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Richtung Nirgendwo - Über den Gleisen

von Nicole Perry

Kapitel 1

RICHTUNG NIRGENDWO 4 - ÜBER DEN GLEISEN (Originaltitel: Down The Tracks ) von Nicole Perry (nvrgrim@aol.com)
 

Datum: 22. Juni 1996
 

aus dem Englischen übersetzt von dana d. 
 

ÜBER DEN GLEISEN (1/10)
 

von Nicole Perry nvrgrim@aol.com 6/5/96
 

"...and they're thinking of the long road ahead and the strength that they will need just to reach the end and there in the silence they search for the balance between this fear that they feel and a love that has graced their lives..."
 

- cowboy junkies
 

Mulder wälzte sich ruhelos hin und her, als er erwachte. Die Reste seines Traumes waren fest in seinem Gehirn verankert, als er langsam zu Bewusstsein kam. Er gähnte und schlug die Augen auf. Er fühlte ein Gewicht an seinen Rippen. Es war nicht sehr hell in dem Zugabteil, nur die schwache Morgenröte fiel durch das Fenster an der hinteren Wand. Das Licht war gerade hell genug, um ihn Scully auf sich liegen sehen zu lassen, ihre Beine mit seinen unter der Decke verschlungen.
 

Er bewegte sich noch einmal, vorsichtig, um sie nicht zu wecken, damit er ihr friedliches Gesicht sehen konnte. Ihre dunklen Haare lagen wirr auf seiner Brust und ihr Gesicht war an seinen Arm geschmiegt. Mit einer Hand hielt sie an dem Stoff seines T-Shirts fest mit der Intensität eines Ertrinkenden, der um sein Leben kämpft. Er konnte ihren ruhigen und gleichmäßigen Atem fühlen, jeder Zug ein sanftes Streicheln an seiner Haut.
 

Mulder lag ruhig da und genoss das Gefühl ihres Körpers so nahe bei sich. Er genoss den Frieden in seinem Herzen, der von dem Wissen kam, dass sie sicher hier in seinen Armen lag. Er strich mit den Fingern durch ihre Haare und fühlte die weichen Strähnen, als er sie zurück über ihre Schultern legte. Er lauschte dem Geräusch des Zuges, das rhythmische Hämmern der Räder auf den Gleisen war ein Gegensatz zu ihren leisen Atemzügen. Dann versuchte er, einen Plan aufzustellen. So glücklich er sich auch an diesem frühen Morgen fühlte, er war sich ihrer Situation wohl bewusst. Auf der Flucht, allein, und sie konnten sich an niemanden wenden außer an sich selbst.
 

An niemanden, dachte er. Sie hat niemanden, auf den sie sich verlassen kann - außer dir.
 

Das Gewicht dieser Verantwortung lag schwer auf ihm, besonders weil er sich seiner eigenen Schwächen bewusst war.
 

Sie verlässt sich auf dich, sie zu beschützen.
 

Sie verlässt sich auf dich, sie nicht im Stich zu lassen.
 

Mulder war niemand, der an irgendein größeres Wesen irgendwo da draußen glaubte, doch er betete für die Kraft, von der er wusste, dass er sie brauchte.
 

Ein lautes Pfeifen zerriss die Stille, was bedeutete, dass sie sich einer Station näherten. Es war laut genug, um Scully aus dem Schlaf zu reißen. Sie regte sich neben ihm und fasste sein Hemd noch fester, als sie aufwachte. "Hey", flüsterte er leise.
 

"Hmmmmm", machte sie, und obwohl sie den Kopf hob, um sich den Schlaf aus den Augen zu reiben, ließ sie sein Hemd nicht los.
 

"Gut geschlafen?" fragte er, immer noch nicht viel lauter als ein Flüstern.
 

Nach ein paar Sekunden antwortete sie. "Ja. Und du?"
 

"Okay", antwortete er. Es gab nicht viel zu sagen, also tat er es nicht, sondern legte seinen Arm um sie.
 

"Wo sind wir?" fragte sie und hob den Kopf zu ihm, als ob sie immer noch die Antwort in seinen Augen lesen könnte.
 

"Bin mir nicht sicher", gab er zurück, "aber ich glaube, wir werden gleich anhalten. Ich habe die ganze Nacht lang diese Pfiffe gehört."
 

"Hmmm. Steigen wir aus?"
 

"Nein", sagte er. "Es ist noch früh und die Geschäfte haben noch nicht auf. Wir warten besser auf die nächste."
 

Sie nickte nur und vergrub ihr Gesicht wieder in seiner Schulter, ihr Körper zart und weich neben seinem.
 

Scully lag ruhig da und bekämpfte das Gefühl der Verwirrung, das drohte, über sie zu kommen. Sie konnte sich mit einer schmerzhaften, lebhaften Klarheit an die Geschehnisse des letzten Tages erinnern, durch die sie letztendlich in diesem Zug gelandet waren. Trotz ihrer Versuche, sich damit abzufinden, fühlte sie sich sehr unwohl in dem Zugabteil, und ein Teil von ihr wünschte sich zurück in das Apartment in New Orleans. Doch das Wichtigste hatte sich nach wie vor nicht geändert -- Mulder war immer noch an ihrer Seite, und sie sog die Kraft, die ihr seine Umarmung verlieh, in sich auf. Sie zog die Luft ein und inhalierte seinen Geruch, der immer noch schwach nach Staub und Schweiß vom Kampf in der Gasse war. Sie fühlte sich neben seinem warmen und starken Körper geborgen.
 

Sie seufzte leise und pfeifend und fühlte, wie er sie noch enger an sich heranzog. Seine beschützende Geste brachte ein Lächeln auf ihre Lippen, und sie versuchte das Gefühl zu verdrängen, das ihr sagte, sich von ihm zu lösen. Obwohl sie immer eine Frau gewesen war, die stolz auf ihre Unabhängigkeit und Selbstsicherheit ist, wollte sie das Gefühl dieser unglaublich beruhigenden Umarmung nicht aufgeben.
 

"Mulder", fragte sie, "was werden wir jetzt machen?"
 

"Tja, ich denke, wir gehen duschen und gucken uns dann nach etwas zu Essen um", spöttelte er.
 

"Ich meine nicht gerade jetzt", entgegnete sie. Sie wusste, dass er diese Antwort bereits von ihr erwartet hatte. "Ich meine, wie sehen unsere Pläne aus? Wo werden wir jetzt hingehen?"
 

Er zögerte lange, bevor er antwortete und sie starb während der Stille tausend Tode.
 

"Wir müssen unsere Strategie ändern, Scully. Wir können es uns nicht leisten, dauernd zu fliehen. Es ist viel zu gefährlich für dich und wir haben nie die Chance zu gewinnen, wenn wir so weitermachen."
 

"Was schlägst du also vor?" fragte sie und fühlte sich bei dem Wort "wir" unglaublich erleichtert. Auf einmal war es wieder wie früher, als sie sich als Team einen Plan ausdenken mussten, um einen Fall zu lösen.
 

"Wir müssen angreifen", sagte Mulder nach einer weiteren Pause. "Und am besten fangen wir damit an, indem wir herausfinden, wer diese Diskette gemacht hat und warum. Wir müssen die Hersteller finden und in Erfahrung bringen, von wem sie bezahlt werden."
 

Scully nickte und rieb dadurch ihr Gesicht an sein Hemd. "Verständlich. Aber wie? Wir haben keinerlei Hinweise... überhaupt keine Quellen."
 

Sie fühlte, wie Mulders Hand mit den Haarsträhnen hinter ihrem Ohr spielte. "Gestern in der Bibliothek... habe ich einiges über Droperidol herausgefunden."
 

Scully sagte nichts, sondern nickte abermals neben seiner Brust, um ihn fortfahren zu lassen.
 

"Es ist ein Opiat, ähnlich wie Morphin, aber viel stärker in seiner Wirkung. Man hat es während Vietnam verwendet, vielleicht war es auch ein Bestandteil von Nazi-Experimenten." Mulders Stimme war rau und sie wusste, dass es ihm schwer fiel, die Worte herauszubringen. "Ich glaube... ich bin mir ziemlich sicher, dass es ein Bestandteil des Mittels ist, das du in dem Labor gesehen hast. Ein Teil von was auch immer sie dir gegeben haben..."
 

Mulder verstummte und Scully tastete unter der Decke nach seiner Hand. Sie fand sie und drückte sie kurz. "Es ist in Ordnung, Mulder", sagte sie leise und hoffte, dass er das Wallen in ihrem Magen nicht hörte.
 

"Sag es mir."
 

Er räusperte sich und schaffte es irgendwie, zu Ende zu sprechen. "Durch das Mittel kann man Menschen in ein Koma versetzen... und sie durch weitere Injektionen in diesem Stadium halten... auf unbestimmte Zeit. Ich glaube... ich glaube, dass wer immer dich auch entführt hat, dieses Mittel zusammen mit einem anderen benutzt hat... um dich ruhig zu stellen, während sie... getan haben was auch immer sie getan haben."
 

Sie waren beide still, jeder in seinen eigenen Gedanken versunken. Scully nahm sich zusammen und brach die Stille. "Können wir... können wir sie durch diese Information finden?"
 

Mulder antwortete nicht sofort. "Vielleicht... können wir damit anfangen, wenn wir herausfinden, welche Firmen es herstellen und wer ihre Kunden sind. Die Einsamen Schützen könnten das für uns erledigen, denke ich."
 

Er konnte jetzt ihr Gesicht ganz deutlich sehen, wie sie in seiner Armbeuge gekuschelt lag. Ihr Ausdruck war ruhig und kontrolliert, aber Mulder spürte, dass sie sich sehr dafür anstrengen musste. Er konnte die Spannung in ihrer Stimme hören, als sie ihm antwortete.
 

"Gut. Vielleicht haben sie ja noch etwas über die Diskette herausgefunden."
 

"Vielleicht", wiederholte er und drückte ihr einen Kuss auf die Stirn. "Hoffen wir's."
 

Als ob sie sich plötzlich bewusst geworden wäre, wie nahe sie beisammen lagen, rückte Scully von ihm weg und ließ sein Hemd los, um sich zur Wand zu rollen und eine kalte, leere Lücke zwischen ihnen zu lassen.
 

"Scully?" fragte er besorgt. "Alles in Ordnung?"
 

"Ja, es geht mir gut, Mulder", sagte sie und die Worte, die er schon so oft von ihr gehört hatte, stachen ihm ins Herz. Sie entzog sich ihm, und es tat weh. Das tat es immer.
 

Gut gemacht, Mulder. Toller Schachzug. Ein nettes kleines Gespräch am frühen Morgen.
 

Mulder strich sich durch sein vom Schlaf wirres Haar und kramte in seinem Gehirn nach Worten, doch ihm fiel nichts Gescheites ein. Er wandte sich zu ihr und strich mit der Hand über ihre Wange, doch sie zuckte. "Dana... rede mit mir. Bitte." Sie antwortete nicht und sein Herz schmerzte. Er dachte darüber nach aufzustehen und sie allein zu lassen, aber er war noch nie imstande gewesen, ihr den Rücken zuzuwenden. Jetzt war keine Ausnahme.
 

Mulder konnte nicht anders und streichelte ihr Gesicht sanft mit seinen Fingerspitzen. Dieses Mal hielt sie still und als sie seine Berührung zuließ, ließ er die Luft aus seinen Lungen, von der er nicht gewusst hatte, dass er sie angehalten hatte. Ihre Haut war warm und weich und er strich langsam ihren Hals hinunter, bis der Ansatz ihrer Strickjacke ihm Halt gebot.
 

Scully schloss die Augen und Mulder nahm es als Zeichen der Zustimmung. Er gab sich weiter der Erkundung ihres Körpers hin. Er fuhr langsam über ihre Brüste und spielte mit den Knöpfen der Jacke, die zwischen ihnen lagen. Sie murmelte ein leises Stöhnen der Zufriedenheit und er lächelte.
 

Bekräftigt ließ Mulder seine Hand weiter runter gleiten und malte gemächlich beruhigende Kreise auf ihren Bauch. Die Jacke reichte nicht ganz bis zum Ansatz ihrer Jeans und ließ einen Teil ihres Bauches unbedeckt. Mulder strich mit den Fingern darüber und Scully fing plötzlich protestierend an zu kichern und ihm wurde warm ums Herz. Er konnte sich nicht an das letzte Mal erinnern, an dem sie gelacht hatte.
 

"Mulder... nicht..."
 

Sein Grinsen wurde breiter und er machte es absichtlich noch einmal. "Was nicht, Dana?"
 

Wieder bewegte sich seine Hand über ihren Bauch und sie wand sich, trotzdem es ihr nicht völlig unangenehm war. "Hör auf damit, Mulder... ich warne dich."
 

"Oh?" Seine Stimme war wärmer, tief und dunkel in seiner Brust. "*Du* warnst *mich*? Das muss ich mir merken."
 

Scully versuchte, sich zu entspannen, ruhig zu liegen und das Gefühl seiner Hand auf ihrem Körper zu genießen, aber sie konnte nicht anders. "Nicht", flehte sie kichernd. "Das kitzelt..."
 

Auf einmal waren seine Hände auf ihrem Bauch. Sie zogen an ihrem Sweater und kitzelten sie gnadenlos. Das Gefühl war unbeschreiblich und sie hatte vor lauter Lachen und den Versuchen, ihn wegzustoßen, Schwierigkeiten zu atmen. Seine Hände waren überall, sie kamen aus allen Richtungen und sie konnte ihn nicht aufhalten.
 

Mulder lachte jetzt auch, und als Scully sein Lachen hörte, merkte sie, dass sie freiwillig für eine Ewigkeit diese Tortur aushalten würde, nur um ihn so entspannt und glücklich zu hören.
 

Als sie es nicht mehr aushalten konnte, versuchte sie von ihm weg zu rollen, aber er legte sich auf sie und hielt sie unter sich fest. Für einen kurzen Moment geriet sie in Panik, und dachte an den Vortag. Doch dann fühlte sie seine Lippen an ihrer Stirn und sie erinnerte sich wieder daran, wo sie war und wer bei ihr war. Sie lachte laut und war überrascht, wie viel Spaß sie hatte.
 

"Mulder... geh... von... mir... runter", hechelte sie, jedes Wort von ihrem Kichern begleitet. Sie bereute sofort, es gesagt zu haben, denn er kitzelte sie nur noch stärker. Völlig außer Atem griff sie nach oben und fand seine Schultern. Sie rüttelte ihn mit aller Kraft, die sie noch hatte, und er hörte endlich auf.
 

Scully fühlte, wie Mulder ihre Hände nahm und ihre Finger verschränkte, als er sie wieder zurück in die Kissen drückte. Sie schnappte nach Luft, als seine Lippen ihren Hals berührten und ihn mit einer Reihe von kleinen Küssen bedeckte, bevor er ihren Mund mit seinem fand. Sie entspannte sich in seiner Umarmung und ließ es zu, dass er sich näher an sie heran schmiegte und seine Zunge ihren Mund erkundete. Sein Bart kitzelte und sie musste lächeln. Mulders Mund verzog sich ebenfalls zu einem Lächeln.
 

Viel zu früh hörte er auf und sie fühlte, wie er seinen Kopf neben ihren auf das Kissen legte, sein Atem warm an ihrem Ohr. Sie keuchte in kurzen schnellen Atemzügen, die von rasendem Hämmern ihres Herzens begleitet wurden. Sie musste einen Moment verschnaufen, bevor sie wieder sprechen konnte. "Was", fragte sie letztendlich, "war *das* denn jetzt?"
 

"Nur ein Weckruf, Scully", antwortete er mit Unschuldsmine. "Hattest du keinen bestellt?"
 

"Ich glaube, das habe ich", gab sie zurück. Sie lehnte sich zu ihm und küsste ihn leidenschaftlich, um das selbstsichere Grinsen aus seinem Gesicht zu bekommen, von dem sie sicher war, das er es hatte.
 

Mulder ging den Korridor des Zuges und sah auf die vorbeifliegende Landschaft. Er ging zum dritten Mal den Gang auf und ab und ein Blick auf die Uhr sagte ihm, dass es Zeit war, wieder zu Scully zurückzugehen. Er hatte ihr gesagt, er wolle sich in dem Zug ein wenig umschauen, aber eigentlich hatte er ihr nur ein wenig Privatsphäre geben wollen, um sich zu duschen und sich frisch zu machen. Das Zimmer war ja klein genug, dachte er bei sich. Das Letzte, was sie brauchte, war er, wie er ihr in dem kleinen Abteil dauernd auf die Füße trat.
 

Trotzdem war es schwer für ihn, sie allein zu lassen, wenn auch nur für kurze Zeit. Während der letzten halben Stunde hatten sich Mulders Gedanken nur um sie gedreht. Er bog nach links ab, als der Hauptgang in einen kleineren Nebengang überging, und beschleunigte seine Schritte. Es war umso schwerer, sie gerade an diesem Morgen allein zu lassen, wenn man bedenkt, wie sehr ihn ihre kleine morgendliche Kitzel-Party erregt hatte. Mulder wusste, dass er sich zu Scully hingezogen fühlte. Es war ihm schon einen lange Zeit bewusst gewesen und ein Teil von ihm wünschte sich, ihre Beziehung bis an die Grenzen auszuweiten.
 

Aber er wusste auch, dass Scully in letzter Zeit sehr empfindlich und verletzlich war und er wollte um keinen Preis etwas tun, was ihr das Gefühl geben würde, bedroht zu werden oder unsicher zu sein. Wieder tastete er nach der Diskette in seiner Hemdstasche, die zu einer Erinnerung an den Terror ihrer Entführung geworden war. Um sie zu bekommen hatte Scully ihr Augenlicht verloren. Sie hatte so gelitten... viel mehr als sie je hätte durchstehen müssen. Mulder wollte nichts mehr als sie beschützen, und wenn es bedeuten sollte, dass er auf Annehmlichkeiten und Vergnügen verzichten musste. Es war ein Opfer, das er mehr als willig war zu geben.
 

In diesen Gedanken verloren rannte Mulder prompt in einen anderen Fahrgast, als er um die Ecke ging. "Entschuldigung", sagte er mit einer verlegenen Handbewegung. "Ich muss wohl in diesen engen Gängen besser aufpassen."
 

"Nichts passiert", sagte der Fahrgast, ein blonder junger Mann mit einer stahleingefassten Brille, die ihm etwas von der Nase gerutscht war. Er richtete sie wieder gerade. "Das ist eine der Gefahren beim Zugfahren."
 

"Denke ich auch", gab Mulder zurück. "Ich fahre nicht oft mit dem Zug."
 

"Ah", grinste der junge Mann. "Dann werde ich wohl ein Auge nach Ihnen offen halten müssen. Zumindest, bis Sie 'Zug-Beine' bekommen haben."
 

"Okay", sagte Mulder und lächelte zurück, als der junge Mann an ihm vorbei ging.
 

Er stieg die Stufen hoch, die das Unter- vom Oberdeck trennten und einige Momente später fand sich Mulder vor der Tür zu seinem Abteil wieder. Ein Tablett mit einer Kaffeekanne, einem Kännchen Orangensaft, zwei Tassen und zwei kleinen Gläsern stand ihm zu Füßen, als er an das Abteil kam. Daneben lag eine Zeitung, die Morgenausgabe der "USA Today". Er hob das Tablett auf und klopfte wie ausgemacht dreimal an die Tür.
 

"Rick?" Ihre Stimme war gedämpft durch die Tür.
 

"Ja, ich bin's", rief er und wartete auf das Klicken des Schlosses, als sie die Tür aufmachte. Er drehte am Türgriff und betrat das Abteil. "Sieht aus, als ob sie uns einen kleinen Snack gebracht hätten", sagte er, als er die Tür hinter sich zuzog.
 

Scully stand mit einem besorgten Gesichtsausdruck in der Mitte des Raumes. "Jemand hat geklopft, aber ich... ich wollte nicht aufmachen."
 

Er trat zu dem Tisch zwischen den beiden Sesseln und stellte das Tablett vorsichtig ab, bevor er sie kurz in die Arme nahm. "Und ich bin froh, dass du es nicht gemacht hast." Er küsste sie auf die Stirn und roch dabei den sauberen Duft von Seife und Shampoo. "Fühlst du dich besser?"
 

Scully nickte und schenkte ihm ein erleichtertes Lächeln, als sie sich von ihm löste. Langsam ging sie durch das Zimmer und setzte sich auf den Rand des Bettes.
 

"Ein wenig", antwortete sie. "Aber ich wünschte, ich hätte etwas Frisches zum Anziehen."
 

"Ich auch." Genau wie Scully hatte Mulder nach seiner Dusche die Sachen vom Vortag anziehen müssen, und er wusste genau, was sie meinte. "Wenn wir das nächste Mal halten, gehen wir etwas holen. Versprochen."
 

"Ich brauche vor allen Dingen eine Haarbürste", grummelte sie. "Man bekommt hier alles mögliche gratis, nur keine Bürste." Scully fuhr sich durch ihre feuchten Strähnen und Mulder musste lachen.
 

"Es sieht gut aus, Scully -- vertrau mir. Außerdem sehen meine genauso schlimm aus."
 

"Ja, aber du hast keinen riesigen Bluterguss in deinem Gesicht."
 

Ihr Kommentar veranlasste Mulder, sie sich näher anzusehen. Der Fleck, den der Schlag mit der Pistole hinterlassen hatte, war immer noch deutlich zu sehen, allerdings war er während den letzten Stunden doch ein wenig verblasst, schien es ihm. "Ich weiß ja nicht, ob es noch sehr weh tut", sagte er, "aber es scheint, dass das Eis geholfen hat. Es ist nicht so geschwollen, wie ich erwartet hatte."
 

Sie berührte sachte den Erguss in ihrem Gesicht. "Gut", sagte sie. "Es tut auch nicht mehr so weh wie gestern." Nach einer Pause. "Wie geht es deinen Rippen?"
 

"Verhältnismäßig gut." Mulder ließ sich auf einen der Stühle fallen und sah zu, wie sie unter dem Bett nach ihren Sneakers tastete. Er konnte sie sehen, sie waren knapp außer ihrer Reichweite. Mulder wartete so lange er konnte, bevor er schließlich nachgab. "Ein bisschen mehr nach links", sagte er.
 

Scully folgte dem Hinweis und fand erleichtert was sie suchte. "Danke", sagte sie und hob den Schuh auf, der ihr am nächsten lag.
 

Mulder war froh, dass seine Einmischung sie nicht wütend gemacht hatte und fragte, "Kaffee?"
 

"Ja, klar", antwortete sie. Er nahm die Kanne und schenkte ihnen beiden ein, wobei er ihrem noch Milch zugab wie sie es gern hatte. Er wartete, bis sie ihre Schuhe zugebunden hatte und ging dann zu ihr herüber.
 

"Hier", sagte er und reichte ihr die Tasse. "Sei vorsichtig."
 

Scully nickte und nippte einmal. Sie dankte ihm und fragte dann, "Hast du nachgesehen, wo wir sind?"
 

"Ja", sagte Mulder, als er wieder zurück zum Tisch ging, um seine eigene Tasse zu holen. "Unser letzter Halt war Beaumont, Texas. Der nächste ist Houston -- der Zugbegleiter sagt, wir werden so um zehn da sein, also in ungefähr einer Stunde." Er griff nach der Zeitung, faltete sie auseinander und las die Schlagzeilen, als er an seinem Kaffee nippte.
 

"Hört sich gut an." Scully zögerte für einen Moment und legte den Kopf zur Seite. "Mulder, was machst du da?"
 

Aus irgendeinem Grund brachte ihn diese Frage aus der Ruhe, und er brauchte einen Moment, um zu antworten. "Was ich m -- äh, ich lese nur die Zeitung."
 

"Oh", machte sie, aber ihr verschlossener Gesichtsausdruck sagte ihm alles. Ihm wurde wieder einmal bewusst, wie viel sie verloren hatte. So viele kleine Dinge, dachte er, so viele Dinge, die ich für selbstverständlich halte, sind jetzt unmöglich für sie.
 

Er war plötzlich begierig, in dieser betretenen Stille das Thema zu wechseln. "Lass uns etwas zu essen holen. Hast du Hunger, Scully?"
 

Sie schenkte ihm ein Lächeln und es kam ihm vor, als hätte sie ihm wieder für seine Unachtsamkeit vergeben. "Du hast ja *keine* Ahnung. Wie weit ist es bis zum Speisewagen?"
 

"Nicht sehr weit", antwortete er und durchquerte den Raum, um sich neben sie zu stellen. Wie der perfekte Gentleman ergriff er ihren Arm. "Darf ich bitten, Mrs. Steward?"
 

"Worauf du dich verlassen kannst", sagte sie und ließ sich von ihm vom Bett zur Tür führen. Sie waren fast da, als sie fragte, "Mulder? Kannst du sie mitnehmen? Die Zeitung, meine ich." Sie drückte leicht seinen Arm. "Einer von uns sollte mitbekommen, was in der Welt so passiert."
 

Er sah das Bedürfnis, das ihre neckenden Worte verdeckten. Es brach ihm das Herz, aber er antwortete in demselben unbeschwerten Ton. "Ich werde alle Neuigkeiten mit dir teilen -- angefangen mit den neuesten Sportnachrichten." Sie lachte und er klemmte sich die Zeitung unter den Arm und öffnete die Tür.

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