World of X

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Sweet little Creatures

von Marion Kirchner, Stefan Rackow

Kapitel 6

- Epilog -





Nicht unweit vom Liebesflüstern im Gebüsch entfernt, zuckte Special Agent John Doggett zusammen, als es an seiner Tür klopfte. Er erwartete keinen Besuch und rechnete, da es heute Halloween war, mit dem Schlimmsten. In Erwartung, einem Monster beim Öffnen der Tür gegenüber zu stehen, nahm er ein paar verstaubte Bonbons vom letzten Jahr aus einer Schale und drückte die Klinke der Tür nach unten.

Doggett schrie das erste Mal, als er sein Gegenüber sah.

Als dieses Anstalten machte, einzutreten, schrie er noch mal.

Dann erkannte er, wer da vor ihm stand.



„Monica, was machst du denn hier?“, stammelte er und blickte an hier herab. „Ich dachte, du hasst Halloween. Insofern verstehe ich nicht, wieso du als Moor-Monster durch die Gegend taperst.“



Reyes verdrehte die Augen. „Ich bin gestolpert und in deinen Vorgarten gefallen...“



„Ich hab einen Vorgarten?“



„Jetzt nicht mehr...“, entgegnete die Agentin launisch und schob Doggetts an den Türrahmen gestemmten Arm beiseite. „Ich darf doch eintreten?“



„Wie?“



„Ob ich eintreten darf.“



„Ah ja, klar, sofort.“ – Er ließ sie ein. Sein Blick haftete immer noch an Reyes’ unfreiwilliger Aufmachung, so als ob von ihr magnetische Kräfte ausgingen – „Komm’ rein. Und ich freue mich, dass du mir Gesellschaft leisten willst.“



Reyes seufzte leise. „Mögen deine Blumen Bier?“



„Wieso?“



„Weil ich welches dabei hatte. Ist dummerweise bei meinem Sturz kaputt gegangen und hat sich gleichmäßig über mich und deine Zuchtblumen verteilt.“



Doggett schmunzelte. „Deshalb riechst du so gut.“



Was folgte, war Schweigen. Dennoch konnte die Agentin ein Grinsen nicht unterdrücken. „Ich wusste und weiß, dass du mit Halloween nichts am Hut hattest und hast. Deshalb bin ich hergekommen, um gemeinsam mit dir ein wenig über diesen Mist zu philosophieren.“ Sie schmunzelte nun ebenfalls.



Doggett schloss die Tür und nahm Reyes den verdreckten Mantel ab. „Ich hab im Prinzip nichts gegen Halloween, Monica. Ganz im Ernst: es gibt sonst keinen Tag, an dem man im Fernsehen in den Genuss von allen Halloween – Teilen mit Jamie Lee Curtis kommt.“



„Du guckst doch nicht Halloween, John“, entgegnete Reyes entgeistert, wenngleich man anmerkte, dass sie die Ironie sehr wohl verstanden hatte. „Halloween H 20 hat mir persönlich ja gar nicht gefallen“, sagte sie beiläufig und sag Doggett fragend an. „Darf ich mal kurz dein Bad benutzen?“



Doggett nickte bejahend. „Ich schaue derweil mal, ob sich in meiner Bar noch irgendetwas Trinkbares befindet.“



Reyes verschwand im Bad, ließ aber die Tür einen Spalt breit auf, so dass sie John noch hören konnte. Während sie den Wasserhahn andrehte, rief sie: „Sag mal, John, hast du als Kind nie Halloween gefeiert?“



Der Agent entkorkte hörbar eine Flasche Wein. „Nein, Monica, ich hab nie an Monster geglaubt und wollte mich dementsprechend auch nicht in eines verwandeln.“ – Er machte eine kurze Pause, während er die Weingläser befüllte – „Ich glaube heute nur an die Monster, zu denen die Menschen manchmal werden, und das muss ich nicht auch noch am 31.10. feiern. Es laufen so viele Monster in Menschengestalt durch die Straßen ... verstehst du, was ich sagen will?“



„Ja“, sagte Reyes aus dem Bad, „du denkst realistisch. Und das zeichnet dich aus. Wenngleich...“ – Sie steckte den Kopf aus dem Türspalt – „Warum soll es keine echten Monster geben? Scully und Mulder haben genug davon gesehen.“



„Das waren keine echten Monster im eigentlichen Sinne. Das waren Deformationen. Missgeburten der Natur. Im Grunde arme Seelen.“ – Doggett dachte nach – „Für mich sind Monster immer was nicht Greifbares gewesen, deshalb habe ich auch nie an sie geglaubt. Gebilde unserer teilweise kranken Phantasie oder, um es kurz zu fassen: Hirngespinste.“



„Und wenn diese echten Monster nun doch existieren? Ich meine, Halloween muss doch einen richtigen Grund haben, warum es existiert. Vielleicht...“



Doggett unterbrach sie. „Ich glaube, das entzieht sich unserem Zuständigkeitsbereich...“ – Er lachte etwas – „Nightmare on Elm Street 1 oder 2?“



„Was?“



„Welche DVD willst du sehen? Wir müssen uns doch auch mal der Realität widmen...“, erwiderte er grinsend und setzte sich aus Sofa. Reyes, nunmehr gesäubert und in einen weißen Bademantel gehüllt, setzte sich neben ihn und zog die Stirn kraus.



„Ich dachte eigentlich, dass man solche Filme nicht bei dir findet.“



„Doch, tut man“, erklärte der Agent lachend und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. Er wusste, dass ihm ein wunderbarer Abend bevorstand. Monster hin oder her: wichtig war, dass man Mensch blieb und das echte Leben zu lieben lernte. Und wenn die Kids nun eben an einem Tag gerne als Monster durch die Gegend ziehen, soll man sie halt ziehen lassen. Er, Doggett, hatte gelernt, auch aus Sachen, die er nicht mochte, Positives zu beziehen. Die spezielle DVD – Kollektion im Schrank gehörte dazu. Manchmal durfte auch er ein wenig verrückter als sonst sein – aber eben nur an Halloween!



*



Währenddessen begann Doggetts Wohnungstür leise zu singen. Er und Reyes hörten es nicht und hätten es wohl auch nicht geglaubt. Selbst heute nicht. So musste sich Chamäleon eben ohne Publikum zufrieden geben und setzte zum Crescendo an, dass die Blumen im Vorgarten die Köpfe hingen ließen. Dies hatte freilich einen anderen Grund, wie der feine Biergeruch in der Luft anzeigte.

Und Chamäleons Gesang hallte lautlos durch die Nacht, wobei er einige Fledermäuse von ihrem regulären Kurs abbrachte.





„Heut nacht, heut nacht,

da gebt gut Acht,

damit man euch nicht niedermacht.

Die Monster ziehen durch die Reihen;

Du glaubst das nicht? Fang an zu schreien!“







ENDE



*



beendet am 13. September 2004
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