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The X-Files: Lost Investigations (Season 4)

von meiko

Kapitel 1: Remembrance...

The X-Files: Lost Investigantions 4.1 - Remembrance...

by meiko



Blacksburg, Virginia
9:22 p.m.

Seit Stunden saß er nun schon hier.
Unruhig schob er einen Sonnenblumenkern in den Mund und biss geistesabwesend darauf herum. Jedes Zeitgefühl war ihm abhanden gekommen, doch die Menge der zerbissenen Kerne in der kleinen Schale auf dem Tresen vor ihm sprach eine deutliche Sprache.
Genug, entschied er endlich.
Ernüchtert ließ er die Schultern hängen, reichte eine Dollarnote über den Tresen und schob sich an den Gästen vorbei ins Freie.

Kühle Nachtluft umfing ihn, doch er achtete nicht darauf. Noch immer konnte er die Worte des Informanten in sich hören, dabei lag ihr Treffen bereits mehrere Tage zurück.
Unwillig schüttelte er den Kopf. Der Tag war korrekt, auch die Zeit stimmte. Er war den Anweisungen gefolgt, hatte sich gegen unliebsame Überraschungen abgesichert und war hierher gekommen.
Er atmete tief durch, sah in den Nachthimmel hinauf.
Es wurde Zeit, sich der Realität zu stellen: Er war einer falschen Fährte gefolgt, kein Zweifel.

Ein dumpfes Brausen näherte sich ihm von Osten her. Wind kam auf und zerrte an seinem Trenchcoat. Dann sah er das Licht, das für lange Momente sein gesamtes Blickfeld ausfüllte, so als gäbe es dort draußen nichts weiter mehr.
Mit einem lauten Knall verschwand die Wirklichkeit. Willenlos ergab er sich der Schwärze der Nacht.



[Opening Credits]


Übelkeit packte ihn, als die Wirklichkeit in seinen kleinen Mikrokosmos zurück gekrochen kam – langsam, doch unerbittlich.
Die winzigen Schritte, mit der die Realität auf dem Weg in sein Bewusstsein auf ihn zugetappt kam, wurden schneller, griffen dann immer weiter aus und erreichten ihn schließlich, bevor er auch nur so etwas wie den Anschein von Ordnung in seine Gedanken gebracht hatte.

Die Sonne.
Ja, überlegte er. Es musste das Licht der Sonne sein, das durch seine noch immer geschlossenen Lieder auf die Netzhaut fiel und dort die Illusion eines heißen Wüstentages entstehen ließ.
Oder lag es nur daran, dass sich seine Kehle wie ein in der Hitze gedörrtes Stück Fleisch anfühlte – zäh und fremd in seinem Hals?
Mit einem Schlag, der eine neue Welle der Übelkeit in ihm aufsteigen ließ, kehrte die Erinnerung an sein Ich zu ihm zurück.
„Danke schön“, dachte er bitter. „Ein Wissen, auf das ich in diesem Moment gern verzichtet hätte.“

Im gleißenden Licht vor seinen geschlossenen Augen bewegte sich etwas. Schemen tanzten unentschlossen auf und nieder, vereinigten sich zu einem wilden Tanz und kamen Minuten später endlich zur Ruhe.
„Fox Mulder?“
Nein. Das konnte nicht sein. Niemand hier durfte seinen Namen wissen – wo auch immer hier war.
„Fox Mulder?“, wiederholte die Stimme geduldig, ließ nicht locker, würde ihn nicht in seinem Halbdunkel verharren lassen. „Bitte öffne die Augen.“
Die Stimme. Fest, unerbittlich, doch klangvoll und...
Mulder erstarrte innerlich. Etwas im Klang dieser Stimme kam ihm bekannt vor. Etwas, das so lange her war, dass er es wohl nur noch in den traurigen Resten seiner Erinnerung wiederfinden würde.
„Bitte, Fox. Öffne die Augen!“ Sie gab keine Ruhe.
Mulder schluckte schwer – eine Aktion, die er sofort bereute, denn das Dörrfleisch schickte nun ununterbrochene Schmerzimpulse an sein widerspenstiges Gehirn.
Es half nichts, er musste es über sich bringen und die Augen öffnen.
„So ist es gut“, sagte die junge Frau, und durch seine verklebten Lider glaubte er ein verschwommenes Lächeln auf ihrem Gesicht wahrnehmen zu können.

Sie tauchte ein Tuch in warmes Wasser, wrang es aus und tupfte damit vorsichtig über sein Gesicht. Die Wärme tat ihm gut, doch das scharfe Brennen auf der Haut ließ ihn vermuten, dass er mehrere Abschürfungen davongetragen hatte – wobei, das fiel ihm beim besten Willen nicht ein.
„Gut“, sagte die junge Frau vor ihm und stellte die Schüssel zur Seite. „Und nun öffne die Augen. Langsam, ganz langsam.“
Die Neugier trug einen eindeutigen Sieg über seine Vorsicht davon. Er tat ihr den Gefallen und blinzelte ins Licht.
Der grelle Schein war das erste, das er wahrnahm. Und es war auch nicht die Sonne, sondern ein starker Scheinwerfer, der an ein summendes Aggregat angeschlossen war und ihm nun mit aller Macht ins Gesicht leuchtete.

Mulder fuhr mit der Zunge vorsichtig über seine trockenen, splitternden Lippen und versuchte, einen Arm schützend vor die Augen zu legen.
Es gelang ihm nicht.
Er nahm seinen ganzen Willen zusammen und aktivierte jeden Muskel – vergebens.
„Hey! Warum kann ich mich nicht bewegen?“
Die junge Frau trat langsam aus dem grellen Lichtkegel in sein Gesichtsfeld und beugte sich zu ihm nieder.
„Weil du an den Stuhl gefesselt bist, Mulder!“
Nun war er hellwach. Die Übelkeit schob er geübt in die hinteren Winkel seines Bewusstseins zurück – mochte sie dort warten, bis er sich ihr angemessen würdigen konnte. Er kniff die Augen zusammen und taxierte ihre Gestalt, ließ den Blick über ihr fein geschnittenes Gesicht wandern und...
Sein Atem schnappte, dann ließ er ihn stoßweise entweichen.
„Samantha?“
Keine Antwort.
„Aber... aber du bist...“
„Tot?“, fragte sie. „Wolltest du das sagen?“
Mulders Gedanken wirbelten im Kreise, wanderten zurück. Vor zwei Jahren hatte er den endgültigen Beweis dafür gefunden, was mit seiner Schwester geschehen war.
Keine Entführung durch experimentierfreudige Außerirdische, stattdessen ein trauriges Massengrab voller Kinderleichen und... Die Erinnerung brach hervor und nahm ihm den Atem.
„Das kann nicht sein“, flüsterte er, und seine Stimme zitterte. „Es ist vorüber!“
Samantha Mulder richtete sich auf und musterte ihn mit traurigen Augen. „Du hast es noch immer nicht verstanden, oder? Du hast nur das gesehen, was du sehen solltest.“
Dann trat sie aus dem Lichtkegel und verschwand durch die Tür.
Der Scheinwerfer erlosch und Mulder blieb schwer atmend in der Finsternis zurück.



Washington D.C.
Lincoln Memorial
5:43 a.m.

Der kalte Morgenwind wirbelte die braunen Blätter aus den Parkanlagen vor sich her und trieb sie schließlich in die zitternde Wasserfläche des Reflecting Pools. Ferne Lichter tanzten auf den kleinen Wellen und schienen ihr zuzuzwinkern.

Scully zog den Mantel enger um die Schultern und unterdrückte ein Frösteln. Wie oft hatte sich ihr Partner hier schon mit Informanten getroffen. Manche von ihnen hatten sich als überaus hilfreich erwiesen, doch für einige waren die beiden Agenten nichts als Marionetten in einem wesentlich größeren Spiel gewesen.
Doch diese Zeiten waren vorüber. Seit Mulder untergetaucht war, schien diese Quelle nützlicher Informationen immer mehr zu versiegen. Es war, als ob Mulder die letzten freundlichen Stimmen mit seiner ununterbrochenen Suche nach der Wahrheit vertrieben hatte. Ihre Gedanken reisten in der Zeit zurück – damals, als sie ihm widerwillig zugeteilt wurde...
Er fehlte ihr schrecklich.

„Agent Scully?“
Eine helle Stimme erklang hinter ihr und erschrocken fuhr Dana herum. Sie war so sehr in den Anblick des Memorials vertieft gewesen, dass sie die knirschenden Schritte im Kies gar nicht wahrgenommen hatte.
„Wer möchte das wissen?“, fragte sie misstrauisch und versuchte, das Gesicht der Frau vor ihr zu erkennen.
Eine zierliche Person, vielleicht Ende Dreißig, Anfang Vierzig, die blonden Haare unter einem modischen Kopftuch verborgen.
Die Unbekannte lächelte dünn. „Noch immer die alte Vorsicht, noch immer kein Vertrauen?“
Dana verschränkte die Arme. „Vertrauen wäre unter den gegebenen Umständen mehr als unangebracht.“
Die Fremde nickte und wandte sich zum Teich. Ihr Blick wanderte langsam über die Reflexionen auf der Wasseroberfläche, dann kehrte er zu Scully zurück.
„Wir haben Informationen über ihren Partner“, sagte sie ohne Umschweife und beobachtete die Reaktion der Agentin.
In Scully schrillten einige Alarmglocken. Wenn das nur ein weiterer Trick sein sollte, um an Mulder heranzukommen, dann würde diese Frau auf Granit beißen, komme was da wolle. „Ich höre“, antwortete sie knapp.
Die Informantin lächelte erneut. „Ich weiß Ihre Vorsicht durchaus zu schätzen, Agent Scully. Dennoch sollten Sie wissen, dass es in unserer Regierung noch immer Kreise gibt, die Ihren Partner nicht vergessen haben. Denen seine Arbeit und sein...“ - Sie zögerte, bevor sie das nächste Wort aussprach – „Wohlergehen noch etwas bedeuten.“
„Danke“, gab Scully kühl zurück. „Soweit ich weiß, ist Agent Mulder seit mehreren Monaten verschwunden. Wenn Sie sich nur an mich gewandt haben, um etwas über seinen Aufenthaltsort in Erfahrung zu bringen, dann muss ich Sie enttäuschen.“
Die Fremde schüttelte ungeduldig den Kopf. „Sie verstehen nicht, Agent. Die haben ihn bereits in ihrer Gewalt, und wenn wir richtig informiert sind, ist diese Information bereits bis ins FBI vorgedrungen.“
Scully musterte sie misstrauisch. „Dann werden Sie mir sagen, wo Agent Mulder sich derzeit befindet?“
„Nein. Ich bin nur hier, um Sie zur Eile zu drängen. Wenn Sie sich nicht beeilen, werden Sie bald nichts mehr für ihn tun können, verlassen Sie sich darauf.“
Ein bitteres Lächeln zog über Danas Gesicht und sie wandte den Kopf ab. „Dann wollen Sie, dass...“ Sie hielt in ihrem Satz inne und sah sich suchend um.
Ihre Informantin war zwischen den Büschen und Sträuchern verschwunden.
Ihre Worte schufen ein merkwürdiges Echo ins Scullys Hinterkopf – ein Gefühl drohender Gefahr. Unruhig machte sie sich auf den Weg.



Washington D.C.
FBI Headquarters
6:32 a.m.

Instinktiv wich Scully zurück. Gerade noch rechtzeitig.
Eine Sekunde später wäre sie Special Agent Warren Braun in die Arme gelaufen, und nichts hätte ihr ungelegener kommen können, als gerade jetzt und hier gesehen zu werden. In dieser Etage hatte sie nichts zu suchen.
Sie atmete tief durch und zwang sich zur Ruhe. Wenn sie jetzt nicht alle Sinne zur Ordnung rief, hatte sie nichts gewonnen. Und sie brauchte sich das Gespräch mit ihrer Informantin nicht erst ins Gedächtnis zurückrufen. Sie wusste, was auf dem Spiel stand.
Dana konnte nicht verhindern, dass ein schmerzhafter Stich durch ihre Brust zog, als sie an Mulder dachte. Oh nein, so leicht würde sie es ihnen diesmal nicht machen.

Ganz langsam schob sie ihren Kopf vor, warf einen Blick den Gang entlang und huschte dann um die Ecke.
Nun hieß es schnell sein. Sie wartete bis die Überwachungskamera an der Decke automatisch in die andere Ecke des Flurs schwenkte, dann eilte sie mit federnden Schritten lautlos bis zur Tür des Deputy Directors, nestelte eine Chipkarte aus ihrer Tasche und betete in Gedanken, dass das Ding noch funktionierte.

Rotes Blinken, verflucht!
Hatte sie die Karte nicht richtig durch das Lesegerät gezogen? Also noch einmal.
Grünes Licht – es funktionierte! Ganz, wie man es ihr versichert hatte.

Hektisch durchquerte sie das Vorzimmer und sah sich in Kershs Büro um.
Sie würde ohne Licht auskommen müssen. Das Risiko, dass man sie hier entdeckte, war einfach zu hoch.
Denk nach, sprach sie in Gedanken. Wo konnte er die Akte abgelegt haben? Kersh ist ein penibler Mensch. Er würde niemals zulassen, dass...
Na bitte - die Schreibtischablage!
Hastig griff sie nach den Dokumenten und riss sie beinahe aus ihrem Umschlag. Erst musste sie ganz sicher gehen, nicht die falsche Akte erwischt zu haben.
Mist!
Fünf oder sechs Fotos glitten ihr aus den Händen und verteilten sich auf dem Teppichboden. Als Dana sich danach bückte, fiel ihr Blick auf Fox Mulders markantes Gesicht. Mulder beim Verlassen seines Wagens, Mulder beim Betreten einer Bar... Kein Zweifel, es war der richtige Umschlag.
Schnell suchte sie die herumliegenden Papiere zusammen, dann schob sie die Akte in das Innenfutter ihres Mantels.

Als sie den Türknauf des Büros in der Hand hielt, erklang plötzlich eine Stimme, die ihr durch Mark und Bein fuhr und sie erstarren ließ:
„Daran sollten Sie nicht einmal denken, Agent Scully!“
Durch das Fenster fiel das erste Tageslicht und warf einen schwachen Schein auf den Deputy Director. Alvin Kersh erhob sich aus seinem Sessel, in dem er bis zu diesem Moment in der Dunkelheit verharrt hatte und streckte seine Hand aus. „Wenn ich bitten darf.“
Das war eindeutig nicht als Frage formuliert.
Danas Nackenmuskulatur verspannte sich, doch diesmal gehorchte ihr Körper widerstandslos ihren mentalen Befehlen. „Was soll das werden?“, fragte sie kühl. „Ein Hinterhalt?“

Kersh nahm die Brille ab und biss nachdenklich auf dem Bügel herum. „Ist es nun schon so weit gekommen, Agent Scully?“
Er setzte die Brille wieder auf, und nun konnte sie die Kälte in seinen Augen deutlich erkennen. „Her mit der Akte!“ Seine Stimme hatte einen drohenden Unterton angenommen.

Erneut streckte er die Hand aus, da legte sich der Lauf einer Pistole an seine Schläfe.
Kersh erstarrte in seiner Bewegung. Direkt hinter ihm schälte sich eine zweite Gestalt aus der Dämmerung.
Danas Augen weiteten sich, als sie die markanten Gesichtszüge von Walter Skinner erkannte.

„Sir“, begann sie. „Sie sollten nicht in diese Angelegenheit...“
Skinner warf ihr einen scharfen Blick zu. „Das lassen Sie nur meine Sorge sein. Verschwinden Sie hier und tun Sie, was Sie zu tun haben.“
Nun regte sich auch Kersh. „Das wird Ihnen noch leid tun, Skinner“, knurrte er. „Damit haben Sie sich selbst ins Aus befördert.“
Skinner verstärkte den Druck, den er mit dem Lauf seiner Waffe auf Kershs Schläfe ausübte. „Das denke ich nicht. Wenn Sie es wagen, dieser Sache nachzugehen, wird es augenblicklich mehrere Zeugenaussagen zu meinen Gunsten geben. Wissen Sie, wie viele Agenten beschwören werden, mich zu dieser Stunde in Richmond gesehen zu haben?“
Kershs Gesicht verfärbte sich vor ohnmächtiger Wut. „Damit kommen Sie nicht durch.“
Skinners Lippen zeigten ein dünnes Lächeln. „Nein? Sie können es gern auf einen Versuch ankommen lassen!“
Er warf Scully einen drängenden Blick zu. Raus hier!
Scully presste die Akte an ihren Körper, wirbelte herum und huschte lautlos aus dem Büro.



Fortsetzung folgt...



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