World of X

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Wenn Engel sterben...

von Karin Ropers, Steffi Raatz

Kapitel 2

Die Pathologie war bis auf einen Scheinwerfer in Dunkelheit gehüllt. Es war bereits nach Mitternacht und alle Agenten hatten sich aus ihrem Dienst zurück gezogen, genossen ihr weniges Privatleben. Scully währenddessen war immer noch mit der Untersuchung einer der letzten zwei Leichen beschäftigt. Warum traf es immer nur Frauen? Woher kam dieses goldene Pülverchen?

Konsequent ging sie noch einmal jeden der Punkte auf ihrer Liste durch. Es mußte etwas geben, was ihre Kollegen übersehen hatten.

"So spät noch hier?"

Scully zuckte zusammen und drehte sich um. Sie hatte mit niemandem gerechnet und die Stimme war ihr auch nicht bekannt vorgekommen.

"Wer zum Teufel sind Sie?" Sie trat aus dem Licht hervor und brauchte einen Augenblick bis sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten.

"Sie suchen einen gefallenen Engel."

"Verdammt, identifizieren Sie sich!", erwiderte sie erbost und machte einen Schritt auf den Lichtschalter zu.

Das große Deckenlicht flackerte auf und Scully kniff die Augen zusammen.

"Wollen Sie meine Hilfe annehmen?"

Scully starrte die alte Zigeunerin an und schüttelte leicht den Kopf: "Wie... ich meine... verdammt, wie sind Sie hier rein gekommen?"

"Wollen Sie meine Hilfe annehmen?"

Scully starrte die alte Zigeunerin weiter fassungslos an.

"Ihre Entscheidung..." fordernd reichte die Zigeunerin ihr die Hand.

Ohne groß nachzudenken, ergriff Scully ihre Hand und ließ sich aus der Pathologie führen. Wohin, dass wußte sie nicht, aber vielleicht würde sie eine Erklärung für all das bekommen, was in den letzten Tagen geschehen war.



"Verdammt, Sie wollte sich doch melden", Mulder lief nervös im Vorzimmer von Skinners Büro auf und ab.

"Agent Mulder?", die Stimme seines Vorgesetzten drang in seine Gedanken und ließ ihn verstört aufhorchen, hatte er doch gar nicht bemerkt, dass dieser die Tür zu seinem Büro geöffnet hatte.

"Sir?"

"Sie wirken so nervös, was ist los? Und wo ist Scully? Ich hatte Sie doch beide hierher gebeten", seine Stimme klang ungewollt ein wenig besorgt.

Mulder seufzte: "Agent Scully war dabei die Leichen ein weiteres mal zu obduzieren, eigentlich wollte sie mich bereits vor einer Stunde informieren, wie weit sie ist, aber bis jetzt... Sir, ich gebe zu, ich habe keine Ahnung, wo Scully steckt."

"Schon gut, Agent, ich werde meine Sekretärin nach unten schicken und Scully holen lassen. Vermutlich ist sie nur in ihre Unterlagen vertieft und hat darüber die Zeit vergessen", Skinner wirke mit einem Male wieder gelassen, doch Mulder war ganz und gar nicht wohl zu mute.

Seine Partnerin, das wußte er, hätte sich hundertprozentig gemeldet, wäre alles in Ordnung gewesen und so ging er mit einem unguten Gefühl in das Büro seines Vorgesetzten und hoffte und harrte der Dinge, die geschehen würden.



Scully war der Zigeunerin... sie wußte nicht, ob sie eine Sinti oder Roma war oder vielleicht noch ganz anderer Abstammung.... gefolgt und befand sich nun im Lager ihrer Sippe.

Mit Argusaugen wurde jeder ihrer Schritte verfolgt und ein Gefühl von Befangenheit beschlich sie. War es wirklich richtig gewesen, mit der alten Zigeunerin mitzugehen?

"Mein Name ist Mora, Kind!"

Scully wollte etwas erwidern, schwieg dann aber doch. Irgendwie kam es ihr so vor, als ob die alte Mora ihre Gedanken erraten konnte.

"Ich weiß mein Kind, Sie sind Scully! Zynisch und ungläubig!" Mora sah Scully aus Ihren dunklen Augen an.

Scully zuckte zusammen und schluckte krampfhaft: "Das ist richtig. Mein Name ist Scully und ich bin nicht zynisch! Ungläubig vielleicht, aber nicht zynisch!"

Scully sprach hektisch und ohne Punkt und Komma. Mora zog nur Ihre Augenbrauen zusammen und ging weiter. Scully folgte ihr zu einem etwas abseits stehenden Wohnwagen. Mora murmelte leise unverständliche Worte vor sich hin, als sie den Wohnwagen betrat und ließ sich nicht weiter von Scullys Unruhe irritieren.

Skeptisch beäugte Scully den Wohnwagen und dessen Inneres. Eigentlich war ihr alles andere als wohl bei der Sache, dennoch brannte eine Neugier in ihr, wie sie sie noch nie zuvor an sich selbst erlebt hatte. Doch dann betrat sie den Wohnwagen trotz ihrer Hemmungen und war ein wenig erstaunt über die Größe im Inneren.

"Setzen Sie sich!" Mora bat ihr einen Platz an und ehe sich Scully versah, hatte sie eine dampfende Tasse Kräutertee vor sich stehen.

Ohne sich wirklich dagegen zu sträuben, ergriff sie die Tasse und ließ die warme Flüssigkeit ihre Kehle hinunter laufen. Zu ihrem Erstaunen schmeckte der Tee sehr gut.

"Sie fragen sich, warum ich Sie hergebeten habe", es war keine Frage, sondern eine Feststellung, aber Scully hatte auch nicht wirklich was anderes erwartet, "wir haben einen Fehler begangen und einen Engel beschworen. Nun müssen wir den Fehler korrigieren. Aber ohne Ihre Hilfe können wir das nicht."

Scully sah ihre Gegenüber ein wenig verstört an. Nicht nur, dass sie nicht glauben konnte, was ihr eben erzählt worden war, jetzt forderte man auch noch ihre Hilfe - ausgerechnet IHRE Hilfe.

Scully schluckte bevor sie antwortete: "Warum ausgerechnet ich? Wieso wollen Sie meine Hilfe? Ich bin nicht für Beschwörungen und solchen Kram geeignet!"

Nach diesen Worten sah sie zur Zigeunerin hinüber und zuckte zusammen, denn sie hatte nicht mitbekommen, dass diese sich umgezogen hatte. Sie trug jetzt einen Talar, geschnitten wie eine Priesterkutte.

"Sie glauben doch an Gott, meine Liebe, nicht wahr?" Mora lächelte warm.

"Na ja..." begann Scully und dachte an ihren Glauben, "irgendwie schon."

"Dann werden Sie mir helfen!", die Zigeunerin duldete keinen Widerspruch und Scully leistete keinen. Mit großen Augen verfolgte sie lediglich die kleine Zeremonie, die ihre Gegenüber zelebrierte. Warme Dämpfe stiegen auf, nebelten den Raum ein und überzogen Scullys Haut mit einer feinen feuchten Schicht.

Die Zigeunerin murmelte für Scullys Ohren unverständliche Worte, die aber nach einer Formel klangen. Die Zigeunerin warf während der Zeremonie verschiedene Kräuter und Pulver in einen Kelch und gab noch verschiedene, nicht definierbare Flüssigkeiten hinzu. Als es so aussah, als wenn Sie fertig mit der Beschwörung war, hob Sie den Kelch an die Lippen und trank einen Schluck von dem Gebräu. Scully verzog Ihr Gesicht, ahnte Sie doch, dass Sie ebenfalls daraus würde trinken müssen.

"Ich dachte, dies wäre eine religiöse Zeremonie?!", brummte Scully und nahm den Becher in die Hände.

"Mein liebes Kind, nur weil wir nicht in einer Kirche sind und Gebete sprechen, die Sie kennen, müssen diese Dinge, die Sie erleben, nicht heidnisch sein. Wir glauben an Gott und Engel, doch wir glauben auf unsere Art und Weise daran. Ich bitte Sie, dies zu akzeptieren, denn nur dann können wir dem Engel und auch den Menschen helfen und ihnen das Leid nehmen", Moras Stimme war ernst und ein kleiner Vorwurf schwang darin mit.

Scully schluckte noch einmal, bevor Sie den Becher an die Lippen setzte und einen Schluck trank. Es schmeckte gar nicht so schlecht, wie es gerochen hatte und dennoch blieb das unangenehme Gefühl in ihrem Magen... aber vielleicht war es ja auch ihr Kopf... sicher war sie sich nicht.

Mit einer plötzlichen Heftigkeit, die sie nicht erwartet hatte, begann es in ihrem Kopf zu dröhnen. Sie preßte die Hände an beide Seiten ihres Kopfes und versuchte den Schmerz zu kompensieren, doch es gelang ihr nicht.

"Was... haben... Sie... mir... gegeben... ?", stöhnte sie und bekam fürchterliche Angst.

"Es hört gleich auf, keine Angst!", erwiderte Mora und kaum hatte diese gesprochen, ließen auch Scullys Schmerzen nach.

"Was...?", sie sah erstaunt zu der Zigeunerin.

"Der Trank soll Ihnen helfen, klarer zu sehen", sagte Mora, aber Scully verstand es nicht.

Dann plötzlich erschien es ihr, wie ein heller Lichtblitz. Sekundenlang war sie gelähmt und geblendet, dann war es vorbei und Scully sah einen jungen Mann mit langen wallenden Locken, eingebettet in ein gleißendes Licht.

Sprachlos starrte sie die Person im hinteren Teil des Wohnwagens an.

"Das ist Elias, er ist einer der Engel aus Gottes Reigen", erklärte die Zigeunerin und Scully, Scully die Skeptikerin, nickte nur.

"Elias ist ein gefallener Engel. Verspielte die Gunst Gottes, um zur Erde zurück zu kehren und zu leben. Er verlor seine Flügel, doch er vergaß, dass er seine Kräfte behalten würde, die es ihm unmöglich machen sollten, zu leben wie ein Mensch. Agent Scully, die Opfer, derer Sie sich angenommen haben, sind Opfer von Elias. Er wollte lieben und sein wie ein Mensch, doch kaum berührten sich seine und des Opfers Lippen, so geschah das Schreckliche und Elias wurde zum Mörder wider Willen. Nun ist es an uns, ihn dazu zu bewegen, seine Schuld zu sühnen", sprach Mora und Scully hörte gebannt zu.

Wie sollte sie die Macht dazu haben, einen Engel - wobei sie nicht einmal wirklich daran glauben konnte - in die Schranken zu weisen?

Der Engel stand da und starrte düster vor sich hin. Ahnte er vielleicht was sie mit Ihm vorhatten, dachte Scully. Sie wünschte sich, Mulder wäre da, um das mitzuerleben. Er wäre begeistert gewesen, und hätte Sie anschließend bestimmt wochenlang nicht in Ruhe gelassen. Doch sie war allein hier, mußte sich Dingen stellen, die sie nicht wirklich begriff, aber wohlgemerkt erkannte.

Engel... eine Figur, von der Sie nur aus der Kirche und Märchen gehört hatte... Engel.

"Was soll ich denn jetzt tun?" Scully starrte die alte Zigeunerin fragend an. Woher sollte sie denn jetzt wissen, wie es weiter ging?

"Sie müssen nur einen Zauber mit mir anbringen und dann hilft uns wirklich nur noch beten." Mora wirkte gehetzt.

"Einen Zauber?", Scully schluckte.

"Nun vertrödeln Sie keine Zeit!", jammerte Mora und faßte nach Scullys Händen.

Bitterer Singsang erklang aus ihrem Mund, während die Agentin mit aufgerissenen Augen und völlig sprachlos von der Zigeunerin zum Engel sah, an den sie nicht glaubte.

Plötzlich erhob er sich, dass gleißende Licht breitete sich im Raum aus und sendete schmerzhafte und zugleich wundervolle Signale an Scullys Nervenbahnen. Sie war gelähmt, wußte es nicht zu deuten und sah zu, wie der Engel floh...



Die Dunkelheit der Nacht war so tiefschwarz, dass selbst das Mondlicht verschluckt wurde. Mulder sah verzweifelt aus seinem Fenster hinab und wartete auf ein Zeichen von Scully. Wo steckte seine Partnerin. War sie in Gefahr? Er wußte es nicht und das bereitete ihm Sorgen. Er wollte schreien und laufen, um sie zu suchen und wußte doch, dass es zwecklos war. war sein nächster Gedanke. Vielleicht konnte das FBI helfen? Mulder wußte es nicht! Aber er mußte es versuchen.

Er kehrte zu seinem Schreibtisch zurück, nahm das Handy aus seiner Manteltasche und suchte sich Skinners Nummer heraus, da läutete es.

Mulder erschrak.

Als er die Nummer im Display erkannte, mußte er sich zusammen reißen, nicht zu lachen.

Welch Ironie!

"Ja?", meldete er sich.

"Mulder, sind Sie's?" Scullys Stimme tönte ihm entgegen.

Er wollte mit einer Schimpftriade beginnen, wie unvernünftig es gewesen war, sich nicht bei ihm zu melden, da kam ihm der Gedanke, dass er es ja auch nie anders machte. Seinen Ärger hinunter schluckend, bejahte er ihre Frage und verkniff sich jeden Kommentar.

"Ich brauche Ihre Hilfe, können Sie zu mir kommen?" Scully sprach hastig und atemlos.

"Natürlich komme ich, sind Sie zu Hause?" Mulder griff bei dieser Frage nach seinem Jackett und schlüpfte hinein.

"Nein, ich bin auf dem Weg zu einer Lagerhalle im Industriegebiet", erklärte sie.

"Im Industriegebiet? Verdammt, Scully, was machen Sie da?", er blieb mit seinem Arm im Ärmel seines Jacketts hängen und versuchte sich zu befreien.

"Das ist eine sehr lange Geschichte, die ich Ihnen gerne später erläutere. Jetzt brauche ich Ihre Hilfe", erwiderte sie wenig kooperativ.

"Na gut", brummte er und verhielt sich reichlich ungeschickt im Umgang mit seinem Jackett, "ich bin auf dem Weg. Wo finde ich Sie?"

"Wenn Sie aus Washington raus fahren, die erste große Lagerhalle auf der rechten Seite, neben der Lebensmittelfabrik", erklärte sie.

"Ok, ich werde mich beeilen." Er legte auf und das Handy zur Seite, dann zog und zerrte er an seinem Jackett, bis er schließlich ein Ratschen hörte. Verärgert hob er seinen Arm und sah die geplatzte Naht.

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