World of X

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Selbstmord

von Stefan Rackow

Kapitel 3

< Wie der Vater, so der Sohne... >


Gegenwart, New Jersey,

14.09.2000

13:27 Uhr



„Brüder des Mondes ?“



Scully blickte den Wissenschaftler etwas schräg an. Sie hatte den Stein zur Untersuchung in das hiesige Labor schicken lassen.

„Agent Scully, Sie werden lachen, aber das, was Sie da in der Hand halten, ist ein äußerst wertvolles Stück Kulturgeschichte!“ Er holte seine Brille hervor und deutete auf ein Zeichen. „Das hier ist ein altertümliches Symbol für Mond, Agent Scully. Und gleich daneben steht das Symbol für Brüder. Sehr interessant.“ Der Wissenschaftler besah sich den Stein noch einmal. „Phänomenal! Hätte nie zu träumen gewagt, dass ich einmal einen dieser Steine in echt in den Händen halten würde! Diese Zeichen sind, den Untersuchungen nach zu urteilen, vor ungefähr 150 Jahren dort eingeritzt worden und dienten den Brüdern angeblich dazu, die Kräfte des Kosmos zu beeinflussen. Keine Ahnung, wie das vonstatten gegangen sein soll. Jedenfalls stammen die Zeichen genau aus der Zeit, als das erste Mal von den Brüdern berichtet wurde. Ich habe meine Doktorarbeit über Symbole und ihre rituelle Bedeutung geschrieben, müssen Sie wissen.“

Scully war erstaunt.

„Der hiesige Bibliothekar ist ein guter Freund von mir“, fuhr der Professor fort. „ Ich habe ihn angerufen, als Sie zu Mittag gegessen haben. Er hat in den gesammelten Zeitungen unserer Stadt nach Einträgen gesucht, welche meine Vermutung letztlich bestätigen sollten. Im Jahre 1855 hat eine junge Frau namens Agnes Weinberg einen Artikel veröffentlicht, welcher vom erstmaligen Auftauchen von 13 Männern erzählt, die...“

„... das Gute vom Bösen trennen wollten“, beendete Scully den Satz. „Seltsam... – und ihre Geschichte von gerade entspricht der Wahrheit?“

„Nicht unbedingt der Wahrheit, aber so hat sie sich im Laufe der Jahre überliefert. Weshalb fragen Sie?“ Der Wissenschaftler Dr. Manners knetete vorsichtig an seiner Unterlippe. Scully blickte ihn an.

„Nur so...“

„Agent Scully, wo haben Sie diesen Stein her?“, fragte der Wissenschaftler.

„Von dort, wo es noch mehr davon gibt...“, lautete ihre Antwort. „Dr. Manners, um beim Thema zu bleiben: Glauben Sie, dass die Brüder Erfolg hatten?“

„Davon wurde nichts überliefert, Agent Scully. Jedenfalls traf ihre Arbeit - ob sie gelang, sei mal dahin gestellt - nicht auf die erwartete positive Resonanz, was letztlich zu einem tragischen Ende der Gruppe führte. Wollen Sie mehr dazu wissen?“

Scully nickte. „Zur Zeit kann mir jede noch so kleine Sache weiterhelfen , denn momentan habe ich Probleme, das alles in einen halbwegs geregelten Zusammenhang zu bringen. Wie genau wurde die Gruppe also aufgelöst?“

„Nun“, begann Dr. Manners. „ Das ist eine sehr tragische Geschichte.“ Und er erzählte sie Scully in aller Ausführlichkeit.



*



„Kurz nach Auftauchen der Gruppe kam es zu rätselhaften Todesfällen innerhalb der Bevölkerung. Natürlich wurden die Fremden angeprangert, da sie doch noch vielen seltsam erschienen. Diese konnten flehen, so viel sie wollten, aber es brachte nichts. Wenige Zeit später wurden alle 13 Mitglieder öffentlich hingerichtet, unter den Tränen derer, die ihnen Glauben geschenkt hatten.

Doch die Regierung schien mit dem Hinrichten das erreicht zu haben, was sie wollte: die seltsamen Todesfälle fanden ein jähes Ende und bald kehrte wieder der Alltag ein. Die Anhänger der Gruppe baten im Folgenden die Regierung um Erlaubnis, die Gebeine der Umgebrachten auf dem Platz ihrer Hütte begraben zu dürfen – als Zeichen ihrer Ehrfurcht. Die Herrschenden willigten ein, nahmen aber für sich in Anspruch, das gesamte Gebiet umzäunen zu lassen. Damit niemand nach dem Tod der Brüder noch in Kontakt mit ihnen käme. Also begruben die Anhänger die Leichen auf dem Platz ihrer ersten öffentlichen Kundgebung und sprachen die Toten heilig (der Pfarrer gehörte zu den Anhängern). Anschließend wurde auf dem nunmehr „heiligen Land“ ein Kreis aus 13 Steinen geformt, welche in der Hütte gefunden worden waren. Für jeden Toten ein Stein. Zusätzlich wurde als symbolischer Akt für eine einzige Nacht ein Feuer inmitten des Steinkreises entzündet. All dies sollte die Seelen der Verstorbenen glücklich stimmen, so dass die Toten in Frieden ruhen könnten.“



*



Der Wissenschaftler hatte gerade seine Geschichte beendet, als Scully überrascht aufblickte. „Der Platz ist heilig? Das hieße ja, dass jeder, der ihn bewusst verändert, ihn so gesehen ...“

„Entweiht. Ja, Agent Scully, so kann man das sehen. Aber eben nur jene Personen, die ihn böswillig betreten. Die zum Beispiel wissen, dass es besonderes Land ist.“

Die Agentin bekam plötzlich große Augen. Ihr schien jetzt etwas klarer zu werden. Jedoch waren das alles nur Vermutungen, die sie zu beweisen noch nicht imstande war. Von Neugier gepackt, blickte sie Doktor Manners an.

„Kutten trugen sie, nicht? Schwarze Kutten, die ihr Gesicht bedeckten. Und sie sangen bei ihren Ritualen , nicht wahr?“

„Laut der Überlieferung sollen sie Kutten getragen haben, damit haben Sie recht. Aber ob die Rituale wirklich nur bei Vollmond stattfanden, kann weder bewiesen noch wirklich als falsch dargestellt werden. Alles eine Frage der Auslegung. Ich für meinen Teil denke nicht, dass der Mond in diesem bestimmten Zustand, nun, Wunder vollbringen kann.“

Scully war mehr als überrascht, das zu hören. „Rituale bei Vollmond? Was hat das für eine Bedeutung? Führten sie ihre Rituale etwa nur bei Vollmond durch?“, fragte sie, mehr denn je von Neugier gepackt.

„Das sagt nur die Überlieferung, Agent Scully. Da anscheinend bei Vollmond die kosmische Energie besonders groß ist. Wie gesagt, das beruht alles auf den Aussagen gefundener Schriften, deren Wahrheitsgehalte als sehr fadenscheinig gelten.“

Scully jedoch war schon auf dem Weg zur Tür.

„Recht herzlichen Dank für Ihre Mühe, Doktor Manners. Sie haben mir sehr geholfen! Kann ich Sie bei Rückfragen noch einmal anrufen?“

„Äh, ja, natürlich. Wenn es Ihnen weiterhilft“, rief der Doktor der schnell aus der Tür laufenden Scully noch hinterher, doch diese hörte ihn schon gar nicht mehr. Sie musste etwas nachprüfen, unbedingt!



Voller Tatendrang griff Scully zu ihrem Handy und rief Doggett an. Dieser meldete sich sofort nach dem ersten Klingeln.

„Agent Doggett? Wir haben eine heiße Spur“, klärte Scully ihren Partner leicht hastig auf und atmete einmal tief durch, um wieder vollkommen zur Ruhe zu kommen

„Das ging schnell, Agent Scully. Worum handelt es sich?“ Doggett wirkte überrascht.

„Das möchte ich Ihnen nicht alles am Telefon erklären.“ Sie warf einen kurzen Blick auf ihre Armbanduhr. „Wie weit sind Sie mit der Protokollaufnahme?“

„So gut wie fertig, Michael T. Morton hat alles so erzählt, wie er es uns zuvor berichtet hat. Wort für Wort. Nur bin ich mir im Unklaren darüber, wie ich nun weiter mit ihm verfahren soll.“ - Scully dachte kurz nach.

„Lassen Sie ihn frei, er ist in meinen Augen auf keinen Fall der Täter. Denn seine Geschichte ergibt zusammen mit den Untersuchungsergebnissen ein überaus logisches Gesamtbild“, sagte sie dann schnell und war nicht verwundert darüber, ihren Partner am anderen Ende einmal tief ausatmen zu hören. Sie schien wieder einmal vorschnell gehandelt zu haben und ermahnte sich selbst, das nächste Mal langsamer an die Sache heran zu gehen – vor allem, wenn sie mit Doggett zusammen arbeitete! Er brauchte Beweise, stichhaltige Beweise. Solange diese nicht vorhanden waren, konnte man ihm erzählen, was man wollte: alles waren für ihn in diesem Fall nur Hypothesen. Unweigerlich musste Scully wieder an einen ihr Nahestehenden denken, der ihr von wem auch immer genommen wurde, ohne ein Wort, ohne ein Wort des Abschieds. Ob es ihm gut ging? Diese Person, die so fest an alles in den Akten geglaubt hatte, war nun selbst Teil einer Akte, deren Fall im Grunde nur von der Person aufgeklärt werden könnte, um die es in der Akte ging: Mulder!

Scully versuchte mit dem Herzen bei der Sache zu sein, versuchte alles so zu sehen, wie Mulder es gesehen hätte. Als ihr Partner. Als ihr Freund. Um ihn endlich wieder an ihrer Seite zu haben. Aber Doggett als Ersatz zu betrachten und ihm somit vorzuwerfen, er würde nicht die Denkweise Mulders teilen, geschweige denn sie ausüben, war ebenso falsch wie gemein ihm gegenüber. Er machte seine Arbeit gut, wirklich gut. Und das sollte sie akzeptieren! Sie versuchte, die Erinnerung Erinnerung sein zu lassen und horchte, was Doggett zu erwidern hätte.

„Logisch?“, begann er. „Für mich gibt es noch sehr viele Ungereimtheiten in diesem Fall. Was zum Beispiel hat es mit den gefrorenen Grashalmen auf sich? Wie hängt das mit Nigel Holmes´ Tod zusammen? Welche Rolle spielen die Steine bei der ganzen Misere?“ - Der Agent machte eine Atempause. „Und wer, wenn es sie wirklich geben sollte, sind die Männer in Schwarz, die laut Davids Aussage seinen Vater umgebracht haben sollen? Warum? Wie?“

„Ich erkläre Ihnen alles nachher im Auto, Agent Doggett“, antwortete Scully kurz und knapp und schaltete ihr Handy in Bereitschaft.

Erst jetzt überlegte sie, ob erklären in diesem Fall das richtige Verb gewesen war. Sie wusste es nicht und machte sich auf, um Doggett mit dem Wagen abzuholen.



******



14:33 Uhr



Sie hatte Theorien zu diesem Fall – genauso wie Mulder sie immer hatte. Sie hatte keine wirklichen Beweise dafür, und zudem war ihr jemand zur Seite gestellt worden, der jede noch so winzige Theorie gleich als unwiderlegbar hirnrissig klassifizierte. Scully dachte nach.



Der Fall schien langsam Formen anzunehmen! Nigel Holmes betrat heiliges Land, welches ihm nicht gehörte. Dieses Land war die Grabstätte einer „Sekte“ aus der Mitte des 19. Jahrhunderts, welche versuchte, das Böse in jedem Menschen vom Guten zu trennen. Der Architekt entweihte nun das Land, indem er es ohne Genehmigung zur Verwirklichung seiner Siedlung benutzte. Folgerichtig muss in unserer Zeit ein Anhänger der Sekte davon Wind bekommen haben, versammelte sich mit weiteren Anhängern am Platz der Entweihung und führte noch ein letztes Mal das Ritual durch, um Nigel Holmes ein für allemal von dem Bösen zu befreien, welches ihn zu dieser Tat getrieben hatte. Daher hat Nigels Sohn an diesem Abend die wahrhaftigen Brüder des Mondes zu Gesicht bekommen, wie sie gerade dabei waren, ihr Ritual durchzuführen, bzw. Anhänger der Sekte, deren Begeisterung für die Taten der Gruppe bis in die heutige Zeit angedauert hat.



„Das ist Ihre Theorie, Agent Scully? Dieser Mord soll also auf eine Sekte zurückgehen, die im 19. Jahrhundert existiert haben soll? Wobei nicht einmal sicher ist, dass sie überhaupt jemals bestanden hat?“ - Agent Doggett verschränkte die Arme vor seiner Brust und blickte aus dem Seitenfenster des Ford. Scully saß auf dem Fahrersitz und konnte die Anspannung ihres Partners spüren.

„Ich habe nicht gesagt, dass es unbedingt Sektenmitglieder gewesen sein müssen.“ Scully musste innerlich schmunzeln. Jetzt redete sie sich schon genauso raus wie Mulder früher. Doggett geriet dennoch ins Grübeln.

„Und wie soll Nigel Holmes umgebracht worden sein?“ - Gute Frage, dachte die Agentin, welche den Wagen kurz vor einer roten Ampel anhalten musste.

„Ich habe mir dazu schon einige Gedanken gemacht, Agent Doggett. Jedoch bin ich mir noch im Unklaren darüber , was das Mögliche anbelangt.“ Sie beschleunigte den Wagen wieder. „Ich denke, dass die Absichten der Sekte durchaus gut waren, jedoch hatten sie mit einem nicht gerechnet.“

„Was meinen Sie damit? Wollen Sie etwa behaupten, die Sekte – ob es sie nun gab oder immer noch gibt sei dahin gestellt - hätte Erfolg bei ihrem Vorhaben gehabt, das Böse vom Guten zu trennen?“ Doggett schaute Scully mit einem Blick an, der alles oder nichts heißen konnte.

„Nicht unbedingt Erfolg“, sagte Scully und lenkte den Wagen auf einen kleinen Parkplatz nahe eines Einkaufzentrums, wo sie eine freie Parklücke fand. Scully schaltete den Motor aus. „Dr. Manners hat erzählt, dass nach Auftauchen der Sekte seltsame Todesfälle auftraten, Agent Doggett.“

„Und das heißt?“

Scully redete weiter: „Ich denke, die Männer konnten wirklich, wie auch immer, das Böse aus den jeweiligen Personen heraufbeschwören. Jedoch hatten sie das Böse unterschätzt. Denn seien wir mal ehrlich: wie will man das Böse langfristig „festhalten“?“

Doggett konnte ein gequältes Lächeln hervorbringen. „Wie will man es überhaupt festhalten, geschweige denn heraufbeschwören?!“ Scully ignorierte Doggetts letzte Bemerkung.

„Wie dem auch sei: das Böse gewann für kurze Zeit die Oberhand und wandte sich gegen die soeben „befreite“ Person, die nunmehr kraftlos war.“

„Weil sie nun nur noch ein guter Mensch war?“, fragte der Agent und schüttelte gleich darauf den Kopf. „Nein Agent Scully, das ist einfach zu weit hergeholt. Dann suchen wir also nach dem Bösen, das unter anderem für Nigel Holmes´ Tod verantwortlich sein soll? Gut, ich gebe gleich eine Suchmeldung raus!“, erwiderte er zynisch.

Scully wurde darauf mit einem durchdringenden Blick Doggetts bedacht. Hirnrissig, dachte die Agentin. Ich habe es ja geahnt!

„Es wird rein gar nichts erklärt mit dieser Theorie!“ ließ der Agent reichlich entnervt verlauten. „Das sind doch nur spekulative Theorien, die zudem noch auf ziemlich unglaubwürdigen geschichtlichen Berichten beruhen! Und auf was das gefrorene Gras zurückzuführen ist, ist damit auch nicht geklärt. Nein. Ich denke, wir sollten lieber die Arbeiter in Augenschein nehmen. Ich vermute nämlich, dass irgend jemandem im Betrieb Nigels Art und Weise der Behandlung gehörig gegen den Strich ging.“

Während Doggett dies sagte, ging Scully für einen kurzen Moment in sich. Sie dachte nach. „Gut, tun Sie das“, sagte sie schließlich und versuchte ruhig zu bleiben. „Vielleicht haben Sie recht.“

Scully fuhr langsam aus der Parklücke und lenkte den Wagen wieder auf die Hauptstraße. „Ich werde Sie bei Nigel Holmes´ Firma absetzen. In der Zwischenzeit werde ich im Motel etwas nachdenken.“

„In Ordnung“, erwiderte Agent Doggett und zog es vor, den Weg bis zum Firmengebäude über zu schweigen.





******



19:30



Scullys Hände stützten ihren Kopf, der von Minute zu Minute schwerer zu werden schien. Kopfschmerz machte sich breit. Hervorgerufen durch tausend kleine Gedanken, Theorien und Thesen, die nun in ihrem Kopf herumschwirrten. Theorien, die besagten, dass eine Sekte zurückgekehrt sein soll, welche eine besondere Begabung hat(te). War das eventuell wirklich die Lösung? Scully begutachtete noch einmal den Stein in ihrer Hand und drehte und wendete ihn zu allen Seiten. Sollte dieser Stein wirklich die Macht haben, die kosmische Energie zu beeinflussen? Gerne hätte die Agentin ihre eigene Frage mit „Ja“ beantwortet, aber dieser ganze Fall war derart seltsam und mysteriös, dass sie selber so langsam ins Zweifeln geriet Doggett musste sie für verrückt halten!

Allmählich machte sich eine innere Unruhe in ihr breit. Vielleicht war hier wirklich nichts mehr zu erledigen. Vielleicht war dieser Fall abgeschlossen. Vielleicht war Nigel das einzige Opfer der Sekte gewesen. Vielleicht wurde er wirklich von einem rachsüchtigen Mitarbeiter ermordet. Vielleicht, vielleicht...

Aber was, wenn es noch nicht ausgestanden war? Was, wenn demnächst wieder ein Mord geschehen würde? Scully fuhr sich mit der freien Hand durch ihre Haare, legte daraufhin den Stein auf den Holztisch und blickte nach draußen aus dem Fenster. Es war wieder eine klare Nacht – eine der vielen in diesem Monat. Hell stand der Mond am Himmel, während es zunehmend dunkler wurde. Er erschien noch genauso voll wie am Vortag. Es dämmerte.

Scully blickte wieder zurück auf den Tisch – und erstarrte! Der Tisch war leer, der Stein war verschwunden. Er schien sich in Luft aufgelöst zu haben. Die Agentin stand schnell auf und schaute sich verunsichert im ganzen Zimmer um. Er musste doch noch da sein! Doch so sehr Scully auch in der Nähe des Tisches suchte (Vielleicht war er ja nur heruntergefallen?! ) – der Stein blieb verschwunden.







Erschrocken fuhr Scully herum ...



... und sah gerade noch, wie der Stein, der besagte Stein, aus dem Fenster ... - Sie konnte es nicht fassen! Der Stein flog! Er schwebte circa 80 Zentimeter über dem Boden und bewegte sich sachte durch das Fenster. Das konnte nicht sein! Scully rannte zum Fenster und sah dem Stein nach, wie er sich weiter und weiter entfernte.

Zum einen schockiert, zum anderen unsicher, ob sie das glauben sollte, was sie sah, überkam sie ein Gedanke. Er kam recht schnell und beschwor ein seltsames Gefühl in ihrem Innern herauf, welches dem dort vormals befindlichen Gefühl der Fassungslosigkeit den Platz stahl. Scully blickte noch einmal auf die Scherben.

Wenn auch alles abstrus und unerklärlich erschien, so wusste sie doch eines:



Es begann von neuem!



Instinktiv griff sie zu ihrem Handy und war froh darüber, ihren Gesprächspartner am anderen Ende zu dieser Stunde noch anzufinden.



„Doktor Manners? Agent Scully hier. Ein Glück, dass ich Sie noch erreicht habe!“

„Agent Scully, Sie wirken so aufgeregt, was ist denn los?“

„Das weiß ich selber nicht, Doktor. Ich, ich habe etwas gesehen und brauche diesbezüglich einige Informationen, wenn möglich schnell!“

„Wenn ich Ihnen helfen kann...“

„Ohne Umschweife: was könnte die Brüder des Mondes dazu veranlassen, noch einmal ein Ritual durchzuführen, wenn doch der eigentliche, ich nenne es mal „Patient“ schon längst vom Übel befreit ist?“

„Ein neuer Auftrag, nehme ich an“, antworte der Wissenschaftler leicht verwundert. „Aber wenn Sie das auf die heutige Zeit beziehen, so muss ich Sie leider enttäuschen: die Sekte besteht nicht mehr, der letzte Anhänger ist vor über 70 Jahren gestorben. Jedenfalls sagen das die Berichte.“

„Ich bin mir im Klaren darüber, dass heutzutage keinerlei dieser Aufträge mehr vergeben werden. Nein, ich meinte: hatten die Brüder ein bestimmtes Schema, nach dem sie sich bei ihren Ritualen richteten? Eine bestimmte Linie, der sie folgten?“

„Ich wunder mich über ihr Interesse an dieser Sache, Agent Scully. Das sind alles Überlieferungen und ...“

„Das sagten Sie bereits!“, erwiderte Scully recht barsch und sah noch einmal zum Fenster. Der Stein war nun nicht mehr zu sehen.

„Bitte: gab es eine solche Linie?“, bohrte sie weiter.

„Ja...“

„Und die wäre?“



Schweigen.



„Die Brüder nahmen an, dass das Böse von Generation zu Generation weitervererbt wird, sich somit immer weiter verbreitet. Um das Böse ganz zu zerstören, mussten sie also sowohl die erste, als auch die zweite Generation vom Übel befreien. Und...“

Doch Scully hatte genug gehört.



„Generationen“, murmelte sie, „oh mein Gott! Ich hätte es wissen müssen!“



*


Haus der Holmes

20:24 Uhr



„Wie geht’s dir, mein Schatz?“



Davids Mutter stand in der Tür zum Jugendzimmer des für sein Alter nicht sehr großen Jungen und blickte mit von Tränen unterlaufenen Augen umher. Sie hatte es immer noch nicht verkraftet, von heute auf morgen Witwe zu sein. Sie schluchzte.

„Geht schon, Mama. Mach dir keine Sorgen um mich. Dass Daddy in dieser Nacht ermordet wurde, mag schlimm für dich sein, zumal er dein Mann war, aber...“

„Er war auch dein Vater! Rede nicht immer so abfällig über ihn. Er hat... er hat immer versucht, uns das Leben so lebenswert wie möglich zu machen, und das sollten wir ihm danken.“

„Nein danke“, konterte David und warf sich auf sein Sofa. „Du kennst meine Einstellung. Er hat mich gehasst, er wollte mich nie als seinen Sohn anerkennen. Für ihn war ich nur ein Fehlgriff! Er wollte doch gar kein Kind!“

„Das stimmt nicht, er...“

„... und als dann noch rauskam, dass ich niemals seine Größe erreichen werde, hat er mich völlig abgeschrieben! Was wäre das auch für ein Nachfolger, huh?! Kleinwüchsig, unsportlich – nein, nein! So was darf sich niemals einen echten Holmes schimpfen! So war es doch!“ Er begrub sein Gesicht in den Kissen.

„David...“

„Bitte lass mich allein, Ma.“

„Aber...“

„BITTE!“



Die Tür wurde geschlossen und David war nunmehr allein in seinem Zimmer. Da er wusste, dass der Schlüssel noch im Schloss steckte, begab er sich zur Tür und schloss sie ab. Er brauchte jetzt Ruhe.

Um etwas frische Luft zu bekommen, öffnete er das Fenster und blickte nach draußen, in die dunkle, sternenklare Nacht. Es war schnell dunkel geworden, doch das verwunderte ihn gar nicht. Vielmehr war es die Tatsache, dass er aus dem anliegenden Wald ganz sachte und leise Gesang vernahm.



Es waren keine Wanderer.



Es waren auch keine Kinder!



Es waren unverständliche Laute, die auf den Wogen des aufkommenden Windes dahin zogen, sich über dem ganzen Wald ausbreiteten und gespenstisch dumpf in der Ebene widerhallten. Der Gesang erreichte in seiner Intensität in just diesem Moment seinen Höhepunkt, schwoll an und verstummte alsbald.

War vormals noch ein Nachklingen zu verzeichnen gewesen, so lag der Wald nun ruhig und friedlich da und schien auch schlafen gegangen zu sein. Kein Laut, kein Geräusch – nichts durchbrach die Stille. Alles ruhte.



Es blitzte nur einmal ...



*



wenige Meter vom Haus der Holmes entfernt



Scully bekam große Augen, als sie den aufblitzenden Himmel sah. Sie war so schnell hergefahren, wie sie nur konnte und war gerade dabei gewesen, aus dem Wagen zu steigen, als das seltsame Schauspiel begann und ebenso schnell wieder vorbei war. Ruhig war es. Eine trügerische Stille.

Scully hoffte inständig, dass es noch nicht zu spät war und lief in Richtung des modernen Neubaus, dessen geflieste Auffahrt von Lampen, die ringsum standen, atmosphärisch und einladend beleuchtet wurde. Schatten zeichneten sich auf dem Boden ab, Äste, die in der Phantasie zu ellenlangen Armen mit ebensolchen Fingern wurden und den Eindruck erweckten, als ob sie jeden Moment Gestalt annehmen und zupacken könnten.



Scully erreichte die Haustür und klingelte Sturm.



*



Carrie Holmes war gerade in der Küche, als sie das Klingeln vernahm. Auf dem Herd köchelte ein Topf Suppe leise vor sich hin, der Dampf kondensierte an der Dunstabzugshaube. „Wer ist da?“ , fragte die junge Frau und ging vorsichtig in den Flurbereich. Von draußen zeichnete sich durch das Kristallglas der Tür ein nicht allzu großer Schatten ab. Selbiger schien, da zierlich, zu einer Frau zu gehören.

„FBI, Mrs. Holmes, ich bin Agent Scully, Agent Doggetts Partnerin. Bitte lassen Sie mich rein!“

„FBI?“, fragte Carrie Holmes, „was gibt es denn diesmal wieder?“

„Bitte, würden Sie mich reinlassen? Es geht um ihren Sohn...!“

Davids Mutter war schon an der Tür und wollte aufschließen, als sie plötzlich Schreie von oben vernahm.

„Oh mein Gott, David!!“

Die junge Frau ließ von der Tür ab und rannte panisch nach oben. Scullys Versuche, die Frau dazu zu bewegen, ihr die Tür zu öffnen, scheiterten. Carrie Holmes konnte sie aus der Entfernung nicht mehr hören.



*



Verdammt noch einmal, sie musste jetzt schnell handeln, sonst könnte es zu spät sein! Scully überlegte scharf und blickte umher. Nichts, was ihr wirklich helfen könnte, stand in der Nähe, und in ihrem Zustand über das Dach zu klettern, wäre sowohl unklug als auch lebensmüde gewesen. Nein, es gab nur den einen Weg durch die Haustür, und wenn ihr niemand öffnen wollte, dann musste sie sich selbst Zugang verschaffen.

Sich in Gedanken vorsagend, dass dies alles nötig sei, da es ein Notfall war, richtete Scully die Waffe auf das Schloss und schoss.



Einmal.



Zweimal.



Schließlich wurde das Holz des Rahmens brüchig, so dass Scully mit einem beherzten Tritt die Tür aus den Angeln manövrieren konnte. Nach Luft schnappend blickte die Agentin um sich und horchte.

„Mrs. Holmes?!“

Keine Antwort, stattdessen nur Schreie – Schreie eines Kindes! Also hatte sie doch recht gehabt!

Instinktiv rannte Scully die Treppe hinauf und fand Carrie Holmes fassungslos vor einer Tür hockend vor. Ihre Augen waren weit geöffnet und spiegelten Panik wider. Sie war nicht imstande zu reden.

Und aus dem Kinderzimmer drangen unaufhörlich Schreie in Scullys Ohr.



*



Nigel Holmes GmbH und Co KG

20:30 Uhr



Die Befragung heute am frühen Abend hatte rein gar nichts zu Tage gefördert. Doggett war frustriert und massierte vorsichtig seine schweißnasse Stirn. Jeder der Arbeiter konnte ein wasserdichtes Alibi vorweisen, wirklich jeder. Zu gerne hätte Doggett den Fall hingeworfen und jemand anderen die Arbeit machen lassen, aber jetzt gab es kein Zurück mehr.

Fragen über Fragen, aber Antworten blieben aus. Frustrierend!



Der hausinterne Kaffee-Automat schüttete auch nur ein ungenießbares Gebräu aus, so dass Doggett wohl oder übel mit nichts vorlieb nehmen musste. Zu allem Überfluss war Scully einfach nicht zu erreichen.

Zu gerne hätte der Agent gewusst, wo sie jetzt wohl war. Bestimmt war sie über ihren Spekulationen eingeschlafen und hörte deshalb das Handy nicht, dachte Doggett leicht genervt und begrub sein Gesicht in den Händen.



*



Scullys Handy klingelte indes unaufhörlich auf dem Beifahrersitz des gemieteten Ford. Das Geräusch wurde aber vom aufkommenden Regen, der auf die Windschutzscheibe prasselte, übertönt und verkam zu einem einsamen Piepen in der pechschwarzen, dunklen Nacht.



*



„Er hat abgeschlossen! Mrs. Holmes, wo sind die Schlüssel für das Zimmer?!“ – Scully rüttelte wie wild an der Tür, konnte aber nichts ausrichten. Davids Mutter war kreidebleich. „Er, er wird sich doch nichts antun...? Er, er ist doch mein ein und alles...! Bitte, sagen Sie mir, dass er sich nichts antut!“

„Miss Holmes, ich brauche einen Schlüssel für das Zimmer!“

„Es gibt nur diesen einen...“, murmelte die Frau und hämmerte wie wild auf die Tür ein. „DAVID! MACH AUF!“

Scully, die den Ernst der Lage erkannt hatte, ging einige Meter zurück und wies Miss Holmes an, in Deckung zu gehen. In der rechten Hand die Waffe, nahm die Agentin Anlauf und stieß mit ihrer Schulter gegen die Holztür, welche infolgedessen ein wenig nachgab. Scully trat nun noch mehrmals mit ihrem Fuß gegen das Holz und den Rahmen, bis die Tür endlich aus den Angeln flog.

„Zum Glück war dies eine nicht sehr feste Tür“, keuchte die Agentin und rannte in das Zimmer.

David lag am Boden, und über ihm stand ein ebenso großer Junge, die selben Haare, die selbe Statur, die selben Augen. Letztere spiegelten jedoch pure Rachsucht wider. Scully musste zwinkern, um sich zu vergewissern, dass sie nicht träumte. Was sie da sah, waren zwei identische David Holmes. Der eine lag wimmernd am Boden und der andere stand in voller Montur über ihm.

Die Agentin wollte schießen, war aber wie versteinert. Fassungslos stand sie da und brachte nur ein „Hände hoch! FBI!“ hervor. Scully zitterte und erkannte in diesem Moment, dass der Angreifer keinen Schatten warf. Er stand inmitten eines Lichtkegels, jedoch zeichneten sich keinerlei Schatten an den Wänden ab. Als ob er gar keine Gestalt hätte...

Ohne dass sie es wollte, erschien Scully wieder das Bild von Nigel Holmes` Leiche vor Augen. Die zerquetschte Luftröhre, keinerlei Anzeichen auf äußere Gewalteinwirkung – Nigel Holmes muss von einem Teil seiner selbst ermordet worden sein; von einem Teil, der keine Gestalt hat, keinerlei Spuren hinterlässt.

Scully schluckte.

Was sie hier über David hocken sah, war ein Teil von ihm: das Böse!



*



Der Blitz überraschte alle sehr. Plötzlich war es für einen Moment taghell, so hell, dass Scully die Hand vor die Augen halten musste. Ein, zwei Sekunden lang vermochte keiner etwas zu sehen, doch ebenso plötzlich, wie der Blitz erschienen war, verschwand er auch wieder. Die Agentin blinzelte.

David lag wimmernd am Boden, der Angreifer war verschwunden. Vorsichtig begab sie sich zu dem Jungen und ging in die Hocke.

„Geht es dir gut, David?“

„Ja...“, murmelte der Junge und begann zu weinen. „Plötzlich war er da. Er wollte mich umbringen! Und die Männer in Schwarz...!“

„Ganz ruhig“, flüsterte Scully, „dir kann keiner mehr was antun.“

Warum sie sich da so sicher war, wusste sie im Moment selbst nicht. Jetzt hielt sie nur den weinenden David in ihren Armen und sprach ihm, so gut sie es konnte, Mut zu. Es schien vorbei, jedenfalls für den Augenblick.



Und draußen stand hell leuchtend der Mond am Himmel.





21:22 Uhr



„Verdammt noch mal Scully, wo waren Sie?“



Doggett saß neben Scully im Wagen und blickte ziemlich missmutig drein. „Ich habe stundenlang Verhöre geführt, Protokolle aufgenommen – alles hat nichts gebracht. Jeder Arbeiter hat ein handfestes Alibi für die Tatzeit. Jetzt kommt im Grunde nur noch ein Auftragsmord in Betracht, aber wer...?“

„Es war Selbstmord, Doggett.“

„Selbstmord. Das meinen Sie nicht ernst, oder?“, fragte Doggett leicht entrüstet. „Sie kennen doch die Obduktionsberichte – der Mann wurde erwürgt. Wenn Sie mir jetzt auch noch weismachen wollen, dass er das alleine bewerkstelligt hat...!“

„Hat er“, sagte Scully und hielt vor Doggetts Wohnung. „Ich glaube, Sie müssen hier aussteigen.“

„Ja, aber...“

„Gute Nacht, Agent Doggett, wir sehen uns morgen.“

„In Ordnung, Agent Scully, aber Sie schreiben den Bericht.“



Mit diesen Worten stieg der Agent aus dem Wagen und öffnete die Haustür. Scully blieb noch einen Moment vor dem Haus stehen und dachte nach. Ihr war etwas unklar: warum hatte Davids Ebenbild von ihm abgelassen? Nigel wurde von seiner eigenen schlechten Hälfte umgebracht, nur bei David war es, Gott sei Dank, anders verlaufen. Warum? Unsicher darüber, wie sie den Ausgang des Falls in Worte fassen sollte, startete die Agentin den Motor und fuhr davon in die Schwärze der Nacht.



*



1 Woche später, vor der Siedlung



„... und sperrt alles ab! Irgendwem ist dieser Platz anscheinend sehr wichtig.“



Der Polizeibeamte wandte sich zu Doktor Manners und fragte: „Und Sie haben die Genehmigung vom Federal Bureau of Investigation persönlich?“

„Ja, Sir.“

„Und ... wozu das alles, wenn ich fragen darf?“

„Untersuchungen“, antwortete der Wissenschaftler freundlich. „Ich soll mich näher mit den Fundstücken befassen.“

„Aber da sind doch nur einige Steine...?“, murmelte der Beamte leicht unsicher und kratzte sich am Hinterkopf. „Was kann daran so interessant sein?“

„Das verstehen Sie nicht. Ich stehe hier so gesehen vor einem Lebenstraum, der endlich wahr geworden ist. Ein Mythos, den es jetzt endlich, neben den Überlieferungen, zum Anfassen gibt!“

„Steine“, murmelte der Beamte wieder.

„Jawohl, heilige Steine.“



Kopfschüttelnd ging der Polizeibeamte seiner Wege und rief einem Kollegen zu: „Jetzt gibt sich das FBI schon mit solchen Lappalien ab!“

Der Angesprochene grinste und setzte sodann seine Arbeit fort. Sein Freund, der die Bemerkung gemacht hatte, fühlte seine Hosentasche. Ihr Inhalt beulte den Stoff aus und schien aus fester Materie zu bestehen.

So lange hatte er darauf gewartet! All die Jahre waren er und seine Jünger unterwegs gewesen, um die Heimatstätte der Sekte wiederzufinden und den Orden zu neuem Leben zu erwecken. Keiner dachte nach dem Tod des letzten Mitglieds mehr daran, dass jemals das Interesse wieder aufflackern würde. Aber mit Interesse verhielt es sich letztlich genauso wie mit charakteristischen Merkmalen – beides wurde vererbt, von Generation zu Generation.

Jetzt nach all den Jahren, endlich, war es vollbracht. Dass ein Mann dafür sein Leben lassen musste, war zweckmäßig gewesen und hatte letztlich zur rechten Spur geführt. Zudem hatte sich der Job bei der Polizei bezahlt gemacht, würden doch bald alle Menschen ein besseres Leben führen. Nach außen der brave Polizist, innen überzeugter Jünger einer der wunderbarsten Sekten überhaupt.

Der Polizist wusste, wer den Architekten umgebracht hatte. Nein, es waren nicht die Brüder gewesen. Gut, sie hatten ihren Anteil dazu beigetragen, aber letztlich war es der Architekt selbst. Die Entweihung war sein Todesurteil.

Dass die Befreiung vom Bösen in fast allen Fällen tödlich geendet hat, war tragisch, aber heutzutage mit den richtigen Mitteln zu vermeiden, soviel stand fest. Heute hatte die Wissenschaft viel mehr Möglichkeiten, die Mittel waren nahezu unbegrenzt! Oh ja, irgendwann würde die Zeit kommen, um das Wirken der Brüder fortzuführen. Für das Wohl der Welt, für die Menschheit.



Mit einem Lächeln auf den Lippen begutachtete Harry Weinberg, Urenkel von Agnes Weinberg, den Stein in seiner Hand. Zeichen, wunderschöne Zeichen. Jetzt galt es nur, sie genauestens zu ergründen.

Der Wissenschaftler war das kleinste Übel. Den konnte man notfalls verschwinden lassen. Schon würden die Steine in Vergessenheit geraten, und niemand würde mehr ein Wort über sie verlieren. In den Händen des Wissenschaftlers waren sie unbrauchbar, er kannte ihre Bedeutung nicht und würde sie auch niemals komplett erforschen können, da die bloße Vorstellung seinen Horizont übersteigen würde.

Nein, die Steine gehörten in die richtigen Hände, dafür würde er, Harry, schon sorgen. Und irgendwann würde er die Mittel besitzen, um die Arbeit fortzusetzen. Irgendwann. Er lachte in sich hinein und griff zu seinem Handy.



„Es ist vollbracht, ich habe sie gefunden ... ja, es sind alle da ... in den Händen eines Wissenschaftlers ... nein, er kann das nicht begreifen ... wir brauchen alle! Konnte bisher nur einen mitgehen lassen ... heute nacht schon ? ... es muss aber wie ein Unfall aussehen ... keine Spur zu uns zurück! ... in Ordnung, kümmere dich drum ... Manners heißt er ... ich freu mich auch! Für die Menschheit!“





*



Nicht jeder Mensch ist böse. Die, die viel Leid erfahren haben, sind erfüllt von Trauer und Sorge. In ihnen weilt das schwache Übel. Es ist zu schwach, um sich gegen die anderen beherbergten Gefühle behaupten zu können. Und sollte es doch einmal ans Tageslicht gelangen, dann verschwindet es genauso schnell, wie es gekommen ist. Der Starke gewinnt, der Schwache unterliegt.



*



~ENDE~
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