World of X

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Savoir Vivre

von Foxy

Kapitel 2

Am nächsten Morgen wurde Scully durch das lauter werdende Schnattern und Zirpen der Zikaden im besagtem Baum geweckt. Ein einzelner Sonnenstrahl fiel durch die Vorhänge und kitzelte sie an der Nase. Müde blinzelte sie und warf einen Blick auf ihre Armbanduhr, die auf dem Nachttisch lag. Es war 8:55 Uhr. Scully setzte sich im Bett auf, steckte ihre müden Knochen, gähnte herzhaft und rieb sich den Schlaf aus den Augen. Dann schwang sie beide Beine gleichzeitig aus dem Bett und ging zum Balkonfenster. Mit Schwung riß sie die Vorhänge auseinander und helles Sonnenlicht durchflutete den Raum.

Draußen war es bereits angenehm warm und Scully war froh, daß das Hotel klimatisiert war. Sie blieb eine Weile am Fenster stehen und starrte auf’s Meer hinaus. Was würde der Tag wohl bringen? Eines war klar, da sie mit Mulder unterwegs war, würde es unter Garantie nicht langweilig werden. Sie lächelte in sich hinein und zog sich dann ihr Nachthemd über den Kopf und ließ es achtlos auf den Boden fallen. Schließlich stieg sie unter die Dusche. Als das angenehm warme Wasser auf ihre Brüste prasselte und sie das Gesicht in den Strahl hielt schlich sich ein Gedanke in ihren Kopf, der ein Zittern über ihre Haut schickte. Sie sah Mulders Hände, die ihre Brüste bedeckten. Seine Daumen massierten leicht ihre harten Brustwarzen und unbewußt stöhnte Scully. Kaum daß sich der Gedanke in ihrem Kopf geformt hatte, meinte sie seine Berührungen zu spüren. Seine warmen Hände, die jeden Zentimeter ihrer heißen Haut erkundeten und sie dort in Flammen setzten, wo sie sie berührt hatten. Eine weitere Sekunde ließ sie diese Gefühle zu, dann schlug sie erschrocken die Augen auf. Wie konnte sie nur so denken? Wieso hatte sie plötzlich diese intensiven und so furchtbar realen Gefühle? Es mußte an der ungezwungenen Atmosphäre des gestrigen Abends liegen. Noch nie hatte sie sich in Mulders Gegenwart so unbefangen gefühlt. Sie war sich nicht sicher, ob es gut war oder schlecht. Mit einem leisen Seufzen drehte sie den Wasserhahn auf kalt und kühlte sich ein wenig ab. Sie mußte sich beeilen, wenn sie noch etwas essen wollte bevor Mulder kam.

Sie verbrachte noch einige Zeit damit, das Passende zum Anziehen zu suchen bevor sie sich auf den Weg in den Speisesaal machte. Schließlich entschied sie sich für ein knapp knielanges, weißes Leinenkleid mit hellblauen Blumen darauf und dünnen Spagettiträgern. Sie steckte sich die Haare mit einigen Spangen hoch, schminkte sich ein wenig, schlüpfte in ihre weißen Sandalen, schnappte sich Sonnenbrille und Handtasche und machte sich auf den Weg in den Speisesaal. Nach einem kurzen Frühstück bestehend aus einem Croissant und einem Café au Lait stand sie pünktlich um 9:55 Uhr in der Lobby und sah sich einige Prospekte des Hotels an, als Mulder wenig später auftauchte.

Sie lächelte, als sie ihn sah. Er trug eine abgeschnittene Jeansshorts die über den Knien ausgefranst war. Darunter wurden muskulöse, braune, behaarte Männerbeine sichtbar. Seine Füße steckten sockenlos in offenen Turnschuhen. Das T-Shirt trug das Wappen der Universität von Oxford. Er hatte sich eine New York Nicks-Kappe aufgesetzt. Als er Scully erblickte lächelte er fröhlich und winkte ihr zu, nach draußen zu kommen.

„Guten Morgen schöne Frau!“, sagte er gutgelaunt.

„Hallo Mulder. Gut Geschlafen?“, fragte sie und sah zu ihm auf.

„Danke, sehr gut! Sollen wir?“ Sie setzten sich in Bewegung.

„Wollen sie mich damit beeindrucken?“ Sie wies auf sein T-Shirt.

Mulder sah sie an, „Habe ich das denn nötig?“, fragte er unschuldig und mit einem weichen Unterton in der Stimme, der Scully einen Schauer über den Rücken jagte. Sie sah wieder zu ihm auf, aber sie konnte den Ausdruck in seinen Augen nicht sehen, da sie hinter einer Sonnenbrille verborgen waren. Er lächelte geheimnisvoll.

Als sie bei der Vermittlung angekommen waren verliebte sich Mulder auf Anhieb in einen feuerroten Peugeot 206 und war nicht mehr davon abzubringen, diesen Wagen zu nehmen. Scully zuckte gleichgültig mit den Achseln, ihr war es egal, welches Auto sie nahmen, solange es eine Klimaanlage besaß, die funktionierte. Außerdem wußte sie, wie sinnlos es war, mit Mulder über Dinge zu diskutieren, die für ihn schon längst beschlossene Sache waren. Nachdem sie alle Formalitäten geklärt hatten, ließ sich Mulder wie selbstverständlich auf den Fahrersitz fallen. Wieder resignierte Scully und ließ sich auf dem Beifahrersitz nieder.

„Wieso gehen sie eigentlich davon aus, daß ich nicht auch mal fahren möchte?“, fragte sie ein wenig ungehalten und kramte in ihrer Handtasche nach der Tube Sonnencreme, die sie mitgenommen hatte. Plötzlich bemerkte sie, daß Mulder ihr nicht antwortete.

„Mulder?“, fragte sie, „ ist was?“

Doch Mulder antwortete noch immer nicht. Er starrte völlig entgeistert auf die Gangschaltung rechts neben sich. Er nahm seine Sonnenbrille ab und sah Scully bestürzt an.

„Ich hatte total vergessen, daß hier mit Schaltgetriebe gefahren wird.“

Scully nickte ernst, „Ja, hier ist Autofahren noch echte Knochenarbeit!“

„Zu meiner Schande muß ich gestehen, daß ich seit der Fahrschule keinen Wagen mehr mit Kupplung gefahren bin. Und damals auch nur eine Stunde lang.“, gab er kleinlaut zu.

Scully mußte grinsen, „ Sollen wir einen Automatikwagen nehmen?“

„Nein!“, sagte Mulder entschlossen und reckte das Kinn, „ so schwer kann es nicht sein. Sehen wir es als neue Herausforderung an.“

„Oh Gott!“, stöhnte Scully und hielt sich hastig an Sitz und Türgriff fest.

„Keine Angst Scully, ich tue ihnen nichts.“

„Da wäre ich mir aber nicht so sicher!“

„Mal sehen....“ Mulder steckte den Schlüssel ins Zündschloß, drehte ihn und der Motor erwachte brummend zu leben.

„Wie war das noch mal?“, fragte er mehr zu sich selbst und biß sich nachdenklich auf die Unterlippe.

„Also, mein Fahrlehrer hat damals gesagt ‚Kupplung langsam kommen lassen und vorsichtig Gas geben‘ !“, sagte Scully.

Mulder befolgte ihren Rat, doch sobald er die Bremse losließ, rollte der Wagen nach vorne. Hastig trat er das Pedal wieder durch.

„Wie machen die das?“, fluchte er und versetzte dem Lenkrad einen Stoß mit der Faust, „ Haben die hier in Europa drei Füße?“

„Sie müssen erst den Schleifpunkt suchen und dann Gas geben.“, sagte Scully und bemühte sich nach Kräften, sich ihre Belustigung nicht anmerken zu lassen.

"Wenn sie es so gut wissen, machen sie es doch selber, Agent Scully!", schnappte Mulder. Schweißperlen glitzerten auf seiner Stirn.

"Danke,", wehrte Scully ab, " kein Bedarf!"

Mulder versuchte es ein weiteres Mal und jetzt setzte sich der Wagen in Bewegung. Zu Beginn zwar etwas holprig aber Mulder lernte schnell.

"Sie machen das richtig gut.", lobte ihn Scully.

"Danke!"

"Wohin fahren wir?", wollte Scully nach einer Weile wissen.

"Ich habe eine besonders schöne Strecke gefunden, sie führt an den Klippen entlang. Man muß eine wundervolle Aussicht haben."

"Klingt toll."

"Das ist es auch."

"Na dann mal los!", sagte Scully.

"Nichts lieber als das!", erwiderte er und trat das Gaspedal durch.



Mulder hatte nicht zuviel versprochen. Die Küstenstraße war wirklich atemberaubend. Enge Kurven schlängelten sich durch die Berge, zu Scullys Rechter immer der Ozean. Überall gab es Parkplätze und sie ließen keinen aus, um sich die schöne Landschaft anzusehen. Ein Aussichtspunkt war besonders schön. Die Klippen fielen hier senkrecht ins Wasser ab und sie legten sich flach auf den Bauch, um besser über die Kante sehen zu können.. Das Panorama das sich ihnen bot war wirklich atemberaubend. Tief unten lag die Bucht ihres Urlaubsortes. Die weißen Strände fielen seicht in das smaragtgrün leuchtende Wasser ab und das Meer war endlos bis zum Horizont, wo der tiefblaue und wolkenlose Sommerhimmel hineintauchte. Ein einzelnes Motorboot flitzte über die makellose Wasseroberfläche und zog eine Linie weißschäumenden Bugwassers hinter sich her.

"Sehen sie Scully, dort!" Mulder wies mit seinem Zeigefinger nach unten auf einen Schwarm Fische, die man deutlich im glasklaren Wasser erkennen konnte.

Scully folgte seinem Finger und spürte, wie seine rechte Hand sich auf ihren unteren Rücken legte. Er spreizte die Finger und ließ seinen Daumen sanft über den weichen Stoff kreisen, doch für Scully war es, als wäre dort kein Kleid zwischen ihnen und sie spürte sie Hitze seiner Hand deutlich durch die dünne Baumwolle. Ein Prickeln breitete sich von dem kleinen Fleck Haut aus und überflutete ihre Haut. Sie spürte, wie sich die Millionen winziger Muskeln unter ihrer Haut anspannten und sich eine Gänsehaut überall dort bildete, wo bloße Haut war. Sie betet inständig, das er es nicht bemerken würde, doch Mulder schien viel zu fasziniert von der Aussicht zu sein, die sich ihm bot.



Sie kamen an diesem Tag zwar nicht bis Monaco, aber dennoch sahen sie viel von der Gegend und genossen das ungewohnt lockere Zusammensein fernab der FBI-Regeln in vollen Zügen.

Auf dem Rückweg bestand Scully darauf auch einmal zu fahren. Mulder überließ ihr mit einem heimtückischen Grinsen den Platz hinter dem Lenkrad. Als sie jedoch mühelos mit Kupplung und Gangschaltung zurechtkam, fiel ihm die Kinnlade herunter. Scully konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen.

Sie sprachen nicht viel auf der Fahrt und so dauerte es nicht lange, und Mulder starrte in Gedanken versunken aus dem Fenster.

Sie hatten den ganzen Tag so unbefangen mit einander herumgealbert, daß er gar nicht mehr wußte, wie es vorher gewesen war. Ihre Beziehung hatte sich in diesen wenigen Stunden, die sie miteinander verbracht hatten verändert und Mulder konnte nicht einmal genau sagen, was sich so sehr verändert hatte, daß ihm beim bloßen Gedanken an Scully ein Kribbeln in der Magengegend aufbrandete, das nur langsam wieder verebbte und von dem er nicht gewußt hatte, daß er überhaupt noch dazu fähig war so etwas zu empfinden. Vor langer Zeit hatte er sich einmal gefragt, ob er je wieder verliebt sein würde. Nicht in dem Sinn, nach sexueller Befriedigung zu suchen, nein wirklich verliebt zu sein mit Schmetterlingen im Bauch, dem Gefühl auf Wolken zu schweben und sich immer in der Nähe desjenigen aufhalten zu wollen, in den man verliebt war.

Und plötzlich wurde er sich bewußt, daß er diese Gefühle schon seit einigen Jahren für seine Partnerin hatte. Geschickt verborgen tief in seinem Innern und immer wieder geleugnet aus Angst sie zu verletzen oder verletzlich zu sein. Nur in einer Sache war er sich nicht sicher. Fühlte sie genauso wie er? Gab es denn überhaupt eine Möglichkeit das herauszufinden?

"Mulder?"

Scullys Stimme riß ihn aus seinen Gedanken und er fuhr erschreckt zusammen. Auf eine seltsame Art und Weise fühlte er sich ertappt.

"Entschuldigung, ich wollte sie nicht erschrecken!" Sie reichte zu ihm hinüber und legte ihm eine Hand auf den Oberschenkel. Eine Berührung so harmlos, aber für Mulder reduzierte sich die Welt in dieser Sekunde nur auf diese wenigen Zentimeter seiner Haut, die auf einmal zu brennen schien. Viel zu schnell nahm sie ihre Hand wieder fort.

"Schon gut,", beeilte er sich zu sagen," Was gibt's denn?"

"Die Standartfrage!"

"Hm?“, fragte Mulder, er verstand sie nicht.

Scullys Stimme klang tief und verführerisch als sie antwortete: "Zu ihnen oder zu mir?"

Auf Mulders Gesicht machte sich ein Lächeln breit, "ich würde sie ja wirklich gerne in mein bescheidenes Heim einladen, aber ich befürchte, daß ich nichts zu essen da habe!" entschuldigend hob er die Hände in einer Geste die zeigen sollte, daß das nicht in seiner Macht stand.

"Dann gehen wir also Essen." sagte Scully und bog nach links in eine der vielen kleinen Straßen ein, " ich muß aber eben noch mal kurz ins Hotel. Sonst bringen mich diese Schuhe noch um." Sie verzog gequält das Gesicht und hob den freien linken Fuß. Dadurch rutschte ihr Kleid hoch und entblößte ihren Oberschenkel. Sie schien es nicht zu bemerken, doch Mulder mußte einfach hinsehen. Noch nie hatte er einen so perfekt geformten Schenkel gesehen. Goldbraun von der täglichen Sonneneinstrahlung. Die Haut schimmerte seidig weich und er konnte sich nur mit Mühe und Not davon zurückhalten hinüber zugreifen und seine Handfläche darüber gleiten zu lassen. Er wollte diese makellose Haut berühren. Wollte sie streicheln und verwöhnen. In Gedanken ließ er seine Hand über die Innenseite ihres Oberschenkels gleiten und genoß die samtige Weiche ihrer Haut....

In diesem Moment bog Scully schwungvoll in eine Parklücke vor dem Hotel ein. Als der Wagen stand wandte sie sich zu Mulder um:

"Wollen sie mitkommen?", fragte sie.

Er zögerte einen Moment, dann nickte er freundlich:

"Gerne."

In der Lobby ging Scully zur Rezeption und holte ihren Schlüssel Gemeinsam gingen sie die Teppich belegten Stufen hinauf und an den hölzernen Zimmertüren vorbei. Vor der Tür mit der Nummer 42 blieb Scully stehen und schob den Schlüssel ins Schloß.

"Hey!", sagte Mulder überrascht, " Mein Apartment in D.C. hat die selbe Nummer."

"Ich weiß!", antwortete Scully lächelnd, " Vielleicht ist das ja ein Zeichen."

Sie traten ein.

"Meinen sie, eine höhere Macht hat uns hier zusammengeführt?", fragte Mulder und in seinen Augen war diese typische Leuchten, daß nur bedeuten konnte, daß Ärger im Anmarsch war.

"Klar!", kommentierte sie, warf ihre Handtasche auf's Bett und schlüpfte rasch aus ihren Schuhen, "Das haben mit Sicherheit die kleinen grünen Männchen eingefädelt."

Mulder schloß die Tür hinter sich und sah sich im Zimmer um:

"Sie wissen genau, daß die nicht grün sind.", sagte er gekränkt, " haben sie denn noch nie Star Trek gesehen? Die meisten von denen sind grau oder blau oder haben Gesichter wie ALF." Er schnitt eine Grimasse.

Scully lachte und ließ sich rücklings auf's Bett fallen. Es hatte zu köstlich ausgesehen. Als sie sich wieder aufsetzte war Mulder verschwunden.

"Mulder?", rief sie.

"Ich bin im Bad.", kam die undeutliche Antwort.

"Worauf haben sie Appetit?", wollte Scully wissen und suchte in ihrem Schrank nach den geeigneten Schuhen. Die Badezimmertür öffnete sich mit einem Quietschen. Scully wandte sich herum, er hatte anscheinend seinen Kopf unter Wasser gehalten, denn seine kurzen braunen Haare waren beinahe schwarz und glänzten feucht.

"Ist der Wasserhahn explodiert?", fragte sie und zog die Augenbrauen hoch.

Mulder lachte, "Der Vorteil an kurzen Haaren ist, daß man jederzeit den Kopf unter den Wasserhahn halten kann, wenn einem warm ist...." oder, um einen kühlen Kopf bewahren zu können, fügte er in Gedanken hinzu.

"Klingt logisch." Scully nickte.

"Wollen wir?" Er ging zur Tür und hielt sie auf.

"Sie haben mir immer noch nicht gesagt, wo wir hingehen sollen.", sagte sie beim Hinausgehen und spürte wieder seine Hand im Rücken, als er sie sanft aus der Tür schob.

"Warten sie's ab!", flüsterte er geheimnisvoll, so als dürfe es niemand hören.

Scully lief eine Gänsehaut über den Rücken, als sie seine weiche, tiefe Stimme hörte.

Sie verließen das Hotel und Mulder dirigierte sie an den mittlerweile wieder überfüllten Cafés und Bars vorbei, in denen sich wieder Familien um die besten Plätze stritten.

Sie bogen in eine enge Gasse ein und kaum hatten sie den Trubel hinter sich gelassen, senkte sich beruhigende Stille auf sie herab. Es dämmerte bereits und die untergehende Sonne warf glitzernde Reflexe auf die noch feuchte Straße, über die das Wasser der Straßenreinigung lief.

"Wo bringen sie mich denn hin?" wollte Scully neugierig wissen und späte in einen dunklen Hauseingang.

"Seien sie doch nicht so ungeduldig."

Sie gingen weitere fünf Minuten, als Mulder sie plötzlich am Arm festhielt und auf eine Einfahrt deutete. Der Gang dahinter war dunkel und an seinem Ende war undeutlich ein flackernder Lichtschein zu sehen. Sie gingen den Weg entlang und ihre Schritte knirschten auf dem unasphaltierten Boden. Der Durchgang endete und öffnete sich in einen weiten Hof. Vier Bäume standen auf dem Platz und kleine Tische waren locker um die Platanen herum gruppiert. Auf den Holztischen standen Kerzen und makellos sauberes Geschirr, das im Schein der Flammen glitzerte.

"Oh Mulder!", brachte sie hervor, "Das ist wunderschön."

Er beugte sich zu ihr hinunter und brachte seinen Mund nah an ihr Ohr heran, "Ich weiß, ich wollte, daß sie es sehen."

Als Scully ihm ihr Gesicht zu wandte waren ihre Nasen nur wenige Zentimeter von einander entfernt.

"Danke!", flüsterte sie ebenso leise.

Mulder führte sie zu einem Tisch. Es waren nur wenige Gäste im Lokal und das einzige Licht kam von den vielen Kerzen und aus dem Fenster der Küche. Er zog ihren Stuhl zurück, wartete, bis sie sich gesetzt hatte und ließ sich Scullych ihr gegenüber nieder.

"Wie haben sie das hier gefunden?", fragte sie und sah sich beeindruckt um.

"Tja, wenn man so einkaufsfaul ist wie ich, wird man irgendwann erfinderisch," Er zögerte einen Moment, bevor er fortfuhr, " aber alleine ist es hier nur halb so schön." Sein Gesicht wurde ernst und in seinen Augen lag ein Blick, den Scully nicht ganz zu deuten wußte. Doch er bohrte sich bis tief in ihr Innerstes und ließ ihr Herz schneller schlagen. In diesem Moment erschien ein Kellner und Scully war froh, seinem Blick nicht länger Stand halten zu müssen. Nachdem sie bestellt hatten musterte Mulder seine Partnerin forschend.

"Ich habe mich schon lange zurückgehalten, aber wenn ich nicht frage, platze ich womöglich."

Scully wölbte eine Braue.

"Woher können sie so gut Französisch und, was noch viel wichtiger ist, wo haben sie das Autofahren mit Kupplung gelernt?" Er beugte sich nach vorne und starrte ihr prüfend in die Augen.

Scully lächelte geheimnisvoll und beugte sich ihrerseits über den Tisch.

"Ist das ein offizielles FBI - Verhör?", fragte sie.

Mulder nickte ernst.

"Dann sage ich kein Wort ohne meinen Anwalt!", sagte Scully bestimmt.

"Im Ernst Scully! Wo haben sie das gelernt?" Seine Stimme war freundlich, aber sie hörte deutlich den ungeduldigen Unterton heraus.

"Mein Vater war ja bei der Marine,", setzte sie an und Mulder nickte gespannt, " als ich zwölf war, haben wir ein halbes Jahr in LeHavre auf einem Militärstützpunkt gelebt. Da lernt man Französisch, ob man will oder nicht."

"Und das Autofahren?", hakte Mulder nah.

"Meine Mutter fährt einen Wagen mit Schaltgetriebe." Sie schwieg als der Ober den Wein brachte und das Essen vor sie auf den Tisch stellte.

"Warum haben sie mir nie davon erzählt?", fragte Mulder und griff nach der Serviette.

Scully zuckte mit den Schultern, als sie ihnen Wein eingoß.

"Es hat sich keine passende Gelegenheit ergeben, außerdem sah ich keinen Grund."

Er sah sie erstaunt an.

"Und was war damals, als ihr Vater starb? Der Fall Luther Biggs?"

Scully hob den Blick von ihrem Teller mit überbackenen Muscheln und sah ihn offen an:

"Seien sie mal ehrlich Mulder. Haben wir jemals über private Dinge gesprochen, die nicht in direktem Zusammenhang mit einem Fall standen?"

Widerwillig schüttelte er den Kopf.

"Nein, das haben wir nicht." Er sah sie ebenso direkt an, und ein verklärter Ausdruck legte sich auf sein Gesicht.

"Aber was sollte uns daran hindern es jetzt zu tun?!"

Scully überlegte einen Augenblick, dann lächelte sie.

"Warum nicht."

"Fragen sie mich etwas.", forderte er sie auf, fischte einen Scampi von seinem Teller und öffnete ihn geschickt, " Ich bin ein offenes Buch."

"O.k. - lassen sie mich überlegen.... Ich weiß was: Was war ihr peinlichstes Erlebnis auf der High School?"

Mulder sah sie einen Moment schweigend an, dann verzog er angesichts der Erinnerung das Gesicht.

"Das war beim Frühlingsball in der 11. Klasse.", begann er, " Ich war nicht unbedingt der Mädchenschwarm der Schule, aber irgendwie hatte ich es geschafft Kate Harrison zu diesem Ball einzuladen und sie hatte sogar ja gesagt," Er schob sich eine Krabbe in den Mund, " ich war schon das ganze Schuljahr scharf auf sie gewesen und ging wie auf Wolken."

Scully grinste verständnisvoll, gespannt darauf, wie die Geschichte enden würde.

"Mein bester Freund damals, Brad Taylor, kam auf die glorreiche Idee, vor dem Ball noch eine Flasche Sekt zu köpfen, die er aus der Schnapsbar seines alten Herrn geklaut hatte. Naja, eine Flasche Sekt für vier Personen, Brads Freundin Maxim war auch dabei, ist ja nicht allzu viel. Dachte ich...." Er machte eine Pause und trank einen Schluck Weißwein, " Es war auch nicht zuviel. Gerade genug, um uns in die richtige Stimmung zu bringen. So gut, daß ich Kate sogar dazu bringen konnte, mich zu küssen. Mein erster richtiger Kuß wohlgemerkt. Allerdings war irgendeine Intelligenzbestie auf die Idee gekommen, Wodka in die Bowle zu kippen...." Wieder machte er eine Pause und sah Scully bedeutungsvoll an.

Scully verzog das Gesicht. Sie konnte ahnen, was nun folgte.

"Ich kann mich nur noch daran erinnern, daß mir ganz schrecklich schlecht wurde und ich mich übergeben mußte. Und alles auf Kates Kleid!"

"Uuhhhh....", kommentierte Scully seine Geschichte, " Hat Kate denn Scullych noch mit ihnen gesprochen?"

Er nickte, "Sie brachte mir die Rechnung der Reinigung und sagte, ich solle sie bezahlen. Das hat mich drei Monate meines Taschengeldes gekostete und den Rest des Schuljahrs war ich in der ganzen Schule bekannt als der kotzende Fox." Er zog eine Grimasse und Scully prustete los.

"Ich wußte gar nicht, daß sie so ein Draufgänger waren, Mulder."

"Und was ist mit ihnen?"

"Was wollen sie wissen?"

"Zum Beispiel der erste Kuß."

Scully musterte ihn und hatte das Gefühl, das diese Frage mehr bedeutete.

"Ich war 14. Tod war 17. Er hatte mich ins Kino eingeladen. Wir haben uns Gozillas Rückkehr angesehen. Den ganze Film über hat er meine Hand gehalten und irgendwann, als der Film besonders laut und unromantisch wurde, hat er mich geküßt."

"Und?"

"Was und?"

"Na, was haben sie gedacht?"

"Ist das naß!"

Diesmal war es Mulder, der Lachen mußte. Sie schwiegen eine Weile und widmeten sich ihrem Essen. Als sie fertig waren, lehnte Scully sich zurück und seufzte genüßlich.

"Es ist schon etwas anderes, Urlaub tausende von Meilen von Washington entfernt zu machen. Weit weg von Skinner und irgendwelchen Mutanten, und das störende Klingeln eines Handys.", sagte Scully.

"Sind sie sich sicher?" Mulder beugte sich zur Seite und fischte sein Telefon aus der Tasche seiner Jeans. Er schob es Scully über den Tisch zu.

"Oh nein, Mulder...." Scully starrte das kleine Gerät entgeistert an, " wenn das Ding auch nur einmal klingelt, bringe ich sie um!"

Fox lächelte:

"Seien sie froh, daß ich nicht meine Waffe mitgenommen habe."

"Sie sind schon irgendwie...." Sie hielt einen Moment inne und suchte nach dem richtigen Wort, dann lächelte sie, " 'Spooky'." Scully schüttelte den Kopf und Mulder grinste breit.

"Ich dachte, daß wüßten sie seit über fünf Jahren." Er schob das Telefon zurück in die Tasche, "Jetzt sagen sie bloß, daß sie ihres in D.C. gelassen haben."

"Nein,", gab sie zurück, " aber im Hotel!"

Den restlichen Abend verbrachten sie damit, sich weitere Dinge aus ihrer Schulzeit zu erzählen. Es wurde immer später und als Scully einen Blick auf ihre Uhr warf hob sie überrascht die Augenbrauen.

"Hey, es ist schon 1:30 Uhr."

"Sind sie müde?"

Scully dachte einen Moment nach, dann sah sie wieder auf die Uhr.

"Wenn man bedenkt, daß es in D.C. erst 17:00 Uhr ist - nein. Aber ich gebe zu, daß der Ausflug heute anstrengend war."

Wie auf Kommando gähnte Mulder hinter vorgehaltener Hand, " Sie haben recht, lassen sie uns gehen."

Sie beglichen die Rechnung und Scully konnte Mulder nur mit Müh und Not davon abhalten, alles zu bezahlen.

Als Scully aufstehen wollte, packte sie ein Schwindelgefühl und sie mußte sich kurz am Tisch festhalten. Sie kicherte leise, anscheinend hatten sie doch mehr Wein getrunken, als sie gedacht hatte. Sie spürte, wie Mulder nach ihrer Hand griff. Er zog sie sanft mit sich und Scully merkte, wie unsicher ihre Schritte waren.

Sie gingen durch den Hof und tauchten in den dunklen Gang ein. Mulder legte einen Arm um ihre Schultern, damit sie nicht stolperte. Scully ließ sich bereitwillig von ihm durch die dunklen Straßen zum Hafen führen. Irgendwann schlang sie einen Arm um seine Taille und schob ihre Hand in die Hosentasche an seinem Po. Ihr Körper schmiegte sich perfekt an seine Seite und er drückte sie ein wenig fester an sich. Sie so nah bei sich zu haben, war ein solch angenehmes Gefühl, daß er sich wünschte, der Weg zu ihrem Hotel würde niemals enden.

"Ich kann mich nicht daran erinnern, wann ich das letze Mal beschwippst war.", sagte sie und bemühte sich, geradeaus zu gehen.

Mulder lächelte, auch er spürte die Auswirkungen des langen Tages, der Wärme und des Alkohols doch er genoß es.

"Aber es fühlt sich gut an.", fügte Scully hinzu.

Sie bogen in die Straße ein, in der Scully Hotel lag. Die wenigen Laternen spendeten spärliches Licht und vor dem Hoteleingang blieben sie unter einer dieser Lampen stehen. Widerwillig löste sich Scully aus seiner Umarmung. Sie stand so nah vor ihm, daß sie den Kopf in den Nacken neigen mußte, um ihn ansehen zu können.

"Danke für diesen Tag.", sagte sie und blickte in seine beinahe schwarzen Augen, "Finden sie denn nach Hause?"

"Gestern habe ich es noch geschafft. So weit ist es nun auch wieder nicht." Er sah sie an. Das Licht der Straßenlaterne warf goldene Reflexe auf ihre Haare und ihre Augen funkelten sanft. Ihre Wangen waren von der Sonne und dem Wein gerötet und die Sommersprossen auf ihrer Nase und den Wangen waren noch dunkler geworden. Sie war wunderschön. Wieso hatte er noch nie bemerkt, wie bezaubernd sie war?

"Sollen wir morgen schwimmen gehen?", fragte sie.

"Das ist eine gute Idee! Ich kenne einen schönen Strand, wo auch nicht so viel los ist."

"Wetten, daß ich einen schöneren kenne?", sagte sie und ihre Augen blitzten geheimnisvoll auf.

"O.k." Mulder lächelte und konnte sich nur mit Mühe und Not von ihrem Blick losreißen," Dann hole ich sie morgen so um elf Uhr ab."

"Ich freue mich darauf." Scully trat noch näher an ihn heran, legte ihre Hände auf seine Oberarme und stellte sich auf die Zehenspitzen. Mulder legte seine Fingerspitzen auf ihre Taille und hielt sie fest. Am liebsten hätte er sie ganz nah an sich gezogen, ihre Körper aneinander gepresst, doch er konnte sich noch gerade eben zurück halten. Scully hauchte ihm einen Kuß auf jede Wange. Sie roch nach Sonnencreme und Sonne und die Berührung ihrer warmen Wangen verursachten bei Mulder ein Schwindelgefühl, daß nicht vom Wein kam.

Als er die Augen wieder öffnete, lächelte Scully:

"So verabschiedet man sich hier!", sagte sie leise, winkte noch einmal und verschwand in der Hotellobby.

Mulder blieb noch einen Moment unter der Laterne stehen und sah ihr nach. Sein Herz klopfte ihm bis zum Hals und er mußte tief Luft holen, um seine Fassung zurück zu gewinnen. Schließlich wandte er sich um und schlenderte zurück ins Dorf. Überall saßen die Menschen in den Bars, doch das Lachen, die Lichter und die Musik schienen wie aus weiter Ferne zu kommen. Mulder war in seiner eigenen Welt. Seine Gedanken drehten sich nur um Scully. Noch nie zuvor hatte er sich in dieser Art zu ihr hingezogen gefühlt. Wenn er sie ansah, schlug sein Herz Purzelbäume und in seinem Bauch flatterten dutzende von Schmetterlingen auf und ab. Er ließ sich Zeit mit dem Weg und grübelte die ganze Zeit über seine Gefühle. Als er an seinem kleinen Haus ankam, war er zu einem Entschluß gelangt. Er würde den Dingen ihren Lauf lassen. Vielleicht würde etwas passieren, vielleicht aber auch nicht. Sie waren im Urlaub.
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