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Familienbande V: Vermächtnisse

von Dawn

Kapitel 7

FBI Hauptquartier
Sonntag
07:45 Uhr


Skinner äußerte lediglich zwei Worte und Fox Mulder wurde vor seinen Augen zu einer schimpfenden Maschine. Mulder war aufgestanden und ging auf und ab, ließ eine Reihe Obszönitäten gepaart mit sowohl kreativen als auch drastischen Rachegelüsten über seine Lippen kommen. Gelegentlich brach ein bellender Husten durch und verlangte, dass der Mann nach Luft schnappte, aber er fuhr schnell fort ohne jemals den Faden zu verlieren.

Alex Krycek. Skinner massierte den Punkt auf seiner Stirn direkt über dem Pochen, das durch zu viel Anspannung und ein schlechtes Gewissen ausgelöst wurde. Er konnte sicherlich mit Mulders Reaktion auf die Neuigkeiten der forensischen Abteilung sympathisieren, die den Fingerabdruck des Mannes auf dem Motorblock seinen Autos gefunden hatte. Krycek war ein Joker, ein bestätigter Verräter und ein Mann, der nur darauf bedacht war seine eigene Haut zu retten. Darüberhinaus hielt er leider auch Skinners Leben in seiner Hand. Buchstäblich.

„Mulder, setzen Sie sich.“, sagte er kantig und empfand etwas Genugtuung in der Tatsache, dass sein wütender Agent darauf hörte. „Ich verstehe Ihre Gefühle in dieser Sache – Gott weiß, dass ich selber gerne fünf Minuten mit dem Mann allen wäre, aber das bringt uns nicht weiter.“

„Haben die Forensiker irgendetwas anderes herausgefunden, Sir?“, fragte Scully und warf ihrem Partner einen Blick zu, der es schaffte die Nachricht ‚benimm dich’ so deutlich zu vermitteln als ob sie die Worte gesagt hätte.

Skinner rückte seine Brille zurecht und nahm ein Papier von seinem Schreibtisch. „Das Auto ist absichtlich sabotiert worden, der Keilriemen halb durchgeschnitten worden – mit einem Messer – so dass er nach nur kurzer Nutzung reißen musste. Die einzigen Fingerabdrücke im Auto stammen von Ihnen, Mulder oder Grey.“

„Also hat Krycek den Keilriemen beschädigt und folgte dann einfach dem Auto, weil er wusste, dass es bald liegenbleiben würde.“, mutmaßte Scully und blickte von Skinner zu Mulder. „Der Abdruck auf dem Motor könnte bei der Sabotage entstanden sein.“

„Oder als er Grey überrumpelt hat.“, sagte Mulder angespannt. „Er musste nah ran um ihn zu schlagen oder zu betäuben. Ich habe Krycek erwähnt, aber Grey hatte keine Ahnung wie er aussieht. Der Bastard hätte so tun können als ob er helfen wolle und ihm so eine Falle stellen können.“

Skinner biss die Zähne zusammen und konnte spüren, wie der kleine Muskel zitterte, wie er es immer tat, wenn er besonders verärgert oder gestresst war. Er wollte wirklich nicht die Belastung des Mannes, der ihm auf der anderen Seite des Schreibtisches gegenüber saß vergrößern, aber er fühlte sich verpflichtet seine Gedanken mitzuteilen. Seine Möglichkeit Mulder direkt zu helfen war massiv eingeschränkt und somit erhöhte sich die Bedeutsamkeit, ihm die Informationen, die er hatte, mitzuteilen.

„Mulder, ich möchte, dass Sie etwas bedenken.“, sagte er zerknirscht. „Grey fuhr *Ihr* Auto, nachdem er *Ihre* Wohnung verlassen hatte. Es ist vollständig im Bereich des Möglichen, dass er nicht Kryceks eigentliches Ziel war.“

Mulders ruhelose Finger waren mit einem Mal still und er erstarrte. Skinner konnte den Moment sehen als Mulder die Verbindung herstellte – die Wut verschwand aus seinem Gesicht um von Schmerz ersetzt zu werden, der so intensiv war, dass Skinners eigener Magen sich in Mitgefühl verkrampfte.

„Sie meinen mich.“, sagte Mulder und formte die Worte in seinem Mund als seien sie Fremdkörper. „Krycek hat *mir* die Falle gestellt und statt meiner Grey erwischt.“ Er kniff die Augen zusammen und beschattete sie schnell indem er eine Hand darüber legte. „Gott, Scully, ich hab ihm sogar noch meine Jacke gegeben.“, würgte er hervor.

Scully warf Skinner einen gequälten Blick zu bevor sie Mulder eine Hand auf den Arm legte. Skinner erwartete leise Versicherungen die ihn beruhigen sollten und Scullys humorlose Zurechtweisung brachte ihn völlig aus der Balance.

„Komm darüber hinweg, Mulder. Dich in Selbstvorwürfe zu versenken wird Grey kein bisschen helfen. Wir wissen, dass Krycek ihn hat, also ist der nächste logische Schritt, Krycek ausfindig zu machen.“

Vielleicht noch erstaunlicher als Scullys „tough love“ Ansatz war das Resultat. Mulder rieb sich einmal über die Augen und richtete sich dann auf. Er drehte sich zu seinem Partner, und seine Augen glitzerten gespenstisch vor neuer, stahlharter Entschlossenheit.

„Denkst du was ich denke?!“

Scullys Lippen zuckten. „Zeit die Chips vom Debakel in Vegas einzutauschen?“

Skinners Blick sprang zwischen den beiden hin und her, Augenbrauen zusammengezogen. „Wovon genau sprechen Sie beide?“

„Von der Benutzung inoffizieller Kanäle, Sir.“, sagte Scully wobei ihre Augen vor unterdrücktem Vergnügen leuchteten.

„Inoffiziell...“, Skinner brach ab als die Bedeutung ihrer verschlüsselten Aussage klar wurde. „Ah, Vogelscheuche, Blechmann und Toto.“, sagte er und freute sich insgeheim, dass er Mulder dazu brachte verwirrt zu grinsen und Scully total geschockt schien. „Tun Sie das, ich werde diese Maschine hier am Laufen halten. Kommen Sie später heute Nachmittag nochmal vorbei.“

Zu ihrer Ehrenrettung schaffte Scully es ihre professionelle Haltung aufrechtzuerhalten bis sie das Büro verlassen hatten und die Tür fast geschlossen war. Skinner blickte rechtzeitig auf um zu sehen, dass sie innehielt und Mulder am Ellbogen packte.

„Vogelscheuche, Blechmann und Toto? Mulder, wovon zum Teufel hat Skinner gesprochen?“

Skinner grinste vor sich hin. Es geschah nicht jeden Tag, dass man die unerschütterliche Agentin Scully sprachlos machen konnte.


Hauptquartier der Einsamen Schützen
Sonntag
09:30 Uhr



Mulder war definitiv krank. Nach einiger Ellbogenpolitik hatte Scully es geschafft ihn davon zu überzeugen auf dem Weg zu den Schützen einen schnellen Frühstücksstop einzulegen, aber er hatte das Meiste seines Rührei mit Speck als Medium benutzt seinen Teller in ein Stück moderner Kunst zu verwandeln, als das er gegessen hatte. Scully hatte einen verstohlenen Blick auf seine erröteten Wangen und den Schweiß auf seiner Oberlippe geworfen und kämpfte auf verlorenem Posten damit ob sie ihn darauf ansprechen sollte oder nicht. Mulder nahm ihr die Entscheidung ab indem er sich unerwartet zu ihr umdrehte.

„Hör auf damit, Scully.“, schnappte er, die Augen verärgert zusammengezogen.

„Aufhören womit?“, entgegnete sie kurz und spürte wie ihr die Galle hochstieg.

„Mich anzugucken als ob ich jeden Augenblick umkippen würde. Du solltest dich um Grey sorgen, nicht um mich.“

„Ich mach mir Sorgen um euch beide, ist ja genug Grund da.“, murmelte Scully und studierte ihre Hände in ihrem Schoß. Sie hörte wie Mulder tief Luft holte und sie langsam wieder ausstieß.

„Ich weiß. Ich glaube ich kann nichts Geringeres von dir erwarten. Aber deine Sorge ist unbegründet, mir geht’s gut.“ Er grunzte und schüttelte den Kopf. „Wenn du mir wirklich helfen willst dann denk dir einen Weg aus den Jungs zu erklären, dass ich einen Bruder habe.“

„Das wissen die noch nicht?“, fragte Scully ungläubig. „Mulder, sie sind deine engsten Freunde. Warum solltest du ihnen das nicht sagen?“

Mulder zog die Schultern hoch und zupfte an seinem Daumennagel. „Ich bin mir nicht sicher. Ich denke, mal ich dachte, je weniger Leute das wissen, desto sicherer wäre es für Grey. Offensichtlich hat das aber keinen Unterschied gemacht.“

Er öffnete seine Tür bevor Scully darauf antworten konnte und wischte sich die Feuchtigkeit aus dem Gesicht als er zur Tür hochging. Scully biss die Zähne zusammen und folge ihm – etwas indem sie sehr gut geworden war in den letzten sechs Jahren.

„Wie viele?“, fragte sie und verschränkte die Arme als sie auf eine Antwort auf Mulders Klopfen warteten. „Es ist Tag und du hast vorher angerufen. Ich wette fünf oder sechs.“

Mulder schaffte den Hauch eines Lächelns. „Ich denke du unterschätzt das Ausmaß ihrer Paranoia.“, sagte er und schüttelte den Kopf. „Ich tippe auf wenigstens acht.“

Das harte Stakkato von Riegeln, die gelöst wurden begann einen Augenblick später und sie zählten leise während sie sich gegenseitig angrinsten. Nach dem siebten Klack öffnete die Tür sich einen Spalt und zeige Frohikes rechtes Auge.

“Gewonnen“, verkündete Scully zufrieden und stellte sich dahin wo der kleine Mann sie sehen konnte.

Mulder zog eine Schnute. „Wieso denn das? Sieben ist genau zwischen sechs und acht!“

„Die Regel besagt, wer am Nächsten dran ist ohne zu überschreiten gewinnt, Mulder. Deshalb hab ich gewonnen.“ Sie schob sich an ihm vorbei als Frohike endlich die Tür geöffnet hatte.

„Welche Regel? Wir haben nie über Regeln gesprochen.“, rief Mulder ihrem Rücken hinterher.

„Und was können wir heute für die wundervolle Agentin Scully tun?“, fragte Frohike und paarte seine Frage mit dem erwarteten lüsternen Blick.

„Frohike, du verletzt mich. Red weiter so und ich fange an mich unerwünscht zu fühlen.“, sagte Mulder und setzte einen übertriebenen Schmollmund auf.

“Du bist hier immer erwünscht, Mulder – solange du Scully mitbringst.“, erwiderte Frohike blasiert.

Langly, der einen verloderten blauen Bademantel und Jogginghosen trug, schlurfte in den Raum und kaute auf einer Poptart. Er blinzelte sie irritiert durch seine dickgerahmte Brille an. „Hey Mulder. Was ist so wichtig, dass es nicht warten konnte?“

„Dir auch einen guten Morgen.“, erwiderte Mulder.

„Ignorier ihn. Er hat die halbe Nacht Doom mit ein paar Cyberkumpels gespielt.“, sagte Byers glatt, ohne seinen normalen Anzug, aber dennoch mit einer Krawatte zu seinem V-Pullunder bekleidet. „Frohike sagte, dass du unsere Hilfe brauchst und dass du’s hier erklären wolltest.“

Mulder warf Scully einen hilflosen Blick zu und räusperte sich. „Ja. Ich erwarte von euch Jungs, dass ihr alle Register zieht. Ich muss jemanden finden – und zwar schnell.“

„Wer ist es?“, fragte Frohike.

Mulder bemühte sich neutral zu bleiben. „Alex Krycek.“

Als ob die böse Fee mit ihrem Feenstab gewedelt hätte ersetze Zweifel die Neugier auf allen drei Gesichtern.

Einen Augenblick lang tauschten die drei verschlüsselte Blicke aus und schwiegen. Byers, schon immer der Diplomat der Gruppe, antwortete schließlich.

„Dir ist klar, dass wir das früher schon mal versucht haben, Mulder. Krycek ist notorisch schwierig zu lokalisieren.“

Sorge und Krankheit zusammen verkürzten Mulders Geduld. „Ich habe nicht gesagt, dass es einfach werden würde. Was ist mit all dem Gerede, dass euer Kung Fu jedes andere schlagen kann?“

Langly schmollte und sah aus als ob er was entgegnen wollte aber Frohike unterband dies. „Wir haben nicht gesagt, dass wir nicht unser Bestes geben werden, Mulder, nur, dass du dir nicht zu viel erhoffen solltest.“

„Nun, fast wär ich euch auf den Leim gegangen. Wie könnt ihr euer Bestes geben, wenn ihr euch schon einig seid, dass es unmöglich ist?“, knurrte Mulder, schritt durch den Raum und fummelte an einem undefinierbaren elektronischen Etwas herum.

Frohike zog seine Augenbrauen zusammen aber eine leise Bewegung erfasste sein Auge bevor er sprechen konnte. Scully war einen Schritt zu Mulder gegangen und zögerte dann. Als sie spürte, dass Frohike sie beobachtete schüttelte sie scharf ihren Kopf, führte ihre unterbrochene Bewegung fort und positionierte sich an Mulders Seite.

„Mulder, sag ihnen warum.“, drängte sie ihn mit leiser Stimme so sanft wie Seide.

Frohike, aufmerksam wie immer, legte die Stirn in Falten. „Aus welchem Grund musst du Krycek so dringend finden, Mulder?“

„Ja Mulder. Was hat der Bastard jetzt wieder angestellt?“, fiel Langly ein.

“Er hat jemanden entführt.“, erwiderte Mulder leise, ihnen immer noch den Rücken zugewandt.

“Wie heißt der Kerl?“, beharrte Langly.

Mulder drehte sich langsam um und kaute auf seiner Lippe. „Er heißt Grey McKenzie. Er hat bei mir übernachtet. Wir glauben, dass Krycek ihn mit mir verwechselt hat.“

„Glaubst du sein Leben ist in Gefahr?“, fragte Byers vorsichtig.

Mulder tauschte einen langen, enigmatischen Blick mit Scully. „Ich weiß es nicht. Aber da ist noch etwas, was ihr wissen müsst. Grey McKenzie...“

„Ist dein Bruder.“, beendete Frohike.

Mulders Kinnlade fiel und Scully zog die Augenbrauen hoch.

“Komm schon, Mulder, für wie blöd hältst du uns eigentlich?“, schnaufte Frohike und schaffte es gleichzeitig zufrieden und beleidigt zu klingen.

“Du hast doch sicherlich bemerkt, dass wir eine diskrete... Wachsamkeit halten über Dinge die dein Wohlergehen betreffen.“, fügte Byers hinzu.

„Wie lange?“, presste Mulder durch zusammengebissene Zähne.

Die drei guckten schuldbewusst, wie kleine Jungs die beim Plätzchen klauen erwischt worden waren. „Seitdem er das erste Mal bei dir zu Besuch war.“, gab Frohike schließlich zu. „Als du die ganzen Albträume hattest.“

„Ihr *wusstet* davon? Ihr habt meine Wohnung verwanzt? Verdammt, gibt es einen Teil meines Lebens in dem ihr nicht herumschnüffelt?“ Die Andeutung in seiner eigenen Frage wurde ihm bewusst und er wurde erst blass und dann rot.

Scully war offensichtlich zu demselben Schluss gekommen und ihre Stimme knisterte vor Hochspannung, ein Versprechen über üble Folgen. „Bedeutet das...?“

„Leider, nur in meinen Träumen.“, seufzte Frohike lüstern.

„Byers hat uns die da rausholen lassen als du und Mulder endlich ein Paar ward.“, erklärte Langly beleidigt.

„Eine weise Entscheidung.“, sagte Scully düster.

„Also, du glaubst Krycek hat deinen Bruder entführt, weil er dachte du wärest es gewesen?“, fragte Byers und wechselte damit das Thema. „Bist du sicher, dass Grey nicht von Angang an Kryceks Ziel gewesen ist?“

„Nein.“, gab Mulder wiederwillig zu. „Aber er trug meine Jacke und fuhr mein Auto – welches so von Krycek sabotiert worden war, dass es bald liegenbleiben musste. Ich denke eine Verwechslung ist eine logische Schlussfolgerung.“

„Unsere letzte, bestätiget Sichtung Kryceks war vor einem Jahr.“, bemerkte Byers. „Wir müssen an dem Punkt ansetzen.“

„Was auch immer nötig ist“, sagte Mulder gepresst. „Ich kann nicht sagen was ich weniger mag – Grey in Kryceks Händen oder denen des schwarzlungigen Hurensohns.“

Mulder hatte vorgehabt diese Aussage mit Wut widerhallen zu lassen, aber ein leises Zittern in seiner Stimmer verriet ihn. Scullys Finger, die fragend über seine Hand tanzten brachten ihn davon ab, Pein zu verspüren. Er sah hinab in die blauer als blauen Augen, die ihm ohne Worte sagten, dass sie ihn verstanden hatten.

Wie immer wenn sie in der Nähe war, verschwand die drohende Dunkelheit.

„Wir sind dran“, sagte Langly, schon auf die Tastatur hämmernd, „Lass dein Handy an und wir melden uns wenn wir etwas haben.“

„Keine Sorge“, fügte Frohike hinzu als er sie zur Tür brachte und die Riegel zurückschob. „Du hattest Recht vorhin. Unser Kung Fu *ist* das Beste.“

Mulder blickte auf seine Uhr und spürte die Minuten wie Wasser durch ein Sieb rinnen. Grey war seit mehr als zwölf Stunden verschwunden und er kam nicht gegen das Gefühl an, dass sie schon zu spät dran waren. Was er brauchte war kein Kung Fu. Er brauchte ein Wunder.
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