World of X

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Who I am

von Marion Kirchner, Stefan Rackow

Kapitel 4

Kapitel 4 : Die Worte einer Ratte







Mit vor Spannung zitternden Händen lenkte ich den Wagen durch die engen Seitenstraßen, des Armenviertels. Ich konnte kaum etwas sehen, da der größte Teil der Straßenlampen zerstört worden war, vermutlich von Jugendlichen, deren Langeweile sie dazu getrieben hatte, ihre Aggressionen an stadteigenen Gegenständen auszulassen.



Ich beschleunigte bei diesem Gedanken unbewusst das Tempo meines Wagens und wäre beinahe an der kleinen Gasse vorbeigefahren. Im Dunkeln war sie noch unscheinbarer, so schwarz, dass man sie kaum von den Häuserwänden unterscheiden konnte. Ich stoppte den Wagen nahe eines Zaunes und verließ sein schützendes Innere.



Leise, als könnte mich jemand verfolgen, betrat ich die kleine Passage. Ein kalter, zugiger Wind ließ es mir eiskalt den Rücken hinunterlaufen. Es war als käme er aus dem Schlund eines riesigen Ungeheuers, das sich am Ende des Durchlasses befand. Dieser Gedanke ließ mich den Kopf schütteln. Ich war in diesem Moment so paranoid wie ein kleines Kind, das vor dem Schlafengehen unter seinem Bett nach einem Monster suchte.



Ich schüttelte meine Angst ab. Schritt für Schritt tastete ich mich nur voran. Die Dunkelheit war so extrem, dass sie sogar das Licht meiner Taschenlampe verschluckte. Ich war gezwungen wie ein Blinder mit meinen Sinnen zu arbeiten. Endlich erkannte ich die Treppe, sie sah in der Nacht aus wie ein Stein, der seltsame Einbuchtungen besaß. Meine Taschenlampe direkt neben meinen Kopf gerichtet, betrat ich die erste Stufe. Mein Atem rasselte wie der eines Marathonläufers, der am Ende seiner Kräfte war. Ich spürte, dass sich hier vor kurzem etwas ereignet hatte, etwas, das sehr wichtig für mich war.



Plötzlich, ein seltsames Geräusch durchfuhr die Stille der Dunkelheit. Ich schreckte zurück, es hatte mich völlig unerwartet getroffen, so unerwartet, dass ich beinahe meine Taschenlampe fallen ließ. Meine Hand gegen meine Waffe gedrückt, leuchtete ich durch die Gasse. Nichts, nicht einmal ein streunendes Tier schien sich in meiner Nähe zu befinden.



Nach einigen Minuten beruhigte sich mein Atem wieder, doch ich spürte, dass etwas hier war und dass es auf mich wartete. Mit schnellen Bewegungen öffnete ich die angelehnte Haustür. Beruhigt fand ich mich in dem immer noch stinkenden Flur wieder. So unangenehm er mir heute Morgen erschienen war, jetzt fühlte ich mich eher wie in einem Bunker, der mich von den Blicken meines Beobachters schützte.



Das Licht war nicht ausgemacht worden und die kleine Glühbirne schien schon seit einer Ewigkeit ihre Helligkeit abzugeben. Ich knipste meine Taschenlampe aus und schlich die Treppe hinauf. Oben angekommen stieg ich so leise wie möglich über die schlafende Katze, die sich vor der Tür zu Appartement Nummer 12 zusammengerollt hatte.



Ein letztes Mal ließ ich meinem unruhigen Atem freien Lauf. Halb beruhigt setzte ich zu einem Klopfen an und lauschte. Mich schien niemand gehört zu haben. Ich klopfte, vor dem Schimpfen eines schlafenden Nachbars gewappnet, zum zweiten Mal. Nichts, nicht das geringste Geräusch drang aus der Wohnung. Ich hielt es für unwahrscheinlich, dass die beiden zurückgekehrt waren. Andererseits, was wenn sie während ich ohnmächtig auf dem Boden gelegen hatte die Wohnung verlassen hatten, ohne mich zu bemerken? Ich wusste nicht genau was ich denken sollte, ließ mir aber nur die beiden Möglichkeiten, dass Jaqueline entweder noch nicht da war, ohnmächtig auf dem Boden lag oder ich dies alles bloß geträumt hatte. Insgeheim hoffte ich, dass meine Vermutung nur ein Hirngespinst war, das mich in Form eines Albtraumes hierher gerufen hatte.



Als sich auch beim dritten Versuch niemand meldete, versuchte ich die Tür zu öffnen. Sie gab schon ach einem kurzen Dreh am Türknauf nach und ließ sich ohne große Mühe öffnen.

Langsam schob ich sie nach innen und betrat leise den Raum.



„Mr. O´Brian? Mr. Sullivan? Ist jemand von Ihnen hier?“, fragte ich. Niemand schien fähig mir zu antworten. Ich trat mehr in die Wohnung ein, zog meine Waffe und ließ meinen Blick hastig durch das Wohnzimmer wandern. Es war genauso wie ich es heute Mittag zuletzt gesehen hatte.

Ich ging weiter, hinüber zum Fenster. Erst sah alles ungerührt aus, bis ich sah, dass die Couch ungewöhnlich schief stand. So schnell ich konnte schritt ich hinüber und starrte auf den Boden, brennend vor Neugierde und gleichzeitiger Angst das zu finden, was ich erwartete.



Verdammt Die grauen Haare, mit dem leicht rötlichen Schimmer, die blauen Augen, hohl zur Decke starrend und den Brustkorb kaum bewegend lag sie da. Jaqueline Adams, ich war wieder einmal zu spät gekommen.



Ich strich mir nervös die Haare aus dem Gesicht, steckte meine Waffe zurück und beugte mich zu ihr hinab. Sie sah blass aus, blass aber nicht tot. Gut. Ich hob ihren Kopf vorsichtig an und drehte sie zur Seite. Ihr Puls war schwach, aber konstant. Vorsichtig tätschelte ich ihr Gesicht, doch sie regte sich nicht. Ich rüttelte sie langsam, ihr Kopf schwenkte hin und her als sei die betrunken und ich hatte das Gefühl ihr jeden Moment die Halswirbel zu brechen. Es tat sich immer noch nichts.

Ich sah etwas ratlos auf sie hinab, griff nach der Decke die immer noch auf der Couch lag und legte sie ihr unter die Beine. Dann langte ich nach einem verstaubten Glas auf dem Wohnzimmertisch. Ich zögerte eine Weile, sollte ich wirklich? Schließlich holte ich ein wenig Schwung und schüttete ihr die Flüssigkeit ins Gesicht. Genau in diesem Moment bereute ich es wieder, da Mrs Adams wie eine Furie aufsprang und mich so erschreckte, dass ich fast nach hinten kippte.



„Was?“, fragte sie verwirrt, als sie sich schwer atmend an der Couchlehne festklammerte.

„Ich habe Sie ohnmächtig auf dem Boden gefunden Mrs Adams.“, stammelte ich, als sei es eine Entschuldigung.

„Danke“ Sie sprach sehr leise und stockend.

„Haben Sie Harrold Sullivan und Harvey O´Brian gesehen?“, erkundigte ich mich, als sie einen einigermaßen beruhigten Eindruck machte.

„Nein“ Sie schüttelte den Kopf und sah dabei zu Boden.

Das weiß ich ging es mir durch den Kopf und ich sah in ihre großen meeresblauen Augen. Es war als sehe ich ihn einen Spiegel, der mich künstlich altern ließ.

„Warum haben Sie mir eigentlich diese Frage gestellt, Dana? Sie müssten doch eigentlich wissen was mit den Beiden geschehen ist.“ Jetzt hatte ich meine Überlegenheit verloren. Ich nickte tief durchatmend und gab ihr im Stillen Recht. Diese Frage war dumm gewesen.

„Ist das was ich von ihrem Verschwinden denke wahr, Mrs Adams?“

„Ja. Ich fürchte das ist es, Dana, ich fürchte das ist es.“ Wiederholte sie verträumt und sah dabei aus dem Fenster. Ich glaubte zu wissen was sie im Moment dachte, zumindest sah sie so aus als würde sie sich wünschen, dass das UFO vor das Fenster fliegen würde und die Beiden hier absetzte.

„Wissen Sie Dana, die Welt ist voller Intrigen, Morden und Ungerechtigkeit. Warum bleibt das meiste dieser Dinge an uns hängen? Obwohl wir doch eigentlich die sind, die die meiste Gunst verdient hätten.“

Ich kannte keine Antwort auf diese Frage, konnte sie nicht einmal richtig begreifen.

„Sie verstehen meine Frage nicht, habe ich Recht?“

Langsam wurde mir diese Frau unheimlich, nicht dass sie es nicht schon vorher gewesen war, doch jetzt wirkten ihre verrückten Geschichten immer realer.

„Ich verstehe die Worte, aber ihre Aussage nicht.“

„Das werden Sie schon noch Dana. Wissen Sie am Anfang habe ich den Sinn diese Frage auch nicht gekannt, aber wenn man ihn kennt, dann kann man sicher sein, einer von ihnen geworden zu sein, einer der Auserwählten.“



Ich sah sie an, zwang mich meine Mund nicht zu öffnen und die Augen nicht zu verdrehen.

„Kommen Sie Dana, es gibt noch viel für uns zu tun.“ Für *uns*?

Ich nickte ihr zu und folgte ihr aus der Wohnung. Ein Blick auf die Uhr sagte mir, dass es fast sechs war und ich bald auf der Arbeit erscheinen sollte. Wenn ich ehrlich mit mir war, würde ich momentan lieber mit Doggett ein paar Akten durchgehen, als mit Jaqueline Adams Lebensphilosophien zu halten.



„Was halten Sie davon, wenn ich Sie jetzt nach Hause fahre?“, fragte ich Jaqueline während wir die Treppe hinunter gingen.

„Nichts, das ist mein Zuhause.“ Sie sprach mit überzeugter, willensstarker Stimme und schien sich selbst zu zwingen diesen Satz auszusprechen.

„Wo haben Sie eigentlich vor hinzugehen?“, fragte ich etwas verwirrt und erkannte, dass ich nicht einmal selbst wusste, warum ich dieses Appartement verlassen hatte.

„Ich werde Sie an einen Ort bringen, der Ihnen wahrscheinlich nicht gefallen wird.“

Ich verdrehte endlich die Augen.

„Glauben Sie mir, es ist notwendig Sie dorthin zu bringen. Ich habe es auch hinter mir, erst ist es ein wenig seltsam, aber dann mag man ihn richtig.“ Ich fuhr durch meine Haare, sah Jaqueline an und überlegte, was sie meinte. Ich konnte mir schlecht vorstellen, dass diese alte Frau mich zu etwas unangenehmen zwingen konnte. Dafür sah sie einfach zu harmlos aus, zu mütterlich.



Kurz vor der Haustür hielt sie an und sah sich um. Die Sonne war gerade aufgegangen und tauchte D.C. in ein sanftes Morgenrot. Draußen hörte man vereinzelt Schritte, kurz hörte ich einen Motor aufheulen. Diese Gegend war gar nicht so unbewohnt wie ich erst gedacht hatte.



„Gehen Sie hinaus, Dana. Ich komme gleich nach.“ Ihre Augen hatten eine seltsame Schattierung angenommen, eine Schattierung die ich in meinen Augen vermutete, wenn ich mich um jemanden sorgte. Sollte dies ein Alarmzeichen sein?

Ich sah wie Mrs Adams in einem kleinen Nebenraum verschwand und offenbar nicht den Anschein machte in den nächsten paar Sekunden wieder neben mir zu stehen. Ich drehte meinen Kopf der Tür zu und betrachtete die verkommene Gasse zum zweiten Mal bei Helligkeit. Das zarte Morgenlicht ließ die umgeworfenen Mülleimer und die auf dem Boden liegenden Unrate für einen Moment wie ein Still-Leben erscheinen, das ein begnadeter Künstler geschaffen hatte. Obwohl es mir komisch erschien, fühlte ich mich, wenn auch nur für Sekunden, wohl an diesem Ort. Es war so friedlich, so leise und doch mitten in einer Großstadt.



Jaqueline hatte ich schon fast vergessen, als ich nach zehn Minuten wieder etwas Altbekanntes wahrnahm. Das Rascheln. Ich erschrak, war völlig in meine Gedanken vertieft gewesen. Es war lauter, als beim Betreten des Hauses, es war näher. Ich sah mich um. Erkannte nichts außer vergammelten Wänden, Mülleimern und Ratten die nach einem morgendlichen Snack suchten.

> redete ich mir ein, von meinen eigenen Worten nicht überzeugt.



Nervös wandte ich meinen Blick in den Flur zurück. Jaqueline war nicht auszumachen. Ich spürte die Augen eines Menschen tief in meinem Nacken. Sie ruhten auf mir, ruhig aber erwartend, zum Angriff bereit.

Ich legte meine Hand auf meine Waffe, war bei jedem verdächtigen Geräusch bereit sie zu ziehen. Mein Atem war schnell, unkontrolliert und erweckte mit Sicherheit den Eindruck, dass ich nervös war, nervöse, leichte Beute.

Ich ließ meinen Blick noch einmal durch die Gasse wandern, versuchte alles wahrzunehmen, dass sich in meinem Umkreis befand. Nichts, hier war nichts, dass mir auch nur im Entferntesten gefährlich werden könnte. Litt ich etwa langsam unter Verfolgungswahn?



Plötzlich ließ mich ein lautes, bedrohliches Geräusch zusammenzucken. Etwas großes, vermutlich menschliches, kam aus dem Durchgang auf mich zu. Ich sah seinen Schatten in der Sonne flimmern, konnte sein Gesicht jedoch nicht erkennen. Es war ein Mann, eindeutig. Meine ruhige Seite, erzählte mir, dass dies bloß Doggett war der sich um mich sorgte und darum hierher gekommen war, doch meine Vernunft, identifizierte diese Silhouette als Feind.



Zitternd zog ich meine Waffe und betete, dass ich nur unter Verfolgungswahn litt. Die Gestalt rührte sich nicht, tat so als sehe sie mich nicht. Doch war das möglich, konnte die Sonne so blenden, dass sie meine Gestalt verbarg?

Ich versuchte ruhig zu bleiben und so zu tun als existiere ich nicht. Genau in diesem Moment, kam die Person näher. Ich erkannte, seine Haare, sie waren kurz, er trug einen Bart. Stoppel, vermutlich eine Woche alt. Er blieb kurz vor mir stehen, gerade in der Position, dass sein Gesicht von dem letzten Licht umhüllt wurde. Jetzt musste er mich sehen...



„Na na, Agent Scully. Nehmen sie die Waffe weg.“, röhrte er und ich erkannte mit Entsetzen seine Stimme.

„Sehe ich einen Geist, oder ist das die Realität?“

„Ich denke Sie müssten noch soviel Logik in Ihrem Kopf haben, dass Sie wissen, dass es keine Geister gibt.“

„Wie haben Sie das gemacht Krycek?“

„Eine Ratte hat viele Möglichkeiten zu verschwinden, Agent Scully.“

Ich sah zur Tür, betete, dass Jaqueline eine Reaktion zeigte.

„Sie wird nicht kommen. Mrs Adams ist längst gegangen.“

„Was haben Sie mit ihr gemacht?“

„Gar nichts, sie ging freiwillig.“

„Das ist doch nicht Ihr ernst, was haben Sie mit ihr gemacht?“ Ich hob bei dem zweiten Teil des Satzes die Stimme.

„Beruhigen Sie sich. Es geht ihr gut, solange Sie das machen, was ich von Ihnen verlange.

Ich möchte Ihnen nichts tun, ich möchte Ihnen bloß etwas zeigen. Vertrauen Sie mir?“ Er streckte seine Hand aus und trat aus dem Sonnenlicht. Es war Krycek, eindeutig.

„Nennen Sie mir einen Grund warum ich Ihnen so plötzlich vertrauen sollte?“

„Weil Sie keine andere Wahl haben Dana.“

„Oh doch, ich könnte jetzt einfach an Ihnen vorbeigehen, in meinen Wagen steigen und wegfahren.“

„Das könnten Sie, aber ich weiß, dass Sie es nicht werden. Wollen Sie, dass ich Sie zu Mulder bringe, oder nicht?“

Ich sah ihn irritiert an.

„Ich kenne sein Versteck und ich glaube er wäre erfreut darüber, Sie zu sehen.“ Seine Augen funkelten. Ich spielte einen Moment mit dem Gedanken Doggett anzurufen, ihn zu warnen. Aber ich konnte es nicht, zumindest nicht unbemerkt. Was ging nur hier vor?

Ich sah Krycek für Sekunden in die Augen, versuchte seinen Blick zu deuten, erkannte jedoch nur eine kalte unmenschliche Maske, die seine Gefühle verbarg. Woher kannte ich das nur?



Plötzlich begann seine Gestalt leicht verschwommen zu wirken. Ich dachte erst es läge an dem schwachen Licht, doch die Umgebung wurde immer milchiger. Mein Blickfeld wurde immer kleiner, schwarze Punkte tanzten über meine Augen. Ich klammerte mich am Gelände fest, als ich zu schwanken begann. Übelkeit kroch in mir hoch. Ich sah Krycek flehend an, doch er rührte sich nicht. Zitternd wankte ich von der Treppe, wusste nicht einmal mehr was Krycek und was die Wand war. Mir war, kalt, schwindelig und ich war fast völlig erblindet. Ich sackte auf die Knie und fiel, meine Waffe fest umschlossen zu Boden. Ich spürte noch wie mein Kopf auf den Asphalt knallte, als mir schwarz vor Augen wurde.
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