezember 2001, 8 am



„Scully, sind Sie wach?“, schallte eine wohlbekannte Stimme durch die Holztür der Hütte herein.



„Ja, Mulder! Moment!“, antwortete eine noch etwas verschlafene Scully, als sie die Tür öffnete.

„Was gibt’s denn?“



„Haben Sie gut geschlafen?“



„Ja, so gut wie noch nie. Aber was ist denn los, es ist doch erst kurz nach acht.“, stellt Scully nach einem Blick auf ihre Uhr fest.



„Ja, und auf der anderen Seite der Erdkugel ist schon Weihnachten. Santa ist schon seit ein paar Stunden unterwegs und liefert Geschenke aus. Wenn wir mit wollen, müssen wir uns beeilen!“



„Okay!“, rief Scully völlig begeistert. „Warten Sie! Ich ziehe nur noch schnell meine Jacke und meine Schuhe an!“



Scully fühlte sich wie ein kleines Kind. Sie durfte mit Santa Claus im fliegenden Schlitten die Erde umkreisen! Wie sehr hatte sie sich das gewünscht, als sie noch klein war! Wie sehr hatte sie gehofft einmal nur einen der Engel zu sehen, die immer ihren Wunschzettel anhalten. Und jetzt, wo sie schon gar nicht mehr daran geglaubt hatte, sollte es wahr werden!?! Irgendwie war das völlig verrückt!



Santa wartete schon auf sie, als sie den Schlitten, der genau vor Santa Claus’ Haus stand, erreichten. Diesmal waren fünf Rentiere vorgespannt. Eines vorne in der Mitte und es hatte tatsächlich eine rote Nase.



„Darf ich vorstellen...“, sagte Mulder und deutete auf das Rentier. „Das ist Rudolph.“



„Oh, Mann!“, war alles, was Scully darauf antworten konnte.



Dann stiegen sie in den Schlitten, der von oben bis unten voll mit Geschenken war.



„Alles bereit?“, fragte Santa, als er sich auf den Bock gesetzt hatte.

„Ich hoffe, Sie haben keine Höhenangst!“



„Nein, nein, in meinem Beruf ist man viel mit dem Flugzeug unterwegs.“



„Na, aber ein Rentierschlitten ist kein Flugzeug!“



„Mir wird schon nicht schlecht werden!“



„Na, gut!“



Und mit einem „Rudolph, Hüa“ setzte sich der Schlitten in Bewegung. Erst trabten die Rentiere langsam aus dem Dorf hinaus, doch dann wurden sie immer schneller, bis sich schließlich der ganze Schlitten in die Lüfte erhob. Erst hing der hintere Teil noch weiter nach unten als der vordere und Scully war es schleierhaft, wie die Geschenke da nicht runterfielen. Doch bald lag der Schlitten völlig waagrecht und ruhig in der Luft.



Scully konnte das immer noch nicht glauben. Unter ihr flog Alaska vorbei, dann Kalifornien. Sie konnte sogar die Golden Gate Bridge erkennen und dann kam der Ozean, bis sie schließlich den Äquator überquerten und es immer dunkler und wärmer wurde. Schließlich hatten sie Australien erreicht, wo sie dann auch mitten am Strand landeten.

Dort standen eine ganze Menge andere Schlitten mit Rentieren und warteten.



„Was ist das?“, fragte Scully Mulder.



„Das sind die ganzen Helfer. Santa würde es ja nie schaffen die Geschenke auf der ganzen Welt persönlich zu verteilen. So hat er in jedem Land Helfer, die ihm das abnehmen.“



„Mmh...“, antwortete Scully und beobachtete die Helfer - Trolle und Wichtel- dabei, wie sie in Windeseile die Geschenke ausluden und auf ihre Schlitten verteilten. Dann flogen sie alle blitzschnell weg.

Und auch Santas Schlitten setzte sich wieder in Bewegung. Und über Neuseeland, Brasilien, Ost - und Westeuropa ging es schließlich Richtung Washington DC. Mittlerweile war es auch hier schon später Nachmittag und somit ziemlich dunkel. Sie Stadt sah wunderbar aus von oben. Überall erstrahlten die bunten Weihnachtslichter, der Geruch von Glühwein und Lebkuchen hing in der Luft und eine angenehme Stille lag über der Stadt. Das war wahrscheinlich der einzige Tag des Jahres, an dem das so war.

Santa landete genau auf dem Dach von Scullys Appartement.



„So, Endstation.“, sagte Santa.

„Ich hoffe, der Ausflug hat Ihnen gefallen.“



„Sehr!“, antwortete Scully und strahlte dabei übers ganze Gesicht.



„Vielleicht bringt Mulder Sie ja mal wieder mit.“



„Das hoffe ich doch!“, sagte Scully sowohl an Santa, als auch an Mulder gewandt.



Dann stieg er wieder auf seinen Schlitten und mit Glöckchenleuten und einem „Hohohoho“ stieg der Schlitten wieder in den Himmel empor.

„Frohe Weihnachten!“, rief Santa noch einmal und bald war der Schlitten nur noch als Lichtfleck wahrzunehmen und kaum von einem Stern zu unterscheiden. Nur das rote Leuchten von Rudolphs Nase machte die Unterscheidung möglich.

Mulder hatte seinen Arm und Scully gelegt und beide sahen dem Schlitten nach, bis er völlig verschwunden war.



„Sagen Sie mir bitte, dass ich nicht geträumt habe.“, brach Scully das Schweigen.

„Sie haben nicht geträumt, Scully. Alles war genauso, wie Sie es erlebt haben.“



„Mulder?“



„Mhm?“



„Sie haben mir das schönste Weihnachtsgeschenk meines Lebens bereitet. Und noch dazu war es das schönste Weihnachten, das ich je erlebt habe. Danke.“



„Nein.“, sagte Mulder nach kurzem Schweigen. „Sie haben mir das schönste Geschenk gemacht.“



Scully wandte ihren Blick vom Himmel ab und sah Mulder an.



„Sie haben das erste mal etwas geglaubt, dass nicht wissenschaftlich bewiesen ist.“



„Bilden Sie sich jetzt aber bloß nicht ein, dass ich deshalb alle ihre Geschichten über Aliens und andere unerklärte Phänomene glaube!“, witzelte Scully, löste sich aus Mulder Umarmung und machte sich auf den Weg zur Tür.



„Das hätte ich auch gar nicht von Ihnen erwartet!“, rief Mulder Scully nach und folgte ihr dann.



„Was haben Sie Santa Claus eigentlich über mich erzählt, dass Sie mich mitbringen durften?“, hakte Scully nach, als sie die Treppen zu Scullys Appartement hinunterstiegen.



„Ach, das ist nicht so wichtig!“



„Oh doch! Kommen Sie, Mulder! Ich will’s wissen!“, quengelte Scully.

„Sie bekommen sonst keinen Glühwein!“



„Heißt das, Sie laden mich zu einem Glühwein ein?“



„Lenken Sie nicht vom Thema ab!“, nörgelte Scully, sperrte ihre Tür auf und betrat nach Mulder den Raum.



Dann schloss sich die Tür. Bald erklang das Weihnachtslied „Have Yourself A Merry Little Christmas“. Mulder und Scully hatten es sich mit Lebkuchen und Glühwein auf dem Sofa bequem gemacht und sahen sich „A Christmas Carol“ an. Zwar mischte sich in die Dialoge der Figuren immer wieder Scullys „Mulder, jetzt sagen Sie’s schon“, aber schließlich gab sie auf, weil sie wahrscheinlich selbst nur zu genau wusste, was Mulder Santa erzählt hatte. Nämlich genau das, was sie ihm über Mulder erzählt hätte.



Santa ist auch dieses Jahr wieder irgendwo auf der Erde unterwegs und bringt die Herzen der Kinder und auch der Erwachsenen, die an ihn glauben, zum glühen. Und wenn ihr zum Himmel hochseht, könnt ihr vielleicht auch irgendwo das rote Licht von Rudolphs Nase leuchten sehen.



In diesem Sinne: Frohe Weihnachten Euch allem und einen guten Rutsch ins Jahr 2002!
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