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The Persistence of Memory

von Jenna Tooms

Kapitel 1

Er schläft auf der meisten Strecke nach San Antonio. Das Licht in seinen Träumen ist weich und golden, nicht so grell und weiß wie es in Mexiko gewesen war. In seinen Träumen liegt er neben ihr mit einer Hand auf ihrem Bauch und droht damit, das Baby Zoltan oder Attila zu nennen. Lachen, sie drückt seine Hand weg: „Oh ja, ich werde deine Attila sehen und dir einen Egbert heranziehen, Meister.“



Die Straße ist uneben und er rutscht, sich brummend darüber beschwerend, hin und her. In seinen Träumen ist er unter Wasser und während er versucht, nicht zu hyperventilieren, schwimmt der bullige Hai nahe genug an ihn heran, um seinen Arm zu rammen und davon zu schleudern. Still, still, still, leiert er herunter, bleib still, bleib am Leben.



Monica wollte ihn in ein Krankenhaus zum Untersuchen bringen, aber er weigerte sich. Er hatte nur Quetschungen, keine Brüche. Sie einigten sich auf ein Motel, wo er sich waschen und eine Weile schlafen konnte, bevor sie alle nach D.C. flogen.



„Alle?“, fragte er.



„Dana ist hier“, Monica sieht ihn unverwandt an, als würde sie erwarten, dass er zurückschreckt.



„Oh“, ist alles, was er sagt. Aber er lässt sich das Wort durch den Kopf gehen. Dana... kennt er eine Dana?



In seinen Träumen liegt die Rothaarige schlafend in seinen Armen. Ihr Körper ist wie ein Schmelzofen. Sie streichelt seine Beine in ihrem Schlaf und er summt ihr ein halbvergessenes Wiegenlied.



Das holpernde Fahrzeug weckt ihn vollständig und er blinzelt zum Fenster hinaus, zum vorbeiziehenden Freeway. Dana wartet auf ihn in San Antonio – noch weiteren 68 Meilen, laut dem Straßenschild, das sie passieren. Er leckt über seine Lippen und flüstert: „Dana“, um den Namen auszuprobieren.



Monica dreht sich vom Vordersitz aus zu ihm um und lächelt ihn an. Er lächelt zurück und zieht dann eine Grimasse, als seine trockenen Lippen aufplatzen. Er leckt wieder über sie und schmeckt Blut, warm und kupferig.



„Walter“, sagt Monica weich, „halt an der nächsten Tankstelle, bitte. John braucht etwas zu trinken.“



„Es geht mir gut“, protestiert er.



Aber der Fahrer nickt. „Da gibt es Abfahrt.“ Und er betätigt den Blinker.



Walter ... Skinner. Ja. Es ist als könne er die Stücke Erinnerungen vor seinem Auge einfangen. Freund, Vorgesetzter, Verbündeter. Okay.



Er schließt wieder seine Augen.



***



Monica hält sich noch etwas im Motelzimmer auf und macht unnötigen Wirbel um die Gardinen. Er sitzt auf der Bettkante, während er sie beobachtet. Die halb getrunkene Wasserflasche ist locker in seinen Fingern.

„Sie könnten innere Verletzungen haben, das wissen Sie“, sagt sie und dreht sich plötzlich zu ihm, um ihn anzusehen.



„Es geht mir gut. Ich bin müde. Ich bin schmutzig. Aber es geht mir gut.“



„Ich werde Dana herschicken, um nach Ihnen zu sehen“, seufzt sie. Ihre Schultern sinken und er will sie umarmen und ihr sagen, dass sie jetzt nicht im Dienst ist.



Er bewegt sich nicht. Die Puzzlestücke fallen auch um sie herum, aber er kann immer noch nicht das komplette Bild sehen. Das meiste davon ist geschwärzt von seinem Schmerz über Luke.



Gott. Luke.



Er schließt seine Augen und lässt seinen Kopf hinab sinken und augenblicklich ist Monicas kühle Hand auf seiner Schulter. „John?“



Er flüstert: „Ich bin so müde. Ich will nur schlafen.“



„Ich schicke Dana her. Sie werden auf sie hören, nicht wahr? Sagen Sie mir, das Sie das tun werden, was sie sagt.“



Er nickt, ohne aufzublicken. Monica wartet einen Herzschlag ab, drückt seine Schulter und verlässt den Raum.



Als er das Schließen der Tür hört, lässt er sich auf das Bett zurückfallen und starrt die Decke an. Monica hat ihre Hoffnung in Dana gelegt und für den Augenblick muss er das auch so machen. Sie würde das heilen, was mit seinem Körper falsch ist, aber er denkt nicht, dass irgendetwas seinen Geist beruhigen kann.



Er würde lieber schlafen. Er würde lieber träumen.



Nach ein paar Minuten hört er ein sanftes Klopfen an der Tür. „John?“



Er zwingt sich aufzustehen und die Tür zu öffnen, bereit ihr zu sagen, ihn verdammt noch mal allein und ihn schlafen zu lassen, aber die wütenden Worte sterben auf seinen Lippen. Bilder schlagen vor seinem Auge zusammen: die Wüstensonne, blindmachender Schmerz in seiner Brust, Wasser schließt sich über seinem Kopf, Schnee in einem neu ausgehobenen Grab, eine verschwommene graue Fotografie gegen ein helles Brett, Blut auf ihrer Porzellanhaut.



„H—h“, er schluckt.



„Monica sagte, Ihnen geht es schlecht, aber mein Gott.“ Sie legt einen Arm um ihn und führt ihn zurück ins Zimmer, zurück ins Bett. Es ist, als ob eine Maus eine Bulldogge führt. „John, lassen Sie mich Sie ins Krankenhaus bringen.“



„Ich brauche kein Krankenhaus.“ Er lässt sich von ihr auf das Bett setzen, lässt ihre Finger über ihn streichen, während sie ihn vorsichtig untersucht und beruhigt. „Ich brauche nur jede Menge Gesundheitsschlaf.“ Er murrt, als ihre Finger einen empfindlichen Bereich an seiner Seite drücken und sie runzelt die Stirn.



„Sind Sie dort geschlagen worden? Oder getreten?“



„Getreten.“



„Sie könnten einen Nierenschaden haben. Hatten Sie Blut in Ihrem Urin?“



„Nein“, er hebt seinen Kopf, um sie wieder anzusehen. Sie ist wie in die Sonne starren – so glänzend, so wunderschön. Er denkt, alle Dinge sind weise und wundervoll, und lächelt.



Sie hat eine kleine schwarze Arzttasche, die sie öffnet und aus der sie eine kleine Taschenlampe herausholt. Mit dem Strahl leuchtet sie ihm in die Augen. „Wissen Sie, welches Jahr wir haben?“



„2002“, rät er.



„Das stimmt. Also“, sie seufzt, steht wieder auf und steckt die Taschenlampe weg, „Ihre Augen weiten sich normal.“



„Ist das gut?“



„Ja“, sie setzt sich neben ihn und nimmt seine Hand in ihre. „John, ich kann Sie nicht zwingen in ein Krankenhaus zu gehen. Obwohl ich sogar denke, dass eine Überwachung über Nacht für Sie das Beste wäre. Aber wenn Sie wollen, dass ich bei Ihnen bleibe, werde ich das tun. Wir werden – wir werden mit allem zurrecht kommen, was kommen mag.“



Sie schüttelt sich ein wenig. Er presst seine freie Hand gegen ihre. „Ja.“



„Okay. Gut. Okay.“ Sie sieht erleichtert aus. „Ich werde Ihnen ein Bad einlassen. Sie werden sich nach einem Bad besser fühlen. Und ich werde etwas vom Zimmerservice bestellen. Auf was hätten Sie Appetit?“

Sie berührt die Seite seines Gesichts. „Nichts, das viel Kauen verlangt, würde ich sagen.“



„Sie wählen.“



„Sie vertrauen mir so sehr?“, ihre Mundwinkel beginnen zu grinsen.



„Ich vertraue Ihnen in allen Dingen.“



Das Grinsen verschwindet und sie berührt wieder sein Gesicht. Sie sieht so aus, als würde sie etwas sagen wollen, aber stattdessen lächelt sie nur sanft und steht auf, um ins Badezimmer zu gehen.



„Dana?“



Sie hält inne beim Klang seiner Stimme. „Ja?“ Sie dreht sich, ihre Hand am Türrahmen.



„Dana, haben Sie meinen Sohn gekannt?“



Ihre Lippen zittern, sie geht zu ihm zurück und kniet sich vor seinen Füßen hin. Sie legt ihre Hände auf seine Knie. Seine Jeans sind klumpig von Schmutz und Schweiß.

„Ich habe Ihren Sohn nie getroffen“, sagt sie leise. „Möchten Sie mir von ihm erzählen?“



„Ich erinnere mich…“, er dreht seinen Finger in eine ihrer Haarlocken. Sie runzelt die Augenbrauen, aber bewegt sich nicht weg. „Seine Augen. Ich erinnere mich an seine Augen. Und... ich erinnere mich wie er als Baby roch. Ich erinnere mich, dass er lachte, wenn ich ihn unter dem Kinn kitzelte. Ich erinnere mich, ihm beigebracht zu haben, Fahrrad zu fahren.“ Eine feste, unsichtbare Faust zerquetscht seine Brust. „Ich erinnere mich an seinen Körper ... auf einem Feld...“



„John“, beginnt sie, versuchend ihn zu trösten.



„Es ist so. Alles davon. Es ist so. Ich erinnere mich an seinen Körper auf einem Feld.“ Seine Augen sind feucht. Er zieht seinen Finger aus ihrem Haar, aus Angst er würde zu hart ziehen. Ihre Hände greifen wieder nach seinen, stark und fest.

„Ich war wütend. Ich gab jedem die Schuld. Monica, weil sie ihn nicht früh genug fand. Meiner Frau, weil sie ihn aus den Augen ließ. Mir. Ich gab mir die Schuld, Dana. Am meisten von allen, gab ich mir die Schuld.“



Die Wörter kommen jetzt wie ein Wasserfall, unaufhaltsam. „Ich meine, ich war sein Dad. Ich war der Polizist, ich war der Soldat, ich war derjenige, der böse Jungs ins Gefängnis und verlorene Kinder nach Hause brachte, warum konnte ich meinen Jungen nicht finden? Meinen eigenen Jungen. Wenn ich jemals irgendwen nach Hause hätte bringen müssen, hätte es er sein müssen. Meinen Jungen. Meinen guten Jungen. Meinen wunderschönen Jungen. Ich war der Held meines Jungen und ich habe ihn im Stich gelassen.“



„Sie sind immer noch ein Held, John.“



Ihr Gesicht ist ernst, nicht im Geringsten über ihn lustig machend. Er fährt mit seinem Daumen über ihre Hand.



Dana spricht mit gesenkter Stimme: „Sie sind immer noch *mein* Held, John.“



Er kann nichts sagen. Das Zusammengezogene in seiner Brust wandert in seinen Hals und blockiert seine Stimme. Er nimmt ihr Gesicht in seine Hände und streicht über ihre Wange. Katzenhaft bewegt sie ihr Kinn gegen seine Hand.



Im selben Moment steht sie auf. „Bad“, murmelt sie. Sie streicht mit ihrer Hand über ihr Gesicht und geht ins Badezimmer.





***



Das Badezimmer ist voll Dampf und vielen Echos.

„Brauchen Sie Hilfe?“, fragt ihn Dana, aber er starrt nur auf das Wasser. In seinem Kopf ist er vier Jahre alt und wird in den Drake’s Pond von vier älteren, größeren Händen gehalten. Deren Besitzer lachten nur, als er mit den Armen fuchtelt, hilflos und wild.



„Dad kam“, sagt er.



„Was?“ Sie streichelt seinen Arm.



„Sie hielten mich unter Wasser – einige ältere Kids, schäbige Jungs, aber dann kam Dad und er zog mich weg. Er brüllte sie an. ‚Er ist nur ein Kind. Das ist nicht lustig. Ihr hättet ihn töten können.’“

Er kann sich an den Duft seines Vaters erinnern: den Tabak, das Schmierfett, das Gras und der Lehmboden. „Mein Vater war stärker als das Leben.“



„Väter erscheinen immer auf diese Art, wenn man ein Kind ist.“



„Er starb als ich 13 war. Herzinfarkt. Es hörte einfach auf.“



Dana streichelt weiterhin seinen Arm und sagt für eine Weile nichts, bis schließlich: „Lassen Sie mich Ihnen beim Ausziehen Ihres Hemdes helfen. Es wird wahrscheinlich wehtun, Ihren Arm zu heben.“



Er nickt.



Ihre Finger sind flink, öffnen die Knöpfe an seinem Hemd und ziehen dann vorsichtig sein Unterhemd über seine Brust und über seinen Kopf. Sie murmelt Entschuldigungen, als er aus Schmerz zu Jammern beginnt. Er erwartet, dass sie weitermacht, ihn komplett auszieht, aber sie hält inne und tritt zurück.



„Ich denke, Sie können mit dem Rest umgehen.“



Er nimmt ihr Gesicht in seine Hände. Er streichelt ihre untere Lippen mit seinem Daumen. „Bitte, bleiben Sie.“



Ihre strahlend blauen Augen treffen seine. Sie beißt sich auf ihre Lippe. „John, ich…“



Seine Träume vergaßen die Details, bemerkt er, als er sie küsst. Das Weiche ihrer Lippen, die Süße ihres Atems, das kleine Wimmern in ihrem Hals und der Griff ihrer Finger in seinen Haaren. Ihre Lippen teilen sich beim ersten Berühren mit seiner Zunge und sie stöhnt, eine Hand in seinem Haar und die andere an seinem Mund, als er sie küsst und küsst und küsst.



„Bleib ein Weilchen“, flüstert er wieder. Er stupst seine Lippen gegen ihr Kinn. „Du machst alles so klar, Dana.“



„Mach ich das?“



„Yeah. Du stellst es in den Mittelpunkt.“ Seine Lippen folgen ihren Wangenknochen. Seine Hand bewegt sich hinunter zu ihrem Nacken, streicht ihr Schlüsselbein, gleitet dann an ihre seidene Bluse, um die Knöpfe zu finden. Ihr Nacken schmeckt leicht und süß, wie der Sommer.



Gerade als er den ersten Knopf öffnen will, fasst sie seine Hand. „John. Stopp.“



„Ich bin okay. Mach dir keine Sorgen um mich.”



„John!“



Bei ihrem scharfen Ton sieht er auf, um ihren erstarrten Mund und die roten Flecken auf ihrer Wange zu sehen. Sie sagt weit freundlicher: „John. Ich bin mir nicht sicher, an was du dich erinnerst, aber was immer es auch ist...“



Die Tiefe seines Missgeschicks überkommt ihn auf einmal. Er hat das dringende Verlangen seine Arme zu kreuzen und seine nackte Brust zu bedecken. „Oh“, sagt er, „ich ... Entschuldigung.“



Dana nickt nur, rennt beinahe aus dem Badezimmer und knallt fast die Tür zu in ihrer Hast. Er kann ihr nicht die Schuld geben. Wenn jemand auf diese Weise auf ihn zugegangen wäre, hätte er auch schnell verschwinden wollen.

Einen Moment lang steht er nur da, seine Augen geschlossen, der Körper brennend vor Verlegenheit und dann streift er den Rest seiner Kleider hinunter und steigt in die Wanne.
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