World of X

Das älteste Archiv für deutsche Akte-X Fanfiction

Spiegelbilder

von Martina Bernsdorf

Kapitel 3

Washington D.C.
East Side
26.2.96
22.05


Es war keine sonderlich gute Gegend, nicht direkt ein gefährliches Viertel, aber eher eines, das langsam, aber sicher der Sog des Untergangs mit sich riss. Schon häuften sich Müllberge an den Hausfassaden, die dringend einen neuen Anstrich gebraucht hätten, sah man hier und da eingeschlagene Fensterscheiben, und Autos, die am Straßenrand geparkt waren, hatten ihre besten Zeiten schon hinter sich und rosteten ihrem Ende entgegen.
Die Lichter der Polizeiwagen warfen groteske Schatten an die Hauswände. Schaulustige drängten sich um die Absperrungen der Polizei, auch wenn es deutlich weniger waren, wie beim letzten Tatort. In dieser Gegend erregte Mord und der Tod keine so große Aufmerksamkeit, hier gehörte der Zerfall, auch der von Menschen, zur Tagesordnung.
„Da ist ja Ihr Freund, Scully. Er ist scheinbar schneller als wir!“ Mulder klang gereizt, als er Josh Parkers große Gestalt unter den Leuten erkannte, die sich hier drängten.
Scully hob die Augenbraue, sie war über Mulders Tonfall erstaunt, sie fragte sich, was er wohl gegen Parker hatte, sie fand den Mann ausgesprochen interessant, und er verstand die Psychologie eines Täterprofiles und hatte ihr schon Denkanstöße in Bezug auf den Vampirkiller gegeben.
Scully hob kurz grüßend die Hand in Parkers Richtung, der dies mit einer ähnlichen Geste erwiderte und ihr ein freundliches Lächeln schenkte.
Mulder runzelte die Stirn, er fragte sich selbst, was er an Parker nicht mochte, irgendetwas störte ihn daran, dass Parker stets so präsent war, wenn ein Vampirkillermord geschah!
Er war im Archiv ebenfalls auf den Namen von Emanuel Kanter gestoßen und wusste, dass Parker mit dem Massenmörder in Kontakt gestanden hatte, bis kurz vor dessen mysteriösen Tod in der Psychiatrie. Mulder nahm sich vor, möglichst bald dieser Einrichtung einen Besuch abzustatten, auch wenn das bedeutete, einen Flug nach Atlanta in Kauf zu nehmen.
Inspektor Sheldon erwartete sie schon mit einem aufgeregt - ängstlichen Gesichtsausdruck. „Unser Mörder scheint ziemlich geschäftig zu sein“, begrüßte er sie.
„Es ist eindeutig unser Mann?“ Scully stieg die Treppen hoch, überall lag altes Papier und Müll, es hätte leichtfallen müssen, dieses Haus gründlich in Brand zu stecken.
„So eindeutig, wie es nur geht!“ Sheldon führte sie in den dritten Stock.
„Kein Benzin?“ Mulder fiel sofort auf, dass der Geruch von Benzin fehlte, auch waren auf der schäbigen Auslegware keine Flecken davon zu erkennen.
„Nein.“ Sheldon zuckte die Schultern.
„Vielleicht nahm er Rücksicht auf die anderen Bewohner des Hauses?“ Scully folgte Sheldon ins Schlafzimmer, wo auf dem breiten Bett, alle Viere von sich gestreckt, das Mordopfer lag.
„Er sieht nicht gerade nach einem sonderlich rücksichtsvollen Mann aus!“ Sheldons Stimme offenbarte Zweckzynismus, wie es in seinem Berufsstand fast schon üblich war.
„Sie irren sich, Inspektor.“ Scully betrachtete den toten Mann. Er war älter als das letzte Opfer, klein, fast schon schmächtig, die Rippen seines Brustkorbs traten deutlich hervor. Er lag in einer Blutlache, Spritzer auf dem Teppich und der Wand. Der Eichenholzpfahl war in sein Herz getrieben. Scully zweifelte nicht daran, dass der Mörder auch diesmal wieder perfekt getroffen hatte.
„Unser Killer tötet nicht willkürlich, seine Geistesgestörtheit äußert sich nur in dieser Fixierung auf Dämonen. Es könnte ein ganz normaler Familienvater sein, auch wenn ich annehme, dass er alleinstehend ist. Aber es könnte jemand sein, der ansonsten vollkommen normal wirkt und auch ist! Er würde keine Menschen in Gefahr bringen.“
Sheldon deutete wortlos auf den Toten.
„Dieser Mann war für unseren Mörder kein Mensch, Inspektor! Er zeigt keine Menschlichkeit, keine Gnade, weil er diesen Mann für einen Dämon gehalten hat. Es gibt keine Reue, vermutlich nicht einmal Zweifel an seiner Handlungsweise, auf verzerrte Art hält er sich sogar für einen Helden, er will Menschen retten, indem er Dämonen tötet!“
Mulder nickte zustimmend zu Scullys Ausführungen. Sheldon wirkte jedoch nicht überzeugt.
„Er hat auf jeden Fall auf niemanden Rücksicht nehmen müssen, das Haus ist bis auf Mr. Edwards unbewohnt. Es sollte verkauft werden, Edwards hatte eine Räumungsklage gegen sich laufen.“
„Er will uns seine Arbeit zeigen!“ Scully sprach dies leise aus, und Mulder blickte sie nachdenklich an, diese Überlegung war naheliegend, aber so wie Scully es aussprach, war deutlich, dass sie einen Gedanken von Josh Parker wiederholte.
„Es sieht ganz so aus.“ Mulder deutete auf den Mund des Toten, neben dem Knoblauch, den er hier zu finden erwartet hatte, steckte eine Tarotkarte zwischen den Zähnen des Opfers.
„Beim letzten Mal wurde er gestört, diesmal konnte er in Ruhe arbeiten. Er hat dennoch auf das Feuer verzichtet, also schließt sich auf jeden Fall ein pyromanischer Trieb aus. Er sieht keine Veranlassung mehr, seine Taten zu verschleiern, das deutet darauf hin, dass er müde wird, er sucht jemanden, der seine Taten würdigt, vielleicht sogar fortführt.“ Scully ging um das Bett herum und sah zu, wie Mulder die Tarotkarte aus dem Mund des Toten zog.
Mulder zeigte Scully die Tarotkarte. Ein rotes Herz, durchbohrt von drei Schwertern war darauf abgebildet.
„Passt das irgendwie zu Mr. Edwards? Es muss eine Verbindung geben, dem Mörder sind die Karten sehr wichtig, sie müssen einem Zweck dienen!“ Mulder sah Sheldon fragend an.
„Sam Edwards, 45 Jahre alt, alleinstehend, arbeitet in der Nachtschicht bei Burger King als Filialleiter.“
Mulder betrachtete die Karte, einen Bezug konnte er nicht herstellen.
„Eines haben die Opfer gemeinsam, sie alle haben ausschließlich nachts gearbeitet, vielleicht sucht er seine Opfer danach aus?“ Sheldon winkte den Männern mit dem Leichensack.
„Das ist sicher ein Merkmal, welches für den gestörten Geist unseres Mörders eine Rolle spielt, aber es muss noch mehr geben.“ Scully fragte sich, ob die Tarotkarten alles waren, was der Mörder dazu benützte, zwischen Dämonen und Menschen zu unterscheiden, rein intuitiv ging sie davon aus, dass es noch etwas gab, was sie bislang nicht herausgefunden hatten.
„Burger King!“
Mulders Aufruf ließ Sheldon zusammenzucken und Scully erstaunt die Augenbraue heben.
„Burger King!“ Mulder zog triumphierend die andere Tarotkarte, die sie beim vorherigen Opfer gefunden hatten, hervor.
„Der Herrscher! Auf dem Bild trägt der Mann eine Krone, er ist also ein König, und Sie sagten doch, Scully, dass man gar nicht auf Bücher, Interpretationen und Texte achten solle, sondern, dass die Symbolik der Karte selbst der Schlüssel sein könne.“
„Er zeigt uns, wen er als nächstes töten wird!“ Scully konnte Mulders Gedankengängen schneller folgen, als Sheldon.
„Genau! Warum tut er das? Er hat es sicher immer gemacht, ein Spiel für ihn selbst, und die Karten verbrannten mit den Opfern. Es scheint wirklich so, als würde er uns auffordern, ihn zu schnappen!“ Mulder tütete die neue Tarotkarte sorgsam in einen Plastikbeutel ein.
„Die Drei der Schwerter! Wir müssen herausfinden, ob es irgendein Firmenzeichen dieser Art gibt oder es sonst wie auf ein Geschäft hinweist.“ Mulders Augen funkelten, Scully nahm an, dass sie genauso aussah, sie wussten beide, dass sie nun eine reelle Chance hatten, den Mörder zu fangen.
Mulder reichte seiner Partnerin die Plastiktüte. „Versuchen Sie den Zusammenhang festzustellen, Scully! Morgen früh geht mein Flug nach Atlanta. Ich werde mit der letzten Maschine zurückfliegen. Hoffen wir, dass unser Mörder sich zumindest morgen noch einen freien Tag nimmt.“
„Atlanta?“ Scully sah Mulder fragend an.
„Ja, ich werde mit dem Arzt von Emanuel Kanter sprechen, und ich möchte wissen, wie oft und ausführlich Parker sich mit diesem Serienkiller beschäftigt hat.“
Mulder sah, wie in Scullys Augen ein ärgerlicher Funke aufglomm. „Warum sollte Josh mit uns in Kontakt treten, wenn er der Killer wäre, Mulder? Sie verrennen sich da in etwas, nur weil Sie ihn nicht mögen!“
Mulder runzelte die Stirn. „Josh?“
Scully verschränkte die Arme und sah ihn herausfordernd an. „Josh!“
„Halten Sie sich von ihm besser fern, bis ich mehr weiß!“ Mulder stellte sich dem Augenduell.
Scully schnaubte durch die Nasenlöcher und drehte sich um. „Ich kann auf mich selbst aufpassen, Mulder!“

XXX

Atlanta
Psychiatrische Anstalt
27.2.96
11.20


Mulder ging langsam durch die weißgetünchten Gänge, er fragte sich, was für Schicksale hinter den Türen lauerten. Er hätte es nie zugegeben, aber ihn beschlich immer ein sehr unangenehmes Gefühl, wenn er an solchen Orten war.
Immer schien von irgendwoher jemand gedämpft zu schreien, zudem war dies ein Gefängnis, welches nicht einmal in Jahren zu rechnen war.
Wer einmal hinter diesen Mauern verschwand, war der Gnade und der Kunst von Psychiatern ausgeliefert, und ein interner Ausschuss bestimmte darüber, ob jemand geheilt war und diese geschlossene Abteilung oder gar die Anstalt verließ oder nicht. Mulder erschien dies in höchstem Maße bedenklich, bei solchen Gelegenheiten gab es keine Anwälte, kein „Unschuldig, bis die Schuld bewiesen ist“.
Jemand, der nicht den Konventionen entsprach, konnte hier für immer verloren gehen.
Wie viele Leute gab es hinter diesen weißen Türen, die im Grunde nicht anders dachten als er? Seine Besessenheit, sein Glaube an Ufos, seine Jagd nach dem Unmöglichen, machte ihn das nicht zu einem perfekten Insassen solch einer Anstalt.
War dies vielleicht seine Zukunft? Wenn er einmal den Absprung nicht mehr schaffte, wenn er einmal zu tief in die Psyche eines Killers eindrang, wenn er wirklich Ufos begegnete, wenn er Samanthas Schicksal endgültig aufklärte und herausfand, dass sie nicht mehr lebte, würde er dann zusammenbrechen und hinter solchen Türen verschwinden?
Mulder schauderte, wie froh war er um seine Partnerschaft mit Scully, ihr unerschütterlicher Glaube an die Wissenschaft, an die Naturgesetze halfen ihm, mit den Beinen auf dem Boden zu bleiben. Sie hatte gelernt, seinen Gedankengängen zu folgen, doch immer fest verwurzelt mit dieser Welt, und etwas von diesem Anker schenkte sie ihm, mit ihrer Freundschaft.
Reagierte er deshalb so auf Josh Parker, aus Eifersucht?
Mulder folgte dem Angestellten, auch er war in Weiß gekleidet, aber auf einem seiner Turnschuhe entdeckte Mulder zwei kleine Blutflecke, von welchen unglückseligen Menschen stammten die?
Eines wusste er genau, er würde erst wieder frei atmen, wenn er diese Anstalt hinter sich gelassen hatte!
Endlich hatten sie das Büro des leitenden Arztes erreicht, und Mulder nahm dankbar Platz, wenigstens hatte das Privatbüro des Mannes etwas Farbe und war nicht so schrecklich weiß wie der Rest der Anstalt!
„Agent Mulder, wie kann ich Ihnen helfen?“ Dr. Markhall entpuppte sich als kleiner, untersetzter Mann mit Halbglatze und einer Brille, die seine Augen vergrößerte und ihn ein wenig wie eine Karikatur seiner selbst wirken ließ.
Mulder fand die Satzstellung schon verdächtig, sein Innerstes sträubte sich gegen diesen Mann, es ging nicht darum, dass man ihm half, sah er aus wie ein Mann, der Hilfe brauchte? Mulder schüttelte diese Gedanken ab, sie waren töricht und entsprangen seiner Furcht vor diesem Ort.
„In Washington ermitteln wir in einer Reihe von Mordfällen, die sehr große Ähnlichkeit mit denen von Emanuel Kanter haben.“
„Aha“, Markhall legte die Hände geziert übereinander. „Kanter, ein höchst interessanter Fall, ich schrieb eine Studie über ihn.“
Mulders Stimmung hellte sich ein wenig auf. „Dann kannten Sie Kanter ja sehr gut.“
Markhall zuckte leicht die Schultern. „Soweit es dieser Mann zugelassen hat. Er war ein brillanter Arzt, selbst psychologisch geschult, man konnte ihn nicht aus der Reserve locken, weil er alle psychologischen Tricks kannte. Kanter sagte uns nur das, was er uns sagen wollte! Vielleicht sollten Sie eher diesen Reporter fragen.“
Mulder rutschte auf seinem Stuhl nach vorne. „Josh Parker?“ Markhall nickte. „Ja, Kanter hat mit ihm anders gesprochen als mit uns Ärzten, er hat Parker geradezu liebevoll mit Details seiner Berufung, wie er es nannte, gefüttert.“
„Wie ist Kanter gestorben?“
Markhall seufzte. „Ein wenig ruhmreiches Blatt für diese Anstalt, muss ich gestehen! Kanter entwickelte mit der Zeit die Wahnvorstellung, dass jemand des Personals ihn töten wolle. Wir nahmen das nicht so ernst, weil solche Entwicklungen nicht ungewöhnlich sind. Kanter sprach davon, dass unter uns Dämonen seien, die sich nun an ihm rächen wollen. Wir setzten ihn unter Torathzin, und er beruhigte sich unter der Sedierung, allerdings schien das eher Resignation zu entspringen. Er murmelte immer wieder, dass es egal sei, wenn er sterbe, er hätte einen Nachfolger. Man fand ihn dann ein paar Tage später, seine Halsschlagader war durchtrennt, und seine Zelle schwamm vor Blut.“
Mulder hob eine Augenbraue. „Selbstmord?“
„Nein, er hatte keine Möglichkeit, nicht die kleinste Chance, an einen scharfen Gegenstand zu kommen, und die Autopsie ergab, dass die Wunde wohl von einem Skalpell stammte. Er wurde ermordet, Agent Mulder! Vermutlich doch von einem unseres Personals!“
Mulder starrte Markhall an. „Hat man den Mörder identifizieren können?“ Markhall schüttelte den Kopf. „Leider nicht, es kommt eigentlich nur die Nachtschicht in Frage, aber es gab keine Indizienbeweise und keine Motive, die Ermittlungen wurden eingestellt.“
„Könnte ich Kanters Akte einsehen?“
Der Psychiater nickte. „Kein Problem, Agent Mulder, da Kanter verstorben ist, sehe ich keine Veranlassung zur Schweigepflicht.“

XXX

Washington D.C.
Wohnung von Dana Scully
27.2.96
17.10


Scully betrachtete die ausgebreiteten Zeitungsartikel und die Polizeiakten, die auf dem Tisch lagen.
„Fast unglaublich.“ Josh Parker schüttelte den Kopf.
Scully sah ihn fragend an. „Was?“
Parker blickte auf und lächelte. „Die Menge!“ Er deutete auf die Akten. „Dreiundfünfzig Opfer, die wir sicher auf unseren Vampirkiller rechnen können, innerhalb von drei Jahren! Man sollte meinen, so viele Vampire dürfte es gar nicht geben!“
Scully seufzte. „Er ist so sehr auf seine Mission fixiert, dass er sicher überall Vampire sieht.“
Parker lehnte sich im Sessel zurück. „Das glaube ich nicht, Dana! Ich bin mir sicher, er sucht die Dämonen sorgfältig aus, er verlässt sich dabei nicht auf seine eigenen Sinne.“
Scully sah Parker überrascht an. „Wie kommen Sie auf die Idee, Josh?“
Parker hob leicht die Schultern an, zu einer vagen Geste. „Ich kann mir nicht denken, dass er sich nur auf seine Augen verlässt.“
Scully dachte darüber nach, das entsprach ihren eigenen Gedankengängen. „Es wird ein Gegenstand sein ... Etwas, das ihm die Augen öffnete“, führte Parker den Satz fort.
„Ein ritueller Gegenstand? Ein Kreuz vielleicht?“ Scully rieb sich nachdenklich über die Kinnspitze.
Parker schüttelte den Kopf. „Nein, es muss etwas Anderes sein, etwas Visuelles, etwas, das einen die Welt sehen lässt und dennoch sie ganz anders zeigt.“
Scully hob die Augenbrauen. „Keine schlechte Idee, es könnte ein ...“ Das Klingeln des Telefons unterbrach ihren Satz und Gedankengang.
„Entschuldigen Sie bitte, Josh.“ Scully ging zu der Kommode, wo ihre Dienstwaffe und das Handy lagen.
„Scully!“
„Mulder“, drang es von der anderen Seite vertraut an ihr Ohr.
„Wo sind Sie, Mulder?“
„Auf dem Flughafen, ich fliege in ein paar Minuten wieder zurück!“
Scully blickte zu Parker, der im Sessel saß und anscheinend in die Betrachtung eines kleinen Taschenspiegels vertieft war. Irgendwie erschien ihr dieses Verhalten seltsam, welcher Mann trug schon einen Taschenspiegel bei sich?
„Haben Sie etwas herausgefunden, Mulder?“
„Einiges! Kanter hat von einem Nachfolger geredet, und Sie dürfen raten, mit was Kanter die Vampire angeblich erkannt und wer diesen Gegenstand geerbt hat!“ Mulder klang ein wenig triumphierend.
Scullys Blick schlich zu Parkers Händen, die liebkosend den silbernen Rahmen des Spiegels streichelten.
„Ein Spiegel.“ Ihre Stimme schwankte eine winzige Spur.
„Ja! Und Josh Parker hat ihn geerbt!“
Scully bewegte sich möglichst unauffällig ein wenig näher zu ihrer Dienstwaffe. „Ich weiß“, erklärte sie und versuchte die Anspannung in ihrer Stimme zu unterdrücken.
„Sie wissen es?“ Mulder klang verwundert.
Scullys freie Hand näherte sich der Waffe. „Ja, ich muss nun auflegen, Mulder, ich habe Besuch!“
„Parker ist bei Ihnen?“ In Mulders Stimme schwang Panik.
„Ich lege jetzt auf!“ Scully wartete nicht mehr auf eine Erwiderung, sondern ließ das Handy auf den Boden krachen, sie riss ihre Waffe an sich und zielte auf Parker, der sich jedoch nicht bewegt zu haben schien, nur dass nun ein Stapel Karten auf dem Tisch lag, zwischen den Kaffeetassen und Zeitungsartikeln.
Seine blauen Augen sahen sie mit einer Spur von Trauer und Hoffnung zugleich an.
„Haben Sie keine Angst, Dana! Ich werde Ihnen nichts tun! Sie gehören zu den Guten dieser Welt! Ich habe Sie gesucht! Sie gehören zu mir, ich kenne Sie, habe Sie erkannt in dem Moment, als ich Sie das erste Mal sah. Wie Kanter, er hat mich auch erkannt! Sie sind mein Nachfolger, Dana, haben Sie keine Angst!“
Scully konnte sich vorstellen, dass Mulder in diesem Augenblick bereits die Polizei und das FBI verständigte. Sie schätzte, dass sie Parker zehn Minuten hinhalten musste, ehe sie mit Hilfe rechnen konnte.
„Keine Bewegung, Parker!“ Scullys Hände waren ruhig, auch wenn ihre Magennerven flatterten.
„Sie werden es verstehen, Dana. Wenn Sie erst einen Blick in den Spiegel geworfen haben. Wenn Sie das erste Mal in diesem Spiegel hinter sich ein Monster erkennen, einen Vampir oder Dämon.“
„Sie sind krank, Josh!“ Scullys Stimme war ruhig, geschult, nicht widersprechend, um Parker zu keinem Gewaltausbruch zu provozieren.
„Nein, die Welt ist krank, Dana! Ich bin die Heilung, wir sind die Heilung! Ich glaubte nie an Dämonen, aber sie sind da! Und es sind so viele! Es ist eine einsame Arbeit, Dana! Ich wünschte, wir könnten Sie gemeinsam tun!“
Er zog eine Karte, so langsam, dass Scully die Bewegung seiner Hände unter Kontrolle hatte und sie sich nicht dadurch bedroht fühlen konnte. Parker wollte nicht, dass sie vor ihm Angst hatte.
Er legte die Karte mit dem Bild nach oben auf den Tisch.
„Die Liebenden! Das sind wir, Dana! Sie und ich, verbunden für eine große Aufgabe! Wir können die Welt vielleicht nicht retten, aber viele Menschen. Die Dämonen sind schlau und sie sind nie zu sättigen, sie finden reiche Beute in den Großstädten, dort wo es nicht auffällt, wenn ein Mensch verschwindet!“
Scully schluckte trocken, ihr Mund fühlte sich ausgedörrt an.
Parker zog eine weitere Karte und legte sie auf den Tisch, Trauer zeichnete sich auf seinem Gesicht ab. „Oh!“ Die Karte war für Scully deutlich zu erkennen, sie zeigte ein Skelett auf einem Pferd, das eine Sichel in der Hand trug, der Tod.

Parker blickte sie an, in seinen Augen schienen sich Tränen zu sammeln.
„Ich hätte mir so sehr gewünscht, dass wir zusammen sein können, Dana! Es ist so schrecklich, allein zu sein, es ist solch eine große Aufgabe, und wir sind nur Menschen.“
Er stand langsam auf.
„Setzen Sie sich wieder, Josh!“ Scully zielte auf seine Brust, es würde ein sicherer Schuss werden, aber sie wollte ihn nicht töten. Er tat ihr leid, gefangen in seinem Wahn, war er für seine Taten nicht voll verantwortlich, man müsste ihm helfen, nicht ihn töten!
„Noch ist die Zeit nicht ganz reift, Dana! Sie können noch nicht in den Spiegel sehen, aber bald schon.“
„Ich werde schießen, wenn Sie sich nicht sofort wieder hinsetzen!“
Parker trat einen Schritt auf sie zu. „Ja, ich weiß!“, erklärte er schlicht, so als würde er nicht von seinem Tod reden.
„Es ist mein Ernst!“
Parker nickte und trat noch einen Schritt näher.
„Bitte, zwingen Sie mich nicht!“ Scully wollte nicht, aber wenn er noch einen Schritt auf sie zumachte, musste sie schießen.
„Es ist der Wille einer höheren Macht, Dana, vielleicht die Gottes!“ Parker ging noch einen Schritt auf Scully zu.
Ihr Zeigefinger krümmte sich, aber statt eines lauten Knalls erklang nur das Klicken einer leeren Kammer. Scullys Augen wurden groß.
„Ich habe vorhin das Magazin entleert, als Sie den Kaffee kochten!“ Parker klang entschuldigend. „Ich werde Ihnen nicht wehtun, Dana!“
Scully roch den starken, stechenden Geruch von Äther und sah auf dem Sessel, auf dem Parker gesessen war, eine kleine, braune Flasche liegen.
„Das kann ich nicht versprechen!“ Dana schlug mit einem Handkantenschlag nach Parker, dieser wich jedoch geschickt aus.
„Ich weiß.“
Parker drückte das äthergetränkte Taschentuch, welches er vorbereitet hatte, als Scully davon abgelenkt gewesen war, ihre Waffe zu erreichen, auf ihr Gesicht.
Die Schläge, die gegen seinen Oberkörper prasselten, nahm er gelassen hin, sie wurden auch schnell schwächer, und schließlich sackte Scully in sich zusammen. Parker fing sie ab, ehe sie zu Boden stürzen konnte, nahm sie auf seine Arme, so als würde er ihr Gewicht gar nicht fühlen.
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