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Familienbande IV: Zerfetzte Herzen

von Dawn

Kapitel 17

Georgetown
Montag
17:07 Uhr


„Sir! Kommen Sie rein.“

Scully trat zur Seite und führte Skinner ins Wohnzimmer. Grey, der sich in einem Stuhl ausgestreckt hatte und die Zeitung durchblätterte, stand auf und gab ihm die Hand.

„Hey, Walt. Was bringt dich denn in diese verlassene Gegend?“

„Ich dachte nur ich komme mal vorbei und schaue nach dem fehlgeleiteten Patienten.“, sagte Skinner, ließ sich in einen anderen Stuhl fallen und lockerte seine Krawatte. „Wie geht’s ihm?“

„Als ich das letzte Mal nachgeschaut habe, war er völlig weggetreten und hat auf das Kissen gesabbert.“, antwortete Scully mit zuckenden Lippen.

Skinners Augenbrauen flogen hoch. „*Mulder*? Mitten am Tag?“

„Er bekommt ziemlich starke Schmerzmittel für seine Schulter und die Rippen.“, erklärte Scully. „Die stellen ihn die Hälfte der Zeit ziemlich ruhig.“

„Es war unglaublich still.“, stimmte Grey grinsend zu.

„Ich denken wir könnten alle ungefähr eine Woche Schlaf gebrauchen.“, sagte Skinner erschöpft. „Die haben wir uns mit Sicherheit verdient.“

„Ich dachte, ich komme morgen für eine Weile ins Büro. Ich sollte meinen Bericht heute Abend fertig bekommen.“, sagte Scully.

„Es wird eine Untersuchung zu der Schießerei geben, aber das ist nur eine Formalität.“, bemerkte Skinner, als er bemerkte wie Grey bei seinen Worten zuckte. „Dir *ist* doch klar, dass du keine Wahl hattest? Ein paar Sekunden später und Cole hätte die Waffe deines Bruders gehabt, und vielleicht sein Leben.“

Grey hatte aus dem Fenster gestarrt und Skinners Beschwichtigungen nickend zu gestimmt. „Das weiß ich. Aber die Wahrheit ist, dass ich erst einmal vorher jemanden getötet habe. Dieses Mal war es nicht leichter.“

„Der Tag an dem es einfach wird, ist der Tag an dem du deinen Dienstausweis abgeben solltest.“, gab Skinner zurück und massierte sich den Nasenrücken. „Du hast gute Arbeit geleistet, Grey. Ich habe deinem Captain schon eine Belobigung geschickt.“

Greys Lippen kräuselten sich. „Danke, Walt. Das weiß ich zu schätzen.“

„Ich hoffe nur, dass es jetzt ruhiger wird.“, sinnierte Scully. „Mulder wird für mindestens drei Wochen nicht für die Feldarbeit zugelassen sein. Vielleicht können wir ausnahmsweise tatsächlich den Papierkram machen.“

Skinner schnaubte. „Also *das* wäre eine X Akte.“ Er runzelte die Stirn. „Scully, ich wollte mit Ihnen über Samstagnacht sprechen. Genauer gesagt darüber was Mulder über Roche gesagt hat.“

Scullys Art schwang sofort von offen und aufgeschlossen auf zurückhaltend. „Sir?“

„Mulder hat Cole immer wieder Roche genannt. Haben Sie ihn danach gefragt?“

Grey murmelte etwas und Scully warf ihm einen Blick zu der Sand zu Glas hätte verwandeln können. „Halt den Mund, Grey.“

„Ich gehe davon aus, dass Sie das Thema angeschnitten haben.“, sagte Skinner trocken.

Scully seufzte. „Sir, er litt unter eine Gehirnerschütterung dritten Grades, einer ausgerenkten Schulter und drei angebrochenen Rippen. Er kann nicht für das verantwortlich gemacht werden, was er zu sehen geglaubt hat.“

„Er denkt das Cole John Lee Roche – wie nannten Sie es? Kanalisiert? – hat.“ Es war eine Aussage, keine Frage.

„Er glaubt es nicht nur, er ist von dieser Tatsache überzeugt.“, warf Grey mit neutralem Gesicht ein.

„Und du glaubst, dass er sich das nur einbildet?“, fragte Skinner.

Grey zuckte mit den Schultern. „Ehrlich gesagt bin ich nicht sicher, was ich denken soll. Ich glaube nicht daran, dass jemand die Fähigkeit besitzt den Geist eines toten Mannes zu kanalisieren. Aber Foxs Überzeugung ist… beunruhigend.“

„Ich war auch etwas beunruhigt.“, gab Skinner zu. Als Scully eine Augenbraue hochzog beeilte er sich zu erklären. „Scully, als wir uns in dem Bus versteckt haben, kurz bevor Grey Cole erschoss, haben Sie gehört was er zu Mulder gesagt hat?“

„Nur ab und zu ein Wort.“, gestand Scully. „Es war schwer hinter dieser Trennwand etwas zu hören.“

„Nun ich habe es gehört. Cole hat mit Mulder über seine Schwester geredet.“

Scully wirkte nervös. „Seine Schwester?“

Skinner nickte. „Er fragte.“

„Er fragte, ob ich wissen wolle, ob sie da sei.“

Mulders ruhige Stimme schreckte sie auf und löste einen Austausch von unbequemen Blicken aus. Ihr Unbehagen ignorierend ging er langsam durch das Zimmer und setzte sich vorsichtig auf die Couch. Er war nur mit einem Paar Jeans bekleidet, eine große Schlinge fixierte seinen rechten Arm und seine Schulter. Skinner zuckte angesichts der starken Blutergüsse, die seine linke Seite schwarz und blau färbten, zusammen.

Scully sah Mulder vorwurfsvoll an. „Du hast diesen Teil nicht erwähnt.“

Mulder rollte die Augen. „Warum sollte ich meine Energie verschwenden, Scully? Du glaubst mir die Sache mit Roche nicht, und das ist nur noch mehr davon.“

„Was meinte er mit ‚ob sie da ist’?“, fragte Scully.

„Da draußen, das große Jenseits, unter den Toten.“, antwortete Mulder oberflächlich, doch seine Augen sagten etwas anderes. „Er sagte, er könne mir ein für alle Mal sagen, ob Sam tot ist oder noch lebt.“

Scully bewegte ihre Hand um ihre Finger in seine zu weben. „Hast du ihm geglaubt?“

Mulder lehnte seinen Kopf zurück und schloss seine Augen. Seine Antwort war leise, aber fest. „Ich glaube, dass wo auch immer Sam ist, tot oder lebendig, sie ist dort nicht bei einem Mann wie John Lee Roche.“

Für einige Minuten sagte niemand etwas. Schließlich räusperte Skinner sich und griff in sein Jackett um eine Umschlag hervorzuziehen.

„Sie wissen vielleicht nicht, dass ich gestern die Westins getroffen haben.“, erzählte er ihnen. „Sie baten mich Ihnen ihre größte Annerkennung auszudrücken – vor allem Ihnen, Mulder. Und Callie bat mich Ihnen das zu geben.“

Mulder akzeptierte den Umschlag, beäugte ihn für einen Moment und versuchte dann ihn zu öffnen. Scully sah zu wie er mit einer Hand herumfummelte, griff dann danach, öffnete die Lasche und zog ein Blatt Papier heraus. Mulder faltete es auseinander und breitete es vorsichtig auf seinem Schoss aus. Skinner und Grey lehnten sich nach vorn um besser sehen zu können.

Es war eine Wachsmalkreidezeichnung von zwei Leuten, Hand in Hand, auf einer Blumenwiese. Einer war groß und schlank mit dunkel braunem Haar und einem langen schwarzen Mantel, die andere war klein mit lockigem Haar und einem lächelnden rosa Mund. Ein heller gelber Sonnenball und drei flauschige weiße Wolken füllten den blauen Himmel. Am unteren Rand stand in kritzeligen Buchstaben „Ich hab dich lieb Fox“ gefolgt von dem Namen „Callie“.

„Sie ist eine einzigartige Künstlerin.“, bemerkte Grey anerkennend.

„Sie ein einzigartiges Kind.“, verbesserte Mulder und ließ einen Finger ehrfürchtig über die Seite fahren. „Das sind sie beide.“

Skinner stand auf. „Ich sollte gehen.“, sagte er brüsk. „Bei mir herrscht Aufholbedarf an Papierkram, der sich in den letzten Tagen angesammelt hat.“

„Sind Sie sicher, dass Sie nicht zum Essen bleiben wollen, Sir?“, fragte Scully und stand ebenfalls auf. „Sie sind mehr als willkommen. Mulder hat mich wegen Pizza genervt und ich habe beschlossen nachzugeben.“

Mulder schlug seine linke Hand auf seine Brust. „Moi? Nerven? Scully, du verletzt mich!“

„Ich komme darauf zurück.“, sagte Skinner trocken, mit vor Belustigung zuckenden Lippen. „Trotzdem danke, Scully.“

„Das heißt dann wohl Pizza für drei.“, sagte Mulder fröhlich.

„Ähm. Ich wollte dazu etwas sagen.“, sagte Grey auf die Uhr sehend. „Ich werd’ euch heute Abend beim Essen keine Gesellschaft leisten. Ich, äh, habe Pläne.“

Mulder lehnte sich vor wie ein Hai, der Blut gerochen hat. „Pläne? Erzähl, großer Bruder.“

Grey errötete. „Ich habe Kristen heute zum Abendessen eingeladen. Um ihr für ihre Hilfe bei dem Fall zu danken.“, fügte er hastig hinzu.

„Kristen? Wie in Agent Harding?“, fragte Scully und warf Mulder ein selbstgefälliges Grinsen zu.

„Genau die. Sie holt mich in fünf Minuten ab, also werd ich einfach mit Walt runter gehen.“, sagte Grey und spurtete zu Tür und der relativen Sicherheit des Flurs.

„Komm nicht zu spät.“, rief Mulder, „Du weißt, wie sehr Scully und ich uns sorgen, wenn du nicht vor Mitternacht zu Hause bist.“

„Halt die Klappe, Fox.“

Scully brachte ihren Chef und Grey zur Tür und kehrte dann zur Couch zurück. Da sie sah, dass Mulder sich auf der Suche nach einer bequemen Position wand, lehnte sie sich in eine Ecke zurück und zog ihn gegen sich zurück, wobei sie ihre Finger durch sein Haar fahren ließ, wo es neben ihrem Kinn lag. Er seufzte zufrieden und strich mit seiner Hand die weiche Haut an ihrem Bein hoch und runter.

„Scully, ich habe so ziemlich meine gesamte Erinnerung zurück.“, sagte er zögernd.

Scully lächelte, sie wusste genau worauf er hinauswollte. „Das ist gut, Mulder.“

Mulder schwieg für einige Minuten und streichelte noch immer abwesend ihr Bein. „Es tut mir Leid, Scully. Ich war ein Idiot, und ich hatte keine Recht die Dinge zu sagen, die ich gesagt habe.“

„Entschuldigung akzeptiert.“, antwortete Scully sanft. Sie lehnte sich über ihn, um ihm in die Augen zu sehen. „*Skinner*?“

Mulder zuckte die Schultern und wurde rot. „Er hält große Stücke auf dich, Scully. Und du musst zugeben, er ist gut gebaut.“

Scully schüttelte grinsend ihren Kopf. „Ich kann es nicht ändern, Mulder. Ich mag meine Männer groß, dunkel und paranoid.“

„Ja?“

„Absolut.“

Scully lehnte sich herüber um ihre Lippen auf seine Wange zu drücken. Das nächste was sie wahrnahm, war dass Mulder seine Hand um ihren Nacken gelegt hatte und sie zu einem Kuss herunter zog, der sie schnell atemlos zurück ließ.

„Die Kinder sind heute Abend alle unterwegs, Ma.“, murmelte er und knabberte sich seinen Weg ihren Hals hoch. „Womit sollen wir uns nur beschäftigen?“

„Ruhig Junge.“, keuchte Scully, legte jedoch ihren Kopf zurück, um ihm besseren Zugang zu gewähren. „Du bist im Moment nicht in der besten Verfassung.“

„Hör zu, Babe.“, sagte Mulder mit gedämpfter, verführerischer Stimme. „Ich garantiere, dass die nötige Ausrüstung sich in Betriebsbereitschaft befindet.“ Er wackelte mit den Augenbrauen.

Scully lachte. „Du bist unverbesserlich, Mulder.“

„Da liegst du falsch, Scully. Der richtige Ausdruck ist anregend.“

Scully kicherte und keuchte dann, als er ihr genau zeigte, was er meinte.



Unbekannter Ort
Montag
18:00 Uhr



Auf dem Fernsehbildschirm lieferte ein Nachrichtensprecher den Kommentar zu dem Bericht über den Tod eines Serienkillers und die Rettung seines geplanten Opfers. Der Mann studierte die Bilder des Videobandes, seine Nikotin befleckten Finger drückten auf die Fernbedienung um den Film zurückzuspulen, abzuspielen und wiederholt zu stoppen. Zusammengekniffene Augen untersuchten die Person auf dem Bild – ein großer Mann mit dunkeln, welligen Haaren und einem vage bekanntem Gesicht, genau. Der Mann stieß eine lange Rauchwolke aus und schüttelte in ironischer Belustigung den Kopf.

*Ich habe dich immer unterschätzt, Bill. Schon so lange tot, und du überrascht mich immer noch.*

Die Hand, die nicht mit der Fernbedingung beschäftigt war, hob den Telefonhörer ab und wählte eine bekannte Nummer.

„Alex? Wir müssen reden.“


Ende
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