World of X

Das älteste Archiv für deutsche Akte-X Fanfiction

Gnade dir Gott

von Mona

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Endlich zu Hause! Scully warf die Tür hinter sich ins Schloss und atmete einmal tief durch. Es war halb ein Uhr nachts. Mulder und sie hatten wieder einmal viel zu lange gearbeitet. Aber was sollte man machen, wenn sich die Akten auf dem Schreibtisch stapelten. Seit sie nicht mehr für die X - Akten zuständig waren, hatten sie deutlich mehr zu tun als früher. Na ja, es kommt ja auch schließlich nicht all zu oft vor, dass ein Ufo auf der Erde landet, oder Geister irgendwo ihr Unwesen treiben. Dagegen machen Terroristen nie eine Pause. Und sowohl sie als auch Mulder waren bei dieser Sache nicht so engagiert wie früher. Deshalb dauerte alles doppelt so lang. Aber die Arbeit musste nun einmal gemacht werden. Scully hatte jetzt nur einfach Hunger und war todmüde. Sie machte sich schnell eine fünf Minuten Suppe und sah die Post durch, die sie schon heute früh auf ihren Küchentisch gelegt hatte. Doch wie immer überwogen die Rechnungen, oder Webeprospekte, die sie gleich aussortierte. Nur der allerletzte Brief erregte ihre Aufmerksamkeit. Er hatte keinen Absender und sah auch nicht aus wie eine Rechnung, oder Werbung. Sie holte den Brieföffner aus der Schublade und riss den Umschlag damit auf. Dann zog sie den Brief heraus und entfaltete ihn. Der Anblick erschreckte Scully. Er sah aus wie ein typischer Drohbrief. Die Wörter waren aus Buchstaben zusammengestellt, die aus irgendeiner Zeitung ausgeschnitten waren. Zögernd begann Scully den Brief zu lesen:



HALLO, DANA!



KENNST DU MICH NOCH?

WENN NICHT, DANN MACHT DAS AUCH NICHTS

WIR WERDEN UNS SCHNELLER WIEDERSEHEN, ALS DU DENKST!

UND DANN GNADE DIR GOTT!





In Scullys Magengegend begann sich ein flaues Gefühl auszubreiten. Schon so oft hatte sie solch einen Brief gesehen, doch jetzt erregte dieser ein unheimliches Gefühl in ihr. Sie hatte absolut keine Ahnung, von wem der Brief stammen könnte. Wahrscheinlich hatte sich nur einer ihrer Nachbarn einen dummen Streich mit ihr erlaubt. Sie schmunzelte über ihre anfängliche Beunruhigung und legte den Brief zum restlichen Altpapier auf den Tisch. Dann aß sie ihre Suppe, die zwar nicht besonders schmeckte, aber sie bis jetzt so ziemlich am Leben gehalten hatte und legte sich ins Bett. Schon nach wenigen Minuten viel sie in einen tiefen Schlaf.

Plötzlich klingelte ihr Handy und Scully schreckte hoch. Automatisch fiel ihr Blick dabei auf ihren Radiowecker: 3:24. Wer um alles in der Welt rief um diese Uhrzeit an? Eigentlich konnte es nur einer sein: Mulder. Vielleicht hatte er ja mal wieder seinen Schlüssel vergessen. Scully tastete nach dem Telefon und nahm ab.



"Mulder, sind Sie das?", fragte sie verschlafen, wobei ihr die Antwort eigentlich sicher erschien. Es konnte einfach nur Mulder sein. Doch zu ihrer Überraschung meldete sich niemand am anderen Ende der Leitung. Scully setzte sich auf und fragte:



"Hallo, ist da jemand?"



Nach einer kurzen Pause meldete sich eine von einem Computer völlig verzerrte Stimme.



"Hallo, Dana! Freust du dich schon auf mich?"



Scully erschrak schon alleine vom Klang dieser Stimme. Sie war so unmenschlich und angsteinflößend, dass es ihr eiskalt den Rücken hinunterlief.



"Wer ist denn da?", fragte sie trotzdem.



"Das weißt du nicht? Dann denk mal scharf nach! Ha, ha, ha!", ertönte die schreckliche Stimme erneut und nach einem schallenden Gelächter wurde der Hörer aufgelegt.



Scully saß völlig erstarrt in ihrem Bett. Schweiß breitete sich auf ihrer Stirn aus und sie wagte kaum zu atmen. Die Schatten, die der Mond in ihr Zimmer warf, schienen lebendig zu werden und es kam ihr so vor, als ob sich in jedem einzelnen dunkle Gestalten verbargen. Die Arbeit an den X – Akten hatte sie wohl empfindlich für solche Dinge gemacht. Es war so still in der Wohnung und jedes Knarren lies Scully in Mark und Bein erschaudern. Diese Stimme war so unendlich schrecklich! Aber was machte sie hier eigentlich? Schließlich war sie Agentin. Ihr dürfte so etwas am allerwenigsten etwas ausmachen. Sie knipste ihr Nachtischlicht an, lehnte sich zurück und versuchte sich erst mal zu beruhigen. Das war doch sonst nicht ihre Art, dass sie von solchen Dingen so leicht aus der Bahn geworfen wurde. Wahrscheinlich führte sie hier wirklich jemand nur an der Nase herum. Woher sollte er auch sonst ihre Handynummer haben. Es konnte einfach nur jemand von ihren Freunden gewesen sein, der ihr einen Streich spielen wollte. Doch trotz allem logischen Denken, wurde sie das bange Gefühl nicht völlig los. Vor allem die Stille machte ihr Angst. Immerwieder ertönte diese metallen schallende Stimme vor ihrem inneren Ohr. Scully stand auf, ging ins Wohnzimmer und schaltete den Fernseher ein. Überall nur Krimis, Sex- oder Horrorfilme. Das war das letzte, das sie jetzt gebrauchen konnte. So schaltete sie schließlich auf einen Musikkanal. Die Songs, die um diese Zeit liefen, waren zwar nicht besonders gut, aber immerhin lenkten sie sie von ihren Gedanken ab. Sie setzte sich aufs Sofa, wickelte sich in eine Decke und schlief auch nach einigen Minuten wieder ein. Sie war einfach zu müde, um selbst unter diesen Bedingungen wach bleiben zu können.

Plötzlich wurde sie erneut von einem Geräusch geweckt. Scully war noch so verschlafen, dass sie es zu Beginn gar nicht richtig wahrnahm. Doch es wiederholte sich immer wieder und holte sie so Stück für Stück in die Realität zurück. Sie schlug langsam die Augen auf und lauschte. Zunächst wusste sie gar nicht, warum sie eigentlich auf dem Sofa lag. Dann fielen ihr die Geschehnisse der letzten Nacht wieder ein. Schon riss sie das Geräusch abermals aus ihren Gedanken. Es war erneut das Klingeln ihres Handys. Nur viel leiser. Sie hatte es heute Nacht in ihrem Schlafzimmer liegengelassen. Sollte sie rangehen? Was, wenn es wieder der Typ von heute Nacht war? Scully war völlig unsicher. Es könnte natürlich auch etwas wichtiges sein. Langsam stand sie auf, in der Hoffnung das Klingeln würde aufhören. Doch es war einfach zu hartnäckig. Wahrscheinlich war es doch etwas wichtiges. Scully nahm allen Mut zusammen, ging in ihr Schlafzimmer und nahm ab.



„Scully“, meldete sie sich in einer festen Tonlage, obwohl es ihr im Inneren gar nicht so wohl zu Mute war.



„Scully, wo sind Sie denn?“, ertönte am anderen Ende der Leitung eine wohlvertraute Stimme.



Erleichtert atmete sie aus, lehnte sich gegen die Wand und vergaß völlig etwas zu sagen.



„Scully? Sind Sie noch dran?“, holte Mulder sie aus ihren Gedanken zurück.



„Äh, ja, sicher doch! Was gibt's denn, Mulder?“



„Was es gibt?“, fragte ihr Partner verwundert.

„Haben Sie denn schon mal auf die Uhr gesehen? Es ist neun vorbei. Eigentlich sollten Sie schon seit einer Stunde im Büro sein. Ist irgendetwas nicht in Ordnung?“



Scully erschrak. Konnte es wirklich schon so spät sein? Der Blick auf ihren Wecker bestätigte Mulder. Mist! Sie hatte vergessen, den Wecker mit ins Wohnzimmer zu nehmen. Er war nicht besonders laut und so musste sie ihn wohl überhört haben.



„Verdammt! Mulder Sie haben Recht!“, rief Scully ins Telefon. So laut, dass Mulder auf der anderen Seite des Hörers fast das Trommelfell geplatzt wäre.



„Hören Sie! Ich bin sofort da! Ich zieh mich nur noch an!“



„Also, Scully, wenn Sie Zeit sparen wollen... ich meine, das Anziehen könnte man auch lassen.“



„Mulder, ich hab jetzt wirklich keine Zeit für Ihre Scherze!“, sagte Scully genervt und drückte den Knopf zum Gesprächsabbruch.



So etwas war ihr doch noch nie passiert! Hektisch hetzte die Agentin durch ihre Wohnung, warf sich schnell ein paar Hände voll kaltes Wasser ins Gesicht, zupfte ihr Haar etwas zurecht und zog sich dann im Eiltempo an. Dann schnappte sie sich Autoschlüssel und Handy und machte sich auf den Weg zur FBI - Zentrale. Ausgerechnet heute musste auch noch an jeder Ampel rot sein, so dass sie zehn Minuten länger brauchte als sonst. Das war wirklich nicht ihr Tag. Völlig abgehetzt kam sie schließlich im Büro an und knallte die Tür hinter sich zu.



„Bevor Sie etwas sagen, Mulder, ja, ich habe heute schlechte Laune. Ich habe schlecht geschlafen, den Wecker überhört und damit mein Glück noch perfekt war hatte ich auch noch an jeder verdammten Ampel zwischen meiner Wohnung und hier rot. Also, bitte verschonen Sie mich mit Ihren Sprüchen!“



Nach ein paar Sekunden, in denen Mulder Scully ansah und wartete, ob sie mit ihrer Standpauke wirklich fertig war, sagte er zögernd:



„Aber ich hab' doch gar nichts gesagt.“



Scully sah ihn verwirrt an. Sie hätte trotz ihrer Rede mit irgendeinem Spruch von Mulders Seite gerechnet. Mit irgend etwas, das sie wieder reizen würde. Aber nicht damit. Er gab ihr keinen Anlass weiterzuschmipfen. Statt dessen wusste Scully überhaupt nicht, was sie ihm antworten sollte. Sie schluckte und sagte dann:



„Aber Sie hätten eine dumme Bemerkung gemacht.“



„Scully, für was halten Sie mich?“, fragte Mulder mit so einem mitleiderregendem Ton in der Stimme, dass Scully einfach lächeln musste.



„Na, sehen Sie, es geht doch! Ich hab Sie wieder zum Lachen gebracht. Da sehen Sie mal, wofür ich alles gut bin!“, verkündete Mulder triumphierend.



Scullys Laune hatte sich tatsächlich wieder gehoben. Mulder schaffte es einfach immer wieder, sie zum Lachen zu bringen. Sein Humor, seine oft kindliche Art und sein verschmitztes Lächeln, konnten Scully immer wieder aufheitern. Sie lächelte ihn an.



„Und? Gibt es irgendwas neues aus einem Terroristenlager auf der Welt?“, fragte sie schließlich.



„Nein. Nur den üblichen Aktenkram.“



Scully nickte und ließ sich mit einem Seufzer in ihren Schreibtischstuhl fallen. Dann klappte sie eine Akte auf und begann darin zu lesen. Mulder beobachtete sie dabei und sah sie ständig an. Wenn sie eines nicht leiden konnte, dann wenn sie sich beobachtet fühlte.



„Mulder haben Sie nichts zu tun?“, fragte sie und hob den Kopf



„Doch, aber es gibt interessantere Dinge als Terrorismus.“



Scully überhörte absichtlich die Doppeldeutigkeit in Mulders Anspielung und ging nur auf den einen Teil davon ein.



„Mulder. Wie oft haben wir darüber schon diskutiert. Ich weiß, dass Sie lieber wieder an den X -Akten arbeiten würden, aber zur Zeit ist eben das hier unser Job. Ich habe wirklich keine Lust das alles alleine zu machen!“



„Dann machen Sie's doch nicht. Irgendwann begreifen die schon, dass sie nicht alles mit uns machen können.“



„Aber, Mulder -“



Auf einmal klopfte es an der Tür.



„Ja!“, sagten die beiden Agenten gleichzeitig.



Die Dame vom Empfang kam herein.



„Äh, Agent Scully, da hat gerade ein Mann angerufen. Der hat gesagt, dass er an Ihr Auto rangefahren ist. Sie möchten doch bitte mal runterkommen. Er wartet auf den Parkplatz auf Sie.“



Na toll! Das musste heute ja noch passieren!

Scully stand auf und warf Mulder einen langen Blick zu.



„Mulder, glauben Sie, dass es Leute gibt, die vom Pech verfolgt sind?", fragte sie im Hinausgehen.



„Ich weiß nicht. Wir könnten das ja mal untersuchen. Das wäre dann aber allerdings eine X-Akte!“, rief er ihr noch hinterher, doch die Tür war schon ins Schloss gefallen.



Ganz hervorragend! Der Wagen war neu! Erst ein halbes Jahr hatte sie ihn jetzt. Aber irgendwie war das typisch für diesen Tag. Am besten, hätte sich irgendwo hingesetzt und nicht von der Stelle bewegt. Aber wenn Männer schon mal Autofahren... und da sagt man 'Frau am Steuer'. Scully ging Richtung Parkplatz. So wie die Dame von der Rezeption es geschildert hatte, dürfte eigentlich nur ein kleiner Kratzer am Auto sein. An Tagen wie diesem aber, stellte sich Scully schon mal auf eine riesige Delle ein, um nicht unangenehm überrascht zu werden. Diesen Typ! Wenn sie den in die Finger bekommen würde! Als Scully den Parkplatz erreichte, war jedoch niemand zu sehen. Na, toll! Wahrscheinlich hatte er noch schnell Angst bekommen. Scully ging zu ihrem Auto und untersuchte es nach Kratzern, oder Dellen. Aber nichts in der Art war zu finden. Wollte sie hier jemand verarschen? Plötzlich ertönte eine Stimme hinter hier:



„Hallo, Dana!“



Noch bevor sie sich umdrehen konnte, wurde sie von hinten gepackt und es wurde ihr ein Tuch mit einer übelriechenden Flüssigkeit auf Mund und Nase gedrückt. Mist! Chloroform! Scully wehrte sich verzweifelt. Sie schlug wild um sich, doch sie war einfach zu schwach. Plötzlich fühlte sie einen harten Schlag auf dem Hinterkopf und vor ihren Augen breitete sich eine große, schwarze Leere aus.



Mulder hatte sich inzwischen doch dazu durchgerungen an einer Akte zu arbeiten und war dabei so vertieft, dass er die Zeit vergaß. Als er fertig war schaute er auf die Uhr. Scully war schon über eine Stunde weg. Das konnte doch gar nicht sein. Irgendwas war da faul. Vielleicht gab's ja Ärger mit dem Typen. Er machte sich auf den Weg in Richtung Parkplatz. Doch als er ihn betrat, war dort keine Menschenseele zu sehen.



„Scully!“, rief er. „Sind Sie hier irgendwo?“



Als er keine Antwort erhielt, suchte er den Wagen seiner Partnerin und machte sich auf den Weg zu ihm. Weggefahren konnte sie also schon mal nicht sein. Das Auto stand an seinem angestammten Parkplatz. Seltsam. Mulder konnte keine Unfallspuren daran erkennen. Er ging um das Auto herum und untersuchte es von den Reifen bis zum Dach. Plötzlich fiel ihm am Boden etwas auf. Da blitzte etwas. Mulder ging darauf zu, bückte sich und griff danach. Was er in den Händen hielt, war nichts anderes als Scullys Kette, mit dem kleinen Kreuz. Aber sie würde sie doch nicht einfach verlieren, ohne es zu merken. Die Kette war zerrissen. Langsam machte sich in Mulder eine gewisse Unruhe breit. Irgend etwas stimmte hier doch nicht. Mit wachsender Sorge untersuchte er den Boden nach weiteren Hinweisen und tatsächlich fand er noch etwas. Nicht weit von der Stelle an der er die Kette gefunden hatte, war ein kleiner dunkler Tropfen auf dem Beton zu erkennen. Mulder fuhr mit dem Finger darüber und erschrak. Das war Blut! Eindeutig!

Er sprang auf, machte auf dem Absatz kehrt und rannte den Weg zurück. Diesmal aber in Richtung Skinners Büro. Er musste ihm Bescheid sagen. Scully war in Gefahr. Wie ein Verrückter rannte er durch die Gänge der FBI - Zentrale und erreichte schließlich Skinners Büro. Ohne zu klopfen, stürzte er herein. Sein Boss war gerade am Telefonieren und warf ihm einen verärgerten Blick zu. Dann erkannte er jedoch das etwas nicht stimmte. Schließlich kannte er Mulder jetzt lange genug und brach das Gespräch kurzer Hand mit einem 'Ich ruf Sie später noch mal an' ab.



„Agent Mulder! Was fällt Ihnen ein, hier einfach so reinzuplatzen ?“



„Sir, ich brauche Ihre Hilfe. Scully ist verschwunden.“



„Was sagen Sie da?“



„Sie sollte auf den Parkplatz kommen, weil angeblich jemand ihr Auto beschädigt hatte und als sie nach einer Stunde nicht wieder da war, bin ich sie suchen gegangen. Dabei hab' ich das hier gefunden“, sagte Mulder und zog Scullys Kette aus der Tasche.



„Aber Agent Mulder, vielleicht hat sie sie ja nur verloren.“



„Scully würde das nie verlieren! Und außerdem: Als was würden Sie das hier bezeichnen?“



Mulder streckte Skinner die Hand mit dem Blut hin. Dieser sah ihn daraufhin erschrocken an.



„Aber wer sollte denn Agent Scully entführen?“



„Keine Ahnung. Deswegen bin ich ja zu Ihnen gekommen. Ich habe zwar ihre Akte gelesen, als sie mir damals zugeteilt wurde und ich habe auch irgendwie die Ahnung, dass es in Scullys Vergangenheit mal etwas gegeben hat, das zu diesem Fall passen könnte, aber ich kann mich einfach nicht mehr erinnern! Wissen sie noch, was damals passiert ist?“



Als Skinner ihn nur unwissend ansah sprach Mulder weiter.



„Bitte, Sir. Ich könnte jetzt natürlich nach Hause fahren und in Scullys Akte nachsehen, aber es würde ewig dauern, bis ich sie finden würde. Und vielleicht ist es dann schon zu spät! Bitte versuchen Sie sich zu erinnern!“



„Wer sagt Ihnen, dass das nicht einfach ein Psychopath ist?“



„Nein. Dafür ist es zu geplant. Kein Psychopath würde freiwillig zum FBI gehen und dort unter dem Vorwand, er habe ihr Auto beschädigt, eine Agentin entführen. Das war bis ins Detail geplant!

Kommen Sie schon! Es gab damals etwas!

Es muss zu der Zeit gewesen sein, als Scully noch in Quantico unterrichtete, wenn ich mich nicht täusche. Denken Sie nach!“



Skinner sah Mulder eine Zeitlang an und überlegte angestrengt.



„Sie haben recht! Da gab es mal etwas. Da ging es um einen Serientäter, oder so.“



„Ja, aber ein ‘oder so‘, reicht mir nicht! Ich brauche den Namen und die Hintergründe! Haben Sie die Akte noch?“



„Nein, aber es müsste im Computer verzeichnet sein“, sagte Skinner und tippte sofort etwas ein.



„Ja, hier ist es! Vor zehn Jahren. Es ging um einen gewissen Allan Coyne. Er soll fünf Frauen vergewaltigt, misshandelt und anschließend brutal ermordet haben. Agent Scully war damals in der Stadt als sie plötzlich Schreie hörte. Sie lief in die Richtung aus der sie kamen, gelangte so in eine abgelegene Straße und sah wie ein Mann versuchte eine Frau in sein Auto zu ziehen. Scully ging natürlich dazwischen. Sie schlug auf den Mann ein. Dabei drehte er sich nach ihr um und sie konnte sein Gesicht erkennen. Er ließ von der Frau ab, gab Vollgas und fuhr weg. Agent Scully kümmerte sich natürlich sofort um das Opfer. Sie erstatteten Anzeige und aufgrund Scullys genauer Täterbeschreibung konnte der Mann wenige Tage später überführt werden. Es stellte sich heraus, dass Alan Coyne auch für den Tod von fünf weiteren Frauen verantwortlich war. Scully musste dann auch vor Gericht gegen ihn aussagen. Und erst durch ihre Aussage konnte er letztendlich überführt werden. Doch noch im Gerichtssaal schwor er Scully Rache. Er sagte 'Wir sehen uns wieder und dann Gnade dir Gott'. Er wurde aber zu zwanzig Jahren Haft verurteilt. Könnte es also demnach nicht sein.“



„Vielleicht ist er ausgebrochen! Ich werde das gleich mal überprüfen!“, rief Mulder und wollte den Raum verlassen.



„Agent Mulder!“, hielt ihn Skinner jedoch auf. „Ich warne Sie, keine Alleingänge. Eigentlich dürften Sie in diesem Fall wegen persönlicher Betroffenheit gar nicht ermitteln -“



„Ich bitte Sie, Sir! Wir sind nur Partner.“



„Sie wissen genau, dass das nicht stimmt, Agent Mulder. Und da ich weiß, dass Sie sowieso keine Ruhe geben, versuche ich erst gar nicht Sie daran zu hindern. Aber wie gesagt, Sie informieren mich über alle ihre Schritte. Ist das klar?“



„Klar, Sir!“, entgegnete Mulder und verließ schnell das Büro.



Er ging auf schnellsten Weg in sein Zimmer, hackte den Namen ‚Allan Coyne’ ins Stichwortverzeichnis des PCs ein und prompt lieferte der Computer die gewünschten Informationen:



Allan Coyne, geboren am 22.01.1955 in New York. Am 2.5.1989 zu einer Haftstrafe von 20 Jahren verurteilt. Dann folgte eine ausführliche Beschreibung der Taten. Mulder wurde übel. Das war kein Mensch, das war ein Tier. Die Opfer hatten kaum mehr etwas menschenähnliches aufzuweisen. Wahrscheinlich war Coyne ein Fan von mittelalterlichen Foltermethoden. Egal ob Rädern, oder Verbrennen bei lebendigem Leib. Alle Opfer mussten einen langsamen, grausamen Tod sterben. Mulder wollte sich gar nicht vorstellen, was dieses Individuum mit jemandem anstellen würde, den er abgrundtief hasste, dem er seine Freiheitsstrafe zu verdanken hatte. Trotzdem müsste dieser Kerl eigentlich noch hinter Gittern sitzen. Es war kein Eintrag vermerkt, der dem entgegensprach.

Mulder nahm den Telefonhörer ab und lies sich mit dem New Yorker Staatsgefängnis verbinden.



„Hier ist Special Agent Fox Mulder vom FBI. Ich bräuchte einige Auskünfte über einen Ihrer Häftlinge. Der Name ist Allan Coyne.“



„Allan Coyne, sagen Sie?“



„Ja, richtig.“



„Der wurde vor zwei Wochen entlassen. Ja, wegen guter Führung.“



„Wie bitte? Wie kann man so jemanden wegen guter Führung entlassen? Und warum wird und das nicht mitgeteilt?“, rief Mulder wütend ins Telefon.



„Tut mir leid, Sir. Aber dafür bin ich nicht zuständig. Ich kann Ihnen auch nicht sagen, warum das in Ihrem Computer noch nicht aktualisiert ist.“



„Entschuldigung. Ich bin gerade etwas angespannt“, entschuldigte sich Mulder für seinen rüden Umgangston.

„ Ist er denn wenigstens unter Aufsicht?“



„Eigentlich schon. Aber soviel ich weiß, haben ihn seine Aufpasser schon seit einigen Tagen aus den Augen verloren.“



Mulder schwieg. Er konnte einfach nicht glauben, was er da hörte. Ein Serientäter wird wegen guter Führung freigelassen und dann scheint es die Aufseher nicht einmal zu interessieren, wenn er sich aus dem Staub macht. Langsam begriff Mulder erst richtig was das bedeutete. Dieses Monster hatte Scully. Wer weiß, was er schon alles mit ihr gemacht hatte. Mulder hatte plötzlich einen dicken Klos in seiner Kehle sitzen und sein Herz krampfte sich schmerzhaft zusammen. Er war von einer ungeheuren Angst erfüllt. Eine Angst wie er sie noch nie zuvor in seinem Leben gefühlt hatte. Er begriff plötzlich wie wichtig ihm Scully tatsächlich war. Sie war mit der Zeit zu einem Teil von ihm geworden, zu einem lebenswichtigen Teil. Sie war der einzige Mensch, mit dem er sein Leben teilte. Scully war alles für ihn. Kollegin, Partnerin, Freundin und wahrscheinlich noch viel mehr als das. Der Gedanke, dass sie irgendwann einmal nicht mehr bei ihm sein sollte, ließ ihm das Blut in den Adern gefrieren. Er würde ohne sie nicht mehr leben können. Nein, er durfte einfach nicht zulassen, dass ihr etwas geschah. Langsam kehrte das Leben in Mulder zurück. Erst jetzt fiel ihm auf, dass er ja noch immer den Telefonhörer in seinen Händen hielt. Doch die Frau am anderen Ende der Leitung hatte schon längst aufgelegt und es war nur noch das monotone „Tut – Tut“ zu hören. Mulder legte langsam den Hörer auf die Gabel. Wo sollte er denn jetzt anfangen nach ihr zu suchen? Es könnte so an die tausend Orte geben, wo er sie hätte hinbringen können. Völlig in Gedanken versunken bemerkte Mulder gar nicht, wie Skinner plötzlich hereinkam.



„Alles in Ordnung, Agent Mulder?“, fragte dieser besorgt, als er Mulder so vor seinem Schreibtisch sitzen sah.



„Äh, was?“, schreckte Mulder aus den Gedanken hoch.

„Mmh, ja, natürlich. Ich habe gerade mit dem Gefängnis telefoniert. Coyne ist seit drei Wochen wegen guter Führung raus. Seine Wachen haben aber schon seit Tagen nichts mehr von ihm gehört.“



„Ich weiß. Die Meldung wurde gerade in meinem Computer aktualisiert.“



„Na, die sind ja früh dran.“



„Agent Mulder, weshalb ich hier bin: Die Akte enthält das psychologische Gutachten und noch einige andere wichtige Papiere. Mir ist vorhin eingefallen, dass Agent Scully eine Kopie der Akte bei sich zu Hause haben müsste. Sie war damals sehr an dem Fall interessiert. Vielleicht hat sie sie noch. Da Sie Psychologie studiert und lange Zeit als Profiler gearbeitet haben, können Sie vielleicht daraus ein Täterprofil erkennen und feststellen, wohin er sie gebracht haben könnte.“



„Danke, Sir. Ich werde gleich mal hinfahren“, sagte Mulder niedergeschlagen und stand auf. Bevor er das Zimmer verlassen konnte sagte Skinner:



„Und Mulder!“



„Ja?“



„Wir werden sie finden!“



„Ja, Sir.“



Dass sie sie finden würden war keine Frage. Die Frage war wann und vor allem wie. Auf dem Weg zu Scullys Wohnung musste Mulder ständig darüber nachdenken, was er wohl tun würde, wenn sie tatsächlich nur noch Scullys geschändete Leiche finden würden. Dieser Gedanke verfolgte ihn die ganze Zeit. Das einzige Mal, wo sie ihn wirklich gebraucht hätte, da war er nicht da.

Endlich erreichte er ihre Wohnung. Er nahm seinen Zweitschlüssel aus der Tasche und sperrte dir Tür auf. Es war seltsam allein in ihrer Wohnung zu sein. Allein mit all ihren vertrauten Dingen. Er war zwar schon öfters hier gewesen, aber immer mit Scully zusammen. Sie waren auf dem Sofa gesessen und hatten Videos geguckt. Warum musste man die Wichtigkeit einer Person immer erst feststellen, wenn diese nicht mehr da war? Natürlich wusste Mulder, dass er Scully sehr gern hatte, dass er sie wahrscheinlich sogar liebte, aber dieses Thema hatte zwischen ihnen nie eine Rolle gespielt. Sie waren von Anfang an einfach nur Partner.

Ehrlich gesagt wusste er gar nicht, wo er anfangen sollte nach der Akte zu suchen.

Er schlenderte also durch die Wohnung. Eigentlich waren die Räume ihm immer viel freundlicher vorgekommen. Doch jetzt merkte er, dass alles ziemlich spärlich eingerichtet war. Nur das nötigste war vorhanden. Das Licht und das Leben hatte wirklich nur Scully hereingebracht. Er ging gerade durch die Küche, als ihm der Brief auf dem Altpapierstapel auffiel. Er schlug ihn auf und las. Es war der Drohbrief. Langsam wurde Mulder so einiges klar. Deshalb war Scully heute morgen so durch den Wind. Aber warum hatte sie ihm denn nichts erzählt? Wahrscheinlich hatte sie es einfach nicht ernst genommen. Wer würde das denn schon tun? Hätte sie gewusst, wer den Brief geschrieben hatte, hätte sie bestimmt anders reagiert. Und daran, dass Allan Coyne der Schreiber war, bestand ja jetzt kein Zweifel mehr. Zumal die Worte in dem Brief und das was er zu Scully damals gesagt hatte identisch waren: Dann gnade dir Gott. Mulder legte den Brief wieder beiseite. Was sollte er bloß tun? Er könnte sie überall hingebracht haben. Plötzlich blieb sein Blick an einem schweren Messingkreuz hängen, welches über der Tür befestigt war. Zwar war er noch nie besonders religiös gewesen, aber wenn es einen Gott gab, dann dürfe dieser auf keinen Fall zulassen, dass Scully etwas passierte. Sie war schließlich ein strenger Christ. Nicht, dass sie besonders oft in die Kirche ging, aber sie glaubte und das war ja schließlich was zählte.

Doch was tat er hier eigentlich? Er sollte sich lieber auf der Suche nach der Akte machen. Stattdessen verplemperte er hier wertvolle Zeit. Also machte er einen entschlossenen Schritt nach vorne und war schon halb unter der Küchentür hindurch, als ihn plötzlich etwas hartes auf den Kopf schlug und zu Boden riss. Mulder wusste nicht wodurch, ob durch den Gegenstand der ihn am Kopf getroffen hatte, oder durch den Aufprall am Boden, auf jedenfall drehte sich alles vor seinen Augen, bis er schließlich völlig in Ohnmacht fiel.





Scullys Kopf fühlte sich an, als würde er jeden Augenblick explodieren. So sehr dröhnte er. Und sie hatte einen ekeligen Geschmack in Mund. Die Nase brannte beim Atmen und überhaupt fühlte sie sich mehr tot als lebendig. Sie kam langsam wieder zu Bewusstsein, was auch bedeutete, dass sie Schmerzen jetzt wieder wahrnahm. Sie schlug die Augen auf. Wo war sie hier? Alles roch nach verbranntem Holz. Sehen konnte sie immer noch nicht. Alles war vor ihren Augen verschwommen, erst allmählich wurden die Dinge deutlicher. Und tatsächlich schien sie sich in einer Holzhütte, oder etwas ähnlichem zu befinden. Doch wie war sie hierher gekommen? Scully versuchte sich aufzusetzen. Aber ihre Bewegung wurde augenblicklich aufgehallten. Ihre Hände waren hinter ihrem Rücken gefesselt. Sie lag auf einer dünnen Decke in einer Ecke der Hütte. Außer ihr war niemand im Raum. Was war bloß passiert? Sie konnte sich irgendwie kaum erinnern. Erst allmählich fielen ihr die Ereignisse des Morgens wieder ein. Ja, da war das mit dem Auto...und dieser... Mann. Schlagartig wurde Scully ihrer Lage bewusst. Sie war entführt worden. Doch von wem und warum? Sie hatte den Mann nur ganz kurz gesehen, konnte sich kaum an sein Gesicht erinnern. Sie hatte immer noch ihren Mantel an. Vielleicht konnte sie an ihr Handy kommen. Vergeblich versuchte sie die Arme zu bewegen, aber sie waren so fest gefesselt, dass ihr jede Bewegung unerträgliche Schmerzen zufügte, weil sich der dünne Strick fest in ihre Haut einschnitt. Trotzdem musste sie es versuchen. Sie war zur Zeit alleine. Das war ihre Chance. Doch es ging einfach nicht. Sie konnte sich drehen wie sie wollte. Sie brachte ihre Hände nicht annähernd in die Nähe der Manteltasche. In ihrer Anstrengung bemerkte sie gar nicht wie die Tür geöffnet wurde.



„Versuch‘s erst gar nicht, Dana. Dein Handy habe ich vorerst in Verwahrung genommen. Aber gut, dass du schon wieder so fit bist!“



Scully drehte sich erschrocken in Richtung Tür. Dort stand ein Mann. Groß, kräftig, mit Bart und langem Haar und auffällig blauen Augen. Irgendwie kam Scully der Mann bekannt vor, doch wusste sie nicht woher.



„Wer sind Sie? Was wollen Sie von mir? Warum halten Sie mich hier fest?“, fragte sie energisch.



„Danalein, Danalein. Weißt du das wirklich nicht? Eigentlich müsstest du dir alle drei Fragen selbst beantworten können“, sagte er wobei er auf sie zuging.



Dann packte er sie, zog sie aufwärts und drückte sie gegen die Wand. Bei jeder dieser Bewegungen dachte Scully, die Knochen in ihren gefesselten Armen und Beinen brechen auseinander, so wurden ihre Gelenke verdreht. Keuchend vor Schmerz lehnte sie an der Wand, das Gesicht des Fremden nah vor ihrem. Er drückte seine Hand um ihre Kehle, so dass sie glaubte keine Luft mehr zu bekommen.



„So, und jetzt sieh' mich an, du Schlampe! Sieh mir in die Augen! Die kannst du unmöglich vergessen haben!“, brüllte er sie an.



Scully war völlig starr vor Schreck. Sie wusste immer noch nicht, was überhaupt passierte. Selbst wenn sie gewollt hätte, hätte sie sich nicht rühren können.



„Du sollst mir in die Augen sehen!“, brüllte der Fremde sie erneut an und verlieh seiner Aufforderung durch einen Schlag in Scullys Gesicht Nachdruck.



Ihr Kopf wurde dadurch gegen die Wand geschleudert und die Kopfschmerzen schienen ein unerträgliches Ausmaß anzunehmen. Scully fühlte sich, als wäre ihr Kopf ein Brett in das ständig Nägel eingeschlagen werden. Doch sie musste sich zusammenreißen. Noch so einen Schlag würde sie wahrscheinlich nicht aushalten.

Langsam hob sie den Kopf. Sie hätte nie gedacht, dass diese kleine Bewegung sie einmal so anstrengen könnte, doch schließlich schaffte sie es. Sie konnte ihm in die Augen sehen. Diese blaue kalten Augen. Woher kannte sie die nur. Diese Augen, mit denen er sie ansah wie ein Löwe seine Beute. Verachtend und lüstern. Der intakte Teil ihres Gehirns schien seinen gesamten Speicher nach diesen Augen zu durchsuchen. Schließlich hatte er aber die gewünschte Information gefunden. Sie war da, nur noch nicht greifbar. Plötzlich schreckte Scully hoch und sah ihren Gegenüber verwundert an.



„Coyne“, murmelte sie dann leise und in einem Tonfall, als könne sie selbst nicht glauben, was sie gerade gesagt hatte.



„Genau, Schätzchen. Hätte mich auch gewundert, wenn du dich nicht an mich erinnert hättest. Jede Frau konnte das bis jetzt. Zumindest die, die noch leben.“



„Aber, aber Sie, . . . Sie müssten doch noch sitzen.“



„Tja, mein gutes Benehmen hat sie wohl überzeugt! Und die Leute in deiner Behörde waren sogar so nett mir deine Handynummer zu geben. Als Bekannter einer so vielbeschäftigten Frau, ist es nicht möglich sie ohne diese zu erreichen.“



Er ließ sie los und setzte sich an den Tisch in der Mitte des Raumes. Völlig kraftlos rutschte Scully an der Wand entlang nach unten, bis sie auf dem Boden saß. Sie hatte das alles immer noch nicht begriffen. Coyne war wieder da. Und er hatte sein Versprechen wahr gemacht. Und auch sein anderes würde er einlösen, da war sich Scully sicher. Er würde sie töten, eiskalt und ohne nur mit der Wimper zu zucken. Scully ergriff plötzlich eine panische Angst. Nicht, dass sie Angst hatte zu sterben, nein, sie hatte Angst vor der Art wie er sie töten würde. Sie kannte seine Verbrechen. Immer hatte sie gedacht die Art, wie er seine Opfer tötete, sei an Grausamkeit nicht mehr zu übertreffen, aber jedes Mal hatte er ihr das Gegenteil bewiesen. Sie wollte sich gar nicht vorstellen, was sie erwartete.

Aber... Mulder. Er würde nach ihr suchen. Er vermisste sie bestimmt schon. Doch auch dieser kleine Funken Hoffnung erlosch so schnell wie er gekommen war. Mulder würde sie hier nie finden. Wie auch? Sie wusste ja nicht einmal selbst wo sie war.

Sie ließ ihre Blicke durch den Raum schweifen. Sie schien sich tatsächlich in einer alten Blockhütte zu befinden. Es musste irgendwann einmal ein Feuer gegeben haben. Die Decke und auch ein Teil der Wände waren stark verrußt. Doch fand sie im ganzen Raum kein Anzeichen für ihren Aufenthalsort. Wahrscheinlich irgendwo im Wald. Doch vielleicht war sie ja gar nicht mehr in Washington, vielleicht hatte er sie ja wo völlig anders hin gebracht.

Coyne saß am Tisch und schnitt sich von einem Apfel immer wieder ein Stück ab, das er dann genussvoll aß. Zwischendurch warf er immer wieder einen Blick auf Scully und starrte sie an. Wie sie es nur hasste. Doch sie hatte einfach nicht den Mut und auch nicht die Kraft etwas zu sagen.

Als er mit seinem Apfel fertig war, musterte Coyne sie von oben bis unten, als würde er sie mit seinem Blick ausziehen. Scully fühlte sich einfach nur schrecklich.



„Du bist hübsch geworden!“, sagte er schließlich.

„Die kürzeren Haare stehen dir gut! Die bringen dein hübsches Gesicht noch besser zur Geltung.“



Er ging auf sie zu und kniete sich vor ihr auf den Boden.



„Und deine Figur ist auch besser geworden. Trainiert, ha? Muss man wohl, wenn man beim FBI ist“, sagte er, wobei er erneut seine gierigen Blicke über ihren Körper schweifen lies und immer wieder im Ausschnitt ihrer Bluse hängenblieb.

Scully wurde die Sache immer unangenehmer. Sie ahnte was jetzt folgen würde. Er hatte es mit allen seinen Opfern gemacht. Er würde sie brutal vergewaltigen. Bei diesem Gedanken verkrampften sich sämtliche Muskeln in Scullys Körper. Wenn er sie doch wenigstens sofort töten würde. Aber nicht diese Erniedringung, diese völlige Ausgeliefertheit. Sie musste das irgendwie verhindern. Es war nicht ihre Art einfach aufzugeben. Sie musste kämpfen, um zu überleben. Es gab zu viele Dinge auf der Welt, die ihr etwas bedeuteten. Ihr Job und vor allem Mulder. Schon alleine um ihn noch einmal wiederzusehen, durfte sie nicht nachgeben. Er war so wichtig für sie. Er hat sie immer wieder aufgebaut und sie hatte sich noch nie bei ihm dafür bedankt. Sie hatte es einfach für selbstverständlich gehalten. Und das war es absolut nicht. Das wollte sie ihm nicht schuldig bleiben.



„Ich liebe gut trainierte Körper musst du wissen“, riss Coynes Stimme sie aus ihren Gedanken. „Und ich hätte nichts dagegen noch etwas Spaß mit dir zu haben, bevor du dich endgültig von der Welt verabschieden musst.“



Scully schluckte und sah ihn an. Sie hatte einen Klos im Hals und wagte kaum zu atmen. Langsam wirkten sich ihre zusammengekrampften Muskeln aus und sie begann am ganzen Leib zu zittern.

Coyne kam immer näher, bis seine Lippen schließlich ihren Hals berührten und ihn küssten. Noch nie hatte sie einen Kuss als so widerwärtig empfunden. Er war kalt, schleimig und klitschig und absolut ekelerregend. Scully musste sich zusammenreißen, um sich nicht übergeben zu müssen. Coynes Hände waren mittlerweile überall an ihrem Körper und hatten ihre Bluse aufgerissen. Er betastete ihre Brüste und ihren Bauch und war gerade dabei ihre Hose zu öffnen. Scully hatte die Augen geschlossen. Der Brechreiz wurde immer stärker. Tränen schossen ihr in die Augen.

Sie musste an Mulder denken. Warum gerade jetzt wusste sie selbst nicht. Vielleicht half es, wenn sie sich vorstellte wie es mit Mulder wäre. Seltsamerweise hatten sie nie über Sex gesprochen. Natürlich liebte sie ihn. Aber in ihrer Beziehung hatte das nie eine Rolle gespielt. Sie waren ja nicht einmal zusammen. Es hatte sich einfach nicht ergeben. Doch sie liebte ihn und erst jetzt wurde ihr klar, wie sehr.

Coynes Mund war inzwischen überall auf ihrem Körper. Sie musste irgendwas unternehmen. Das hielt sie so nicht aus!



„Allan“, sagte sie plötzlich und war selbst überrascht, dass sie es in einem so festen Tonfall über die Lippen brachte.



„Ja?“, sagte er und ließ von ihr ab.



„Ich hätte eine Bitte: Ich meine, ...du machst das echt gut... und ich - ich hatte schon lang keinen richtigen Kerl mehr. Ich meine beim FBI da gibt’s nur... so du weist schon, so Muttersöhnchen.

Wenn du mich losmachen würdest, dann könnte ich die ganze Sache auch etwas genießen.....und es gibt da ein paar nette Dinge, die wir Leute vom FBI draufhaben.“



Scully wusste selbst nicht, wie sie diese Worte über die Lippen gebracht hatte. Doch es gab ein paar Dinge, die wirkten bei jedem Mann Wunder. Gerade wenn es sich um Sex handelte. Man musste ihnen bloß etwas Honig ums Maul schmieren und Hoffnung auf irgendwelche Perversitäten machen und schon hatte man sie.



„Dana, Dana! Ich wusste ja gar nicht, dass du so eine bist!“



„Du weißt vieles von mir nicht“, säuselte Scully.



Sie musste unbedingt die Fesseln loswerden, dann würde sich schon irgendeine Möglichkeit ergeben. Ihre Worte schienen Coyne tatsächlich überzeugt zu haben. Er sprang auf, holte ein Messer und schnitt das Seil an ihren Händen und Füssen durch. Das fühlte sich schon besser an, obwohl der Strick tiefe Wunden in ihrem Fleisch hinterlassen hatte.



„So, dann zeig mal was du kannst!“, forderte Coyne.



Scully überwand all ihren Ekel und begann Coyne zu küssen. Er schmeckte einfach nur widerlich. Wie verdorbene Milch, aber was tut man nicht alles, um zu überleben. Sie musste irgendwie an das Messer kommen. Er hatte es noch immer in seiner Hand und die hatte er auf dem Boden abgestützt. Scully fühlte sich absolut nichtsnutzig, wie eine Schlampe, als würde sie sich selbst und Mulder betrügen, obwohl sie genau wusste, dass dieser Gedanke völlig absurd war. Was sie hier tat, war einfach die Auswirkung des Selbsterhaltungstriebes, der in jedem Menschen steckt. Sie wanderte mit ihrer Zunge Coynes Hals hinunter und setzte sich schließlich auf seinen Schoß. Sie musste ihm das Shirt ausziehen. Dazu würde er seine Arme heben müssen und dann könnte sie das Messer nehmen, solange er den Kopf noch unterm Shirt hatte. Scully packte es am unteren Ende und begann es langsam nach oben zu ziehen. Coyne sah sie zwar einen Augenblick misstrauisch an, doch sie schien ihre Rolle sehr überzeugend zu spielen. Er hob tatsächlich die Hände. Langsam zog sie ihm das Shirt über den Kopf. Blitzschnell griff sie dann nach dem Messer und zog es ihm aus der Hand.

Doch er war schneller. Ehe Scully überhaupt begriff, dass sie das Messer hatte, hatte Coyne aus seinem Stiefel schon ein zweites gezogen, das er ihr jetzt an die Kehle hielt.



„So! Dachte ich's mir doch! Hast du wirklich geglaubt, ich würde einem von euch Feds trauen?

Vonwegen 'besondere Dinge'! Du wirst jetzt gleich ein paar besonders hübsche Dinge kennenlernen!"



Bei diesen Worten zog er Scullys Kopf an den Haaren immer weiter nach hinten und bohrte mit der Messerspitze lauter kleine Löcher in ihre Haut am Hals. Obwohl diese nicht tief waren, bluteten sie sehr stark und Scullys weiße Bluse färbte sich bereits rot. Dann drückte er sie wieder an die Wand und hängte ihre Hände in Schlaufen, die dort angebracht waren, ihre Füße fesselte er eng zusammen. Daraufhin nahm er eine Eisenstange, die neben dem Kamin lag, und hielt sie ein paar Minuten ins Feuer. Scully konnte gar nicht mehr hinsehen. Die Wunden an Hals und Händen schmerzten und ihr war immer noch übel. Wie lange sollte dieser Alptraum hier noch dauern?

Coyne kam mit der glühenden Eisenstange auf sie zu. Scully sah in die Glut, in der orangene Funken tanzten. Sie war einfach nur noch voller Angst. Sie wollte, dass es endlich vorbei war, dabei hatte es noch nichteinmal angefangen. Als Coyne die Eisenstange in ihren Oberarm brannte, schienen die Schmerzen zunächst unerträglich. Es fühlte sich an, als ob ihr ein Stück Fleisch herausgeschnitten wurde. Doch mit der Zeit nahm sie einfach gar nichts mehr wahr. Sie war völlig apathisch.



Wo war er aufeinmal? Eben war er doch noch in Scullys Wohnung gewesen. Mulder blickte sich verwirrt um. Er war in irgendeinem Dorf. Doch nirgends waren Leute. Es schien wie eine Geisterstadt. Alles war verbrannt. Mulder hetzte durch die Straßen. Wie war er denn bloß hierher gekommen? Das Dorf war nicht besonders groß. Irgendwo musste doch mal ein Ortsschild sein. Er lief immer weiter und schließlich erreichte er tatsächlich eines. 'Greeny' war da zu lesen. Soweit Mulder wusste, war das Dorf, ein Vorort von Washington, in den sechziger Jahren völlig abgebrannt. Nur ein paar Ruinen blieben noch übrig. Aber dass das Dorf heute noch existierte, war Mulder neu. Plötzlich erregte ein Haus seine Aufmerksamkeit. Es brannte Licht. Aber hier konnte doch unmöglich noch jemand wohnen. Mulder ging hin und sah durchs Fenster. Was er da erblickte, lies ihm das Blut in den Adern gefrieren. Scully war an der Wand angekettet. Sie war völlig voll Blut und ihre Oberarme mit Brandwunden übersäht. Coyne hatte immer noch den glühenden Stab in der Hand. Aber Scully schien völlig leblos zu sein. Ihre Augen waren zwar offen, aber sie zeigte keinerlei Reaktion. Coyne holte einen Eimer kaltes Wasser und schüttete ihn ihr ins Gesicht. Kräftig hustend kam sie wieder zu sich. Verdammt, das würde sie nicht mehr lange durchhalten. Er musste irgendwas tun. In seiner Panik konnte Mulder nicht klar denken. Er klopfte wie ein Verrückter and die Fensterscheibe und wollte sie zerschlagen, aber sie gab einfach nicht nach.



„Scully! Ich hol' Sie daraus! Halten Sie durch!“, rief er völlig angsterfüllt.



„Scully! Scully! Scully!“



Doch seine eigene Stimme drang immer leiser an sein Ohr. Die Tür gegen die er klopfte wurde immer härter. Schließlich merkte er, dass er am Boden lag und die ganze Zeit darauf getrommelt hatte. Mulder schlug langsam die Augen auf und fuhr mit der Hand über seinen Hinterkopf. Da war eine ziemliche Beule. Er war immer noch in Scullys Wohnung. Was war denn nur passiert? Neben ihm lag das Messingkreuz. Es musste wohl auf seinen Kopf gefallen sein. Plötzlich sprang Mulder auf. Er wusste, wo Scully war. In Greeny! Das musste eine Art Telepathie gewesen sein, vielleicht bedingt durch Scullys und seine gleichzeitige Ohnmacht, oder sollte es... - er sah auf das Kreuz.

Ist ja egal, was es war! Er holte sein Handy aus der Tasche und rief Skinner an. Es dauerte ewig, bis er abnahm.



„Skinner“, meldete er sich ärgerlich.



„Sir, hier ist Mulder -“



„Agent Mulder, wissen Sie wie spät es ist? Wo waren Sie die ganze Zeit. Hatten Sie ihr Handy aus?“, schnaubte ihn Skinner wütend an.



„Ähm, nein, ich weiß nicht wie spät es ist, aber kann es sein, dass Allan Coyne in Greeny aufgewachsen ist?“



„Ja, das stimmt, aber woher wissen Sie das?“



„Das ist unwichtig! Hören Sie, ich werde da jetzt hinfahren! Scully ist dort! Schicken Sie einen Krankenwagen und Polizei dahin!“



„Aber, Agent Mulder! In Greeny steht kein Haus mehr. Das wurde total dem Erdboden gleich gemacht!“



„Das dachte ich auch. Aber bitte, Sir, vertrauen Sie mir. Bitte nur noch dieses eine mal. Wie oft war ich schon daneben gelegen? Es geht um Scullys Leben.“



Nach einer kurzen Pause antwortete Skinner.



„Na, gut, Agent Mulder. Wir sind gleich da.“



Greeny war nicht besonders weit weg, ungefähr sieben Meilen, aber Mulder brauchte nur die Hälfte der normalen Fahrzeit. Und er hatte Recht. Das Dorf stand noch. Alles war wie in seinem Traum. Er stellt seinen Wagen ab und machte sich zu Fuß auf die Suche nach dem Haus. Er fand es schnell, es war das letzte in der Ortschaft. Vorsichtig näherte er sich dem Fenster und sah hindurch.

Scullys Gesicht war mittlerweile von Blutergüssen übersät, wahrscheinlich war sie geschlagen worden. Sie lag auf dem Boden, die Augen starr nach oben gerichtet. Coyne brachte gerade Seile an ihren Händen und Füßen an. Diese waren mit einem Apparat an der Decke verbunden. Einer elektrischen Winde, oder so etwas in der Art. Verdammt. Wenn er die anschalten würde, dann würde Scullys Körper in die Luft gehoben und immer mehr gedehnt werden, bis die Gliedmaßen schließlich abreißen. Eine moderne Art von Vierteilen. Mulder hatte keine Zeit mehr. Vielleicht könnte er sich den Überraschungseffekt zu Nutze machen. Von Skinner und den anderen war noch nichts zu sehen. Mulder schlich also zu Tür und testete vorsichtig, ob sie offen ist. Sie war es. Coyne schien sich tatsächlich sehr sicher zu fühlen.

Mulder atmete noch einmal tief durch, zog seine Waffe, entsicherte sie und stürmte in die Hütte.



„Keine Bewegung! FBI!“, rief er und zielte auf Coyne.



Dieser war so erschrocken, dass er ohne zu Denken zurück sprang und in Richtung Hinterausgang rannte. Mulder überlegte nicht lange und schoss. Er traf ihn an der linken Schulter, etwas versetzt oberhalb des Herzens. Warum hatte er eigentlich nicht ein wenig tiefer gezielt? Coyne sackte mit einem Stöhnen zu Boden und wurde ohnmächtig. Sofort eilte Mulder zu Scully. Sie lag immer noch in der selben Position auf der Erde. Er befreite ihre Hände und Füße aus den Schlingen und beugte sich neben sie.



„Scully? Können Sie mich hören?“



Sie drehte ihren Kopf in seine Richtung und sah ihn an. Ein leichtes Lächeln umspielte ihre Lippen.



„Mulder? Sind Sie das?“, flüsterte sie. Ihre Stimme war rauh und man konnte sie kaum verstehen.



„Ja. Alles ist in Ordnung.“



„Ich wusste, dass Sie kommen würden, ich wusste es die ganze Zeit. Ich habe von Ihnen geträumt. Sie waren in meiner Wohnung, nicht?“



Sie musste stark husten.



„Ssh, reden Sie nicht soviel. Skinner wird gleich mit einem Krankenwagen hier sein.“



„Helfen Sie mir auf. Ich möchte mich setzten. Ich mag es nicht, wenn ich hier vor Ihnen liegen muss.“



„Meinen Sie nicht es ist besser, Sie bleiben -“



„Wer ist hier die Ärztin?“, unterbrach ihn Scully.



Mulder half seiner Partnerin sich aufzurichten und lehnte sie gegen das Tischbein. Dann kniete er sich vor sie. Sie war sehr schwach und zitterte am ganzen Körper. Ihre Augen fielen immer wieder zu. Erst jetzt bemerkte Mulder ihren geschundenen Körper. Beide Oberarme waren von Brandverletzungen übersäht, die Hand- und Fußgelenke wundgescheuert und die Kehle mit winzigen Schnitten eingeritzt. Am Kopf schien sie eine Platzwunde zu haben und das Geicht war geschwollen und von Blutergüssen gezeichnet.

Doch die äußeren Verletzungen sahen schlimmer aus als sie waren. Wahrscheinlich würden nicht mal Narben zurückbleiben, aber die Seele würde wohl noch eine Weile darunter zu leiden haben.



„Oh, Scully! Was hat er nur mit Ihnen gemacht?“, sagte er vor sich hin.



Scully schlug die Augen auf und sah ihn an.



„Sie müssen mir versprechen, dass Sie mich nie mehr allein gehen lassen, wenn jemand sagt, er hätte mein Auto beschädigt.“



Mulder musste lachen. Selbst in dieser Situation hatte Scully ihren Humor nicht verloren.



„Ich schwöre es.“



Dann sah er sie wieder ernster an.



„Scully. . . hat er Ihnen weh getan?“



Sie sah ihn lange an, dann schüttelte sie langsam den Kopf.



„Nein. Machen Sie sich nicht so viele Sorgen um mich. Das wird schon wieder.“



Coyne war inzwischen wieder zu Bewusstsein gekommen. Er lag immer noch am Boden. Doch Mulder hatte vor lauter Sorge um Scully vergessen, ihm die Waffe abzunehmen. Wenn er schon Scully nicht haben konnte, dann wenigstens das, was ihr am wichtigsten war. Mulder saß gerade so gut mit dem Rücken zu ihm. Langsam tastete er nach seiner Waffe und entsicherte sie. Dann hob er den Arm und zielte auf Mulders linke Schulterhälfte, so dass die Kugel genau ins Herz gehen musste. Allmählich umschloss sein Zeigefinger den Abzug. Es machte ihm Probleme abzudrücken, die Wunde setzte ihm mehr zu als gedacht. Immer mehr konnte er den Abzug biegen, es fehlte nur noch ein paar Millimeter.

Scully lies mit ihrem Blick von Mulders Gesicht ab und in Richtung Coyne schweifen. Wie in Zeitlupe erkannte sie was er vorhatte. Sie aktivierte alle ihrer noch bestehenden Körperkräfte und griff blitzschnell und doch zu langsam nach Mulders Waffe, die er vor ihr auf dem Boden abgelegt hatte. Dann zielte sie und drückte ab. Der Schuss traf Coyne tödlich in die Brust. Doch er hatte vorher abgedrückt und die Kugel flog auf Mulder zu. Scully konnte sie genau durch die Luft zischen hören. Das alles passierte in Bruchteilen von Sekunden. Mulder hätte gar nicht reagieren können. Scully riss ihn im allerletzten Moment zu Boden, so dass sein Kopf auf ihrem Schoß landete. Dann schlug die Kugel knapp neben ihrem Kopf in den Tisch. Mulder war völlig verwirrt. Er hob langsam den Kopf, sah erst Scully und dann Coyne an, dann wieder Scully.



„So, jetzt sind wir quitt“, sagte sie mit schwacher Stimme. „Jetzt konnte ich mich auch mal bedanken, . . . für alles!“



Mulder kroch auf sie zu und umarmte sie. Er hielt sie ganz fest und wollte sie nie mehr los lassen. Doch die Anstrengung war zuviel für Scully und sie viel in seinen Armen in einen tiefen Schlaf. Mulder hob sie hoch und trug sie nach draußen. Der Rettungswagen kam gerade um die Ecke. Skinner sprang mit erschrockenem Gesichtsausdruck heraus.



„Alles in Ordnung?“



„Ja, ich denke schon. Sie ist nur ziemlich müde.“



„Und Coyne?“



„Er ist tot. Und er ist der einzige Mensch, für den ich hoffe, dass es keinen Gott gibt. Er soll in der Hölle schmoren!“



Mulder wendete sich ab und half den Sanitätern Scully auf die Trage zu legen. Dann begleitete er sie ins Krankenhaus. Solange sie untersucht und in ihr Zimmer gebracht wurde, wartete er zusammen mit Skinner.



„Agent Mulder?“



„Mmh?“



„Sie haben die Akte nicht, oder?“



„Nein.“



„Aber woher wussten Sie dann, wo Agent Scully ist?“



Mulder schwieg eine Weile.



„Sagen wir, ich hatte einen Helfer.“



Dann stand Mulder auf und machte sich auf den Weg zu Scullys Zimmer. Dabei zog er die Kette aus der Tasche. Sie blitzte im grellen Krankenhauslicht geheimnisvoll auf. Mulder drehte sie in seinen Fingern und betrachtete sie. Sollte tatsächlich Er . . . ?



Skinner sah ihm fragend nach.



Er wusste, dass Mulder immer ein Mann mit Geheimnissen bleiben würde. Doch manchmal hätte er doch zu gern mehr über diese mysteriösen Dinge gewusst. Vielleicht gehörten Fox Mulder und die X- Akten einfach zusammen.





Ende
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