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Selbstmord

von Stefan Rackow

Kapitel 2



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Ohne richtig zu wissen warum, zog sich Michael T. Morton in Sekundenschnelle an, schlang ein halbes Brötchen hinunter und vergaß auf dem Weg zur Tür sogar, seine Frau zu küssen, welche schmollend am Frühstückstisch zurückblieb. Das Einzige, was sie von ihrem Mann zu hören bekam, war das Zuknallen der Wohnungstür und das darauf folgende Starten des Motors seines Sportwagens.



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Sollte es wirklich wahr sein? Konnte das, was er während der Nacht geträumt und mit eigenen Augen gesehen hatte, die Wirklichkeit sein? Ein Zeichen? Ein Wink mit dem Zaunpfahl?



Michael glaubte im Grunde nicht an so was, aber der Tod seines Arbeitgebers schien etwas damit zu tun zu haben. Wie war es sonst zu erklären, dass erst nach dem Mord an Nigel diese seltsamen Erinnerungen in ihm wach wurden? Sprach da etwa Michaels schlechtes Gewissen, welches durch dieses schreckliche Ereignis mit jedem Tag anzuschwellen schien? Das schlechte Gewissen darüber, etwas getan zu haben, was nicht richtig war und nun seine Folgen hat? Michael schüttelte den Kopf, da er dies für ziemlich schwachsinnig hielt. Doch warum war er dann überhaupt in seinen Wagen gestiegen? Als würde er Träumen Glauben schenken? Neugier?



Steine ...

Große Steine ...

Ein Zeichen ...



Die Erinnerung überkam ihn. Mit einem Mal war sie da, zeigte ihm, was sich vor knapp einem Jahr ereignet hatte. Er sah Nigel, wie er an der Baustelle stand und die Befehle gab; er sah sich, wie er im Schweiße seines Angesichts Schaufel für Schaufel Sand aus der Grube schaufelte. Er sah die fast vollendete Siedlung - und er sah die Steine! Michael schluckte. Warum erinnerte er sich gerade jetzt? Ein halbes Jahr nach Fertigstellen der Siedlung? Ihm kam es fast so vor, als würden ihm diese Eingebungen bewusst geschickt: damit er wusste, warum Nigel sein Leben lassen musste.



Große Steine, 13 an der Zahl ...

Angeordnet in einem Kreis ...



Mit jedem Meter, den sich Michael der Siedlung näherte, fühlte er sich unwohler. Mit jedem Meter überkam ihn ein leichter Schauer. Ihm war die ganze Sache richtiggehend unheimlich, und er hoffte, nicht das vorzufinden, was er im Traum gesehen hatte. Er hatte sie damals weggeräumt, sie ignoriert, sie einfach an einen anderen Ort gelegt. Vielleicht hatte er sie sogar zusammen mit dem anderen Abfall weggeworfen!? – Er wusste es nicht mehr. Umso mehr kam ihm die Tatsache, dass er die Nacht zuvor von den Steinen geträumt hatte, seltsam, ja fast mysteriös vor. Sein Puls raste. Michael wollte Klarheit. Das Ortsschild ließ verlauten, dass sein Ziel in noch 2 km Entfernung lag.



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11:10 Uhr



Agent Doggett saß in seinem Wagen vor dem Haus der Holmes und ging im Kopf noch einmal die vorherige Unterhaltung durch. Ihm kamen Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Aussage. Vielleicht war die Erinnerung des Jungen beeinflusst worden – durch einen großen Schock, wie man ihn bekommt, wenn man ein Elternteil sterben sieht (wie auch immer das vonstatten gegangen sein mag). Hirngespinste? Falsche Erinnerungen?







Das Handy beendete vorerst Johns Gedankengänge und ließ den Agenten zusammenzucken.

„Ja?“

„Agent Doggett? Ich bin es. Wo sind Sie gerade?“, fragte eine ihm bekannte weibliche Stimme. Doggett warf einen kurzen Blick nach rechts.

„In unmittelbarer Nähe des Hauses der Familie Holmes, Agent Scully. Ich hatte gerade eine sehr interessante Unterredung mit David, dem Sohn des Opfers“, antwortete er.

„Wegen ihm rufe ich an, Agent Doggett. Er scheint etwas zu wissen.“

„Wie meinen Sie das?“ Doggett verstand Scully nicht so recht und zog seine Stirn kraus.

„Er muss etwas gesehen haben“, versuchte Scully die Unklarheiten zu beseitigen. „ Er muss den Täter gesehen haben. Denn, soviel steht fest: Nigel Holmes hat nicht Selbstmord begangen.“ - Doggett überraschte diese These.

„Wie können Sie sich da so sicher sein, Agent Scully? Haben Sie etwa bei der Autopsie etwas gefunden, was Sie zu dieser Annahme verleitet?“

„Oh ja. Er wurde erwürgt. Dies ging eindeutig aus der Untersuchung hervor, die ich bis vor kurzem durchgeführt hatte. Der Mann ist scheinbar den qualvollen Erstickungstod gestorben.“ Scully sprach diesen Satz langsamer als die vorigen. Doggett konnte spüren, dass ihr etwas Kopfzerbrechen bereitete.

„Agent Scully, Sie meinten vorhin, Sie riefen wegen Nigels Sohn an. Nun, er behauptet, er habe wirklich jemanden gesehen. Aber mir erscheint das Ganze sehr unwahrscheinlich und nicht sehr aussagekräftig, bedenkt man die Schwere der Tat und die Tatsache, dass David gewissermaßen „live“ dabei war. Und bevor Sie etwas sagen: Ja, ich habe vorschnell Rückschlüsse gezogen, das muss ich eingestehen. Und: Ich bin nun auch der festen Überzeugung, dass David den Mörder gesehen hat.“

„Agent Doggett, worauf wollen Sie hinaus? Und was hat David gesehen?“ Nun war es Scully, die der Sache nicht ganz folgen konnte.

„Ich will damit nur sagen, dass David vielleicht phantasiert“, sagte John und fügte hinten dran: „Dass er nun Dinge beschreibt, die sich so nicht zugetragen haben, vielmehr als Hirngespinste in seinem Kopf herumspuken. Als Reaktion auf den Schock. Dies würde bedeuten, dass wir im Moment einen Augenzeugen haben, der uns bedauerlicherweise, bedingt durch die Umstände, Märchen erzählt. Und er kann nicht einmal was dafür! “

„Was hat er Ihnen erzählt?“, bohrte Scully weiter.

„Das ist ein Hirngespinst. Wenn das, was er erzählt hat, wahr sein sollte ...!“

„Was hat er gesehen?“ Der Tonfall der Agentin wurde zunehmend lauter. Sie konnte es nicht leiden, im Unklaren gelassen zu werden. Schweigen. Ihr Gesprächspartner am anderen Ende holte erst einmal tief Luft, bevor er weitersprach. „Er hat von Männern in schwarzen Kutten berichtet. Männern, die um ein Feuer tanzten und dabei seltsame Laute von sich gaben. Sie sangen seiner Beschreibung nach in irgendeiner ihm unbekannten Sprache. Reichlich mystisch, finden Sie nicht?“ Scully nahm das Gesagte, zu Doggetts Verwunderung, ziemlich gelassen entgegen und murmelte fast geräuschlos in ihr Handy: „Singende Männer in schwarzen Kutten, die um ein Feuer tanzen? Hm...“

„Agent Scully, Sie glauben doch wohl nicht diesen Unsinn. Das wirkt ja wie eine Szene aus dem Spätmittelalter. Fehlen nur noch Hexen, die in der unmittelbaren Umgebung auf dem Scheiterhaufen verbrannt werden! Agent Scully ...“

Doch die Agentin sagte nichts.



*



Man kann nicht nicht kommunizieren. Schweigen ist auch eine Art des Ausdrucks. Manchmal ist es vielleicht sogar im Ausdruck stärker als so manche verbale Äußerung. In ihm stecken so viele Möglichkeiten – wen verwundert das bei der Anzahl an möglichen Antworten auf jedwede Frage im Universum?

Nur Reden ist Silber.



*



Scully schwieg noch immer. Sie dachte an die Möglichkeiten. Dachte an die Möglichkeit, dass so manches Verrücktes doch manchmal einen Funken Wahrheit enthalten konnte. Es galt nur, ihn zu finden. Erst nach einer weiteren Minute des Schweigens nahm sie das Gespräch wieder auf: „Agent Doggett, ich glaube, wir sollten noch einmal zum Fundort der Leiche zurückkehren. Vielleicht haben wir uns zu sehr auf die ...“ - Sie machte eine Pause - „... realistischen Möglichkeiten beschränkt.“ Und bevor Doggett etwas erwidern konnte, fügte sie hinzu: „ Können Sie mich eventuell vom Pathologischen Institut abholen? Ich möchte ihnen nämlich während der Fahrt einiges erläutern...“





******



11:35 Uhr, Fundort der Leiche, nahe der Siedlung Nigel Holmes’



Michael T. Morton stieg mit einem mulmigen Gefühl aus seinem Wagen. Es hatte leicht angefangen zu regnen, und kleine Rinnsale liefen seinen schwarzen Anorak hinab. Der sandige Boden wurde matschig. Alle Bedenken beiseite schiebend, ging der junge Mann zielstrebig auf die neu gebaute Siedlung zu. Sie war schon schön – Nigel hatte ganze Arbeit geleistet, dachte Michael. Jedoch konnte seine Bewunderung nicht einen neuen Anfall von Panik unterdrücken, wie er sich langsam einer zwar unbebauten, aber vor einem Jahr neu angelegten Rasenanlage näherte. Er kannte diese Anlage – er hatte sie eigenhändig angelegt. Und im Traum hatte er sie wieder gesehen. Wieso? Was wollte ihm sein Unterbewusstsein damit sagen?

Der zunehmende Regen prasselte unaufhörlich auf die Polizeiabsperrungen, welche das ganze Gebiet umzäunten, und der Boden wurde mit jedem Mal matschiger. Michael machte der Regen nichts aus – in seinen Gedanken war er ganz woanders; an demselben Ort wie jetzt, nur ein Jahr zuvor.

Und der Regen benetzte unaufhörlich seinen Körper.



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1999:



„Nigel? Hier ist etwas“, rief Michael und stellte seinen Spaten zur Seite. Der Architekt war kurze Zeit später bei ihm.

„Was gibt es?“

„Beim Säubern dieser Rasenfläche ist mir aufgefallen, dass etwas darunter verborgen lag.“ Er deutete auf eine Stelle, die nun kahl war und den Blick freigab auf -

„Steine?!“ Der Stararchitekt schaute seinen Freund und Kollegen mit großen Augen an. „Ist das alles?“, fragte er, „Ist dies das ach so Geheimnisvolle, das unter dem Gras war? Steine? Stinknormale Steine? Michael, Michael, Michael, ... manchmal verwunderst du mich.“

„Aber sie sind in einer bestimmten Form angeordnet, gleich einem Kreis. Wie eine Begrenzung für ...“ Er überlegte kurz. „ ... für eine Feuerstelle. Ja, so sieht es aus. Wie die Begrenzung für eine altertümliche Feuerstelle.“

„Das meinst du nicht ernst...“, murmelte Holmes und schenkte seinem Kollegen einen vernichtenden Blick. „Das sind nur Steine! Irgendjemand wird sie da hingelegt haben. Kinder – bestimmt waren es Kinder. Die machen immer so was! Jedenfalls ist das nichts, was dich davon abhalten sollte, deine Arbeit zu machen! Stör mich jetzt nicht mehr und sieh´ zu, dass du fertig wirst. Nicht, dass du mich schon mit deinen Bedenken bezüglich unserer Baufläche nervst – nein, jetzt fängst du sogar schon an, mich wegen solcher Lappalien bei der Arbeit zu stören! Steine ... pah!“

„Aber wenn es nun was Altes...“ Michael wünschte sich im Nachhinein, er hätte dies nicht gesagt. Denn Nigel erhob seine Stimme und schrie den armen Mann derart laut an, dass dieser vor Schreck den kurz zuvor wieder aufgenommenen Spaten fallen ließ.

„Was Altes?? DAS soll was Altes sein? Das Einzige, was hier alt ist, bist du, mein Lieber!! Herrgott!! Wenn du nicht mein Freund wärst, würde ich dich hochkant an die Luft setzen!“ - Mit diesen Worten schritt der Architekt zurück zu seinem Büro und ließ den völlig verdatterten Michael allein. Dieser schluckte und blickte auf den Boden, auf dem fein säuberlich 13 Steine lagen, die irgendjemand zu einem Kreis geformt hatte. Ein Werk von Kindern? Michael schaute sich die Steine noch einmal genau an, bevor er sie nach und nach zu dem anderen Abfall gab.

Es waren schöne Steine, soviel stand fest. Geschliffen, wohl geformt, mit einem Muster, das seltsame Zeichen beinhaltete – richtige kleine Kunstwerke. Aber wahrscheinlich hatte Nigel Recht, dachte Michael. Wahrscheinlich machte er sich etwas vor, sah in allem und jeden das Unheil . Und das nur aufgrund von 1000 qm. Der junge Mann setzte alsbald seine Arbeit fort.





Nigel Holmes sah indes noch einmal in seinem Büro die Pläne durch. Sie zeigten das gesamte Bebauungsgebiet mit den zugeteilten Arbeitern. Alles nahm seinen geregelten Lauf. Walkers, Henry und Trevor arbeiteten mit ihren Männern an dem Häuserbau, Chris war für die Finanzen zuständig. Und Michael T. Morton war ein kleines unscheinbares Gebiet von circa 1000 qm zuteil . Klein, unscheinbar, vielleicht ein, zwei Bäume. Holmes grinste und legte die Pläne wieder auf seinen Schreibtisch.



******



Gegenwart:



Michael T. Morton erreichte die Grünfläche und musste an sich halten, nicht umzufallen. Denn was er sah, war derart abstrus, dass es nicht wahr sein konnte. Er schloss die Augen und öffnete sie kurz darauf wieder, aber das Mysteriöse war immer noch da. Der junge Mann schluckte. Vor ihm lagen etwas mit Gras bedeckte, fein säuberlich in einem Kreis angeordnete Steine – 13 an der Zahl. Wie im Traum, dachte Michael. Das konnte nicht sein! Bestimmt hatten hier Kinder gespielt, ja, ganz bestimmt ... Bestimmt hatte Nigels Sohn hier gespielt. So muss es gewesen sein, er hat diese Steine hier hingelegt! Er ... er hat nur gespielt und vergessen, sie nachher wieder wegzuräumen! Michael versuchte sich davon zu überzeugen. Er schaffte es, ein gequältes Grinsen hervorzubringen. Vorsichtig nahm er einen der Steine und wollte ihn in den naheliegenden Müllcontainer werfen, doch voller Furcht ließ er ihn plötzlich wieder fallen. Michael fiel rücklings in den Matsch und versuchte, so viel Abstand wie möglich von diesem Ding zu bekommen. Das konnte nicht sein! Er schluckte zum wiederholten Male und merkte gar nicht, dass seine Kleidung schon völlig verdreckt war. Er blickte nur mit starrem Blick auf den Stein bzw. auf das, was den Stein zierte. Kleine Schriftzeichen, fein eingravierte Zeichen und Muster. Die gleichen Muster, die auf den Steinen waren, die er ein Jahr zuvor weggeworfen hatte! Er erkannte diese Zeichen, und eine böse Vorahnung verriet ihm , dass dies dieselben Steine sein mussten wie damals, kurz vor Fertigstellen der Siedlung. Verrückt, absolut verrückt!



Michael T. Morton hockte noch am Boden, als ihn plötzlich eine durchdringende Stimme zusammenzucken ließ: „FBI! Was machen Sie hier? Kommen Sie hoch und weisen Sie sich uns aus!“



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11:38 Uhr



Scully und Doggett näherten sich vorsichtig der seltsamen Person, die immer noch auf dem matschigen Boden hockte und die beiden Agenten reichlich verdattert anstarrte. Erst nach einer ganzen Weile war es Michael möglich zu sprechen.

„Ich ... ich bin Michael T. Morton. Ich habe das hier alles gewissermaßen realisiert.“

„Michael T. Morton aus New Jersey?“, fragte Scully und bekam kurz darauf seinen Personalausweis zu Gesicht, der ihn ohne Zweifel als Michael Theodor Morton, wohnhaft in New Jersey, auswies. Scully hakte nach: „Sind Sie nicht der langjährige Partner gewesen von Nigel Holmes?“

„Ja Agents, das bin ich ... gewesen. Schlimm das alles. Ich habe all das hier, was Sie sehen, von der ersten Skizze an mitverfolgt und sogar nachher noch eifrig mitgeholfen, damit diese Siedlung zu einem besonderen Fleck New Jerseys wird.“

„Was Ihnen ohne Zweifel gelungen ist“, war Doggetts Kommentar zu dem Ganzen. „Aber, wenn die Frage gestattet ist: warum sind Sie hier, Mr. Morton? Das gesamte Gebiet ist abgesperrt worden; sogar die Bewohner der Häuser mussten, nachdem ihre Personalien überprüft wurden, kurzfristig ihre Häuser räumen, da die Ermittlungen sonst wohl gestört worden wären. Das hier ist jetzt der Ort einer polizeilichen Untersuchung. Was hat Sie also dazu veranlasst, die Absperrungen zu ignorieren und das gesperrte Gelände zu betreten?“

„Ich ... ich musste etwas nachprüfen“, antwortete der Mann zögerlich. Scully registrierte eine leichte Unsicherheit in seiner Stimme und fragte daher nach. „Und dieses Überprüfen war derart wichtig, dass sie verbotenes Terrain betreten mussten?“ Michael erwiderte nichts, sondern blickte nur stumm auf den Boden, was die Agentin dazu veranlasste, eine weitere Frage zu stellen.

„Mr. Morton, gestatten Sie mir eine weitere Frage: Als quasi engster Vertrauter des Verblichenen haben Sie doch sicher vieles mitbekommen von seinen ... Aktivitäten, sowohl beruflich, als auch privat.“

Der junge Mann blickte auf. „Ja...?“

„Ist Ihnen irgendwann etwas aufgefallen? Veränderungen in seinem Verhalten vielleicht, oder haben Sie Streitereien registriert?“ Da Michael hier nach immer noch nicht sprach, formulierte Scully das Ganze noch einmal anders. „Worauf ich hinaus will: Hatte Ihr Freund Feinde?“

„Feinde?“ Mr. Morton antwortete überraschender Weise sofort, was anscheinend sowohl ihn, als auch die beiden Agenten verwunderte. „Wollen Sie damit sagen, dass Nigel möglicherweise von einem Feind ermordet wurde?“

„Nun ja“, erwiderte Doggett, „Soweit ich das den Aussagen seines Sohnes nach beurteilen kann, schien Mr. Holmes nicht gerade der Typ von Mensch gewesen zu sein, der sich von anderen gerne was sagen ließ. Möglich, dass einem die Pläne für die Siedlung hier nicht gefielen. Auch möglich, dass einer der Arbeiter aufgrund der Behandlung Nigels Leben ein Ende gesetzt hat.“

„Sie verdächtigen doch nicht etwa mich...?“, kam die hektische Antwort des Gehilfen von Nigel, der reichlich verwirrt zu sein schien. Doggett schaute kurz zu Scully, bevor er antwortete.

„Nicht unbedingt, Mr. Morton , aber Sie müssen doch zugeben, dass es etwas merkwürdig erscheint, dass Sie einige Tage nach seinem Tod hier aufkreuzen; zudem befinden Sie sich gerade auch noch in der Nähe der Stelle, wo wir Nigel Holmes´ Leiche gefunden haben. Zur Zeit ist jeder hier gewissermaßen verdächtig. Wenn Sie uns also bitte sagen würden, was genau Sie hier vorhatten!“ Doggett hob seine Stimme.

„Ich habe es Ihnen doch gesagt, ich musste was überprüfen. Ich kann Ihnen aber nicht sagen, was – denn ich glaube es ja selbst nicht. Es ist zu verrückt, als dass es wahr sein kann.“ Er machte eine Pause. „Agents, glauben Sie das, was in Träumen geschieht? Ich meine: richtig glauben?“

„Was soll diese Frage, Mr. Morton? Was hat Träumen mit Ihrer Anwesenheit zu tun?“ , fragte Scully und verdrehte ihre Augen, da sie das Ganze reichlich seltsam fand: „Wir sind hergekommen, um nach Spuren und Beweisen zu suchen, und da finden wir Sie vor. Nass, im Regen hockend, auf dem Boden. Das alleine erscheint uns schon reichlich komisch. Und dann kommen Sie jetzt noch daher und sprechen in Rätseln. Mr. Morton , wenn Sie keinen plausiblen Grund hervorbringen können, warum Sie Gesetze missachtet haben, dann müssen wir Sie wohl oder übel festnehmen, da Sie unter dringendem Tatverdacht stehen!“

„Sie verstehen mich nicht! Ich bin nicht hier, um Beweise zu vernichten. Ich habe hier nach Spuren und Beweisen gesucht!“ Michael wurde zunehmend röter.

„Spuren und Beweise wofür?“, fragte Doggett.

„Beweise dafür, dass es nicht wahr ist. Dass Vergangenes wirklich nur Vergangenes bleibt. Dass es nur ein böser Traum war.“

„Vergangenes? Was genau meinen Sie?“ Die beiden Agenten blickten Michael ratlos an.





*



Soll man das Vergangene ruhen lassen, wenn es im schlimmsten Falle die Zukunft verändern kann?



*



„Ich werde Ihnen alles erzählen, Agents. Denn wie es aussieht, scheint uns die Vergangenheit einzuholen. Die Vergangenheit, die ich das ganze letzte Jahr versucht habe zu unterdrücken und die nun aber aktueller denn je geworden zu sein scheint.“ Er blickte die beiden verdutzten Agenten an. „ Ich werde Ihnen alles erzählen. Vielleicht verstehen Sie dann auch mein Anliegen. Vielleicht.“

Beiderseitiges Schweigen.

„Alles begann, als Nigel mir vor knapp einem Jahr die Pläne für die Siedlung das erste Mal vorlegte ...“



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12:00 Uhr



„ ... und diese Erinnerung stellte sich erst in der gestrigen Nacht ein. Folgerichtig bin ich zur Siedlung gefahren, um nachzuprüfen, ob dies eventuell ein böses Omen war, das mir mein Unterbewusstsein geschickt hat. Und wie ich da so hockte, kamen sie beide an. Ja ,das wäre erst mal die Vorgeschichte.“, beendete Michael seinen kurzen Vortrag. Die beiden Agenten schauten einander an.

„Mr. Morton, Sie sagen also, dass ihr Freund ohne Erlaubnis auf ihm nicht zugeteilten Gebiet gebaut hat? Gebiet, welches, Ihren Aussagen nach, seltsame Steinvorkommen beinhaltete?“ Scully trat einen Schritt näher an den jungen Mann heran.

„Ja, das ist die volle Wahrheit. Mir ist erst später aufgefallen, dass ich es war, der auf dem besagten Gebiet zu arbeiten hatte. Und ich schäme mich dafür, dass ich es damals nicht der Öffentlichkeit preisgegeben habe. Ich bin nämlich, müssen Sie wissen, ein überaus rechtschaffener Bürger, der niemals zuvor mit dem Gesetz in Konflikt geraten ist. Aber irgendwie muss ich das Ganze verdrängt haben! Ich hoffe, Sie verstehen ...“

Doggett meldete sich zu Wort: „Er hat Sie unter Druck gesetzt, nicht wahr? Nigel hat Sie die ganze Zeit unter Druck gesetzt, damit Sie ja schweigen. Und Sie wollten sich nicht gegen diesen „Tyrannen“ , wenn Sie mir das Wort erlauben, auflehnen. Richtig? Weil Sie Angst hatten. – Oh ja, ich verstehe Sie, Michael.“

Der Angesprochene blickte die beiden Agenten unsicher an. „Was werden Sie jetzt mit mir machen?“, fragte er schließlich.

„Sie kommen erst einmal zur Protokollaufnahme, wo Sie genau das, was Sie uns gerade erzählt haben, zu Papier bringen lassen. Dann wird noch ihr Alibi überprüft, und dann sind Sie so gut wie aus dem Schneider“, sagte Scully und führte Michael zu ihrem Mietwagen. Während sie die Hintertür öffnete, ließ sie Michael wissen: „Nehmen Sie schon mal hinten Platz, Agent Doggett und ich kommen gleich nach.“



Scully hörte die Autotür knallen und vergewisserte sich, dass sie den Autoschlüssel in ihrer Jackentasche hatte. Anschließend verriegelte sie den Wagen, indem sie die Zentralverriegelung betätigte und wandte sich Doggett zu, der neben ihr stand und etwas nachdenklich aussah.

„Was meinen Sie, Agent Doggett? Was halten Sie von seiner Geschichte?“

„Nun...“, begann der Agent. „ ...sie erscheint mir im Grunde ganz plausibel, wenngleich die Sache mit dem Traum arg konstruiert wirkt. Finden Sie nicht?“

„In jedem Traum kann ein Funken Wahrheit stecken – das sollte man beachten. Und für mich wirkte das Ganze nicht gerade wie eine alternative Notlösung seitens Michael. Haben Sie gemerkt, wie überzeugt er von seinem Erzählten zu sein schien? Nein, Agent Doggett. Entweder haben wir es hier mit einem wahnsinnig guten Schauspieler zu tun, oder er hat wirklich die Wahrheit erzählt, wobei ich Ersteres ausschließe. Und außerdem haben wir die Steine als Anhaltspunkt.“

„Ach...“ Man merkte Doggett an, dass ihm der Gedanke von Traumdeuterei keineswegs zusagte. Scully registrierte das sehr wohl, versuchte dies aber zu verbergen. „Somit könnte man ja eine Vermutung anstellen: Nigel wurde umgebracht, da jemand von der Sache Wind bekam. Diesem Jemand muss sehr viel an der Erhaltung des nicht zugeteilten Gebietes gelegen haben. So viel, dass die Bebauung gleichzeitig Nigels Todesurteil war. Hm, und irgendwie scheinen die Steine eine entscheidende Rolle zu spielen. Wir sollten einen davon mitnehmen und ...“

„Das würde ich nicht tun, Agent Scully.“, entgegnete Doggett. „Gesetzt dem Fall, diese Steine bedeuten jemandem wirklich derart viel, dass er jeden tötet, der sie entwendet – wie auch immer er herausbekommen mag, wer derjenige ist - dann wären Sie auch ein potentielles Opfer. Haben Sie schon mal daran gedacht?“

Scully überlegte einige Zeit. Es hatte inzwischen aufgehört zu regnen. „Nein, Agent Doggett, das glaube ich nicht. Die damalige Beseitigung der Steine, das In-Auftrag-Geben der neuen Siedlung: all das führt zurück zu Nigel. Er hat seinen Bediensteten nur gesagt, sie sollen arbeiten, und sehr wahrscheinlich wussten diese überhaupt nichts von dem verbotenen Gebiet. Michael hat auch nur einen Befehl Nigels befolgt, als er die Steine entfernte.“

„Das hieße dann also, dass seine Kollegen in keiner Gefahr schweben? Dass der Täter nur Nigel für diese Tat richten wollte? Aber was ist das überhaupt für ein Täter? Was ist so wichtig an diesem Gebiet?“, fragte Doggett, dem Scullys Thesen nicht sehr zu gefallen schienen.

„Wir sollten einen Stein von einem Experten untersuchen lassen. Vielleicht helfen uns die Ergebnisse bei der Lösung dieses Falles. Und, was ich noch erwähnen sollte: wir haben es mit einem Täter zu tun, der seinen Opfern die Luftröhre zerdrückt, ohne Eindrücke zu hinterlassen. Ich denke, das sollten Sie wissen, Agent Doggett.“, entgegnete die Agentin und stieg mit diesen Worten in den gemieteten Ford ein. John hatte Probleme, das gerade Gehörte zu verarbeiten.

„Was? Das meinen Sie nicht ernst, oder?“, fragte er daher und wusste schon, dass er sich damit selbst die Antwort vorgegeben hatte. Ohne ein weiteres Wort stieg er auf der Beifahrerseite ein und schloss die Tür. Der Wagen fuhr langsam durch die wenigen Pfützen, die sich aufgrund des Regens auf dem Sandboden gebildet hatten.





Während der ganzen Fahrt sprach keiner auch nur ein Wort. Jeder schien sich selber Gedanken zum Fall zu machen. Michael dachte an sein Tun und an das schlechte Gewissen, das sich langsam in ihm breit machte. Scully war in ihren Gedanken schon bei der Untersuchung des mitgenommenen Steines. Und Doggett dachte die ganze Zeit nur daran, diesen seltsamen Fall so schnell wie möglich aufzuklären.



*



Welche Geheimnisse birgt die Geschichte? Kann sie Antworten geben auf Fragen, die sich erst heute, lange nach den Geschehnissen ergeben? Kann sie helfen, die Gegenwart zu verstehen? Im Grunde ja, aber dazu muss man sie erst einmal durchschauen.



*



Derselbe Schauplatz im Jahr 1855,

13. September,

22:33 Uhr



„Hast du auch schon von ihnen gehört, Margaret? Sie sollen jetzt ihr Quartier am Rande des Waldes haben.“

Die junge Frau stieg aus der Kutsche und wandte sich der ebenfalls noch nicht sehr alten Margaret zu. Diese, in einen schwarzen Mantel gekleidet, blickte ziemlich unwissend drein. Es schien, als ob sie es noch nicht gehört hatte.

„Wovon sprichst du, Agnes? Bitte entschuldige meine Unwissenheit, aber seit Martin auf der Welt ist, komme ich so gut wie gar nicht mehr an die frische Luft. Und mein Ehemann kommt des Nachts derart spät nach Haus, dass er am nächsten Morgen überhaupt nicht mehr weiß, was sich am vorigen Tage ereignet hat.“

„Sag bloß, er ist dem Alkohol verfallen! Ich habe bei meinem Herb auch schon gewisse Zweifel...“

„Daran habe ich noch gar nicht gedacht“, erwiderte Margaret, der dieses als mögliche Erklärung merklich missfiel. „So etwas würde mein Mann aber mit Sicherheit nicht machen. Dafür kenne ich ihn zu gut...“

„Meinst du wirklich? Kennst du auch beide Seiten von ihm?“, fragte Agnes. Ihre junge Freundin stutzte.

„Was soll das bedeuten?“

„Ich wollte dir doch gerade von ihnen erzählen. Sie sollen wahre Wunder vollbringen können. Das hat jedenfalls der Mann auf dem Marktplatz lauthals verkündet.“

„´Sie´?“ Die junge Frau verstand nicht den Zusammenhang.

„Komm einfach mal mit und sieh´ dir alles mit eigenen Augen an. Sie zeigen sich heute der Öffentlichkeit. Unten, am Waldesrand. Komm.“



*



Als Agnes und Margaret an besagtem Ort ankamen, stand schon eine Horde Menschen um eine nicht sehr große Holzhütte, die notdürftig aufgebaut zu sein gewesen schien, denn all die Planken und Bretter, die letztlich das Bild einer Hütte hervorrufen sollten, standen schräg und schief ab. Nur eine kleine Leuchte erhellte die Umgebung.

„Was wollen die vielen Menschen hier?“, fragte Margaret, die unsicher von einem Fuß auf den anderen wippte.

„Die wollen alle zu ihnen! Die wollen es am eigenen Leib erfahren. Darum sind all die Menschen hier“, antwortete Agnes.

Die Umstehenden wurden zunehmend unruhiger und machten ihrem Unmut in der Form Luft, dass sie anfingen, laut zu rufen. Mit jedem Rufen schwoll auch die Lautstärke an: „Kommt endlich raus!“ - „Zeigt eure Gesichter!“ - „Öffnet diese Türe, oder wir werden sie euch eintreten! Hört ihr!“



Als immer noch keine Antwort zu vernehmen war, teilte sich die Menschenmenge in zwei Gruppierungen: die eine, vornehmlich Frauen, machte ängstlich der Gruppe der Unruhestifter Platz, die mehrheitlich aus Männern bestand. Diese waren drauf und dran, die Hütte zu stürmen und hätten ihr Vorhaben wohl auch in die Tat umgesetzt, wenn nicht urplötzlich ein Klicken zu verzeichnen gewesen wäre. Die Menge wich ehrfürchtig zurück, als sich die Tür der Hütte einen Spalt weit öffnete. Ein kleiner Lichtstrahl kam auf dem vormals dunklen Boden zum Vorschein – und ein immer länger werdender Schatten formierte sich darin. Agnes flüsterte zu Margaret.



„Das sind sie, Liebes. Das ist der Grund, warum wir hier sind.“



*



Die Tür hatte sich nunmehr fast ganz geöffnet, so dass man eine Person im Türrahmen erkennen konnte. Es war ein Mann, sofern man das überhaupt behaupten konnte, denn er war in einen schwarzen Umhang gewickelt, der sein Gesicht fast völlig verdunkelte. Er schwieg. Die Menschenhorde blickte voller Erstaunen auf die Tür, und vereinzelt vernahm man ein Flüstern wie „... es ist also doch wahr...“ oder „... es stimmen also die Gerüchte...“. Die beiden jungen Frauen starrten auch voller Bewunderung auf den Fremden. Dieser machte plötzlich einen weiteren Schritt nach vorne, blieb wieder stehen und wandte sich seinen „Besuchern“ zu:



„Euch sei gedankt. Euch sei gedankt für Euer Vertrauen. Ihr habt richtig gehandelt, indem Ihr den Worten des Mannes auf den Marktplatz Folge geleistet habt und hierher gekommen seid. Meine Freunde und ich fühlen uns sehr, sehr geehrt. Habt Dank dafür.“



Es traten weitere Personen aus der Hütte, allesamt in schwarze Kutten gehüllt. Sie stellten sich zu beiden Seiten des Redners und verharrten still. „Das, Ihr Gläubigen, sind meine Freunde, die Euch bald, sehr bald, ein besseres Leben bescheren werden.“ Er machte eine Pause, bevor er weitersprach. „ Was ist das für ein Leben, in dem es vor Bosheit nur so wimmelt? Ein gutes Leben, oder gar ein richtiges Leben? Nein, meine Freunde. Das kann nun wirklich keiner behaupten. Es ist die Bosheit in jedem von uns, die das Leben unnötig schwer macht. Oh ja, Ihr habt schon richtig gehört: in jedem von uns steckt das Böse. Es teilt sich den Platz mit unseren guten Eigenschaften, welche langsam, sehr langsam von ihnen verdrängt werden. Bis am Ende das Böse überwiegt. Bis gegen Ende das Böse die Vorherrschaft erringt.“ (Die Menge lauschte während der ganzen Zeit stumm den Worten des mysteriösen Mannes) „Lange, sehr lange haben wir versucht, das Böse zu begreifen, es an der Wurzel zu packen und ein für allemal auszurotten. Doch bisher versagten wir dabei. Wir gaben nach, da es ausweglos schien, dieses Vorhaben zu realisieren. Wir resignierten und erhofften uns für die Zukunft Fortschritte. Alchimisten schließlich erkannten, dass der Kosmos viel komplexer war als vormals angenommen. Kosmische Strahlung, kosmische Energie – all dies beeinflusst die Menschen, negativ, als aber auch positiv. Auf diese Erkenntnis haben meine Freunde und ich so lange gewartet, dass es uns fast wie ein Wink des Schicksals vorkam. Wir erkannten, dass wir an der falschen Stelle gesucht hatten, das Böse im Menschen schon seit jeher existiert, aber nur in bestimmten Fällen durch bestimmte Gegebenheiten zum Leben erweckt wird. Fortan befassten wir uns näher mit dem Kosmos, versuchten, uns ein genaues Bild von ihm zu machen.“

Agnes und ihre Freundin lauschten fasziniert.

„Wir gingen ab nun davon aus, dass das Böse durch Beeinflussung der kosmischen Energie eventuell heraufbeschworen werden und somit dauerhaft verbannt werden kann. Verbannt in dem Sinne, dass wir das Böse holen , es aber nicht wieder zurück in den Körper lassen, sondern es im Gegenteil unschädlich machen.“ Der Mann blickte kurz in die Runde und schaute in ungläubige Gesichter. „Ihr schenkt meinen Worten nicht Glauben? Und wie erklärt Ihr es euch dann, dass Ihr in Vollmondnächten meist seltsame Dinge tut? Euch seltsam benehmt oder nicht schlafen könnt? Wisst Ihr es? All dies ist ebenfalls zurückzuführen auf die Energie des Kosmos. Energie, die Euch beeinflusst! Warum also sollte man im Gegenzug die Energie nicht zu seinem eigenen Vorteil nutzen können? Als Mittel?“

Betretenes Schweigen.

„Beweist uns, dass es stimmt, und wir glauben Euch!“, rief plötzlich eine Person aus der Menge, der gleich einige beipflichteten. Der verhüllte Redner blickte kurz seine Freunde an und wandte sich darauf wieder der Menschenmenge zu.

„Wir werden im Geheimen alles vorbereiten“, erwiderte er. „Bald schon, sehr bald werdet Ihr (und werden wir) Gewissheit haben, dass unsere Theorie stimmt. Jetzt, im Jahr 1855, wird es gelingen! Habt Mut.“ Der verhüllte Fremde schaute in die Runde: „Bis dahin verbleiben wir Euch als die Brüder des Mondes .“



, und die Tür fiel hinter dem letzten der 13 Männer ins Schloss. Schweigen. Keiner wollte so recht was sagen, und langsam entschied sich der erste, nach Hause zu gehen. Bald folgten alle seinem Beispiel.



*



Die beiden jungen Frauen redeten auf ihrem Nachhauseweg so gut wie nichts. Zu sehr hatte sie die Rede von vorhin fasziniert. Schließlich unterbrach Agnes das Schweigen: „Glaubst du daran? Ich meine, glaubst du an diesen kosmischen Kram?“

„Hm...“, lautete die knappe Antwort Margarets.

„Ich für meinen Teil finde, dass viel Weises in den Worten steckte“, gab Agnes bekannt.

„~Weises~ heißt nicht unbedingt ~Wahres~, wobei das eine das andere nicht zwingend ausschließen muss.“ Margaret ließ ihren Blick über die nächtliche Landschaft gleiten, die durch das Mondlicht nahezu hell erleuchtet wurde. Welch´ unbändige Schönheit. Welch´ wundersame Kraft , kam es ihr in den Sinn, als sie sich langsam der Stadt näherten. Der Mond beleuchtete den beiden Frauen die ganze Zeit den Weg.



Kurz vor ihrer Wohnungstür begutachtete Agnes noch einmal den Mond, der dick und beinahe rund am Firmament stand. Groß und schön. Geheimnisvoll. Die junge Frau öffnete die Tür, trat jedoch nicht sofort ein, sondern stand noch eine Weile im Türrahmen – die Augen weit geöffnet, den Mund geschlossen. Hatte er gegrinst? Hatte sie der Mond gerade angelacht? Sie schüttelte ihren Kopf und schloss die Tür. Nein, ganz bestimmt nicht.



>“Klack!“<



Am Himmel stand der Mond. Geheimnisvoll, unerreichbar, faszinierend. An diesem Abend war er besonders gut zu sehen, da sich keine Wolke erlaubte, sich vor ihn zu schieben. Daher waren auch die Krater des Mondes mit bloßem Auge wahrzunehmen, welche mit viel Phantasie das Mondgesicht bildeten.



Selbiges grinste.
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