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Leave me

von kathixf

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Sie wussten es beide, liegend auf dem großen Bett, erfüllt mit Leidenschaft, Sex
und unausgesprochener Liebe. Es würde sie einholen und früher oder später
überholen, ohne Ankündigung, schonungslos. Die Realität war wieder da, verdrängt
für eine Nacht, wiedergekehrt durch die ersten Strahlen der Sonne, welche durch
die Jalousie leuchteten.

Wie konnten sie annehmen, das Schicksal reinzulegen und sich über ihm zu erheben
mit all der Macht, die sie besaßen? Es war zu spät, zu viel geschehen, es war
geschehen. Das wahre Leben stand vor ihnen, kratzend an ihren Körpern und
langend nach Reaktionen. Ihr Körper hatte sich über seinem erhoben, lächelnd
hatte sie ihren Kopf zurückgeworfen und seinen Namen geflüstert. Küsse hatten es
besiegelt, Berührungen verschmolzen die zwei Wesen. Bereits hier war das Wissen
da. Zu realisieren, dass es komplizierter werden würde, die Welt, die Arbeit,
und sie verletzbarer als jemals zuvor machte. Die Hülle war angreifbar und das
reale Leben hatte schon jetzt Wunden hinterlassen. Die Schnitte waren nicht
tief, aber erweiterbar. Wie sollten sie das anstellen, wie überleben in dieser
rauen harten Welt, die schonungslos über sie herfallen würde?

Da war sie, die Tür mit der Aufschrift 42, sein Apartment, noch im Dunkeln. Doch
die Sonne stieg, er schloss die Jalousie ganz um noch einmal den Zauber der
dunklen Nacht zurückzuholen. Doch das Klopfen war schon da, laut, pochend und
unaufhaltsam hämmerte es in seinen Gedanken gegen die Tür. Wie sollten sie sich
selbst hinauslassen und dort bestehen?
Er wusste, es war ihm nicht möglich sie unbeobachtet mit sich zu ziehen, weit
weg in die große Welt. Ihr zarter Körper würde dem nicht gewachsen sein, er
sollte dem nicht gewachsen sein. Vorsichtig fuhr er mit den Fingern ihren
Rücken und insbesondere die Wirbelsäule nach.
Ihre dünne Haut schien zu brennen, noch immer heiß und wärmer werdend durch
seine Fingerspitzen, welche sich langsam hoch und runter bewegten. In einem
sanften, gleichmäßigen Rhythmus berührte er den atmenden Körper neben seinem.
Die Töne des Klopfens verstärkten sich und seine Ohren bluteten. Er wollte es
beenden, doch gedanklich gegen Gedanken zu kämpfen war erschwerlich, nicht
machbar, ein Weg mit Steinen, ein Steg ohne Ende. Es war da, alle waren da,
wissend, was sie getan hatten, wissend, dass Liebe im Spiel war und dass es ein
Spiel war. Eins zwei drei, was wird geschehen? Unachtsamkeit, Verletzbarkeit,
die Wucht der Wörter traf sein Innerstes. Er wollte sie nicht der Welt da
draußen überlassen, nicht in diesem Leben wollte er das „uns“ hinaus geben.
Eingeschlossen sollte es sein. Der Beschützerinstinkt meldete sich zurück,
kräftig und schreiend, an ihm zerrend ohne Rücksicht auf Verluste. Wie konnte er
sie, nach all der Liebe, weiter auf seinen Kreuzzug mitnehmen ohne sie Gefahren
auszusetzen, die er sich nie, nie, niemals verzeihen könnte? Wie könnte er ihr
je wehtun?

„Es wird sich einiges ändern, hm?“

Sie flüsterte es ins dunkle Etwas hinaus. Hatte auch sie die Tür bemerkt und das
Hämmern, welches von ihr unaufhaltsam ausging?

„Ja, das wird es“, entgegnete er ihr, seufzend und spürend, dass er ihr bereits
wehgetan hatte. Er hatte sie verletzt, ihr Dinge entrissen, Privilegien, die ihr
zustehen sollten. Er hatte nicht das Recht all dies weiter von ihr zu verlangen,
sie einem wahren Leben vorzuenthalten, auch wenn sie vorgab diese Art des
Daseins wäre in Ordnung und dass es ihr gut ginge. Er wusste, es war eine Lüge.
Eine Lüge, über Jahre aufgebaut. Es ging ihm nicht gut, obwohl er stets der
Anführer auf der Suche nach der Wahrheit gewesen war. Wie sollte sie dann erst
gesund und glücklich und zufrieden sein? Er glaubte nicht, dass sie all dies
noch einmal wählen würde, nicht freiwillig. Etwas vor der Tür begann zu
flüstern, zunächst leise und kaum vernehmbar. Das Hämmern und Pochen war durch
Worte des Schicksals ersetzt worden.
„Lass sie gehen“, flüsterte es ihm entgegen und er lauschte gespannt. Er wusste,
die Stimme hatte Recht, doch sagten ihm seine Gedanken, dass sie nicht
freiwillig gehen würde. Und er wollte sie nicht gewaltsam aus seinem Leben
verbannen. Was sollte er tun ohne sie? Sterben? Eine Möglichkeit, die er ins
Auge fasste. Sie jagten ihn und hatten ihn immer gejagt. Doch bald würden die
sie jagen, seine Geliebte, sein Ein und Alles.
Noch ist es stiller um sie als um ihn, doch es wird laut werden, um beide. Sein
Magen fühlte sich leer an, leer, verlassen, einsam und spiegelte seinen
Gemütszustand wider. Er wollte sie nicht verlieren und der Kampf zwischen seinem
Kopf und Bauch wurde unermüdlich weitergeführt ohne Hoffnung auf Rettung. Er
durfte sie nicht weiter in sein Leben und all die vorherrschenden Verstrickungen
hineinführen. Er musste sie jetzt fortschicken, hier und jetzt, ohne
egoistisches Gedankengut aufkeimen zu lassen. An sich zu denken, ein fataler
Fehler, welcher ihr vielleicht eines Tages das Leben nehmen würde.
„Du musst mich verlassen“, flüsterte er ihr in das rotbraune Haar, welches er
bis heute nur einige wenige Male in einem nicht perfekten Zustand zu Gesicht
bekommen hatte.
Er spürte, wie ihr Körper kurz zusammenzuckte und es schien, als hatte sie
aufgehört zu atmen. Es tat ihm leid, aber das Kratzen an der Tür war unermüdlich
und nur so bekam er es zum Schweigen. Seine Gedanken hatten gesiegt, doch er
fühlte sich schlechter als jemals zu vor. Er wusste, er würde sie verlieren und
seinen Kampf ohne sie bestreiten. Sie wäre ein Verlust gewesen, für ihre Mutter
und Brüder und für ihn.
Doch er... er war außer für Scully kein Verlust für die Menschheit. Ein
unbedeutender Niemand, der nur durch geglückte Schicksalswege bis zu diesem Tag
überlebt hatte und dies, obwohl er zu viel wusste, zu viel gesehen und gelitten
hatte. Allein ist er stark, zusammen sind sie schwach und das Schicksal, die
Zukunft würde sie in sich schlingen und sie nie wieder ans Tageslicht befördern.
Liebe macht blind und führt zu unvorsichtigen Handlungen, Handlungen, die sie
umbringen würden, früher oder später.
Ihr Körper begann sich wieder zu bewegen und drehte sich, sodass ihm nun nicht
mehr der Rücken entgegen zeigte, sondern ihr Gesicht, kaum erkennbar durch die
Jalousie. Ein Sonnenstrahl erhellte nur einen minimalen Teil ihres Gesichtes und
erkannte Angst und Verzweiflung, Tränen, Sorge und die Gewissheit, dass er Recht
hatte. Dennoch war ihre Antwort „nein“, klar und deutlich aus diesem
engelsgleichen Mund, welchen er erst kurz zuvor heiß und innig geküsst hatte um
sie zu einem Teil von ihm werden zu lassen.

Sie rückte näher zu ihm, seine Augen deutlich vor den ihren. „Ich werde immer an
deiner Seite sein, ich werde nicht gehen“, flüsterte sie und er verstand. Er
hatte sich in ihr getäuscht. Sie würde den ganzen Weg noch einmal gehen, all die
Strapazen auf sich nehmen, all die Steine noch einmal aus dem Weg räumen um
allein in diesem Moment mit ihm in diesem Raum zu sein, liegend in einem Bett,
sich ewige Liebe schwörend. Mit der Erkenntnis kamen die Stille und das Pochen,
all die ihn verfolgenden Stimmen, waren fort, hinaus ins weite Land.


ENDE
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