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Traders in Snow

von Vanzetti

Kapitel 2

D.



Der Doktor hatte ihnen erzählt, dass die Droge ungefähr fünf Stunden wirken würde. Sie bogen die Autobahn in Pennsylvania ab und suchten nach einem isolierten Platz, wo sie den Kofferraum öffnen konnten. Ein verlassener Campingplatz war perfekt -- sie fuhren rückwärts in eine Parklücke hinein und gingen zum hinteren Teil des Wagens. Alex versuchte Marita die Schlüssel anzubieten, doch sie schüttelte den Kopf.



„Du kennst sie besser als ich“, sagte sie mit derselben kühlen Stimme, die sie seit Tunesien benutzte.



Vorsichtig drehte er den Schlüssel um und wich ein wenig zurück, während er seine Waffe griff. Der Kofferraum schwang auf, enthüllte ein wenig mehr als einen halben Meter von Dana Scully, hellwach und verdammt wütend.



Nun, dachte er, im Kofferraum eingesperrt zu sein konnte keine angenehme Erfahrung für sie gewesen sein.



Die Droge hätte nicht so schnell und so komplett ihre Wirkung verloren haben sollen. Es war vielleicht ein weiteres Zeichen, dass etwas mit ihrem Stoffwechsel anders war.



Einen Moment lang starrte sie die beiden nur an; dann begann sie sich anzustrengen, um aufrecht zu sitzen, während ihr Mund gegen das Pflaster arbeitete. Wenn Blicke töten könnten, wären sie beide ohne Zweifel tot gewesen, aber da dies nicht zu Scullys Stärken gehörte, standen die beiden einfach nur da und schauten ihr zu. Als sie es auf ihre Knie geschafft hatte, sagte Alex,



„Das ist genug, Scully.“



„Ich werde etwas Wasser holen“, war Maritas Beitrag. „Wir wollen sie nicht vertrocknen lassen.“



Er wartete, bis sie mit der Flasche zurückkam, und zeigte Scully die Waffe bevor er sie an ihren Hals drückte und das Pflaster abzog. „Kein Wort“, warnte er sie. „Nicht, dass hier jemand wäre, der Sie hören würde.“ Er nahm die Flasche von Marita und hielt sie schräg gegen ihren Mund. Bemerkte sie jetzt, dass er zwei Arme hatte, fragte er sich. Hatte sie überhaupt bemerkt, dass er vorher nur einen gehabt hatte? Sie trank ungefähr die Hälfte der Flasche, bevor sie anfing zu würgen. Er wartete, bis sie aufhörte zu husten und sprach: „Was halten Sie von einer kleinen Verhandlung, Agent Scully?“



„Einen Bundesagenten zu entführen ist ein schweres Vergehen“, schnappte sie.

„Ich habe Ihnen nichts zu sagen.“



„Das ist es, wo sie falsch liegen, Scully. Denken Sie, irgendjemandem vom FBI würde es etwas ausmachen, wenn Sie komplett von der Bildfläche verschwinden würden? Keine Chance. `Leb Wohl, Spooky. Leb Wohl, Mrs. Spooky.` Das würden sie sagen. Es würde einen Seufzer der Erleichterung geben, den man bis hier hin hören könnte.“



Er konnte Marita hinter ihm wahrnehmen, wie sie gierig die ganze Szene beobachtete. Scully schien ungerührt.



„Ich kann nicht glauben, dass selbst Sie dumm genug wären, um zu denken, dass ich mit Ihnen arbeiten würde, Krycek, nach all dem was Sie abgezogen haben.“



Er hörte sie kaum. „Sie würden mit mir arbeiten Scully. In einer Sekunde. Wenn Sie glauben würden, ich könnte Ihnen helfen, Mulder zurück zu holen.“ Sie zitterte leicht, bemerkte er. Wenn sie nicht kalt und hungrig gewesen wäre, hätte sie das niemals gezeigt. „Sie mögen es nicht, mich über ihn sprechen zu hören, oder? Ich vermute, Sie hatten nicht viel Erfolg ihn zu finden. Und Sie müssen ihn vermissen. Besonders in Ihrer – wie nennen sie es? -- Ihrer heiklen Situation.



„Sie haben ihn darauf angesetzt, Sie Bastard.“ Hatte er Scully jemals vorher fluchen hören? Er konnte sich nicht daran erinnern.



„Ich denke, wir könnten alle zu einer Art gegenseitigem Einverständnis kommen“, sagte er ruhig. „Wir bekommen, was wir wollen und vielleicht geben wir Ihnen eine kleine Information über Mulder.“



„Sie können damit anfangen, mich nach DC zu begleiten. Vielleicht können wir eine Art wirksamen Schutz ausarbeiten.“



„Wirksamer Schutz?“ Er lachte kurz auf. „Scully, wer genau denken Sie hat all die Macht in diesem kleinen Szenario? Lassen Sie mich Ihnen einen Tipp geben. Es ist nicht die Frau in Handschellen, die in den Kofferraum zurückgeschubst und betäubt wird. Marita und ich werden bekommen, was wir von Ihnen wollen, egal was. Denken Sie nur für den Rest dieses kleinen Ausflugs darüber nach.“ Er nickte Marita zu. „Gib ihr noch eine Dosis.“



Marita zögerte. „Bist du sicher, dass es ungefährlich ist?“



Es war das zweite Mal, dass sie Besorgnis für Scully ausdrückte. Vielleicht meinte sie es wirklich. „Spielt das eine Rolle?“, fragte er. Sie zuckte die Achseln und holte eine weitere Dosis aus dem Kasten im Rücksitz.



Während das Beruhigungsmittel wirkte, holte sie ein anderes Pflaster für Scullys Mund. Krycek nahm das Benutzte ab und steckte es in seine Tasche. Kein Grund, irgendwelche Beweise zu hinterlassen.



Als sie zurück in den Wagen stiegen, drehte er sich zu Marita. “Ich denke, es ist gut gelaufen. Meinst du nicht auch, dass es gut gelaufen ist?“



Marita sah betroffen aus. „Sie ist sehr mutig, wenn man bedenkt, was passiert ist.“ Sie hielt für einen Augenblick inne. „War es dir ernst, nach Mulder zu suchen?“



„Warum?“, fragte er. „Willst du?“



„Warum? Kümmert es dich?“ Sie machte seinen Ton nach.



Er hatte keine Zeit dafür. Verdammter Mulder, die ganze verdammte Zeit. „Was mich betrifft, kann Mulder in der Hölle schmoren.“



Marita nickte. „Das dachte ich.“



E.



Alex schlief endlich ein, als sie in Ohio ankamen. Sie mochte ihn, wenn er schlief. Er schaute sie nicht an, was bedeutete, dass sie ihn wirklich beobachten konnte, ohne sich zu sorgen. Und sein Gesicht, ebenso entspannt. Er hatte nicht diesen bösen Ausdruck. Oder nervös, was immer es war. Er erschien, im Großen und Ganzen, weniger gefährlich.



Alex, dachte sie, war die Personifikation von Newtons erstem Gesetz. Wach, war er immer in Bewegung: zappelnd, rennend, was auch immer. Selbst wenn er ruhig war, war er voll von dem Geheimnis der Bewegung. Wenn er stoppte, war es nur, um auf den geeigneten Moment zu warten, vorwärts zu springen. Und schlafend war er perfekt entspannt, gleichmäßig atmend, seine Ruhe war unvorstellbar zu stören. Als wenn dieser andere Mann, der Mann in Bewegung, nicht existierte und auch niemals existiert hätte. Sie erinnerte sich an .eine unterhaltsame Beschreibung der Gesetze der Thermodynamik, etwas dass sie im College gehört hatte: Du kannst nicht gewinnen, du kannst auch nicht anhalten, du kannst nicht aus diesem Spiel entfliehen. Das war Alex auch. Kurz gesagt, das waren sie und Alex.



Sie überlegte sich anzuhalten, um nach der Frau im Kofferraum zu sehen, aber das würde ihn aufwecken. Lass ihn schlafen. Scully würde leben.



Wahrscheinlich sollte sie rücksichtsvoller sein. Sie hatten ähnliche Erfahrungen durchgemacht: Sie selbst in der Impfstoffforschung und Scully im Hybridenprogramm. Sie hatten diese Erfahrungen beide überlebt. Aber dann gab es da auch genauso Unterschiede. Marita konnte sich an die Zeit in den Labors erinnern. Und Scully hatte überlebt, weil ihr Partner bereit war, alles zu tun, was auch immer es war, um sie zu retten und andere Leute - Leute wie sie - waren bereit ihm zu helfen. Marita war noch am Leben, weil sie immer noch nützlich war. Niemand wäre von seinem Weg abgekommen, um sie zu retten. Selbst Spenders Junge hatte sie nur gewollt wegen dem, was sie wusste.



Loyalität war natürlich nie eine ihrer Tugenden gewesen.



Jetzt gerade, dachte sie, war sie in Übereinstimmung mit Alex. Sie mussten wissen, was der Fötus war und wo er herkam. Laut Alex warteten die Aliens nur auf einen erfolgreichen Hybriden, damit sie den Prozess starten konnten. Es konnte auch ohne die alten Männer vorwärts gehen. Es hatte schon einen erfolgreichen Hybriden gegeben, trotzdem haben die Rebellen sie getötet und ihren Körper vernichtet. Sie hatten ebenso fast jeden getötet, der wusste, dass sie jemals existierte.



Aber Spender hatte das ganze Projekt überschauen können. Er hatte vielleicht Proben aufbewahrt, Dokumente, genug um einen neuen Hybriden zu kreieren und ihn in Scully zu implantieren. Wenn er es getan hat, musste es ebenso zerstört werden, sie stimmte Alex zu.



Mulder und Scully waren beide immun gegen das Alienvirus. Sie hatten beide Versionen des Impfstoffes erhalten, die durch aktivierte ansonsten inaktive Bereiche in der menschlichen DNA funktionierten. Diese frühen Impfstoffe waren für die Massenverabreichung ungeeignet. Aber wenn Scully ihre Immunität an den Fötus vererben würde, waren sie vielleicht fähig, es zu nutzen. Wenn das der Fall war, mussten Scully und ihr Baby um jeden Preis am Leben gehalten werden. Alex hielt es für eine entfernte Möglichkeit –Marita eigentlich auch – aber sie war erfreut, dass er ihr ernsthaft zugehört hatte und ihre Gedanken in Erwägung gezogen hatte.



Vorausgesetzt er erzählte die Wahrheit. Vorausgesetzt er hatte keine anderen Geschäfte laufen, ein heimlicher Plan, um seine eigenen Interessen zu sichern, um seine Haut auf Kosten anderer zu retten. Ohne einen Deal mit den Kolonisten konnten die Hybridengene ihn nicht retten. Andererseits war das der Deal, für den Spender ihn nach Oregon geschickt hatte. Was war, wenn er gelogen hatte über seine Unfähigkeit das Schiff zu finden. In diesem Fall würde er sie betrügen und fallen lassen.



Sie sortierte die Karten in ihrem Kopf: Das Schiff, Alexs Sinn für Selbsterhaltung, Spender, die Rebellen. Irgendwann einmal, war Sieg über Spender alles, was Alex gewollt hatte. Und sie hatte... was gewollt? Sie konnte sich nicht erinnern.



Wenn Alex doch nur nicht so eine unglaubwürdige Figur wäre, die letzte Person, bei der man denken würde, dass das Schicksal der Welt von ihr abhängt. Er war ein Mörder, ein Lügner, ein Verräter. In keiner Weise Idealist.



Wenn es Mulder wäre, würde sie sich keine Gedanken machen. Seine Güte war so bekannt, seine Besorgnis um andere rollte aus ihm heraus und ermutigte diejenigen um ihn herum zu noblen, selbstlosen Taten.



Andererseits würde Mulder niemals in der Situation sein, eine schwangere Frau zu entführen und sie durchs halbe Land zu fahren. Sie mussten vielleicht in Chicago eine Abtreibung vornehmen. Sie mussten vielleicht warten bis die Schwangerschaft zu Ende war und den Säugling von ihr nehmen. Dinge, die Mulder niemals machen würde. Machte ihn das stärker oder schwächer?



Alex bewegte sich leicht und war in einer Sekunde hellwach. „Keine Sorge.“ Sie musste es sagen. „Wir sind beide immer noch hier.“



Er grinste. „Es wird Zeit Scully eine weitere Dosis zu geben.“



„Sind die wirklich sicher, Alex?“ hörte sie sich fragen. Sie reizte ihn, um zu sehen, was er tun würde



“Warum? Was sind die Alternativen? Du wirst sie nicht überreden können, im Rücksitz zu sitzen und sich mit uns anzufreunden.“



Sie war sich fast sicher, dass es ihr egal war. Fast aber nicht ganz. „Du sagtest, wir würden sie nicht töten, wenn wir es nicht müssen. Du sagtest, dass sie lebendig nützlich sein könnte.“



Nützlich, zumindest für Alex’ feste Absichten den Kolonisten so viel Schwierigkeiten wie möglich zu bereiten.



„Pass auf, Marita“, sagte er scharf, „Jetzt mag Dana Scully noch niedlich, harmlos und wie ein Opfer erscheinen, aber sie hat Nerven aus Stahl. Sie ist vollkommen bereit uns beide zu erschießen, und dann ohne einen zweiten Gedanken zu gehen. Sie würde wahrscheinlich aussteigen.“



„Lass mich wenigstens versuchen, sie zu überzeugen. Es wird einfacher sein, wenn sie bereit ist, mit uns zu arbeiten. Wenn sie die Pläne kennt...“



Er unterbrach sie. „Was ist mit dieser „guter Cop“ Routine, Marita? Wie viel davon ist wahr?“



„Sie könnte die DNA Analyse für uns machen. Wir müssten niemanden von der Chicago Gruppe mit einbeziehen. Ich kann die Tests machen, aber ich kann die Daten nicht auswerten.“



„Marita, würdest du einem Ergebnis von ihr trauen? Und wer genau macht die Prozedur, wenn wir es müssen?“



„Müssen wir es, Alex?“ Sie hatte von den Dingen gehört, die im Kreuzungsprogramm gemacht wurden. Scully hatte ohne Zweifel Schlimmeres durchgemacht, als sie und Alex beabsichtigten, und für geringere Gründe. Eigentlich dürfte sie damit kein Problem haben.



„Nimm die nächste Ausfahrt“, sagte er rau. „Finde einen Platz zum Halten.“ Sie blickte zu ihm, aber stellte seinen Ton nicht in Frage. An der Ausfahrt war ein 24-Stunden Restaurant. Sie fuhr in den Parkplatz und saß dort, behielt ihre Hände am Lenkrad und zwang sich dazu, es nicht zu umklammern. Alles, was sie hören konnte, war sein Atmen; er sah aus dem Fenster auf die anderen Autos. „Ich kann das nicht tun, Marita“, sagte er. Von jemand anderem, wären die Worte ein Zeichen des Aufgebens gewesen; von ihm waren sie nur eine Herausforderung. Ihr Magen wurde leicht.



„Ich kann nicht mit dir arbeiten, ohne zu wissen, wann du angreifst, wann du dich aus dem Staub machst, oder mich töten wirst, oder was immer du planst.“



Sie hatte keine Zeit zum Denken. „Was ich plane?“, schrie sie und Gott sei dank war die Wut echt. „Ich! Du bist derjenige, der mich in Fort Marlene zurückgelassen hat! Du hast gesehen, was sie mir angetan haben und du hast mich dort zurückgelassen.“



„Genau“, sagte er.



Der Ausbruch hatte ihn wenigstens davon abgehalten, sie auf der Stelle zu töten: Wenn sie versucht hätte, ihre Loyalität in Frage zu stellen, war sie sicher, er hätte es getan.

„Ich kann dich nicht dazu bringen, mir zu vertrauen, Alex“, bot sie an.



„Und genau so ist es. Du kannst mir nicht vertrauen, und ich dir nicht. Verdammt.“ Er klang müde.



Sie fragte sich, ob es helfen würde, wenn sie miteinander schliefen. Auf irgendeine Weise war dies das Ehrlichste gewesen, dass sie je zusammen gemacht hatten: gewaltsam, herausfordernd, wild. Für den Rest der Zeit hatte sie die verachtungsvolle (vielleicht könnte man zurückhaltende schreiben, ansonsten hab ich auch keine Ahnung)Geliebte gespielt und er -- ok, wer konnte sagen, was Alex meinte und was er nicht meinte? Sein Plastikarm war in dieser Zeit kaum der einzige falsche Teil von ihm gewesen.



„Was könnte der Eine von uns sagen, das der andere glauben würde?“



Er lehnte seinen Kopf zurück. „Nichts, schätze ich. Komm, lass uns gehen und sehen, ob wir Agent Scully überreden können aus dem Kofferraum zu klettern und nett mit den anderen Mädchen und Jungen zu spielen.“



Sie wollte fast nach ihm greifen, als er seine Tür öffnete. Stattdessen sagte sie: „Warte!“ Er drehte sich um und starrte sie an. „Bist du sicher, dass Chicago sicher ist?“



„Was meinst du?“ fragte er, sich von ihr wegdrehend, sein Gesicht ausdruckslos.



„Er benutzte es. Über den Winter, während du....“



„Warum hast du mir das nicht vorher gesagt?“ Er trommelte seine Finger – seine linke Hand - gegen sein Knie. „Egal. Wir werden trotzdem hineingehen. Wir brauchen die Analyse. Wir müssen nur vorsichtiger sein.“ Sie sah, wie er in seinem Kopf die Möglichkeiten durchging. „Wolltest du deswegen Scully auf unserer Seite haben, wenn wir hineingehen?“ Sie zuckte die Achseln, sah weg. Er nahm ihr Kinn in eine Hand und drehte ihren Kopf zu ihm um. Seine Stimme klang ruhig und gleichmäßig. „Du weißt, Marita, ich sollte dich wirklich töten. Es würde all das Risiko beseitigen und alles einfach machen.“



Sie biss ihre Zähne zusammen, damit sie ihn nicht fragte, warum er es dann nicht getan hat. Er war zu nah; Es war eine Aktion des Willens nicht zu versuchen, sich von ihm wegzubewegen. „Auf dem Parkplatz?“, fragte sie schließlich. Ihre Stimme klang keuchend und nervös.



Er lächelte. „Ich könnte deine Leiche als Überraschung auf dem Rücksitz eines dieser Autos lassen“, schlug er vor.



Er konnte es tun, sie wusste das. Aufgrund der leichtesten Provokation. Bestenfalls waren da ein paar Dinge, die sie sagen konnte, um ihn zu stoppen. Sie überlegte sich einen Verweis auf ihre vergangene Intimität, eine sexuelle Einladung, der Protest, dass sie wenigstens in diesem Moment mit ihm ehrlich war, verwarf es jedoch wieder.



Sie dachte daran, ihn ihre Angst sehen zu lassen. Das funktionierte vielleicht, wenn er glaubte, dass es aufrichtig war. Sie entschied sich für das, was mehr oder weniger die Wahrheit war.



„Ich versuche nur, mich am Leben zu halten, Alex. Das ist alles.“



Es schien zu funktionieren. Er ließ sie jedenfalls in Ruhe und stieg aus dem Wagen.



F.



Krycek und Covarrubias mussten sich selbstsicher gefühlt haben: Sie hatten sie aus dem Kofferraum gelassen und sie in den Vordersitz gesetzt. Sogar das Pflaster hatten sie von ihrem Mund genommen; Scully dachte, dass Mulder, in derselben Lage tausend Fragen gestellt hätte. Aber sie würde nichts von dem, was sie ihr erzählten glauben und könnte die Zeit erfolgreicher verbringen, indem sie sie und ihre Umgebung beobachtete. Ihre Begleiter hatten sich im Versuch, sie zum Sprechen zu bringen abgewechselt, ihr Fragen über Mulder gestellt, über ihre Schwangerschaft, über die Akten. Sie sprachen nur zu ihr, nie miteinander, beide in sanften Plaudertönen. Gelegentlich würde einer von ihnen eine Information anbieten, vielmehr eine Frage. Sie hörte über Cassandra Spenders Tod und versuchte jegliche Reaktion aus ihrem Gesicht zu verbannen.



Irgendwo südlich von Chicago fuhren sie in eine Parklücke vor einer verlassenen Fabrik. So spät in der Nacht schienen sie meilenweit die einzigen Leute zu sein. In der Dunkelheit hatte sie den Eindruck von vergessenen Komplotten, rostenden Aluminiumwänden, Drahtzäunen um dunkle Gebäude mit Müll- und Reifenteile herum. Covarrubias, die im Rücksitz gesessen hatte, stieg zuerst aus und öffnete die Tür auf Scullys Seite, um sie aus dem Auto zu lassen; Sie entfernten die Handschellen von Scullys linkem Handgelenk und befestigten es an ihrem eigenen. Dann führten die beiden sie über den leeren Platz und um die Ecke des Gebäudes. Sie schauten sich ständig um, gaben ihr Bestes den ganzen Platz unter Beobachtung zu halten. Sie waren nervös, bemerkte sie. Sie erwarteten beinahe einen Angriff.



Sie war sich sicher, dass es keine Leute von ihr waren. Byers, Langly und Frohike würden es sofort bemerkt haben, dass etwas in New York falsch gelaufen war, aber sie konnten sie jetzt noch nicht gefunden haben. Besonders falls sie es über Skinner und Doggett versucht haben, die an ihr unerklärliches Verschwinden gewöhnt waren. Ebenso war da Kryceks beiläufige Bemerkung: „Erwarten Sie nicht, dass Skinner kommt und nach Ihnen sucht. Er gehört uns.“



Sie dachte nicht, dass sie das glaubte.



Scully ging ihre Möglichkeiten durch. Sie könnte sich auf den Boden fallen lassen und sich weigern sich zu bewegen, aber sie würden sie einfach tragen. Sie könnte schreien, um Aufmerksamkeit zu erregen, aber sie glaubte nicht, dass irgendjemand dort war, um ihr zu helfen. Oder sie könnte Zeit gewinnen. Eine Gelegenheit würde sich von selbst ergeben. Es musste. Und sie würde dafür bereit sein.



Sie erreichten eine riesige, leere Fläche im hinteren Teil des Gebäudes, und was sie dort sah, brachte sie zum Stehen. Nur für einen Moment lang; Dann gab Covarrubias ihrem Arm einen ungeduldigen Ruck und sie ging wieder vorwärts, ließ sich allerdings Zeit. Zuggleise befanden sich auf dem Gebiet hinter der Fabrik; Anders als das Gebäude waren sie nicht aufgegeben. Altbekannte fensterlose, silberne Zugwagons standen dort. Sie wusste, was innerhalb von ihnen vorging.



Krycek fiel leicht zurück, um ihren Ellenbogen zu greifen, als sie durch die offene Lücke eilten. Sie war zu konzentriert auf den Zugwagen, den sie bestiegen, um mehr zu tun, als unbewusst zu versuchen, seine Hand abzuschütteln.



Es war kein Schloss an dem Eisenbahnwaggon. Krycek kletterte hoch, um die Tür für sie zu öffnen, während Covarrubias mit dem Rücken zum Wagen und mit der Waffe bereit die Umgebung überwachte. Als er innerhalb war, zerrte er Scully hinein und Covarrubias folgte ihnen. Sie waren immer noch aneinander gekettet.



Als die Lichter angingen, führte sie die Frau weiter hinein. Während Scully sich umschaute, bemerkte sie, dass Krycek draußen geblieben war.



Plötzlich trat Scully mit ihrem nah gelegenen Bein aus, wickelte es um Covarrubias und brachte sie zum Schwanken; Sie schlug mit soviel Kraft, wie sie nur aufbringen konnte in den Körper der anderen Frau. Covarrubias verlor das Gleichgewicht und fiel zu Boden. Scully ließ sich mit ihr fallen, während sie nach der Waffe in ihrer rechten Hand griff. Als Covarrubias versuchte, den Fall abzubremsen, fegte die Waffe über den Boden und kam erst durch die Schränke am fernen Ende des Wagons wieder zum Stillstand. Das macht nichts, dachte Scully und peilte ihr nächstes Ziel an. Der Schlüssel für die Handschellen war in der rechten, vorderen Tasche von Covarrubias‘ Mantel.



Covarrubias lag mit dem Kopf nach unten unter ihr, ihr linker Arm, der immer noch an Scullys befestigt war, war hinter ihrem Rücken verdreht. Sie hörte nicht auf zu versuchen, Scully abzuschütteln und aufzustehen. Sie schrie auf vor Schmerzen, als ihr linker Arm noch weiter um ihren Rücken gezogen wurde, weil Scully versuchte in ihre Tasche greifen. Scullys linker Arm war um Covarrubias Hals gewickelt, um sie festzunageln.



Scully hielt den Atem an: Der Schlüssel lag in ihrer Hand. Genau im selben Moment griff irgendetwas nach unten und fasste ihren eigenen Hals. Sie fühlte, wie sich die kalte Mündung einer Pistole direkt darüber in sie grub, wo ihr Kopf auf ihrem Wirbel rastete.



„Sehr reizend“, sagte Krycek. „Lassen Sie den Schlüssel fallen.“ Sie wurde schlaff. Covarrubias drehte sich, immer noch am Boden liegend, unter ihr um und nahm den Schlüssel von Scullys Fingern. Sie befreite sich selbst und kettete Scullys Hände wieder zusammen, bevor sie aufstand. Krycek zerrte Scully nach oben. „Noch so ein Trick, Scully“, zischte er in ihr Ohr, „und ich werde Ihren Kopf von Ihren Schultern pusten.“ Er schubste sie vorwärts, und brachte sie zum Stolpern.



Auf diese Art und Weise – Kryceks Hand schubste sie vorwärts und Covarrubias lief auf einer Seite – durchquerten sie den Wagon. Im hinteren Teil, hinter der Plexiglastrennung, war ein metallener Untersuchungstisch, umgeben mit von Apparaten, erinnerte sie sich. Es sah aus, wie ein sehr enges Frauenarztsprechzimmer, mit allem aus Chrom anstatt von Pastelltönen.



Als diese Erkenntnis über ihre Umgebung einsickerte, trat sie wieder aus und hörte Krycek vor Schmerzen keuchen. Er hob sie mit Gewalt auf den Untersuchungstisch, während sie um sich schlug.



„Nein, verdammt noch mal!“, schrie sie. „Ihr Bastarde! Lasst mich gehen!“



Die Worte hallten durch die metallenen Wände. Sie klangen leer, sogar für sie, und sie wurde wieder still. Was würde es bringen zu schreien? Sie versuchte Covarrubias zu schlagen, als die Handschellen entfernt wurden, aber Krycek hielt ihre Handgelenke fest, bis sie auf dem Untersuchungstisch lag.



„Willst du sie knebeln?“, fragte er.



Covarrubias schüttelte ihren Kopf. „Ich muss ihr einige Fragen stellen.“ Sie wich Scullys Blickfeld aus.



Krycek blieb bei dem Tisch stehen und starrte auf sie herunter. Scully versuchte ihre panische Angst zu verbergen, als ihre Blicke sich trafen. Sie wollte ihn wissen lassen, dass sie noch nicht aufgegeben hatte. Ihr erster Versuch zu entkommen, mochte fehlgeschlagen sein, aber es würde nicht ihr letzter sein. Und falls sie entkam – sobald, sagte sie zu sich selbst, nicht falls - würde sie ihm genauso viel Gnade erweisen, wie er ihr erwiesen hatte. Sie wollte, dass er das wusste.



Er brach die Stille. „Wir hatten nicht vor, Ihre Schwester umzubringen. Es war ein Fehler. Wir hätten Sie anstatt dessen umbringen sollen.“



Der Schock brachte sie zum keuchen und es kostete sie ihre ganze Willenskraft nicht wieder aufzuschreien. Natürlich wusste sie, dass sie das eigentliche Ziel gewesen war, aber sie hätte niemals erwartet, dass er das zugeben würde. Sicher nicht auf diese Art, die Information wie eine Entschuldigung anzubieten. Ihre sichtbare Reaktion musste ihn befriedigt haben, weil er sich wegdrehte und aus ihrem Sichtfeld ging. Sie hörte ihn zu Covarrubias sprechen, aber das Blut rauschte so laut in ihren Ohren, dass sie die Worte nicht heraushören könnte.



Die Wahrnehmung, dass jemand sie berührte, brachte sie zurück zu sich selbst. Sie öffnete ihre Augen, fragte sich für einen Moment, wann sie sie geschlossen hatte, und sah Covarrubias über ihr stehen. Kühle, methodische Finger knöpften ihre Bluse auf und schoben diese von ihrem Unterleib weg. Sie wandte sich ab, um wegzukommen, unfähig diese nutzlose Reaktion zu stoppen.



Covarrubias ignorierte sie und begann, den Knopf ihrer Hose zu öffnen. Dann hörte sie für eine Sekunde auf. „Er ist nicht hier“, sagte sie. „Er ist draußen und wartet auf den Doktor.“



Dann öffnete sie den Reißverschluss und schob die Hose um Scullys Hüften. Sie pausierte erneut, als ob sie ihr Werk betrachten wolle.



Als sie zurückkam, schob sie ein Ultraschallgerät vor sich her.



Scully war ruhig, als sie das kalte Gel auf ihrem Unterleib spürte. „Erzählen Sie mir“, sagte sie. „Warum hassen Sie uns so?“



„Ich hasse Sie nicht, Agent Scully“, sagte Covarrubias. Sie klang überrascht. „Was bringt Sie dazu, das zu denken?“



„Alles, was Sie tun, tun Sie um uns zu verletzen. Sind wir denn so eine große Bedrohung?“



„Entgegengesetzt zu dem, was alle glauben, dreht sich die Welt nicht nur um Mulder und Sie.“



„Warum machen Sie das dann? Sie schickten Mulder zu diesem Schiff. Und nun versuchen Sie unser Kind umzubringen.“



Die andere Frau schaute auf sie herunter. „Sie wissen, Agent Scully, dass das vielleicht nicht Ihr Kind ist.“



„Das ist mein Baby“, sagte sie. „Meins und Mulders.“



„Scully, Sie...als Sie entführt wurden, hat man ihre Eizellen entfernt. Sie benutzen sie für die Klon- und Hybridenprogramme. Sie wurden unfruchtbar zurückgelassen.“



„Ich weiß das!“, entgegnete sie, irritiert über das falsche Mitleid, dass sie im Gesicht der anderen Frau sah. „Wir hatten IVF Behandlungen.“



Der mitleidige Blick blieb. „Sie müssen wissen, dass der Doktor uns gehörte. Es gab niemals eine Chance, dass das funktionierte. Und wir wissen über den Ausflug Bescheid, den Sie mit dem Raucher unternommen haben. Es tut mir leid, Scully, aber dieses Baby ist entweder seine Arbeit oder es ist ein Wunder. Wollen Sie nicht wenigstens wissen, was Sie in sich tragen?“



„Ich brauche es nicht zu wissen. Es gehört mir – es ist mein Kind. In mir. Sie ...Sie können das nicht verstehen.“ Sie schloss ihren Mund, entsetzt, Tränen in ihren Augenwinkeln zu fühlen. „Bitte“, sagte sie und ihre Stimme zitterte. „Lassen Sie mich gehen.“



Einen Moment lang, glaubte sie, es könnte funktionieren, als sich der Gesichtsausdruck der anderen Frau änderte. Dann sprach sie: „Sie sind nicht die Einzige, die hier gefangen ist. Niemand von uns ist wirklich frei.“



„Krycek zwingt Sie dazu ihm zu helfen, oder?“ Sie ignorierte das Gefühl des Gels, das über ihren Bauch lief.“ Hören Sie, Sie brauchen keine Angst zu haben. Ich kann Ihnen helfen. Sie haben früher Mulder geholfen. Er erzählte mir davon.“



Die andere Frau schaute aufmerksam auf den Monitor. „Das letzte Mal, als ich versucht habe Mulder zu helfen“, sagte sie, „hat es mich fast getötet.“ Covarrubias drehte sich, um sie anzusehen. „Irgendwann einmal dachte ich, Mulder würde mich retten.“



Sie brauchte nicht mehr zu sagen. Letztendlich war Mulder nicht einmal fähig gewesen, sich selbst zu retten.
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