World of X

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Die Höhlen der Pecos

von Petra Weinberger

Kapitel 3

4. Juni 1999; Howard Johnson Motel/New Mexico

Mulder lag auf dem Sofa und schlief fest. Scully war, einigermaßen, ausgeschlafen.

Sie stand mitten im Zimmer und überlegte, ob sie ihn wecken sollte. Es war bereits fast 3 Uhr mittags und sie wollten heute noch mit ihren Recherchen beginnen.

Ihr Blick glitt über ihren Partner. Sie mußte grinsen und fragte sich, welchen erotischen Traum er wohl gerade hatte. Zu deutlich drückte sich die Erregung gegen seine Jeans.

Er sah verdammt gut aus, in diesen Baumwollhosen, überlegte sie. Nur selten bekam sie ihn darin zu sehen. Meist trug er ja Anzüge, in denen er immer etwas schlacksig wirkte.

Doch in Jeans und T-Shirt konnte sie sehen, daß er eine sehr gute Figur hatte.

Breite, muskulöse Schultern, schmale Taille.

Zwar hatte sie früher schon seine Muskeln gespürt, wenn er sie umarmt hatte. Doch ihn so zu sehen, war aufregend und anregend.

Sie seufzte, schüttelte hastig den Kopf und wandte sich ab.

Ihr Blick fiel auf ihr Handy, das auf dem kleinen Tischchen lag. Irritiert sah sie zu ihrer Tasche. Sie war offen.

Was hatte Fox Mulder mit ihrem Handy gewollt ? Er hatte doch selbst einen solchen Apparat.

Sie schnappte sich das kleine Telefon und verschwand damit im Badezimmer.

Sorgsam schloß sie die Tür hinter sich.

Mit wem hatte er darauf gesprochen ?

Die weibliche Neugierde brach durch. Schnell wählte sie die Nummer der Vermittlung.

" Könnten Sie mir bitte die letzten Nummern nennen, die heute morgen von oder zu diesem Anschluß hier getätigt wurden ?" bat sie und mußte einen Augenblick warten.

Kurz darauf teilte ihr der Visitor eine Telefonnummer mit, die am Morgen zu ihrem Telefon gewählt wurde.

Scully bedankte sich und beendete das Gespräch.

Die Rufnummer gehörte zu ihrem Bruder. Er hatte also versucht sie zu erreichen und Mulder hatte das Gespräch entgegen genommen.

Sie schämte sich etwas, daß sie ihm auf diese Weise nachspioniert hatte. Zumal sie ihrem Partner bisher immer voll vertraut hatte.

Nun ja. Da ihr Bruder irgend etwas von ihr wollte, beschloß sie, gleich zurück zu rufen.

" Hi, ihr habt heute morgen versucht mich zu erreichen ?" begann sie.

" Ja. Hat Mulder es dir nicht ausgerichtet ?" bekam sie als Antwort von ihrer Schwägerin.

" Äh ... . Nein. ... Das heißt: er hat mir einen Zettel hingelegt, daß Du angerufen hast. Aber nicht, weshalb. Ist irgend etwas geschehen ?" redete sie sich raus.

" Nicht direkt. Ich war gestern mittag mit der Kleinen beim Arzt, da sie am ganzen Körper einen heftigen Ausschlag hat. Der Arzt meinte, es seien Windpocken. Bill sagte mir, daß ihr noch keine hattet - sofern er sich erinnern kann."

Scully überlegte, " ja, das stimmt. Alle anderen Kinder blühten wie die schönsten Blumen, nur wir blieben verschont. Bis jetzt habe ich jedoch noch keine Krankheitssymptome. Ich fühle mich pudelwohl. Ist es denn schlimm bei der Kleinen ?"

" Nein, bei ihr nicht. Aber Bill blüht inzwischen auch und ihm geht es nun wirklich schlecht."

Scully lächelte gequält, " das kann ich mir vorstellen. Kinder werden mit Kinderkrankheiten im Allgemeinen wesentlich besser fertig, als Erwachsene. In zwei Wochen müßte es jedoch vorbei sein. Er soll die Pusteln nur nicht aufkratzen, da sonst häßliche Narben zurück bleiben. Hat dir der Arzt eine Tinktur mitgegeben?"

" Ja, ja. Eine weiße Flüssigkeit, die schnell trocknet. Angeblich lindert sie den Juckreiz."

" Das tut sie auch," erwiderte Scully und erklärte ihrer Schwägerin, welchen Zweck diese Tinktur erfüllte und was es noch alles zu beachten gab.

Scully kannte sich gut damit aus, da sie selbst Ärztin war.

Eine Weile sprach sie noch mit ihrer Schwägerin, ehe sie das Gespräch beendete.

Sie warf einen Blick auf die Uhr. Fast halb 4 Uhr mittags.

Sie ging ins Zimmer zurück, um ihren Kulturbeutel zu holen. Mulder lag noch immer auf dem Sofa und schlief den Schlaf der Gerechten.

Scully verschwand abermals im Badezimmer. Doch diesmal sperrte sie die Tür hinter sich ab.

Schnell machte sie sich frisch, putzte sich die Zähne und fuhr sich mit ihrer Bürste durch die Haare.

Als sie wieder ins Zimmer zurück kehrte, schlief ihr Partner noch immer.

Nun kam sie nicht drum herum. Es wurde nun wirklich Zeit, ihn zu wecken.

Mulder war schnell wach. Etwas irritiert sah er sich im Zimmer um, dann mußte er grinsen, als ihm einfiel, daß sie ja gemeinsam ein Zimmer hatten nehmen müssen.

" Haben Sie gut geschlafen ?" fragte er Scully und setzte sich auf.

" Danke, wunderbar. Ich hoffe, Sie haben ebenfalls gut geschlafen ?"

Mulder grinste, " herrlich. Wie Zuhause. Es geht doch nichts über ein bequemes Sofa."

Scully mußte lachen, " dann bin ich ja beruhigt. Während Sie sich fertig machen, versuche ich mal etwas eßbares zu organisieren. Ich sterbe vor Hunger."

Mulder mußte grinsen, " das will ich nicht hoffen. Wenn Sie einen Augenblick warten, dann könnten wir im Restaurant um die Ecke etwas essen gehen."

" Hier gibt es ein Restaurant ?" fragte Scully zweifelnd.

Mulder nickte, " ja. Ich habe es gesehen, als ich den Wagen holte."

" Na, wunderbar. Wie lange werden Sie brauchen ?"

" 2 Minuten," antwortete Mulder und verschwand im Badezimmer.

Scully ließ sich auf dem Bett nieder und sah ungeduldig auf die Uhr. Ihr Magen knurrte laut.

Mulder brauchte 3 Minuten, bis er wieder im Zimmer erschien. Wieder mußte Scully feststellen, daß er in seinen Jeans verdammt gut aussah. Er hatte darin einen richtig knackigen Po.

Scully drückte sich in die Höhe und konnte einfach nicht widerstehen. Mit einem frechen Grinsen zwickte sie ihm in die Kehrseite, ehe sie schnell aus dem Zimmer huschte.

Mulder sah ihr amüsiert hinterher, " Scully, versuchen Sie mich nun anzubaggern ?"

Scully zwinkerte und lachte, " vielleicht. - Aber jetzt muß ich erst mal etwas essen."

***

Eine Stunde später saßen sie im Wagen und befanden sich auf dem Weg zum Indianerreservat.

Mulder schüttelte immer wieder den Kopf, " ich begreife einfach nicht, wie in eine so kleine Frau, soviel Salat paßt."

" Ich sagte doch schon, daß ich hungrig war. Machen Sie sich vielleicht lustig über mich?" beschwerte sich Scully lächelnd.

Mulder mußte lachen, " naja. Ich meine, daß Gesicht der Bedienung war schon komisch, als Sie zum dritten Mal nachbestellten."

" Es stand ja da: 'Salat bis zum Abwinken. Nur 5 Dollar. Essen Sie, bis Sie satt sind.' Da müssen die sich nicht beschweren, wenn sie jemand beim Wort nimmt. Zudem hatte ich nur vier Portionen. Und die waren noch nicht mal übertrieben groß. Sie hatten immerhin zwei Steaks, wovon eines schon so groß wie eine halbe Kuh war. Und dazu noch Pommes Frites. Erstens haben Sie viel ungesünder gegessen und zweitens viel mehr als ich."

" Ich bin auch größer als Sie. In mich paßt eindeutig mehr, als in Sie," neckte Mulder.

" Wollen Sie sich nun auch noch über meine Größe lustig machen ?"

Mulder warf ihr einen kurzen Blick zu und schüttelte lachend den Kopf, " für mich sind Sie größer, als man Ihnen ansieht."

" Heißt das, ich bin dick ?"

" Das habe ich nie behauptet, Agent Scully. Ihre Proportionen sind genau richtig, für meine Verhältnisse."

" Was wissen Sie denn von meinen Proportionen ?"

Mulder seufzte resignierend, " okay. Ich meinte Ihre sichtbare Körpergröße."

" Akzeptiert. Aber was meinen Sie mit: Ihren Verhältnissen ? Reihen Sie mich etwa in eine bestimmte Schablone ein ? Wenn ich nicht hineinpasse, bin ich nichts für Sie ?"

Mulder seufzte abermals und sah sie etwas genervt an, " Agent Scully, Sie machen es einem verdammt schwer. Wissen Sie das ?"

Scully mußte lachen und nickte, " ja, sicher. Aber trösten Sie sich. Ich mache es Ihnen nur so schwer, damit Sie mir nicht auf dumme Gedanken kommen. Schließlich sind wir hier, um einen Fall aufzuklären, und nicht um ein Techtelmechtel zu beginnen."

" Techtelmechtel ? Ich beginne überhaupt kein Techtelmechtel. Wenn, dann eine Romanze, aber kein Techtelmechtel. Zudem waren Sie es, die damit angefangen hat. Sie haben mir schließlich in den Allerwertesten gezwickt."

" Okay. Schließen wir Frieden ?"

" Hatten wir denn Krieg ?"

Scully mußte lachen und sah kurz aus dem Fenster, " wie heißt eigentlich unser Ansprechpartner im Reservat ?"

Mulder warf ihr einen erstaunten Blick zu, " haben Sie denn die Akte nicht gelesen ? Sie haben auf dem Flug hierher ständig darin geblättert."

Scully sah ihn irritiert an, " ich habe den Namen dabei nicht gelesen. - Aber davon abgesehen, war ich zwischendurch mit meinen Gedanken immer wieder woanders."

Mulder grinste, " davon abgesehen ? Was kann wichtiger sein, als die Bearbeitung eines Falles ? Agent Scully, Sie enttäuschen mich."

Scully hob die Schultern, " naja," sagte sie nur.

Mulder mußte lachen, " davon abgesehen, stand der Name sowieso nicht in der Akte."

" Mulder," rief Scully empört, als ihr nun bewußt wurde, daß er sie nur geneckt hatte.

" Der Mann heißt Francesco Habali. Er gehört zum weißen Rat des Reservats. Er hat auch die archäologischen Untersuchungen genehmigt und den Führer beauftragt. Er wird uns Auskunft geben können. Er kennt nicht nur die Höhlen, sondern auch alle Überlieferungen dazu."

Scully nickte, " scheint, als sei er wirklich genau der Richtige für uns. Wo treffen wir ihn?"

" Im einzigen Lokal dort. Dort vorne ist übrigens das Reservat."

Vor ihnen tauchten, am Fuß eines Hügels, einige Häuser auf. Obwohl, Häuser war zuviel gesagt. Es handelte sich eher um Hütten, die aus Sandstein und Lehm gebaut waren. Statt Fenster waren dort leere Höhlen, die lediglich durch selbstgewebte Decken verhängt wurden. Grobe Holzbalken waren zu Türen zusammen genagelt.

" Einbrecher scheint es hier keine zu geben," murmelte Mulder nachdenklich.

Scully grinste, " das ist meistens bei Naturvölkern so. Und die Indianer zählen ebenfalls dazu, obwohl sie zwischenzeitlich kultiviert sind. Sie sind nicht so raffgierig wie die modernen Menschen."

" Sie halten Indianer für altmodisch ?" konnte sich Mulder nicht verkneifen.

Scully warf ihm einen kurzen Blick zu, " altmodisch würde ich es nicht nennen. Eher natürlich, oder naturverbunden. Sie verstellen sich nicht, machen einem nichts vor. Sie sind ehrlich. Doch sie halten an ihrem Glauben fest und an den alten Riten. Diebstahl ist schlecht und schlechte Menschen jagt man aus dem Stamm."

Mulder grinste und lenkte den Wagen auf einen Parkplatz vor dem Lokal, " also dürfte es hier nur gute Menschen geben."

Sie schoben sich ins Freie und ... - wären am liebsten wieder in den Wagen zurück geflüchtet.

Die Luft war trocken und heiß. Sie hatten das Gefühl, gegen eine Glutwand zu laufen.

" Oh Gott," stöhnte Scully und ließ ihren Blick zweifelnd über die Straße gleiten.

Mulder nickte, " wie halten das die Leute hier nur das ganze Jahr über aus ?"

" Glauben Sie, die haben da drin eine Klimaanlage ?"

Mulder hob ratlos die Schultern und ließ sie wieder fallen.

Sein Blick schweifte über die Straße. Sie war wie leergefegt. Keine Menschenseele war zu sehen. Der ganze Ort schien zu schlafen.

" Sehen wir mal, was drinnen los ist," wandte er sich an Scully und lief auf den Eingang des Lokals zu.

Scully folgte ihm.

Die schwere Holztür quietschte in den Angeln, als Mulder sie aufdrückte.

Im Lokal herrschte Dämmerlicht. Es war angenehm kühl. Die Decken, die auch hier vor den Fensteröffnungen hingen, hielten die Hitze draußen.

Die Agenten sahen sich in dem Lokal um.

Es sah hier nicht anders aus, als in anderen Lokalen im Land. An einer Wand befand sich eine lange Theke, davor einige grobe Barhocker. Im hinteren Teil gab es drei Billardtische, im vorderen befanden sich mehrere schwere Holztische, mit passenden Stühlen.

Das Lokal war gut besucht. Fast jede Sitzgruppe war besetzt.

Im Gegensatz zu anderen amerikanischen Lokalen, war es hier sehr ruhig. Niemand schrie, niemand stritt.

An den Tischen unterhielt man sich so leise, daß man das klackende Geräusch der Billardkugeln beinahe überlaut hören konnte.

Die Einheimischen warfen den beiden Agenten nur kurze Blicke zu, und setzten dann ihre Gespräche fort. Man kümmerte sich nicht weiter um sie. Touristen schienen hier keine Seltenheit.

Mulder steuerte die Theke an und wandte sich an den Wirt, " hallo. Wir suchen Francesco Habali. Wir waren hier mit ihm verabredet."

Der Wirt musterte ihn kurz, nickte flüchtig und wies dann mit dem Daumen zum hinteren Teil des Lokals, " der grauhaarige alte Mann an Tisch drei. Sie können ihn nicht übersehen. Möchten Sie etwas zu trinken ?"

Mulder warf Scully einen kurzen Blick zu, und bestellte dann zwei Limonaden.

Gemeinsam stapften sie zu den Billardtischen.

Habali war wirklich nicht zu übersehen. Er war auch der Einzige, der dort spielte. Die anderen, die sich noch in diesem Teil aufhielten, standen um den Tisch und sahen ihm nur zu, wie er mit dem Queue die Kugeln über den Filz stieß.

Habali hatte schlohweißes Haar, das ihm weit über die Schultern reichte und durch ein Band zusammengehalten wurde.

Mulder blieb etwas abseits stehen und sah ihm ebenfalls zu.

Geschickt spielte der alte Mann die Kugeln in die Taschen, bis nur noch die schwarze Kugel übrig blieb. Seine Zuschauer applaudierten und gratulierten ihm. Sie wollten ein weiteres Spiel von ihm sehen, doch der Alte wies sie ab.

Er legte den Queue auf den Tisch, " ich werde nachher noch einmal spielen. Doch jetzt muß ich mich um die Besucher kümmern." Seine Stimme war tief und ruhig.

Mit bedächtigen Schritten trat er auf Mulder und Scully zu, " ich bin Francesco Habali. Sie müssen die FBI Leute sein." Mit der Hand wies er auf einen Tisch und nickte.

Mulder grinste und stellte Scully und sich vor.

Sie setzten sich. Der Agent berichtete, weshalb sie gekommen waren.

Habali nickte kaum merklich. Kein Muskel regte sich in seinem Gesicht. " Mein Bruder hat diese Leute zur Höhle unserer Verstorbenen geführt. Er sollte über sie wachen und ihnen helfen, und er sollte die Seelen der Verstorbenen besänftigen. Wir hofften, daß sie unsere Entscheidung respektieren. Diese Leute versprachen, die Grabstätten in Frieden zu lassen, so, daß die Seelen nicht gestört würden. Unsere Hoffnung, etwas von unserer Kultur in die Städte der Weißen zu bringen, hat sich nicht erfüllt." Noch immer war seine Stimme ruhig und tief.

" Glauben Sie, daß die Seelen Ihrer Vorfahren diese Leute entführten ?" forschte Mulder und sah den Alten interessiert an.

Habali zeigte ein feines Lächeln. Nur für den Bruchteil einer Sekunde, " unsere Ahnen lehrten uns, daran zu glauben. Wir respektieren diesen alten Glauben, doch viele meiner jüngeren Brüder sind nicht mehr davon überzeugt."

" Also waren es nicht die Seelen Ihrer Vorfahren ?"

Der Wirt stellte die Limonade vor sie und zog sich gleich wieder zurück.

" Ich weiß nicht, was mit diesen Leuten geschah. Doch unsere Ahnen, die dort in dieser Höhle ihren letzten Schlaf antraten, sind keine bösen Seelen. Soweit die Zeit zurück reicht, besteht der Stamm der Pecos Indianer aus Getreidebauern und Viehzüchtern. Wir haben nie Kriege geführt, oder gegen die Weißen gekämpft. Wir sind ein friedliebendes Volk - wie Sie es nennen würden. Meine Ahnen haben das Kämpfen nie gelernt. Auch mußten sie nie jagen, da sie das nötige Fleisch von ihren eigenen Tieren bekamen. Auch nach ihrem Tod werden sie nicht zur Waffe greifen oder andere Menschen töten. Wenn Sie die Höhle und die Grabstätten sehen, werden Sie feststellen, daß meine Vorfahren keine Waffen als Grabbeigaben haben. Denn wenn Mutter Erde sie zurück bringt, werden sie wieder Bauern und Züchter sein, die keine Waffen brauchen. Es sind die Weißen, die Kriege führen, in Kämpfe ziehen und andere Menschen töten."

" Dann glauben Sie, daß Weiße am Verschwinden der Leute schuld sind ?"

Habali nickte leicht, " ich glaube es, aber ich weiß es nicht. Ich weiß nur, daß mein Bruder ebenfalls verschwand. Unsere Ahnen würden jedoch niemals einen Menschen töten."

Mulder runzelte die Stirn und überlegte, " Sie sagten, daß Sie Ihren Bruder als Führer mitschickten, um über diese Leute zu wachen. Gegen wen sollte er sie beschützen, wenn er kein Kämpfer war ? Wieso die Toten beschwichtigen, wenn diese niemandem etwas tun würden ?"

Habali lehnte sich zurück und schloß die Augen, " ich habe viele Jahre in den Städten der Weißen zugebracht. Ich habe viel von ihnen und über sie gelernt. Auch lernte ich ihre Religion kennen. Sie glauben an einen Gott und seinen Sohn, der auf die Erde kam, um die Menschen zu retten und zu beschützen. Dafür starb er an einem Holzkreuz. Doch er wurde wiedergeboren und erschien seinen Vertrauten. Miß Scully glaubt daran. Sie trägt das Kreuz, als Zeichen ihrer Religion. Ihres Glaubens. Viele Weiße tragen dieses Zeichen. Sie glauben fest an die Wiedergeburt, an die Auferstehung. Doch sie glauben nicht an die Seele und ihre Wanderung."

Habali öffnete die Augen und sah Scully fest an.

Der Agentin wurde es etwas ungemütlich, unter diesem Blick, " Sie meinen, Geister und Gespenster ?"

Der Alte lächelte nun doch, als er leicht den Kopf wiegte, " es sind keine Geister, oder Gespenster. Es sind die Seelen der Verstorbenen. Sie glauben nicht an 'Geister'. Sie halten es für Spuk, für Unsinn. - Und sie erschrecken zu Tode, wenn sie einer solchen Seele plötzlich gegenüberstehen. Sie glauben an Horrorgeschichten, die sich irgendwelche weißen Schriftsteller ausgedacht haben, um den Menschen eine Gänsehaut zu bereiten. In ihrer Vorstellung sind Geister böse. Sie verschlingen ihre Opfer, treiben sie in den Wahnsinn oder gar in den Tod. - Wäre eine Seele etwas böses, wären dann seine Vertrauten nicht zu Tode erschrocken, als er nach seinem Tod plötzlich vor ihnen stand ?" dabei zeigte er auf das kleine Goldkreuz, das Scully an einer Kette um den Hals trug. " Würde er dann heute noch von Ihnen so verehrt und angebetet werden ?"

Scully mußte sich eingestehen, daß sie darüber noch nie nachgedacht hatte, " naja. Er war immerhin Gottes Sohn. Er hat nie einem Menschen etwas böses getan," versuchte sie es.

Habali lächelte noch immer und nickte verständnisvoll, " meine Ahnen ebenfalls nicht. Sie haben ihre Felder bestellt und ihr Vieh gezüchtet. Sie waren glückliche und zufriedene Menschen. In unserem Stamm gab es nie Streit oder Haß. Weshalb sollten die Seelen unserer Ahnen also böse sein ?"

" Das heißt: Sie schickten Ihren Bruder mit, um mit den Seelen in Verbindung zu treten. Er sollte sie bitten, sich nicht vor diesen Leuten zu zeigen. Da diese sonst zu Tode erschrecken würden. Habe ich recht ?" folgerte Mulder.

Habali ließ seinen Blick zu ihm gleiten und nickte leicht, " es ist schon genug Unglück geschehen. Die Seelen meiner Ahnen wollen niemanden erschrecken und auch niemandem Angst machen. Sie zeigen sich, weil sie mit den Lebenden in Kontakt bleiben wollen."

" Wenn Ihr Bruder zu diesem Zweck mitgegangen ist, dann hat er seine Sache vielleicht nicht richtig gemacht. Die Leute erschraken, liefen tiefer in die Höhle und verirrten sich im Labyrinth. Könnte es so gewesen sein ?" forschte Mulder weiter.

Habali hob ratlos die Schultern, " ich weiß es nicht. Doch die Höhle ist nicht sehr tief. Nicht mehr. Die meisten Gänge sind verschüttet und kein Mensch kommt mehr hindurch. Die offenen Gänge münden kurz darauf wieder ins Freie oder sind nicht tief. Man kann sich dort nicht verirren. Diese Archäologen kamen nicht mehr aus der Höhle heraus und haben sich auch nicht verirrt. Sie verschwanden einfach."

" Sie können sich aber nicht in Luft aufgelöst haben. Kein Mensch verschwindet einfach," warf Scully skeptisch ein.

Habali sah über Scully hinweg und lächelte zweideutig, " es ist spät geworden. Ich werde Sie morgen zu der Höhle führen. Sie können sich alles ansehen und sich selbst ein Bild davon machen."

" Was geschah mit dem Suchtrupp, der diese Leute finden sollte ? Ihr Bruder war auch hier der Führer," wollte Mulder noch wissen.

Der Alte nickte, " meine Bruder kehrte nicht hierher zurück."

" Und der Suchtrupp ? Einem Gerücht zufolge soll er auf Nebengängen aus der Höhle herausgekommen sein," blieb Mulder stur.

Habali sah ihn nachdenklich an, " in jedem Gerücht ruht ein Funken Wahrheit. Ich werde Ihnen morgen die Höhle und alle Gänge zeigen. Ich weiß, daß Sie die Wahrheit finden werden. Ihre Eltern gaben Ihnen den Namen 'Fox'. Fuchs. Ein Fuchs ist listig und findet immer einen Weg. Sie werden ihn finden. - Fahren Sie jetzt nach Hause und ruhen Sie sich aus. Morgen wird ein anstrengender Tag für Sie. Ziehen Sie feste Schuhe an, und nehmen Sie warme Kleidung und Lampen mit. Sie werden Sie brauchen. Ebenso wie Wasser und Nahrung. Wir müssen früh aufbrechen. Treffen Sie mich morgen hier um 7 Uhr. Ich werde auf Sie warten und Sie begleiten." Damit erhob sich der Alte, nickte den beiden Agenten kurz zu und kehrte zu seinem Billardtisch zurück. 

Scully warf Mulder einen fragenden Blick zu.

Mulder hob nur die Schultern, leerte sein Glas und erhob sich ebenfalls.

Beim Wirt bezahlte er ihre Rechnung, dann folgte er Scully ins Freie.

Die Sonne war bereits hinter der Hügelkette verschwunden. Es wurde empfindlich kühl. 

Schnell schwangen sie sich in den Wagen und machten sich auf den Heimweg. Sie waren beide noch mit ihren eigenen Gedanken beschäftigt und schwiegen.

Mulder lenkte den Mietwagen über die staubige Piste, zurück auf die Staatsstraße.

Sie waren etwa 5 Meilen vom Reservat entfernt, als es plötzlich laut knallte.

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