World of X

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Achilles' Heel

von Michelle Hiley

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Er hatte es schon wieder getan.



Dana Scully hatte am Sonntag morgen entspannt in ihrem Bett gelegen, als ihr Telefon klingelte. Es war Mulder der den einzigen Anruf, den die Polizei ihm erlaubte, dazu benutzte sie zu bitten ihn aus dem Gefängnis zu holen. Er war festgenommen worden als er ein militärisches Trainingsmanöver in einem geheimen Gebiet fotografiert hatte. Wie üblich. Scully seufzte, als sie ihre Kleider anzog und griff nach ihrem Portemonnaie. Sie wusste bereits was sie vorfinden würde. Einen aufgedrehten Mulder, der darauf bestehen würde, dass das alles eine Vertuschungsaktion für ein geheimes Regierungsprojekt war. Einen verärgerten Ortspolizisten und wenn sie richtig Pech hatte, irgendeinen örtlichen Beamten, den sie auch noch beruhigen müsste. Dann Skinner am Montag morgen, der Erklärungen forderte, woraufhin Mulder irgend etwas sagen würde, was Skinner noch wütender machte. Sie stieg verärgert in ihr Auto. Andere Leute konnten sonntags ausschlafen. Warum sie nicht?

Warum musste sie Mulder immer aus Schwierigkeiten herausholen? Schwierigkeiten, die er immer wieder verursachen musste ohne ihr jemals zu sagen was er tat, geschweige denn, sie um Rat zu fragen. Sie fuhr vom Bordstein. Warum tat sie das immer wieder?



*Nun, warum tust du es?*



Die Wucht dieses Gedanken traf sie ganz überraschend und plötzlich kam sie beinahe von der Straße ab. Sie gewann die Kontrolle über das Auto wieder und sammelte ihre zerstreuten Gedanken. Sie tat es, weil er ihr Partner war und das FBI es erwartete.



*Nein, das tut es nicht, Dana. Du bist nicht verpflichtet ihn aus dem Knast zu holen, nur weil er dein Partner ist. Es ist Wochenende, du arbeitest nicht und er war nicht offiziell dort denk noch mal darüber nach.*



Sie tat es, weil er ihr Freund war.



*Besser. Aber du bekommst eine menge Ärger nur für einen gewöhnlichen Freund, oder nicht? Solche Vorfälle werden langsam zur Gewohnheit, Dana. Und abgesehen von der Unbequemlichkeit und den Peinlichkeiten, fängt deine eigene Karriere an unter der Verbindung mit Fox Mulder zu leiden. Also, warum tust du es immer wieder? Warum beschützt und unterstützt du ihn weiterhin? Du glaubst doch noch nicht mal seinen Theorien! Sei ehrlich, du magst in manchen Dingen mit ihm einer Meinung sein, aber du kaufst ihm seine abenteuerlichen Theorien immer noch nicht ab. Und hier bist du jetzt und fährst an einem Sonntag einen langen Weg. Weswegen?*



Weil.....



*Nun?*



Weil er sie brauchte.



*Tut er das?*



Weil sie es so wollte.



*Aha!*



Weil.. weil....



*Mach weiter, gleich hast du’s...*



Oh, sei still!



Sie griff nach dem Radio, in der Hoffnung sich von der kleinen Stimme, die in ihrem Inneren nagte abzulenken. Sanfte Musik erfüllte das Auto. Das war besser. Weniger gefährlich. Sie lauschte der Musik, während sie auf die fast leere Straße vor ihr schaute. Im Radio sang eine weibliche Stimme, sanft und wunderschön, den Text.



In more than words, I tried to tell you, the more I tried, I failed.

I would not let myself believe that you might stray.

And I would stand by you no matter what they’d say.....”



Dana runzelte die Stirn. Diese letzte Zeile hatte sie getroffen. *Schon rausgefunden warum?* Vielleicht war das Radio doch keine so gute Idee. Die Stimme im Radio fuhr fort;



“I used to think my life was often empty, a lonely space to fill.

You hurt me more than I ever could have imagined, you made my world stand still.

And in that stillness, there was a freedom, I never felt before...”



Dana machte das Radio aus und fuhr den Rest der Fahrt in Stille.



****



Er hatte Angst!



Er hatte Abwasser-Monster, Außerirdische, Werwölfe und wer weiß, was noch während seiner ziemlich bewegten Zeit beim FBI gesehen. Aber wenn seine Partnerin schlechte Laune hatte, versetzte ihn das wirklich in Angst. Und er hatte sie an einem Sonntag morgen anrufen und bitten müssen zu kommen und ihn aus dem Knast zuholen. Schon wieder. Sie hatte nicht gerade erfreut geklungen. Wahrscheinlich hatte er sie aufgeweckt. Möglicherweise war sie noch nicht einmal allein gewesen.

Schnell verdrängte er den Gedanken.



*Was, du willst nicht, dass sie ein Leben hat? Nur, weil du keins hast?*



Ich will, dass sie glücklich ist.



*Was stört dich dann an der Möglichkeit, dass sie nicht allein war?*



Es störte mich nicht.



*Lügner.*



Mulder streckte sich müde und sah auf seine Kleider hinunter. Er war schlammig weil er über das Feld gekrochen war. Er hatte nicht duschen oder essen können. Er hoffte, dass sie bald kommen und ihn abholen würde. Und ihm die Chance geben würde sich frisch zu machen. Und er brauchte auch ein bisschen Schlaf. Vielleicht konnte er sie dazu überreden in einem Motel in der Nähe zu bleiben. Es war eine lange Fahrt. Sie könnten Montag zurück fahren, er würde es Skinner erklären. Er war auf dem Papier ihr Vorgesetzter, würde sie hier bleiben müssen, wenn er es ihr befahl? Selbst am Sonntag? Sein Mund zog sich aufwärts bei dem Gedanken Dana Scully einen Befehl zu geben. Wahrscheinlich würde sie süß lächeln, bevor sie ihn schlug. Er hatte sie schon lange als einen völlig gleichberechtigten Partner akzeptiert, die Tatsache, dass sie ihm eigentlich assistieren sollte, ging ihm nicht oft durch den Kopf. Er fragte sich, ob sie es so empfand. Sie hatte ihren Namen immer noch nicht an der Bürotür. Wenn sie zurück kamen, würde er sich darum kümmern. Vielleicht wäre es eine kleine Möglichkeit sich bei ihr dafür zu entschuldigen, dass er sie dieses Wochenende hierher geschleppt hatte.



*Und was ist mit all den anderen Wochenenden?*



Was? Die Wucht dieses Gedankens traf ihn ganz überraschend.



*Was ist mit den anderen Wochenenden, Fox? Warum holt sie dich immer wieder aus dem Knast? Du läufst ohne sie weg, du treibst sie mit deinen Theorien in den Wahnsinn. Warum rettet sie dich immer wieder?*



Ich weiß es nicht.



*Okay, dann lass uns einen anderen Weg probieren. Warum machst du das immer wieder mit ihr? Warum sagst du ihr nicht wo du hingehst, was du machst? Sie ist deine Partnerin, Fox. Ist das eine Art sie zu behandeln?*



Mulder saß in der Ecke der Zelle und dachte darüber nach.



Ich muss sie beschützen. Sie wurde schon einmal wegen mir verletzt.



*Sie ist eine FBI-Agentin! Du hast schon früher mit weiblichen Agenten zusammengearbeitet und du hast nie das Bedürfnis gehabt sie mehr zu beschützen als ihre männlichen Kollegen. Also, warum sie? Warum beziehst du sie nur soweit ein, wie du sie beschützen kannst? Was macht sie so besonders?*



Ich... Sie.... sie erschreckt mich.



*Sie *erschreckt* dich? Eine kleine Frau erschreckt dich? Warum? Ich meine, ja, sie wird dich bei lebendigem Leib braten, weil du ihr das schon wieder angetan hast, aber wenn du sie nicht außen vor lassen würdest, kämen diese Situationen gar nicht mehr vor. Willst du sie nicht als deine Partnerin?*



Natürlich will ich sie als eine Partnerin. Sie ist die beste Partnerin, die ich je hatte. Sie ist die einzige, der ich vertrauen kann.



*Warum lässt du sie dann nichts für dich riskieren, Fox? Warum bist du so ängstlich?*



Weil ich Angst habe, dass ihr was passiert. Sie ist meine größte Kraft. Ohne sie... ohne sie habe ich nichts und wenn sie das üwssten... würden sie sie benutzen, um mich zu verletzen.



*Hört sich an, als wäre deine größte Stärke gleichzeitig deine größte Schwäche.*



Mulder war still.



*Warum belastet es dich so sehr, wenn sie in Gefahr ist, Fox? Warum ist sie gleichzeitig dein verwundbarster Punkt und dein größter Schutz?*



Weil ich sie liebe.



*Wie bitte?*



Weil ich mich in sie verliebt hab. Zufrieden?



*Yup.*



****



Er saß in einer Ecke seiner Zelle, als sie hereinkam. Sie hatte geübt was sie vorhatte zu sagen. Sie würde ihn genau wissen lassen, wie sie sich dabei fühlte wieder hierher geschleppt worden zu sein. Aber beim Anblick wie er dasaß, pathetisch, traurig, heruntergekommen, mit diesem Ausdruck eines verlorenen Welpen auf dem Gesicht, schmolz sie dahin. Sie versuchte wütend zu sein, versuchte es wirklich. Aber er sah so..... sie wollte ihn so gerne in die Arme nehmen. Verdammt, *warum* war sie so schwach, wenn es um Mulder ging! Sie sollte ihn verlassen, ihm sagen wo er sich seine verdammten Akten hinstecken konnte. Aber schon als sie ihn anschrie, verflüchtigte sich ihre Wut. Als sie schließlich Luft holte, saß er da und schaute sie an. Am liebsten wäre sie in Tränen ausgebrochen.



“Mulder, warum tun Sie mir das immer wieder an?” dachte sie. Dann wurde ihr klar, dass sie es laut ausgesprochen hatte.



Mulder dachte, sein Herz würde zerbrechen. Sie sah aus, als würde sie gleich zu weinen anfangen. Sie. Dana Scully, die stärkste Person, die er kannte. Und er hatte es verursacht. Jetzt starrte sie ihn an und er erkannte, dass sie das wahrscheinlich gar nicht hatte sagen wollen.





“Scully.....” fing er an. Aber sofort hatte sie sich wieder unter Kontrolle.

.



“Es macht nichts, Mulder. Kommen Sie, machen wir, dass wir Sie hier raus schaffen.” Sie rief nach einem jungen Deputy und Mulder wurde entlassen. Er lief schweigend hinter ihr, als sie das Gebäude verließ. Draußen griff er sanft nach ihrem Arm.



“Dana.... es tut mir leid.”



Sie sah ihn an. “Tut es das? Wirklich?”



Er nickte und sie konnte sehen, dass er es ernst meinte.



“Versprechen Sie, dass Sie es nicht wieder tun?”



Er sah sie verlegen an und sie musste einfach lachen.



“Wenigstens sind Sie ehrlich. Ich schätze, das ist etwas zu viel erwartet, was?”



Sie lachte. Er hatte ihren Sonntag ruiniert, aber sie konnte immer noch die lustige Seite daran sehen. Er streckte seinen Arm aus und berührte liebevoll ihr Gesicht.



“Eines verspreche ich Ihnen, Scully.”



“Und das wäre?”



Ich versuche daran zu denken, Ihnen nächstes Mal bescheid zu sagen. Bevor Sie den Telefonanruf bekommen, meine ich.”



Sie öffnete ihren Mund für eine spitze Entgegnung, sah dann aber die Art, wie er sie anschaute. Da war Respekt zu sehen und, dass es ihm ehrlich leid tat.... und noch etwas? Oder projizierte sie nur ihre eigenen Gefühle auf ihn? Die Stille zwischen ihnen wuchs an und Scully suchte nach Worten, um sie zu durchbrechen.



“Kommen Sie schon, Partner. Ins Auto.”



“Ähm, ich habe mich etwas gefragt.”



“Was?”



“Was würden Sie davon halten bis Montag hier zu bleiben? Wir haben immer noch den Rest des Nachmittags und den Abend. Ich brauche einen Kleiderwechsel und ein vernünftiges Essen. Und ein bisschen Erholung. Es ist eine lange Fahrt und Sie sind bestimmt auch müde. Wir könnten morgen zurückfahren. Ich werde das mit Skinner regeln.”



“Mulder, falls das eine Entschuldigung ist, um mit dieser verdammten Nachforschung weiterzumachen.....”



“Nein.” Er sprach leise, aber aufrichtig. “Es gibt keinen Anhaltspunkt, sie haben mir meinen Film weggenommen und sie werden ihre Spuren inzwischen längst verwischt haben. Ich möchte es nur ein wenig wieder gut machen. Bitte, lassen Sie mich ein Hotelzimmer für uns beide bezahlen und lassen Sie sich heute Abend von mir zum Essen ausführen.”



Ausnahmsweise war Scully sprachlos. Er meinte es wirklich so. Normalerweise würde er an diesem Punkt planen, wie er die Sache, die er verfolgt hatte, als er verhaftet worden war, wieder aufspüren konnte. Oder er wäre in sich gekehrt und böse auf die Leute, denen er die Schuld dafür gab, dass sie ihn daran gehindert hatten zu bekommen, was er suchte. Aber diesmal tat es ihm wirklich leid. Nicht wegen dem, was er getan hatte – er glaubte fest an seine Arbeit – sondern weil er sie nicht daran hatte teilhaben lassen. Weil er sie dazu gebracht hatte den ganzen Weg hierher zu kommen. Sie fragte sich, ob das irgendeine raffinierte Mulder-Masche war, die sie von der Spur abbringen sollte, aber ein Blick in seine Augen zerstreute diese Befürchtung.



“Nun...”



Ihr gefiel die Idee, das wusste er. Sie möchte hier ein bisschen Zeit mit mir verbringen. Tut sie das?...Konnte sie das? Er sah sie ängstlich an. Mehr als alles andere wollte er diese Nacht in einer kleinen Stadt in der Gesellschaft von Dana Scully verbringen. Es gab Dinge, die er ihr erzählen wollte. Sie mussten gesagt werden.



“Bitte, Scully? Es wird Spaß machen. Es sieht aus, als hätten sie hier einige hübsche Restaurants.”



Sie lächelte. “Aber ich habe keine Kleider zum Wechseln oder eine Zahnbürste oder sonst irgend etwas.....”



Er grinst triumphierend. “Das ist okay. Ich muss selber ein paar Sachen besorgen. Es gibt dort drüben ein Einkaufszentrum. Ich zahle. Komme Sie schon, ein bisschen Shopping auf Mulders Kreditkarte, gefolgt von einem schönen Abend auswärts und einem gemütlichen Motelzimmer. Und ich fahre morgen zurück.



Sie lächelte. Gott, sie liebte ihn. *Tust du das?* Ja.



“Okay, Mulder, unter diesen Bedingungen: abgemacht.” *Und selbst wenn es auf Ihre Kreditkarte geht, müssen Sie das Geld nicht für zwei Motelzimmer verschleudern.* Der Gedanke ließ sie leicht erröten und sie nahm seinen Arm, um ihre Verwirrung zu verbergen.

Arm in Arm schlenderten sie auf das Einkaufszentrum zu, ihre Schwächen und ihre Stärken verschlungen zu einem gemeinsamen Band.





Ende
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