World of X

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Savoir Vivre

von Foxy

Kapitel 1

Die Sonne warf bereits längere Schatten auf den steinigen Weg der Auffahrt und die trockene Hitze der Mittagszeit wandelte sich schon in eine angenehme, samtige Wärme, die man leicht aushalten konnte.

Als er ins Haus trat empfing ihn eine angenehme Kühle, die seine sonnengereizte Haut prickeln ließ. Schnell schlüpfte er aus seinen Jeansshorts, dem einzigen Kleidungsstück, daß er trug und stieg unter die Dusche.

Das kühle Wasser holte ihn von seinem Mittagsschlaf endgültig in die Wirklichkeit zurück. Er ließ es sich einige Minuten auf das Gesicht prasseln.

Nachdem er seine Haut von der schmierigen Schicht Sonnencreme befreit hatte, trocknete er sich ab und ging, nackt wie er war, ins Schlafzimmer, um sich frische Sachen zu holen.

Nachdenklich starrte er in seinen Koffer, der aufgeklappt vor ihm auf dem Bett lag. Schließlich entschied er sich für eine beige Baumwolljeans und ein leichtes Poloshirt. Er zog sich beides an und wollte zurück in die Küche gehen, als sein Blick auf das lederne Schulterpolster fiel, daß über der Lehne eines Stuhls hing. Die Smith & Wesson steckte noch darin. Einen Moment lang zögerte er, ob er die Waffe mitnehmen sollte, doch dann schüttelte er über sich selbst den Kopf und verließ den kleinen Raum.

Die kleine Küche war so eingerichtet, daß sie gerade das nötigste für zwei Wochen Urlaub barg. Sie bestand aus einem kurzen Gang, der auf der linken Seite nur durch eine Holzwand mit einer Durchreiche vom restlichen, ebenso kleinen Wohnzimmer, abgetrennt war.

Mulder öffnete den Kühlschrank und warf einen kritischen Blick hinein. Bis zum nächsten Tag würde das Essen reichen entschied er und ließ die Tür schwungvoll zuschnappen. Er schob ein paar Geldscheine in die eine und sein Handy in die andere Hosentasche, dann machte er sich auf den Weg in die Stadt.

Vor dem hellblau gestrichenen Eingangstor blieb er kurz stehen und blickte sich um.

Schließlich wandte er sich nach links. Es war egal, welchen Weg er wählte, er mußte so oder so die Berge wieder hinauf gehen, die er jetzt hinunter ging.

Als er vor einer Woche angekommen war, hatte er sich entschieden, keinen Mietwagen zu nehmen, sondern die Umgebung anders zu erkunden. Mittlerweile bereute er es ein wenig, da es hier sehr viele und vor allem sehr hohe Berge und Klippen gab. Doch da er sowieso die meiste Zeit vor seinem Haus im Schatten oder in der Sonne lag und las oder schlief, hätte er bis auf den Weg in die Stadt, gar keine Verwendung für einen Mietwagen gehabt. Vielleicht lieh er sich für die letzen zwei Tage einen Wagen, wenn er seinen Jed-Leg vollkommen überwunden hatte und nicht mehr die Hälfte des Tages verschlief. Die 1 1/2 Wochen, für die er das Haus gemietet hatte, würden auch so schnell genug herumgehen, da brauchte er nicht die meiste der Zeit auf Achse zu sein. Sein Job beim FBI war schon nervenaufreibend genug.

Der Gedanke an seinen Arbeitgeber und an seine Partnerin Scully Scully ließ ihn lächeln. Er konnte sie förmlich vor seinem inneren Auge sehen. Wie sie in einem dieser biederen Kostüme mit gekreuzten Beinen am Schreibtisch saß und Berichte in den Computer eintippte. Das blaue Licht des Monitors spiegelte sich auf ihren Brillengläsern wieder.

Wieder mußte er lächeln und hob den Blick zum wolkenlosen, tiefblauen Himmel und sog tief die würzige Luft in seine Lungen. Sie roch nach Pinien, warmer Erde und einer Vielzahl ihm unbekannter Gewürze, die rechts und links der Straße wuchsen. Ja, dachte er, hin und wieder war es gut, dem Kellerbüro zu entfliehen.

Scully tat ihm plötzlich leid. Als er am Freitag gegangen war, hatte sie ihm einen wehmütigen Blick zugeworfen und sich in dem Schreibtischstuhl zurückgelehnt. Vor ihr auf dem Tisch türmten sich hell-gelbe Aktenmappen, die alle beängstigend dick waren. Mulder bekam ein schlechtes Gewissen. Er hatte sich so schnell wie möglich aus dem Staub gemacht. Er konnte es nicht mit ansehen, wie Scully so da saß.

Mulder bog um eine Ecke und blieb wie angewurzelt stehen. Die Straße vor ihm fiel steil nach unten ab und zwischen den Häusern bot sich ihm eine atemberaubende Sicht auf den türkisblauen Ozean. Das Wasser war zwischen den schroffen Klippen eingebettet und glitzerte im Licht der spät nachmittäglichen Sonne wie ein Meer aus purem Gold.

Einen Moment verharrte Mulder noch und sog die Atmosphäre in sich auf. Es würde lange dauern, bis er einen solch atemberaubenden Anblick wieder zu Gesicht bekommen würde. Dachte er zumindest....

Langsam ging er weiter den Berg hinunter und durch die engen Straßen der kleinen Hafenstadt.

Am Hafen suchte er sich aus der Reihe der Bistros das aus, das am wenigsten Besucher zu haben schien. Das war jedoch keine leichte Aufgabe, da alle Bistros mit den bunten Markisen und Korbstühlen prall gefüllt waren mit Urlaubern. Interessiert stellte Mulder fest, daß die Touristen in diesem Teil der Welt weniger aufdringliche Kleidung trugen, als in den Vereinigten Staaten. Anscheinend hatte man hier in Europa doch ein besseres Gespür für Kleidungskultur.

Mulder schlenderte die Promenade entlang und hielt nach einem freien Tisch Ausschau. Schließlich bemerkte er eine Familie, die offensichtlich mit Essen fertig war und sich anschickte, das Café zu verlassen.

Schnell beeilte er sich, den Tisch zu ergattern, denn er war nicht der Einzige auf Tischsuche. Ein junges Pärchen hatte ebenfalls ein Auge darauf geworfen und stürzte los. Doch Mulder war schneller. Er fing den Blick seines Kontrahenten ab und schenkte ihm ein triumphierendes Lächeln auf das er prompt einen bitterbösen Blick erntete. Aber das störte ihn nicht. Das Leben ist halt nicht immer fair.

Eine Familie ging vorüber. Die Kinder, ein kleiner Junge von vielleicht zwölf Jahren und ein Mädchen, höchstens acht, stritten sich lautstark, um eine silberne Luftmatratze in Form eines Dinosauriers. Die Mutter zerrte einen übergewichtigen Cockerspaniel hinter sich her, der mit weit heraushängender Zunge japsend hinter ihr her trottete. Der Vater schien von dem ganzen Theater nichts mitzubekommen. Er hatte die Hände tief in den Taschen seiner Baumwollhose vergraben und schlenderte lächelnd neben seinen Nachkommen her.

Als der Ober an seinen Tisch kam, bestellte Mulder in holprigem Französisch ein Glas Pastis. Eine lokale Spezialität die er in der Zeit seines Aufenthaltes schätzen gelernt hatte. Er mochte den leicht scharfen Geschmack des Anisschnapses, den man mit Wasser verdünnte und der von einer bernsteinfarbenen zu einer milchig gelben Färbung wechselte.

Als der Drink kam nippte er daran und ließ seinen Blick weiterschweifen. Er sah eine dunkelhaarige Frau, die gerade lachend ihren Kopf zurückwarf. Interessiert musterte er sie. Sie war recht attraktiv, doch sowie sich dieser Gedanke in seinem Kopf formte, erschien ein junger Mann und küßte sie zur Begrüßung auf den Mund. Arm in Arm schlenderten sie davon und Mulder seufzte resignierend. Er hatte sich nicht unbedingt vorgenommen, jemanden zu treffen, aber wenn sich etwas ergab, würde er auch nicht nein sagen. Man hörte so viel von Urlaubsflirts, warum sollte er sich dann nicht auch einen gönnen. Er hatte seit beinahe sieben Jahren keine Beziehung gehabt und langsam war er es leid ohne Privat beziehungsweise Sexleben zu existieren. Gerade als die düsteren Gedanken drohten seine gute Laune zu vernichten, erregte etwas neues seine Aufmerksamkeit. Am Pier stand eine junge Frau. Das Gesicht von ihm abgewandt. Ihre Haare waren mit etlichen bunten Spangen am Hinterkopf hochgesteckt. Sie trug ein hautenges, hellblaues Oberteil und einen bunten Wickelrock, der ihr knapp bis über die Oberschenkel reichte und nur das nötigste ihrer schlanken Beine verbarg.

Ihre Füße steckten in offenen Leinenschuhe und um den rechten Knöchel trug sie ein Kettchen, daß im schwindenden Sonnenlicht glitzerte.

Mulder beobachtete sie eine Weile. Er musterte sie immer wieder, und je länger er sie ansah, desto mehr hatte er das Gefühl sie zu kennen. Wieder er die zierliche Gestalt und plötzlich wurden seine Augen weit. Er verschluckte sich beinahe an seinem Drink, als ihm bewußt wurde, wen er dort sah.

„Scully?“, murmelte er abwesend, wie zu sich selbst.

Natürlich, er konnte die kleine Narbe an ihrem Nacken erkennen, dort, wo der Chip eingesetzt worden war, der ihren Krebs besiegt hatte. Wie in Trance lehnte er sich nach vorne und erhob sich aus seinem Stuhl.

„Scully!?“, rief er in ihre Richtung, hoffend, daß sie ihn durch den Lärm der anderen Touristen hörte. Und wirklich. Sie drehte sich um. Mit den Augen suchte sie die Umgebung ab, wer sie gerufen haben könnte. Mulder konnte Überraschung in ihrem Gesicht sehen, aber auch Mißtrauen. Er lächelte. Das war Scully, aber er konnte es ihr nicht verübeln. Er hob einen Arm und winkte ihr zu. Immer noch sah sie sich suchend um, doch auf einmal hatte sie ihn entdeckt und ihre Augen weiteten sich vor Überraschung. Sie machte einen Schritt rückwärts und Mulder hatte Angst, daß sie ins Wasser fallen könnte. Doch sie blieb stehen, unfähig sich zu bewegen vor Verblüffung.

Schließlich kam sie zu ihm herüber.

„Mulder?“ Sie starrte ihn an, als habe sie einen Geist gesehen.

„Wie klein die Welt doch ist!“, staunte Mulder, als sie sich setzten.

„Was machen sie hier?“, fragte er, „Ich dachte, sie sitzen vor einem Berg Akten, die sie durchsehen müssen!“

„Ich bin halt schnell! Aber was machen sie hier? Sie wollte doch nach Florida!“ Sie konnte es noch immer nicht glauben.

„O.K.!“, gab er sich geschlagen, „Ich wollte einfach mal weg von den ganzen Aliens und Monstern!“

„Sind sie krank Mulder?“ Sie griff nach seiner Hand, so, als wolle sie seinen Puls prüfen. Langsam sackte die Überraschung und ließ nun zum ersten Mal einen aufmerksamen Blick über ihn gleiten.

„Ich bin auch nur ein Mensch!“, erwiderte er und zuckte mit den Achseln, ein Lächeln spielte um seine Lippen, als er sie ansah. Sie sah wirklich umwerfend aus. Ihre Haare reflektierten die letzten Sonnenstrahlen in allen nur erdenklichen Rotnuancen. Ihre Haut hatte eine golden braune Färbung angenommen und auf ihrem Gesicht hatten sich unzählige Sommersprossen ausgebreitet. Das Blau ihrer Augen strahlte frisch und klar, wie die Wellen des Meeres und funkelten vor Lebensfreude. Er hatte sie noch nie wirklich als Frau gesehen, sondern als Partner oder besten Freund. Doch hier und jetzt konnte er nicht umhin sie als das zu sehen, was sie ohne Zweifel war. Eine wunderschöne Frau, die ebenso wie er, weder Privat- noch Sexualleben hatte. Ihre Kleidung war alles andere als bieder oder konservativ. Anscheinend waren die Kleidungsvorschriften des FBI doch eher antiquiert. Und zum ersten Mal in den fünf Jahren, die sie sich nun kannten gestand er sich ein, daß Scully mehr für ihn war, als nur ein Partner oder Freund.

Scully ihrerseits betrachtete Mulder ebenso intensiv und kam zu dem Schluß, daß ihr Partner wohl der attraktivste Mann war, der ihr seit langem über den Weg gelaufen war. Er war sehr braun geworden und es stand ihm wirklich gut. In seinen von der Sonne ein wenig heller gewordenen Haaren steckte eine Sonnenbrille und als er lächelte schienen seine Zähne noch weißer zu sein als sonst. Unter dem aufgeknöpften Poloshirt sah sie die leicht gerötete Haut seiner Brust. Sie mußte grinsen:

„Wohl zu lange in der Sonne gewesen!“, sagte sie und deutete mit einem Finger auf seinen Ausschnitt. Mulders Blick folgte ihrer Geste und ein Grinsen breitete sich in seinem Gesicht aus:

„Tja, man will halt so schnell wie möglich braun werden. Aber jetzt erzählen sie, was machen sie hier?“

Er musterte sie neugierig aus seinen sanften grünblauen Augen, in denen kleine goldene Flecken schimmerten.

„Das selbe wie sie! Urlaub! Ich habe mich ganz spontan am Freitagabend entschlossen und habe mein Urlaubssparbuch geplündert.“ Sie wandte sich dem Kellner zu und bestellte in fehlerfreiem Französisch ein Glas Rosé. Mulder sah sie verblüfft an, sagte aber nichts. Sie schaffte es sogar nach all den Jahren ihn noch zu überraschen.

„Und was hat Skinner dazu gesagt?“, fragte er statt dessen, „Ich meine, normalerweise dauert ein Antrag auf Urlaub mindestens zwei Wochen.“

„....oder zwei Minuten.“, fügte sie hinzu, „Wenn man suspendiert wird.“ Sie nippte an dem Wein, den der Ober vor ihr auf den Tisch gestellt hatte.

Mulders Augen weiteten sich angstvoll und Scully konnte ihr Lachen nicht mehr zurückhalten:

„War ein Scherz, Mulder!“

Er ließ die angehaltene Luft zischend entweichen und warf ihr einen vernichtenden Blick zu.

„Tun sie das nie wieder!“, knurrte er, doch es klang nicht ernst. Wie hätte er ihr auch böse sein können, so wie sie im Moment lachte und ihre Haare zurückwarf. Er hatte Scully noch nie so fröhlich und unbeschwert gesehen, und es genoß es in vollen Zügen. Es kam viel zu selten vor, daß sie lachte und so sog er den Augenblick in sich auf und verwahrte ihn sich an einem Platz in seinem Herzen, den sie vor langer Zeit gestohlen hatte.

„Sie hätten ihr Gesicht sehen sollen,“ Scully kicherte noch immer, „zum Schießen!“ Sie holte tief Luft und riß sich zusammen. „`tschuldigung, ich konnte einfach nicht widerstehen. Aber mal im Ernst, ich glaube Skinner war ganz froh darüber, daß er uns beide mal eine Zeitlang los ist. Zumindest hat er ein sehr zufriedenes Gesicht gemacht, als ich ihn um 1 ½ Wochen Urlaub gebeten habe. Und ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube, einen Freudenschrei gehört zu haben, als ich das Büro verließ.“

Mulder grinste und sah Scully von der Seite an.

„Warum Südfrankreich?“, fragte er plötzlich und erntete einen überraschten Blick.

„Das selbe könnte ich sie fragen!“, erwiderte sie, dann zuckte sie mit den Schultern, „ Die Last-Minute Angebote in Dulles schätze ich. Als ich losgefahren bin wußte ich eigentlich nur, daß ich irgendwohin wollte, wo es viel Sonne und Meer gibt. Okay, ich hätte für das halbe Geld nach Florida fliegen können, aber da hätte ich ja sie treffen können!“ Ein Lächeln blitzte in ihren Augen auf.

„Tja, Pech gehabt!“, griente Mulder und verschränkte triumphierend die Hände hinter dem Kopf, „Ich war vor ihnen hier!“

„Kann man nichts machen!“, erwiderte sie. Langsam bekam sie Gefallen an diesem kleinen Spielchen.

„Und?“, fragte er weiter, „Hat es ihnen jetzt den Urlaub versaut, daß wir uns hier getroffen haben?“

„Ich weiß nicht. Kommt ganz auf sie an Mulder.“ Sie warf ihm einen herausfordernden Blick zu, „Schon irgendwelche Massenmörder in Sicht?“

Mulder schüttelte gespielt traurig den Kopf:

„Leider noch nicht.“ Dann blitzte in seinen Augen dieses Scully nur allzu bekannte Leuchten auf. „Aber jetzt, wo sie hier sind – wie wär’s mit einem nächtlichen Spaziergang über den städtischen Friedhof?!“ Seine Augenbrauen wippten auf und ab.

Scully hob abwehrend sie Hände:

„Ich gehe heute nacht nirgendwo hin, außer in mein Bett. Wir sind nicht in D.C. – wir sind noch nicht mal in den Vereinigten Staaten. Ich bezweifle, daß die hier so etwas wir Serienkiller oder leberfressende Mutanten überhaupt kennen.“

„Wo wohnen sie eigentlich?“, wollte Mulder wissen.

„In einem kleinen Hotel hier am Hafen.“ Sie deutete mit dem Daumen über die Schulter und Mulder sah ein Haus mit vielen Balkonen.

„Ist das abends nicht sehr laut?“, fragte er.

„Nicht nur abends!“, seufzte Scully, „Vor meinem Balkon steht eine Pinie und darauf hockt anscheinend die größte Zikadenfamilie Südfrankreichs!“

„Meinen sie?“, fragte er und sein Gesicht nahm einen wehmütigen Ausdruck an, „Ich wohne in einem Pinienwäldchen.... aber nach einer Woche hört man es schon gar nicht mehr.“

Sie hingen eine Weile ihren eigenen Gedanken nach. Mulder fragte sich, was als nächstes passieren würde. Sollte er sie fragen, ob sie die letzten Tage ihres Urlaubs zusammen verbringen sollten? Andererseits hatte sie vorhin gesagt, das sie hergekommen war, weil sie Abstand vom FBI und vor allem von ihm suchte. Vielleicht wollte sie ja wirklich einfach nur ihre Ruhe haben. Seltsamerweise sträubte sich jedoch alles in ihm dagegen, sie nicht wiederzusehen. Er wollte seine Zeit mit ihr verbringen und mehr von der Scully kennenlernen, die er erst vor wenigen Minuten entdeckt hatte. Gerade als er sich dazu durchgerungen hatte sie zu fragen, hörte er ihre Stimme, die das Schweigen brach.

„Mulder?“

„Ja.“

„Hätten sie vielleicht Lust, in den letzten paar Tagen noch etwas mit mir zu unternehmen?“ Sie sah ihn unsicher von der Seite an und als sie seinen überraschten Gesichtsausdruck bemerkt, fügte die hastig hinzu, „ Aber nur, wenn sie wirklich nichts besseres zu tun haben. Ich will ihnen auf keinen Fall ihre kostbare Urlaubszeit stehlen!“

Sie schwieg und wartete auf eine Antwort. Mit einer nervösen Handbewegung schob sie sich eine Haarsträhne hinters Ohr.

„Sehr gerne!“, antwortete er und bemühte sich, sich seine Erleichterung und die Freude, die er bei ihren Worten empfand, nicht allzusehr anmerken zu lassen.

„Schön!“, freute sie sich.

„Was hatten sie denn noch vor?“, fragte er und trank den letzten Schluck aus seinem Glas.

„Ich weiß nicht. Eigentlich wollte ich mir einen Wagen mieten und ein wenig die Küste entlang fahren. Vielleicht sogar bis nach Monaco. Es sind ja auch nur noch drei Tage.“

„Klingt gut! Dann lassen sie uns das morgen direkt tun. Haben sie denn eine Autovermittlung hier im Ort gesehen?“

Scully nickte und leerte ebenfalls ihr Glas.

„Wissen sie was seltsam ist?“, fragte Mulder plötzlich und starrte auf das Wasser hinaus, „Da nehmen wir beide Urlaub und treffen uns an einem Ort, von dem noch keiner von uns zuvor gehört hat und der tausende von Meilen von Washington entfernt ist.“ Er sah ihr in die Augen, „Glauben sie, dass das etwas zu bedeuten hat?“

Scully überlegte kurz.

„Ich weiß nicht Mulder. Vielleicht.“

Sie griff in ihre Handtasche und legte einige Münzen auf den Marmortisch. Sie klickten leise, als sie die Platte berührten.

Entschlossen streckte Mulder eine Hand aus und schob ihr die Münzen wieder zu. Energisch schüttelte er den Kopf, „Das geht auf mich!“

Sie wollte protestieren, aber der Blick, den er ihr zuwarf duldete keine Widerrede. Scully musterte ihren Partner, als dieser bezahlte. Irgendetwas geschah zwischen ihnen. Sie wußte nicht, was es war und ob es gut oder schlecht sein würde, aber sie war bereit, es auf sich zukommen zu lassen.

Gemeinsam gingen sie am Hafenbecken entlang. Die Sonne war mittlerweile untergegangen und die Luft hatte die Hitze des Tages gänzlich verloren. Sie war jetzt so weich wie Seide und der leichte Wind trug die salzige Meeresluft heran. Der Mond spiegelte sich auf der völlig ruhigen Wasseroberfläche und tauchte das tiefe Schwarz in flüssiges Gold. Am tiefblauen Himmel strahlten hunderte von Sternen und als sie so nebeneinander hergingen wurde Scully klar, daß sie alle Menschen für ein Paar halten mußten. Seltsamerweise störte sie der Gedanke nicht.

Die Palmen vor ihrem Hotel raschelten leise im Wind und auf dem benachbarten Bouleplatz kommentierten einige ältere Männer lautstark ihr Spiel.

Sie blieben stehen und wußten nicht so recht – wie sie sich von einander verabschieden sollten.

Mulder räusperte sich:

„So dann – gute Nacht Scully. Und schlafen sie gut!“

„Danke. Ihnen auch eine gute Nacht Mulder.“

Er legte ihr zum Abschied kurz die Hand auf den linken Oberarm und lächelte. Dann ging er davon.

Scully sah ihm nach und wollte gerade die Haustür des Hotels öffnen, als sie nochmals seine Stimme vernahm:

„Scully!“

Sie wandte sich um und sah ihn an der Straßenecke.

„Ich hole sie morgen um 10:00 Uhr ab!“ Er winkte noch einmal und tauchte im Gewimmel der Menschen unter.



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